Der Begriff des typischen Bauherrenrisikos in der Rechtschutzversicherung
Was ist passiert?
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Wohnhauses und beauftragte im Jahr 2012 einen Werkunternehmer mit der Errichtung eines Wintergartens. Aufgrund eines aufgetretenen Mangels brachte sie eine Klage gegen den Werkunternehmer ein. In diesem Verfahren stellte der gerichtliche Sachverständige fest, dass lediglich eine optische Beeinträchtigung vorliegen würde. Im Vertrauen auf die Richtigkeit des Gutachtens schloss die Eigentümerin einen Vergleich mit dem Werkunternehmen.
In der Folge stellte sich jedoch heraus, dass das Sachverständigengutachten wohl unrichtig war und brachte die Eigentümerin des Wohnhauses eine Schadensersatzklage gegen den Sachverständigen ein. Für diese Klage forderte die Klägerin Rechtschutzdeckung von ihrer Rechtschutzversicherung. Diese lehnte jedoch die Deckung ab, da kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit der Errichtung bzw. baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderungen von Gebäuden sowie deren Planung und Finanzierung bestehe. Die Klägerin brachte eine Feststellungsklage gegen die Rechtschutzversicherung ein. Der Versicherungsfall falle nicht unter den Ausschlusstatbestand, weil kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Geltendmachung des Schadenersatzanspruches gegenüber dem Sachverständigen und der Errichtung des Wintergartens bestehe. Zudem sei die Bestimmung gröblich benachteiligend und intransparent.
Wie ist die Rechtslage?
Der Oberste Gerichtshof stellte in seiner Entscheidung 7 Ob 172/21a vom 15.12.2021 fest, dass die Ausschlussklausel der Rechtschutzversicherung weder überraschend, noch gröblich benachteiligend sei.
Im vorliegenden Fall sei daher lediglich zu prüfen, ob ein adäquater Zusammenhang zwischen dem Rechtsstreit gegen den Sachverständigen und der Baufinanzierung bestehe. Ein solcher Zusammenhang bestehe dann, wenn die beabsichtige Rechtsverfolgung einen Bezug zu den für die Errichtung typischen Probleme aufweise. Gegenstand des gegen den gerichtlichen Sachverständigen angestrengten Haftpflichtprozesses sei die Klärung des Vorliegens des von der Klägerin behaupteten Baumangels, sodass die beabsichtigte Rechtsverfolgung einen Bezug zu den für die baubehördlich genehmigungspflichtige Veränderung des Gebäudes typischen Problemen aufweise. Da die Klägerin eine Schadenszufügung durch ein unrichtiges Sachverständigengutachten in dem im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben geführten Gewährleistungsprozesses geltend mache, sei auch im beabsichtigten Verfahren gegen den gerichtlichen Sachverständigen gerade der im Zuge der genehmigungspflichtigen Veränderung entstandene Baumangel und letztlich die mangelfreie Leistungserbringung durch die Werkunternehmerin zu beurteilen. Damit realisiere sich in diesem Anspruch das typische Bauherrenrisiko im gleichen Maße wie durch eine unmittelbare Inanspruchnahme der Werkunternehmerin in einem Gewährleistungsverfahren wegen mangelhaft erbrachter Leistungen.
Schlussfolgerung
Der Oberste Gerichtshof bestätigte, dass das Verfahren gegen den Sachverständigen im adäquaten Zusammenhang mit der baubehördlich genehmigungsfähigen Veränderung steht. Die Rechtschutzversicherung berief sich daher zu Recht auf ihre Leistungsfreiheit infolge des Vorliegens des eingewandten Ausschlussgrundes. Es ist somit jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob ein ausreichender adäquater Zusammenhang zwischen der beabsichtigten Rechtsverfolgung und der Errichtung bzw. Veränderung von Gebäuden sowie deren Planung und Finanzierung besteht.