Die Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft im Zinshaus
5 Ob 60/22t
Was ist passiert?
Die Streitteile sind schlichte Miteigentümer einer Liegenschaft, auf der sich ein 1869 errichtetes Zinshaus mit 23 Wohnungen, drei Geschäftslokalen und zwei Rohdachböden befindet. Die Klägerin begehrte die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft durch Zivilteilung, also durch Veräußerung und Aufteilung des Kaufpreises. In eventu begehrte sie die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft durch Realteilung, also (hier) der Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum.
Wie ist die Rechtslage?
Im Gegensatz zu „Wohnungseigentum“, bei dem der jeweilige Wohnungseigentümer mit seinem Miteigentumsanteil an der Liegenschaft untrennbar das Recht zur ausschließlichen Nutzung des jeweiligen Wohnungseigentumsobjekts hat und über dieses auch verfügen kann, wird den Eigentümern bei einem „schlichten Miteigentum“ kein realer Teil zugeteilt, sondern ist jeder Einzelne Miteigentümer an der Gesamtsache und können diese über das Eigentum nur gemeinsam verfügen. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, besteht die Möglichkeit einer Teilungsklage.
Gemäß § 843 ABGB ist die Naturalteilung die Regel und die Zivilteilung die Ausnahme. Das Gesetz räumt der Realteilung damit den Vorrang ein. Die Zivilteilung kommt nur in Betracht, wenn eine Naturalteilung nicht möglich ist.
Im Verfahren über die Teilungsklage ist darüber abzusprechen, ob grundsätzlich die Möglichkeit einer Liegenschaftsteilung durch Begründung von Wohnungseigentum besteht (RS0101774). Ist das der Fall, ist ein Klagebegehren auf Zivilteilung abzuweisen (RS0013236).
Nach ständiger Rechtsprechung hat bei Realteilung jeder Miteigentümer einen Teil von annähernd gleicher Beschaffenheit und gleichem Wert zu erhalten (RS0013851). Der Naturalteilung einer Liegenschaft kommt aber auch dann der Vorrang zu, wenn ein Teilstück höherwertiger als ein ideeller Anteil bliebe, sofern der auf Zivilteilung geklagte Miteigentümer mit der Zuweisung des geringerwertigen Teils ohne Verlangen einer Ausgleichszahlung einverstanden ist (RS0126365; RS0013838). Eine solche Erklärung lag gegenständlich vor.
Die Realteilung ist darüber hinaus untunlich, wenn sie zu einer beträchtlichen Wertminderung der geteilten Sache im Vergleich zur ungeteilten Sache führt (RS0110440; RS0013831 ua). Die Klägerin brachte diesbezüglich vor, dass bei Zivilteilung ein potenzieller (Allein-)Ersteher alleine über den Dachbodenausbau entscheiden könne, bei Naturalteilung durch Wohnungseigentum die beiden Dachböden hingegen im Allgemeineigentum verblieben und daher bei der Gegenüberstellung der Schätzwerte die Ausbaufähigkeit der Dachböden nur bei der ungeteilten Sache wertmäßig zu berücksichtigen sei.
Bei der Beurteilung, ob es durch die Wohnungseigentumsbegründung zu einer beträchtlichen Wertminderung kommt, ist laut OGH jedoch von der objektiven gegenwärtigen Beschaffenheit der Gesamtliegenschaft auszugehen (RS0015827). Bei der Ermittlung des Werts der ungeteilten Sache ist somit das bestehende schlichte Miteigentum zu berücksichtigen. Fiktive Sachverhalte haben demgegenüber außer Betracht zu bleiben (vgl 5 Ob 122/16a). Die mögliche Wertschöpfung durch einen Ausbau des Dachgeschosses steht daher einer Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum nicht entgegen (5 Ob 109/21x). Die rein faktische Möglichkeit der Verwertung eines Dachbodens hängt nämlich nicht von der Art der Teilung ab.
Gegenständlich kam folglich der mit dem Eventualbegehren angestrebten Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum gegenüber der Zivilteilung der Vorrang zu.
Schlussfolgerung
»Bei der Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft kommt grundsätzlich der Realteilung der Vorrang gegenüber der Zivilteilung zu. Die Frage, ob allenfalls Gründe vorliegen, die eine Re-alteilung untunlich machen, hängt stets vom Einzelfall ab.«