Rechtsschutzversicherung: Durchsetzung von immateriellen Schadenersatzansprüchen

Was ist passiert?

Zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Versicherer bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die ARB 2017 zugrunde lagen. Die Versicherungsnehmerin erwarb über einen Onlineshop ein Hardware-Wallet. Zwischen April und Juni 2020 fanden zwei Cyberangriffe auf die Wallet-Herstellerin statt. Die Kundendaten der Versicherungsnehmerin, insbesondere Name, Adresse, Telefonnummer sowie E-Mail-Adresse, wurden im Zuge dieser Cyberangriffe gestohlen und im Internet veröffentlicht. Dadurch sah sich die Versicherungsnehmerin mit einer Vielzahl von Werbe-E-Mails, Phishing-E-Mails und Anrufen von Dritten konfrontiert. Da die Versicherungsnehmerin zudem einen „Identitätsdiebstahl“ befürchtete, begehrte sie von der Wallet-Herstellerin Schadenersatz. Nachdem der Rechtsschutzversicherer eine Deckung abgelehnt hat, landete der Fall vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

Der OGH führte in seiner Entscheidung vom 24.05.2023 (7 Ob 25/23m) zunächst aus, dass die von der Versicherungsnehmerin beabsichtigte Geltendmachung der immateriellen Schadenersatzansprüche aus der Datenschutzverletzung beim Kauf eines Hardware-Wallets gegen die Herstellerin vom Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz umfasst ist. Gemäß Art 23.2.1 ARB 2017 umfasse nämlich der „Allgemeine Vertrags-Rechtsschutz“ insbesondere die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus sonstigen Verträgen über bewegliche Sachen. Dazu zähle nach der genannten Klausel ebenso die Geltendmachung oder die Abwehr von Schadenersatzansprüchen wegen reiner Vermögensschäden, die aus der Verletzung von gesetzlichen oder (vor-)vertraglichen Pflichten entstehen.

Der OGH kam schließlich zum Ergebnis, dass die Versicherungsnehmerin mit dem Erwerb eines Hardware-Wallets einen Kaufvertrag über eine bewegliche Sache geschlossen hat. Nachdem beim Onlineshop der Wallet-Herstellerin Sicherheitslücken vorhanden gewesen seien, habe diese zudem gegen ihre vertraglichen Nebenpflichten verstoßen. Darüber hinaus habe die Versicherungsnehmerin im vorliegenden Fall einen immateriellen Schaden erlitten, da sie aufgrund der Veröffentlichung ihrer personenbezogenen Daten im Internet mit einer Vielzahl von Werbe-E-Mails, Phishing-E-Mails und Anrufen von Dritten bombardiert wurde, weshalb sie sehr stark verunsichert und beängstigt gewesen sei. Zudem habe die realistische Möglichkeit eines „Identitätsdiebstahls“ der Versicherungsnehmerin bestanden. Aus diesem Grunde bestätigte der OGH das Vorliegen der bedingungsgemäßen Voraussetzungen und die Deckungspflicht des Rechtsschutzversicherers für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen durch die Versicherungsnehmerin.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Für das Vorliegen des Versicherungsfalls trifft nach der allgemeinen Risikoumschreibung die Versicherungsnehmerin die Beweislast. Die Versicherungsnehmerin, die eine Versicherungsleistung behauptet, muss daher die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Eintritts des Versicherungsfalls beweisen. Im vorliegenden Fall ist dies der Versicherungsnehmerin gelungen«