Was ist passiert?

Im Jahr 2017 ereignete sich ein Verkehrsunfall zwischen einem bei der klagenden Partei kaskoversicherten Kraftfahrzeug und einer von der erstbeklagten Partei gehaltenen und vom zweitbeklagten Partei gelenkten Arbeitsmaschine (Muldenkipper). Beim Klagsfahrzeug handelte sich um Leasingfahrzeug. Die klagende Versicherung brachte die von ihr ermittelte Versicherungsleistung von rund EUR 12.500,– an die Leasinggeberin zur Auszahlung. Versicherungsnehmer war allerdings der Leasingnehmer und Halter des Fahrzeugs.

Die Versicherung forderte in der Folge vom Halter und vom Fahrer der Arbeitsmaschine den Ersatz der bereits geleisteten Zahlungen. Dieser Anspruch sei im Wege der Legalzession gemäß § 67 VersVG auf sie übergegangen.

Die Beklagten bestritten und brachten vor, dass eine Legalzession nach § 67 VersVG nicht eingetreten sei, weil die Versicherung nicht an den Versicherungsnehmer, sondern an die Fahrzeugeigentümerin Ersatz geleistet habe.

Das Erstgericht wies die Klage ab und verneinte das Vorliegen einer Legalzession. Das Berufungsgericht hob das Urteil auf, sprach jedoch aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Wie ist die Rechtslage?

Gemäß § 67 Abs 1 VersVG geht der Anspruch auf Schadenersatz des Versicherungsnehmers gegen einen Dritten auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt hat.

Eine Versicherung für fremde Rechnung liegt dann vor, wenn ein Versicherungsnehmer im eigenen Namen mit einem Versicherer einen Vertrag abschließt, der fremdes Interesse zum Gegenstand hat, sodass ohne Abschluss des Versicherungsvertrags ein anderer (der nunmehr Versicherte) den Schaden tragen müsste.

Im Falle der Fremdversicherung tritt nach ständiger Rechtsprechung in Bezug auf § 67 VersVG der Versicherte derart an die Stelle des Versicherungsnehmers, dass sein Schadenersatzanspruch gegen den Ersatzpflichtigen im Umfang der Versicherungsleistung auf den Versicherer übergeht. Wäre das nicht der Fall hätte der Versicherte nach Entschädigung durch den Versicherer weiter seinen Anspruch gegen den Schädiger. Dies soll durch die gesetzliche Bestimmung des § 67 VersVG verhindern werden.

Nunmehr hatte der OGH die Frage zu klären, ob nur die Zahlung an den Versicherungsnehmer (im konkreten Fall an den Leasingnehmer) oder auch jene an den Versicherten den Anspruchsübergang bewirkt. Der OGH kommt im Urteil zu 2Ob1/21t vom 29.04.2021 zum Ergebnis, dass zur tatsächliche Leistung an den Versicherungsnehmer, auch die Leistung an den empfangsberechtigten Versicherten zählen würde.

Schlussfolgerung

Erbringt der Kaskoversicherer nach einem Verkehrsunfall die Versicherungsleistung nicht an den Versicherungsnehmer, sondern direkt an den Versicherten, wie beispielsweise den Fahrzeugeigentümer und Leasinggeber, so bewirkt dies den Forderungsübergang nach § 67 Abs 1 VersVG, wenn der Versicherte empfangsberechtigt ist. Der Kaskoversicherer ist in diesem Fall zum Regress gegen den Schädiger aktiv legitimiert.

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer hat die versicherte Liegenschaft an den Erwerber veräußert. Der Erwerber war mit Anfang Juli zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs davon in Kenntnis, dass ein Versicherungsverhältnis besteht. Mehr Informationen zum Versicherungsverhältnis hatte der Erwerber zunächst nicht. Die Kündigung des Veräußerers wurde schließlich abge-lehnt. Der Veräußerer teilte dies dem Erwerber mit Ende Juli mit und übermittelte diesem zum ersten Mal die konkreten Versicherungsdaten. In der zweiten Augustwoche wurde das Versi-cherungsverhältnis vom Erwerber gemäß § 70 Abs. 2 VersVG aufgekündigt. Die Versicherung lehnte die Kündigung mit der Begründung ab, dass der Erwerber, ausgehend von der erstma-ligen Kenntnis des bestehenden Versicherungsvertrages Anfang Juli, die einmonatige Frist nicht eingehalten hat.

Wie ist die Rechtslage?

Nach § 70 Abs. 2 VersVG ist der Erwerber der versicherten Sache dazu berechtigt, das Versicherungsverhältnis zu kündigen, wenn das Kündigungsrecht innerhalb eines Monats nach dem Erwerb ausgeübt wird. Diese Kündigungsfrist beginnt allerdings erst dann, wenn der Erwerber von der Versicherung Kenntnis hat. Von diesem Zeitpunkt weg hat der Erwerber sohin einen Monat Zeit, den Vertrag mit sofortiger Wirkung aufzukündigen.

Im (noch) anhängigen Rechtsstreit geht es um die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Frist im Sinne von § 70 Abs. 2 VersVG ausgelöst wurde. Legt man den Sachverhalt der bisher dazu ergangenen Rechtsprechung bzw. der Lehre zugrunde, sollte dies erst jener Zeitpunkt sein, zu welchem dem Erwerber die Versicherungsdaten hinreichend bekannt waren. In diesem Fall wäre die Kündigung gemäß § 70 Abs. 2 VersVG noch rechtzeitig erfolgt.

Hatte der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs nämlich keine Kenntnis von der „konkreten“ Versicherung, so läuft die Frist zur Kündigung bis zum Ablauf eines Monats ab Kenntniserlan-gung. Kenntnis von der Versicherung bedeutet, in Kenntnis jener Informationen zu sein, die den Erwerber in die Lage versetzen, sein Kündigungsrecht auszuüben. Es muss daher sowohl die Kenntnis vom Bestehen des Vertrages, als auch die Kenntnis vom „konkreten Versicherer“ vorliegen (siehe dazu OGH 7 Ob 50/74, SZ 47/56; BGH 28.04.2004, IV ZR 62/03, (Frank-furt/M) = VersR 2004, 765; hM, vgl Grassl-Palten, Sacherwerb 288).

Schlussfolgerung

Bei Veräußerung der versicherten Sache und beim Willen einen bestehenden Versicherungs-vertrag sofort auflösen zu wollen, sollte der Veräußerer vorsorglich um Bekanntgabe der kon-kreten Versicherungsdaten eines allfällig bestehenden Versicherungsvertrages ersucht wer-den, damit eine diskussionslose, fristgerechte Kündigung möglich ist.

Was ist passiert?

In einem aktuellen Fall wurde zwischen dem Kläger und der beklagten Versicherung eine Krankenzusatzversicherung abgeschlossen. Der Kläger litt schon länger an einer beschwerdefreien Gonarthrose im linken Knie. Am 21.04.2018 stürzte er über eine Treppe, verletzte sich an diesem Knie und erlitt (lediglich) einen Gelenkserguss. Diese Verletzung aktivierte jedoch die Gonarthrose und führte zu starken Schmerzzuständen. Der Kläger begab sich in stationäre Behandlung einer Privatklinik und erhielt wenige Tage nach dem Sturz ein künstliches Kniegelenk. Dies wurde aufgrund der ausgeprägten Schmerzen und der bereits vorher bestandenen Gonarthrose notwendig. Ohne diesen Sturz wäre eine Knieprothese beim bis dahin beschwerdefreien Kläger erst mittel- bis langfristig erforderlich geworden.

In weiterer Folge begehrte der Kläger von der beklagten Versicherung den Ersatz der Behandlungs- und Operationskosten. Die Vorinstanzen wiesen die Klage mit der Begründung ab, dass die Prothese auch ohne den Sturz erforderlich geworden wäre. Der Oberste Gerichtshof (OGH) musste in seiner Entscheidung vom 24.03.2021 (7 Ob 3/21y) schließlich überprüfen, ob die bestehende Vorerkrankung zur Deckungsablehnung berechtigt.

Wie ist die Rechtslage?

Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen wurde als Versicherungsfall die »medizinisch notwendige Heilbehandlung des Versicherten wegen Krankheit oder Unfallfolgen« definiert. Auf allfällige Vorschäden wird in diesen Bedingungen hingegen in keinster Weise Bezug genommen.

Nach Ansicht des OGH sehen daher die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen auch keine sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes in Bezug auf Vorschäden vor. Eine solche Begrenzung sei für einen durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang klar erkennbar. Vor diesem Hintergrund sei von einer uneingeschränkten Deckungszusage für Heilbehandlungen auszugehen, sofern solche Heilbehandlungen als Folge eines Unfalls notwendig werden, also ein Unfall auch – unter Umständen neben einer Vorerkrankung – kausal dafür ist. Da die Schmerzen im Knie des Klägers erst durch den Sturz aktiviert wurden und nur dadurch die Knieoperation zu diesem (früheren) Zeitpunkt notwendig wurde, ist die Versicherung zur Deckung verpflichtet.

Schlussfolgerung

Werden in Versicherungsbedingungen daher Vorschäden nicht ausdrücklich vom versicherten Risiko ausgeschlossen, genügt es für eine Deckung bereits, dass Heilbehandlungen durch einen Unfall zumindest mitverursacht worden sind.

Was ist passiert?

Der verstorbene und überschuldete Erblasser hatte eine Erlebensversicherung abgeschlossen. Als Bezugsberechtigte für den Ablebensfall hat er „die Erben“ eingesetzt. Bei wem es sich um „die Erben“ handelt, hat der Erblasser offengelassen.

Als der Ablebensfall eintrat, hinterließ der verstorbene Erblasser zwei gesetzliche Erben, die zu gleichen Teilen die Erbschaft antreten hätten können. Nachdem der Erblasser über die Versicherungsleistung im Ablebensfall verfügt hat, wurde die Versicherungsleistung den tatsächlichen Erben, nämlich den gesetzlichen Erben, ausbezahlt.


Nachdem die Verlassenschaft überschuldet war, wurden die Aktiva aus der Verlassenschaft an die Gläubiger an Zahlungs statt überlassen. Die Aktiva waren zur Bedienung der Masseforderungen unzulänglich, weshalb auch der vormalige Erwachsenenvertreter des Erblassers, dem beschlussmäßig ein Entschädigungsanspruch zuerkannt wurde, leer ausging. Dieser vertrat allerdings die Rechtsansicht, dass der Anspruch aus der Lebensversicherung des Erblassers tatsächlich in die Aktiva mit aufgenommen werden hätte müssen, zumal die gesetzlichen Erben keine Erbantrittserklärungen abgaben und somit faktisch keine Erben sind. Dies hätte dazu geführt, dass die von ihm geforderte Entschädigungsleistung aus den Aktiva hätte bedient werden können.

Wie ist die Rechtslage?

Nach § 166 Abs. 1 VersVG ist dem Versicherungsnehmer die Befugnis eingeräumt, bei einer Kapitalversicherung ohne Zustimmung des Versicherers einen „Dritten“ als Bezugsberechtigten zu bezeichnen. Gem. § 167 Abs. 2 VersVG sind im Zweifel diejenigen, welche zur Zeit des Todes als Erben berufen sind, nach dem Verhältnis ihrer Erbteile bezugsberechtigt, sofern die Zahlung an die Erben ohne nähere Bestimmung ausbedungen wurde und die Leistung des Versicherers nach dem Tod des Versicherungsnehmers erfolgen soll.

Im abgeführten Rechtsstreit darüber, ob die gesetzlichen Erben, die die Erbschaft nicht antraten, bezugsberechtigt und die Ablebensleistung in die Aktiva der Verlassenschaft zu berücksichtigen sind, hat der OGH in der Entscheidung 2Ob73/20d (siehe dazu RS0133526) klargestellt, dass die Bezugsberechtigten, nämlich „die Erben“ vom Versicherungsnehmer ausreichend bestimmt wurden und die Ausschlagung der Erbschaft keinen Einfluss auf die Bezugsberechtigung hat, da dies mit dem Willen des Versicherungsnehmers nicht zu vereinbaren wäre. Der OGH hat daher ausgesprochen, dass die potenziellen Erben auch dann bezugsberechtigt bleiben, wenn die Verlassenschaft nicht angetreten und den Gläubigern an Zahlungs statt überlassen wird (siehe dazu insbesondere auch Schauer in Fenyves/Schauer/VersVG4 § 167 VersVG Rz 1,12 und 14, sowie Winter in Bruck/Möller/Versicherungsvertragsgesetz9 § 160 Rz 30).

Schlussfolgerung

Sollen »die Erben« für den Ablebensfall bezugsberechtigt sein, so bleiben sie auch dann bezugsberechtigt, wenn die Verlassenschaft den Gläubigern an Zahlungs statt überlassen wird. Will der Versicherungsnehmer das Bezugsrecht aber daran koppeln, dass nur diejenigen die Ablebensleistung erhalten, die in den Nachlass auch tatsächlich einantworten, so ist dies vom Versicherungsnehmer bei der Bezeichnung des Bezugsberechtigten entsprechend klarzustellen.

Was ist passiert?

Im vorliegenden Fall war der Beklagte gewerblicher Mieter eines Gebäudes, das bei der Klägerin feuerversichert war. Der Beklagte hat zunächst Schweißarbeiten an einer Fahrzeugkarosserie verrichtet. Unmittelbar nach Beendigung der Arbeiten hat er es verabsäumt, eine erste Nachkontrolle durchzuführen. Der Beklagte ließ das Fahrzeug vielmehr ohne weitere Maßnahmen und Kontrollen unbeaufsichtigt, um sich zu einem Kunden zu begeben. Bedingt durch die Schweißarbeiten kam es zu einem Gebäudebrand, wobei die Schäden von der Klägerin beglichen wurden. In seiner Entscheidung vom 21.10.2020 (7 Ob 106/20v) musste der OGH schließlich die Frage beantworten, ob sich die Gebäudeversicherung beim Beklagten als Mieter des Gebäudes erfolgreich wegen grober Fahrlässigkeit regressieren kann.


Wie ist die Rechtslage?

Nach der ständigen Rechtsprechung des OGH ist grobe Fahrlässigkeit im Bereich des Versicherungsvertragsrechts dann gegeben, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen. Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wusste oder wissen musste, dass es geeignet ist, die Gefahr des Eintritts eines Versicherungsfalls herbeizuführen oder zu vergrößern. Die Schadenswahrscheinlichkeit muss offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres nahe liegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen. Als brauchbare Anhaltspunkte, von denen die Beurteilung im Einzelnen abhängen kann, kommen die Gefährlichkeit der Situation, die zu einer Sorgfaltsanspannung führen sollte, der Wert der gefährdeten Interessen, das Interesse des Handelnden an seiner Vorgangsweise und schließlich die persönlichen Fähigkeiten des Handelnden in Betracht.

Nach Ansicht des OGH handelt es sich bei Schweißarbeiten um eine systembedingt brandgefährliche Tätigkeit. Im vorliegenden Fall hat die Brandgefahr aufgrund der hohen Leitfähigkeit die gesamte Karosserie betroffen und war daher besondere Vorsicht geboten. Nach dem Stand der Technik war eine erste Nachkontrolle unmittelbar nach Beendigung Schweißarbeiten (Kaltblasen) vorgesehen und zählte eine solche Kontrolle aus technischer Sicht noch zum Schweißvorgang selbst. Die Schadenswahrscheinlichkeit bei einem derartigen Vorgehen war daher nach Ansicht des OGH offensichtlich, weshalb die unterlassene Nachkontrolle unter den festgestellten Umständen als grobe Fahrlässigkeit beurteilt wurde.

Schlussfolgerung

Schweißarbeiten an einer Fahrzeugkarosserie sind als systembedingt brandgefährliche Tätigkeiten einzustufen. Kümmert man sich unmittelbar nach solchen Arbeiten nicht um eine Nachkontrolle, sondern lässt die Fahrzeugkarosserie ohne weitere Maßnahmen unbeaufsichtigt, so ist dies als grobe Fahrlässigkeit zu qualifizieren. Im vorliegenden Fall war daher ein Regress gegen den Beklagten als Mieter des feuerversicherten Gebäudes gerechtfertigt.

Was ist passiert?

Am 03.07.2011 brannte das bei der Beklagten versicherte Gebäude der Klägerin beinahe zur Gänze ab und hatte das Gebäude nach dem Brand noch einen Restwert von circa EUR 120.000,00. Nach einem der Klägerin bekannten Sachverständigengutachten wurde unter der Überschrift „Schadenbild und Reparaturbeschreibung“, eine Trocknung der Deckenkonstruktion infolge Durchfeuchtung durch das Löschwasser angesprochen und wurde erwähnt, dass sich im Keller Löschwasser befindet und der Keller durch Raumtrockner zu trocknen sei. Die vom Löschwasser durchnässten Gebäudeteile wurden jedoch von der Klägerin über einen Zeitraum von sieben Jahren zu keiner Zeit getrocknet. Dadurch kam es im Gebäude zu einer Schimmelbildung, was zur Abbruchreife des Gebäudes geführt hat. Die Klägerin begehrte schließlich von der Beklagten mit ihrer Klage die Bezahlung des vor der Schimmelbildung vorhandenen Gebäuderestwertes von EUR 120.000,00.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 27.01.2021 (7 Ob 185/20m) musste sich der OGH nunmehr mit der Frage auseinandersetzen, ob die Vergrößerung des Schadens in Folge Schimmelbildung auf einen grob fahrlässigen Verstoß der Klägerin gegen ihre Rettungsobliegenheit zurückzuführen ist. Nach § 62 Abs 2 VersVG ist der Versicherer von der Leistung frei, wenn der Versicherte die Obliegenheit, nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen und Weisungen des Versicherers einzuholen oder zu befolgen, vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat.

Die Rettungsobliegenheit gilt zeitlich unbeschränkt, solange der Schaden abgewendet oder gemindert oder der Umfang der Entschädigung gemindert werden kann. Sie verlangt inhaltlich vom Versicherungsnehmer die ihm in der jeweiligen Situation möglichen und zumutbaren Rettungsmaßnahmen unverzüglich und mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu ergreifen. Der Inhalt der Rettungs- und Schadenminderungsobliegenheit bestimmt sich danach, wie sich der Versicherungsnehmer verständigerweise verhalten hätte, wenn er nicht versichert wäre. Dabei hat der Versicherer den Verstoß gegen die Obliegenheit, der Versicherungsnehmer das Fehlen von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit zu beweisen.

Nach Ansicht des OGH weiß ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer, dass Feuchtigkeit in einem Haus zu Schimmelbildung führen kann und er einer solchen Gefahr mit Abwehrmaßnahmen begegnen würde. Die Verletzung der Rettungsobliegenheit wurde daher im vorliegenden Fall aufgrund der Untätigkeit der Klägerin bejaht.

Blieb noch zu prüfen, ob die Klägerin grobe Fahrlässigkeit zu verantworten hat. Grobe Fahrlässigkeit wird im Versicherungsvertragsrecht dann als gegeben erachtet, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen. Nach Ansicht des OGH lässt das Sachverständigengutachten weder auf einen Totalschaden, noch darauf schließen, dass der Aufwand für Trocknungsmaßnahmen verloren wäre. Es sei daher kein nachvollziehbarer Grund für das Unterlassen von Trocknungsmaßnahmen oder zumindest für das Unterbleiben der Einholung einer Weisung bei der Versicherung für allfällige weitergehende Rettungsmaßnahmen ersichtlich. Nach Ansicht des OGH kann daher die Klägerin in einem solchen Fall das fehlende grobe Verschulden nicht nachweisen, was zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers führt. Im vorliegenden Fall waren jedoch die Feststellungen zum Sachverständigengutachten unklar, weshalb die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an die untere Instanz zurückverwiesen worden ist.

Schlussfolgerung

Im Zweifel sollte daher in jedem Schadenfall mit dem Versicherer abgeklärt werden, ob weitergehende Sanierungsarbeiten vorzunehmen sind, um die mögliche Gefahr, die Rettungsobliegenheit zu verletzten, möglichst zu minimieren.

Was ist passiert?

Im Jahre 2012 hat sich ein Rechtsanwalt bei sich zu Hause mit seinem Versicherungsmakler persönlich getroffen. Im Rahmen dieser persönlichen Beratung unterfertigte der Rechtsanwalt (als Verbraucher) einen Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung. Der Versicherungsmakler nahm den vom Rechtsanwalt unterzeichneten Versicherungsantrag mit und übermittelte diesen anschließend dem Versicherer.

Nach dem Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz (FernFinG) kommt einem Verbraucher das Recht zu, von einem im Fernabsatz abgeschlossenen Vertrag oder einer Vertragserklärung zurücktreten (§ 8). Eine Belehrung durch den Versicherungsmakler über dieses Rücktrittsrecht erfolgte jedoch nicht.

Im Jahre 2018 erklärte der Rechtsanwalt gegenüber dem Versicherer, unter anderem wegen der schlechten Performance der Lebensversicherung, den Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrag. Den Vertragsrücktritt begründete der Rechtsanwalt im Wesentlichen damit, dass er zu keiner Zeit über das bei Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher bestehende Rücktrittsrecht belehrt worden sei. Nachdem vom Versicherer die Ansicht des Rechtsanwaltes nicht geteilt wurde, brachte der Rechtsanwalt eine Klage beim zuständigen Gericht ein.


Wie ist die Rechtslage?

Der Oberste Gerichtshof führte in seiner – im RIS noch nicht veröffentlichten – Entscheidung vom 17.12.2020 (7 Ob 147/20y) im Wesentlichen aus, dass ein Versicherungsmakler im Zuge eines persönlichen Treffens mit seinem Kunden selbst umfangreiche und detaillierte Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten hat, denen er im Fall der Unterfertigung eines Antrags auf Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags nachkommen muss. Diese Pflichten des Versicherungsmaklers seien nach Ansicht des OGH jener Informationslage gleichwertig, die durch die Rechtsbelehrung im Fernabsatz vermittelt wird. Vor diesem Hintergrund vertrat der OGH die Rechtsansicht, dass der im Fernabsatz angestrebte Schutz von Verbrauchern bereits mit der persönlichen Beratung durch den Versicherungsmakler zur Gänze gewährleistet sei. Aus Sicht des OGH besteht daher für Verbraucher in solchen Fällen kein Rücktrittsrecht nach § 8 FernFinG.


Schlussfolgerung

Wird von einem Verbraucher eine Vertragserklärung im Zuge einer persönlichen Beratung durch den Versicherungsmakler abgegeben, so wird der im Fernabsatz angestrebte Schutz des Verbrauchers bereits zur Gänze durch den Versicherungsmakler gewährleistet. Für ein Rücktrittsrecht nach § 8 FernFinG besteht in solchen Fällen kein Raum. Die Klage des Rechtsanwalts blieb daher in allen Instanzen erfolglos.

Was ist passiert?

Der Kläger war Vorstandsvorsitzender einer österreichischen Bank und war in dieser Position Mitversicherter einer abgeschlossenen Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Unternehmensleiter (D&O).

Nach seiner Kündigung erhob er im Jahr 2009 aufgrund diverser Forderungen Klage gegen seinen früheren Arbeitgeber. Die Bank wandte im Verfahren vor dem ASG Wien Schadenersatzansprüche von rund 70 Millionen Euro aufrechnungsweise ein und erhob eine Widerklage über rund 3 Millionen Euro. Erst vier Jahre später, im Jahr 2013 brachte die Bank eine Schadenersatzklage über 35 Millionen Euro gegen den Kläger ein.

Die D&O Versicherung lehnte die Deckung mit der Begründung ab, dass die prozessuale Aufrechnungserklärung im Verfahren vor dem ASG Wien keine der Versicherungsbedingungen entsprechende Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches sei und die Frist der Nachhaftung (zwölf Monate) somit bereits abgelaufen sei.


Wie ist die Rechtslage?

Die D&O Versicherung beruht auf dem Prinzip der Anspruchserhebung (Claims-made-Prinzip). Der Versicherungsfall besteht darin, dass der Versicherte wegen einer Pflichtverletzung in Ausübung einer Tätigkeit als versicherte Person erstmals schriftlich für einen Vermögensschaden in Anspruch genommen wird, sofern die versicherten Personen von der Pflichtverletzung bis zum Abschluss der Versicherung keine Kenntnis hatten. Damit tritt der Versicherungsfall mit der schriftlichen Anspruchserhebung ein.

In der Entscheidung 7 Ob 127/20g entschied der Oberste Gerichtshof, dass eine Anspruchserhebung oder Geltendmachung von Haftpflichtansprüchen dann vorliegt, wenn der tatsächlich oder vermeintlich geschädigte Dritte seinen Entschluss in einer Art und Weise zu erkennen gibt, die als ernstliche Erklärung auf Verlangen nach Schadenersatz verstanden werden kann.

Der Oberste Gerichtshof hält fest, dass eine Bezifferung des Anspruchs zwar nicht verlangt werde, der Vortrag des Anspruchstellers müsse aber geeignet sein, eine Bestimmung des angeblich haftungsbegründenden Sachverhalts vorzunehmen. Eine Aufrechnungserklärung, die die Darstellung der rechtlichen und faktischen Umstände enthält, auf die der geschädigte Dritte die Haftung des Mitversicherten für Schadenersatzforderungen stützt, sei der Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gleichzuhalten.


Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weirnrauch: „Im vorliegenden Fall hat dies zur Folge, dass die Aufrechnungserklärung im Verfahren vor dem ASG Wien bereits als Anspruchserhebung und Geltendmachung von Haftpflichtansprüchen zu werten ist. Die Anspruchserhebung erfolgte somit innerhalb der Nachfrist und besteht daher eine Deckungspflicht für die D&O Versicherung.“

Deckungsablehnung wegen unterlassener Verständigung vom Verkehrsunfall

Was ist passiert?

Ein Fahrzeuglenker hat einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und es verabsäumt, diesen in Entsprechung der gesetzlichen Verpflichtung nach § 4 Abs. 5 StVO der nächsten Polizeidienststelle zu melden.

Nachdem die Kaskoversicherung die Schadensübernahme ablehnte, führte der Unfalllenker (Kläger) gegen seine Kaskoversicherung einen Deckungsprozess, wofür die Rechtsschutzversicherung (vorläufig) Kostendeckung gewährte. In diesem Deckungsprozess stellte sich heraus, dass der Kläger den Verkehrsunfall grob fahrlässig im Sinne des § 61 VersVG verursacht hat, weshalb die Deckungsklage nicht erfolgreich war. Eine gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Feststellung zur unterlassenen Meldung des Verkehrsunfalls wurde nicht getroffen.

Ausgehend von dieser Entscheidung im Vorprozess, lehnte die Rechtschutzversicherung die Kostendeckung (nachträglich) ab. Die Ablehnung erfolgte mit Verweis auf die in den ARB enthaltene Obliegenheit, wonach eine Deckung dann entfällt, wenn der Versicherungsnehmer seiner Verständigungspflicht nicht nachgekommen ist. Mit der Frage, ob die Ablehnung der Rechtschutzversicherung berechtigt ist, hat sich der OGH in der Entscheidung 7Ob134/20m auseinandergesetzt.


Wie ist die Rechtslage?

In den ARB sind Obliegenheitspflichten für den Versicherungsnehmer geregelt, deren Verletzung zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen kann. Im vorliegenden Fall war als Obliegenheit unter anderem geregelt, dass der Lenker nach einem Verkehrsunfall seinen gesetzlichen Verständigungs- oder Hilfeleistungspflichten zu entsprechen hat. Nach dem Bedingungswortlaut bestünde eine Leistungsfreiheit wegen Verletzung dieser Obliegenheit dann, wenn der angeführte Umstand im Spruch oder in der Begründung einer im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall ergangenen rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde festgestellt wurde.

Ausgehend davon, müssen sohin 2 Voraussetzungen vorliegen (Verletzung der Verständigungspflicht plus gerichtliche oder behördliche Feststellung), damit die Leistungsfreiheit des Rechtschutzversicherers gegeben ist.

Nachdem im Vorprozess gegen den Kaskoversicherer zwar festgestellt wurde, dass der Unfalllenker eine grobe Fahrlässigkeit zu verantworten hat, womit die Leistungsfreiheit des Kaskoversicherers gegeben war, hat sich das Gericht des Vorprozesses nicht weiter mit der Thematik auseinandergesetzt, ob eine Verletzung der Verständigungspflicht nach § 4 Abs. 5 StVO erfolgt ist. Folglich kam der OGH im Rechtsschutzprozess (7 Ob 134/20m) zum Ergebnis, dass sich der Rechtsschutzversicherer nicht erfolgreich auf die Obliegenheitsverletzung stützen kann, da die zweite Voraussetzung für die Leistungsfreiheit, nämlich die gerichtliche oder behördliche Feststellung der Verletzung der Verständigungspflicht nach § 4 Abs. 5 StVO nicht erfüllt ist. Die Beweislast für die Obliegenheitsverletzung trägt nämlich der Versicherer (RS0081313).


Schlussfolgerung

Die Rechtschutzversicherung kann sich nur dann erfolgreich auf eine die Leistungsfreiheit begründende Obliegenheitsverletzung stützen, wenn die in der Versicherungsbedingung enthaltenen Voraussetzungen zur Gänze erfüllt sind, wofür sie selbst die Beweislast trägt. Liegt zwar grundsätzlich die Verletzung der Verständigungspflicht vor, aber fehlt eine in den Bedingungen geforderte gerichtliche oder behördliche Feststellung dazu, kann die Rechtsschutzversicherung die Kostendeckung aus dieser Obliegenheitsverletzung nicht ablehnen.

Was ist passiert?

Bei einem Baustellenunfall wurde ein Arbeiter (Kläger) schwer verletzt. Nach mehrmaliger Aufforderung des Rechtsvertreters auf Anerkenntnis der Haftung, gab ein Schadensreferent des Versicherers auch namens des Generalunternehmers des Bauvorhabens (=Versicherungsnehmer) die Erklärung ab, dass die Ansprüche dem Grunde nach anerkannt werden (“Hiermit bestätigen wir, auch namens der ARGE *, dass wir die Ansprüche Ihres Mandanten dem Grunde nach anerkennen…”). Der Schadensreferent war jedoch nur intern berechtigt, gegenüber den Geschädigten im Namen des Versicherungsnehmers, nicht jedoch für den Versicherer Anerkenntnisse abzugeben.

Wie ist die Rechtslage?

In der Entscheidung 7 Ob 23/20p hält der Oberste Gerichtshof fest, dass der Versicherer schon dadurch einen Anschein gesetzt hat, nämlich, dass die Erklärung des Schadensreferenten von der bestehenden Vollmacht gedeckt war, indem er sich eines Schadensreferenten zur Abwicklung und Kommunikation im Außenverhältnis bediente.

Das vom Schadensreferenten abgegebene Anerkenntnis war daher gültig und bindet den Versicherer. Das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht ist damit zu bejahen.

Schlussfolgerung

Setzt der Versicherer eine SchadensreferentIn zur Abwicklung eines Versicherungsfalls ein, so hat er damit grundsätzlich gegenüber dem Versicherungsnehmer oder Dritten den Anschein erweckt, dass die SchadensreferentIn zur Abgabe von dem Schadensfall betreffenden Erklärungen im Namen des Versicherers bevollmächtigt ist.

Unsere Kanzlei steht Ihnen mit einem Team von VersicherungsexpertInnen in sämtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Abklärung eines Versicherungsfalles gerne beratend zur Verfügung.