Was ist passiert?

Zwischen den Vertragsparteien wurde eine fondsgebundene Lebensversicherung als Kapitalversicherung mit Rentenwahlrecht abgeschlossen. Als Laufzeit wurden 25 Jahre vereinbart und sollte der Versicherungsvertrag als Tilgungsträger für einen Kredit dienen.

Im Versicherungsvertrag waren eine Kapitalgarantie und eine Höchststandsgarantie (Klauseln 1–3) und eine Rentenwahlklausel (Klausel 4) enthalten.

»Wenn Sie Ihre fondsgebundene Lebensversicherung als Kapitalversicherung mit Rentenwahlrecht abgeschlossen haben, haben Sie nach Ablauf der Ansparphase das Recht, anstelle der Auszahlung einer einmaligen Versicherungsleistung die Zahlung einer laufenden Rente zu verlangen. […]
In beiden Fällen richtet sich die Höhe der Rente neben dem zur Verfügung stehenden Kapital nach dem Alter der zu versichernden Person bei Rentenauszahlungsbeginn und den zu diesem Zeitpunkt gültigen Tarifen für die Rentenauszahlung. Es finden die dann gültigen Versicherungsbedingungen für die Rentenauszahlung Anwendung

Nachdem sich aus Sicht des Versicherungsnehmers das Produkt ungünstig entwickelte, konvertierte er den Vertrag, wodurch sich die Prämie erhöhte und die Streuung der Veranlagung sich veränderte. Der Versicherungsnehmer hat sich für ein Produkt ohne Kapitalgarantie entschieden, weil er einen höheren Ertrag erzielen wollte. Das neue Produkt sieht aber weiterhin ein Rentenwahlrecht vor, welches der Versicherungsnehmer mit Ende der Ansparphase per 1.10.2032 ausüben kann. Der Versicherungsnehmer ist von einer Unwirksamkeit dieser Klausel und somit von einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages ausgegangen. Strittig war, ob aufgrund der unwirksamen Rentenwahlklausel eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages vorliegt.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 19.06.2024, Geschäftszahl: 7Ob 51/24m, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass bestimmte Klauseln wie konkret die enthaltene Rentenwahlklausel bereits in vergangenen Verbandsprozessen als intransparent beurteilt wurden. Grundsätzlich gibt es bei Versicherungsverträgen einen Kernbereich der Leistungsbeschreibung, wie die Festlegung der Versicherungsart und die Prämienhöhe. Diese unterliegen als Hauptgegenstand des Vertrags nicht der inhaltlichen Kontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB.

Der OGH t beurteilt jedoch eine Klausel, die dem Versicherungsnehmer ein Rentenwahlrecht anstelle der grundsätzlich vereinbarten einmaligen Kapitalabfindung einräumt und die Rechnungsgrundlagen dieser Rente regelt, als vertragliche Nebenabrede, welche der Kontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB unterliegt. Der OGH hat die Rentenwahlklausel inhaltlich als gröblich benachteiligend eingestuft.

Ob die Streichung einer missbräuchlichen Klausel die Nichtigkeit des übrigen Vertrags zur Folge hat, ist nach unionsrechtlichen Vorgaben in Art 6 Abs 1 (Klausel-RL) geregelt. Dieser sieht vor, dass der Vertrag für beide Parteien bindend bleibt, sofern er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann. Eine für missbräuchlich erklärte Vertragsklausel ist grundsätzlich von Anfang an als nicht existent anzusehen, sodass sie gegenüber dem Verbraucher keine Wirkungen haben kann. Es ist Aufgabe der Mitgliedstaaten die Bedingungen im nationalen Recht festzulegen, unter denen die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel samt der konkreten Rechtswirkungen erfolgt. Jedenfalls muss die Möglichkeit bestehen die Sach- und Rechtslage wiederherzustellen, in der sich der Verbraucher ohne diese missbräuchliche Klausel befunden hätte. Dabei ist eine objektive Prüfung vorzunehmen, unabhängig davon, ob der Verbraucher den Willen zum Ausdruck bringt, dass der Vertrag aufrechterhalten werden soll.

Im konkreten Fall enthält die Rentenwahlklausel keine ausreichenden Vorgaben für die Festlegung der Rechnungsgrundlagen. Dieser Mangel macht die Klausel deshalb inhaltlich unangemessen, weil sie es dem Versicherer ermöglicht, dass bei Vertragsabschluss bestehende Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung zulasten des Versicherungsnehmers nach seinem Willen zu verschieben. Die Klausel ist an der mangelnden Bestimmtheit der entscheidenden Parameter für die Berechnung der Rente gescheitert. Im konkreten Fall verfügt der Versicherungsnehmer weiterhin über ein Rentenwahlrecht, wobei die konkrete Ausgestaltung dessen kann ohnehin nur über eine zum Zeitpunkt der Ausübung dieses Wahlrechts zu erzielende Einigung festgelegt werden, für die sowohl aufsichtsrechtliche Vorgaben als auch gesetzliche Informationspflichten vorgesehen sind. Der OGH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der konkrete Vertrag aus Sicht des Versicherungsnehmers unverändert fortbestehen kann. Eine Veränderung des Vertrags zu seinen Lasten bewirkt der Wegfall der Klausel, die ohnehin keine ausreichenden Vorgaben zur Rentenberechnung enthalten hat, nicht.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Der Entfall der Rentenwahlklausel in einer fondsgebundenen Lebensversicherung führt nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages, da der Lebensversicherungsvertrag als Tilgungsträger für einen Kredit dienen sollte.«

Was ist passiert?

Zwischen der Versicherungsnehmerin und der beklagten Versicherung besteht ein Unfallversicherungsvertrag. Die Versicherungsbedingungen lauten auszugsweise wie folgt:

»Abschnitt C:
Begrenzungen des Versicherungsschutzes
Artikel 19
Unversicherbare Sportarten
Insbesondere die nachstehenden Sportarten und Aktivitäten sind nicht versicherbar:
[…]
5. Klettern/Bergsteigen über Schwierigkeitsgrad VI nach französischer Skala; Klettersteig über Schwierigkeitsgrad E; …
[…]
Artikel 20
Ausschlüsse
Soweit nichts anderes vereinbart ist, umfasst der Versicherungsschutz nicht:
[…]
10. Unfälle, die bei der Ausübung von folgenden besonders gefährlichen Sportarten eintreten: Bungeejumping, House-Running, Hydro Speed, Basejumping, Scad Diving, Airboarding, Rafting, Canyoning, Kitesurfen, Indoorklettern, Klettern/Bergsteigen über Schwierigkeitsgrad IV nach französischer Skala, Klettersteig über Schwierigkeitsgrad D, Tauchen in Tiefen von 40 bis max. 60 m nach absolvierter Tauchausbildung und nur bei ausschließlicher Pressluftverwendung. […]«

Die Versicherungsnehmerin stürzte am 20.05.2023 beim Klettern in einer Indoorhalle im Zuge des Abseilens ab und verletzte sich dabei. Nachdem der Versicherer eine Leistung aus dem Unfallversicherungsvertrag ablehnte, brachte die Versicherungsnehmerin eine Klage gegen den Versicherer ein. Aus Sicht der Versicherungsnehmerin sei der Risikoausschluss intransparent gemäß § 6 Abs 3 KSchG, ungewöhnlich nach § 864a ABGB und gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB. Darüber hinaus sei ein Unfall beim Abseilen vom Versicherungsschutz umfasst.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 19.06.2024, Aktenzeichen: 7 Ob 92/24s, führte der Oberste Gerichtshof zunächst aus, dass die Klausel nicht dadurch intransparent sei, dass die Sportart „Indoorklettern“ nicht in Art 19 AUVB, wohl aber in Art 20.10 AUVB genannt wird. Daraus folge nur eindeutig, dass es sich beim „Indoorklettern“ grundsätzlich um eine versicherbare Sportart handle. Weiters ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Art 20.10 AUVB, der „Indoorklettern“ und „Klettern/Bergsteigen über Schwierigkeitsgrad IV nach französischer Skala“ als eigene Sportarten nennt, völlig klar, dass die bei „Klettern/Bergsteigen“ angeführten Einschränkungen nicht für die Sportart „Indoorklettern“ gelten.

Weiters führte der OGH aus, dass der durchschnittliche Unfallversicherungsnehmer mit Risikoausschlüssen und Einschränkungen zu rechnen habe. Risikoausschlüsse seien daher per se weder ungewöhnlich, noch gröblich benachteiligend. Dies gelte umso mehr, wenn – wie in der Unfallversicherung üblich – eine erhöhte Gefahrensituation aus dem Versicherungsschutz ausgenommen wird. „Indoorklettern“ sei aufgrund der mit der Ausübung dieser Sportarten verbundenen Risiken, aus großer Höhe auf den Boden zu stürzen, beim Klettern oder auch Sichern an die Wand zu prallen, mit einer stürzenden Person zusammenzustoßen und schließlich von herabfallenden Gegenständen getroffen zu werden, als gefährliche Sportart zu beurteilen und könne daher vom Versicherungsschutz ausgenommen werden.

Die Klausel sei in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen auch dort zu finden, wo sie vom Versicherungsnehmer zu vermuten sei. Unfälle vom Versicherungsschutz auszunehmen, die bei der Ausübung bestimmter Sportarten auftreten, sei für Unfallversicherungsbedingungen geradezu typisch.

Nach Ansicht des OGH verstehe jeder durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer unter der Sportart „Indoorklettern“ zweifelsohne nicht nur das Hinaufklettern, sondern auch das Abseilen.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Zu Recht kommt der OGH im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass der gegenständliche Ausschluss für „Indoorklettern“ weder ungewöhnlich, gröblich benachteiligend oder sogar intransparent ist und der gegenständliche Unfall daher nicht vom Versicherungsschutz umfasst ist

Was ist passiert?

Die Versicherungsnehmerin hatte eine Bauwesenversicherung für die Errichtung einer Wohnanlage abgeschlossen. Auf einem gemeinsamen Untergeschoss sollten zwei getrennte Häuser (Haus A und B) errichtet werden. Aus technischer Sicht handelte es sich um ein einheitliches, durch das Untergeschoss starr verbundenes Bauwerk. Außerdem lagen dem Projekt eine einheitliche Planung sowie ein einheitlicher Baubescheid zugrunde. Während des Baus bildeten sich Risse in der Bausubstanz auf Grund von Deckenverformungen. Der gesamte Rohbau musste abgerissen und die Wohnanlage neu errichtet werden. Wären nur an Haus B und nicht auch an Haus A Planungsfehler vorhanden gewesen, hätte man trotz des Abrisses von Haus B durch Herstellung einer Dehnfuge Haus A vor dem Abbruch bewahren können.

Dem Versicherungsverhältnis lagen nachfolgende Bestimmungen zu Grunde:

»Artikel 4 BW 1/75– Versicherte Gefahren und Schäden
1. Versicherungsschutz besteht – sofern sich aus Pkt. 2 und Art. 5 nichts anderes ergibt – für
a) Schäden an versicherten Sachen […] jedoch nur insoweit als die Schäden gem. lit. a) […] für den Versicherungsnehmer (Versicherten) unvorhersehbar sind.
 
Artikel 12 BW 1/75– Obliegenheiten des Versicherungsnehmers
1. Der Versicherungsnehmer (Versicherte) hat: […] einem Beauftragten des Versicherers jederzeit die Prüfung […] des Schadens zu gestatten und ihm  […] erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Einsichtnahmen zu gewähren sowie Unterlagen zur Verfügung zu stellen; […]
 
Beiblatt 3.49 Schäden an zusammengehörigen Sachen und Funktionseinheiten:
Wird durch einen versicherten Schadenfall […] eine Sache von mehreren zu einer Funktionseinheit gehörenden versicherten Sachen beschädigt, […], ersetzt der Versicherer jene Kosten, die erforderlich sind, um wieder einen funktionierenden, […] Zustand der gesamten Funktionseinheit herzustellen. […]«

Strittig war ob die Versicherungsnehmerin gegen den Versicherer einen Anspruch

auf Ersatz der Kosten, die durch den Abbruch des Hauses A und der Tiefgarage entstanden sind hat.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.05.2024, Geschäftszahl: 7 Ob 33/24i, hob der Oberste Gerichtshof (OGH) das Berufungsurteil auf und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Versicherungsnehmerin auf.

Fraglich war aber vor dem OGH, ob ein durch die Versicherungsnehmerin beauftragter Unternehmer dieser zuzurechnen ist und ob für unvorhergesehene Schäden Versicherungsschutz besteht.

Nach den Feststellungen waren die Fehler in der Tragwerksplanung ohne eine dazu erforderliche detaillierte Prüfung der statischen Berechnungen für die Versicherungsnehmerin nicht erkennbar. Damit lag aber für sie ein unvorhersehbarer Schaden vor, für den gem. Art 4 BW 1/75 Versicherungsschutz besteht.

Der OGH sprach dazu auch aus, dass beauftragte Unternehmer der Versicherungsnehmerin nicht zugerechnet werden, da dies den Versicherungsbedingung wiederspricht.

Diese stellen nur darauf ab, dass der Schaden für die Versicherungsnehmerin unvorhersehbar ist.

Fraglich war schließlich, ob es eine Verletzung der Auskunftsobliegenheit gem Art 12.B.1 lit f BW 1/75 darstellt, wenn die Versicherungsnehmerin nicht unaufgefordert sämtliche Unterlagen zu Verfügung stellt, sondern den Versicherer nur über einen mündlich erteilten Auftrag in Kenntnis setzt und anbietet sämtliche weiteren Unterlagen bei Bedarf zu Verfügung zu stellen.

Der OGH sprach aus, dass eine mündliche Beauftragung in diesem Zusammenhang üblich ist und keine Obliegenheitsverletzung vorliegt, da der Versicherer keine weiteren Unterlagen anforderte.

Aufgrund der Zurückverweisung hatte der OGH – vorerst – den Rechtsstreit nicht abschließend zu beurteilen.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Damit ein beauftragter Unternehmer der Versicherungsnehmerin zugerechnet wird, muss dies ausdrücklich vereinbart werden. Ferner liegt keine Verletzung der Auskunftsobliegenheit vor, wenn angeboten wird auf Nachfrage Unterlagen zu Verfügung zu stellen.«

Was ist passiert?

Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem beklagten Versicherer bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag. Die zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2017) lauten auszugsweise wie folgt:

»Artikel 2
Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?
[…]
3. In den übrigen Fällen – insbesondere auch für die Geltendmachung eines reinen Vermögensschadens (Art 17.2.1, Art 18.2.1 und Art 19.2.1), sowie für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen wegen reiner Vermögensschäden (Art 17.2.4, Art 23.2.1 und Art 24.2.1) – gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. […]«

Der Versicherungsnehmer hat am 17.11.2019 und somit während des versicherten Zeitraums einen gebrauchten Porsche Cayenne 3.0 um EUR 36.200,00 privat erworben. Der darin verbaute Motortyp EA897 wurde mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung („Diesel-Skandal“) ausgeliefert und entsprecht nicht den gesetzlichen Bestimmungen. Der Versicherungsnehmer beabsichtigte daher, von der Herstellerfirma des PKW den Ersatz des Minderwerts (30 % des Kaufpreises) zu fordern. Nachdem der Versicherer eine Deckung aus der Rechtsschutzversicherung abgelehnt hat, brachte der Versicherungsnehmer eine Deckungsklage auf Feststellung der Versicherungsdeckung ein. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.05.2024, Aktenzeichen: 7 Ob 82/24w, führte der OGH zunächst aus, dass es sich bei der gegenständlichen Angelegenheit um die Deckung für die Geltendmachung reiner Vermögensschäden handelt, bei denen nach Art 2.3. ARB hier 2017 der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften als Versicherungsfall gelte. Nach dieser Bestimmung liege der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung vor, wenn einer der Beteiligten begonnen hat oder begonnen haben soll gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen.

Ein zeitlich lange vorangehender Gesetzes- oder Pflichtenverstoß, mag er auch die spätere Rechtsverfolgung des Versicherungsnehmers adäquat kausal begründet haben, könne den Versicherungsfall erst dann auslösen und damit den Zeitpunkt des Verstoßes in Bezug auf den konkreten Versicherungsnehmer in der Rechtsschutzversicherung festlegen, wenn dieser erstmals davon betroffen ist, das heißt in seinen Rechten beeinträchtigt wird oder worden sein soll. Dies sei im Fall des serienmäßigen Einbaus eines nicht rechtskonformen Bauteils in eine Sache der Zeitpunkt des Erwerbs der mangelhaften Sache durch den Versicherungsnehmer. Erst damit beginne sich auch die vom Rechtsschutzversicherer in Bezug auf den Versicherungsnehmer konkret übernommene Gefahr zu verwirklichen.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Rechtsschutzversicherungsfall im Zusammenhang mit Forderungen des Versicherungsnehmers gegen den Autohersteller wegen einer unzulässigen Abgasmanipulationssoftware in Diesel-Fahrzeugen während des versicherten Zeitraums eingetreten ist, ist die Frage, wann der Versicherungsnehmer das Diesel-Fahrzeug erworben hat. Nicht relevant ist der Zeitpunkt, zu dem die unzulässige Einrichtung vom Hersteller eingebaut wurde«

Was ist passiert?

Zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Versicherer bestand eine Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung, der unter anderem folgende Bestimmungen zugrunde lagen:

»ALLGEMEINE BEDINGUNGEN FÜR DIE BETRIEBSHAFTPFLICHTVERSICHERUNG
Artikel 3
3. Abgrenzung zum Leistungsversprechen
Das Leistungsversprechen des Versicherers gemäß Punkt 1. umfasst somit nicht:
3.1 Ansprüche auf Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung;
3.2 Ansprüche auf Gewährleistung für Mängel (zB auch Entgelt für mangelhaft erbrachte Leistungen); […]
Artikel 8
AUSSCHLÜSSE VOM VERSICHERUNGSSCHUTZ
[…]
9. Schäden an eigener Leistung
Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden, die an den vom Versicherungsnehmer (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen infolge einer in der Herstellung oder Lieferung
liegenden Ursache entstehen.
[…]«

Über das Vermögen Versicherungsnehmerin wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter anerkannte das Absonderungsrecht der Klägerin als Insolvenzgläubiger an der Entschädigungsforderung der Versicherungsnehmerin gegenüber dem Versicherungsträger als Haftpflichtversicherer gemäß § 157 VersVG.

Die Klägerin beauftragte nämlich die Versicherungsnehmerin 2016 mit einer Tiefenbohrung. 2017 kam es aufgrund Verschuldens der Versicherungsnehmerin zu einer Havarie, die zum Scheitern der Bohrung führte. Dadurch entstanden der Klägerin Schäden.

Das Bohrloch musste aufgegeben und mit Zement verfüllt werden, dabei verblieben Rohre der Klägerin im Bohrloch. Die Klägerin kaufte für eine erneute Tiefenbohrung ein nahegelegenes Grundstück. Die Schallschutzelemente mussten bis zum Beginn der neuen Bohrung vorgehalten werden und wegen der durch den Vorfall verursachten Verzögerung entstanden der Klägerin Mehrkosten wegen eines „Wärmeversorgungsaufwands“.

Die Klägerin verlangte insgesamt EUR 1.003.033,84 aus dem Versicherungsvertrag, einschließlich Kosten für die Verfüllung des Bohrlochs, den Wert der Rohre, Vorhaltekosten für Schallschutzwände, Grundstückskosten und Mehrkosten für die Wärmeversorgung.

Der beklagte Versicherer argumentierte, dass die geltend gemachten Forderungen Erfüllungssurrogate und somit nicht von der Versicherung abgedeckt seien.

Vor dem OGH war strittig, ob die von der Klägerin geltend gemachten Forderungen Erfüllungssurrogate iSd. Art 3 AHVB 2004 darstellen und ob für die Rohre der Risikoausschluss gemäß Art 8.9. AHVB 2004 zur Anwendung kommt.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.05.2024, Geschäftszahl: 7Ob18/24h, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) aus, dass in der Betriebshaftpflichtversicherung die Ausführung der bedungenen Leistung und Erfüllungssurrogate grundsätzlich nicht versichert ist, weil das Unternehmerrisiko nicht auf den Versicherer übertragen werden soll.

Der Versicherungsschutz umfasst daher nur jenen Schaden, der über das Erfüllungsinteresse, also das Interesse, das die geschädigte Partei an der Erfüllung des Vertrages hatte, hinausgeht.

Mangelfolgeschäden und Begleitschäden sind gedeckt, wenn sie über den Ausgleich der ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrags hinausgehen. Mangelfolgeschäden sind Schäden, die sich nicht unmittelbar auf die Erstellung des Werks beziehen, sondern daraus entstehen, dass durch die mangelhafte Leistung ein Schaden an einem anderen Vermögenswert entsteht.

Ein Mangelfolgeschaden daher weder die reine Erfüllung des Vertrags, noch einen Ersatz der zur Erreichung der unmittelbaren geschuldeten Leistung dient.

Der OGH entschied daher, dass die Kosten für den Ankauf des Grundstücks, die Beschädigung der Rohre und die Verfüllung der Rohre gedeckt sind, da sie nicht zur Erreichung des unmittelbaren Leistungsinteresses dienten, sondern ein Folge-/Begleitschaden sind.

Weiters sprach der OGH aus, dass offen bleibe, ob die Mehrkosten für die Wärmeversorgung und Schallschutzwände direkt mit der Mangelbehebung und der ordnungsgemäßen Erfüllung zusammenhängen oder auch als Folge-/Begleitschäden zu betrachten sind.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Der Versicherungsschutz umfasst in diesem Fall nur jenen Schaden, der über das Interesse an der Erfüllung des Vertrages hinausgeht. Kosten für die von einem Dritten vorgenommene Verbesserung fallen ebenfalls nicht in die Betriebshaftpflichtversicherung.«

Im Juli hat der Nationalrat aufgrund eines Initiativantrags eine Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG 2002) hinsichtlich der Anbringung von „Balkonkraftwerken“ beschlossen.

Wenn für die Anbringung „einer Photovoltaikanlage am Balkon oder an der Terrasse zur Versorgung des Wohnungseigentumsobjekts“ allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden, dürfen die anderen Wohnungseigentümer ihre Zustimmung hierzu nicht verweigern, sofern der Anschluss an eine bestehende Einrichtung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Wird jedoch auch das Wohnungseigentumsobjekt eines anderen Wohnungseigentümers dadurch in Anspruch genommen, muss der betroffene Wohnungseigentümer jedoch nur dann zustimmen, wenn hierdurch sein Wohnungseigentumsobjekt nicht wesentlich und dauerhaft beeinträchtigt wird.

Zusätzlich ist eine Zustimmungsfiktion vorgesehen. Die Zustimmung eines Wohnungseigentümers zur „Anbringung einer steckfertigen Photovoltaik-Kleinsterzeugungsanlage am Balkon oder an der Terrasse“ gilt als erteilt, wenn der Wohnungseigentümer der geplanten Änderungen nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Verständigung widerspricht. In der Verständigung, die den anderen Wohnungseigentümern gesetzeskonform zu übermitteln ist, muss die geplante Änderung klar und verständlich beschrieben und die Rechtsfolgen des Unterbleibens des Widerspruchs erklärt werden. Eine wesentliche und dauernde Beeinträchtigung seines Wohnungseigentumsobjekts muss ein Wohnungseigentümer jedoch auch dann nicht dulden, wenn er nicht widersprochen hat.

Führt diese Änderung in weiterer Folge höhere Kosten für die Erhaltung dieser allgemeinen Teile, so hat der Wohnungseigentümer die durch seine Änderung verursachten Mehrkosten zu tragen. Der Wohnungseigentümer muss das Wohnungseigentumsobjekt und die dafür bestimmten Einrichtungen, insbesondere die Strom-, Gas- und Wasserleitungen sowie die Beheizungs- und sanitären Anlagen, auf seine Kosten so warten und in Stand halten, dass den anderen Wohnungseigentümern kein Nachteil erwächst.

Diese neuen Regelungen werden am 01.09.2024 in Kraft treten.

Fazit

Die Versicherung wurde am 5. November 2012 entsprechend dem Antrag polizziert. Der Versicherungsnehmer zahlte bis zum 1. April 2023 insgesamt EUR 28.954,32 an Prämien, der Rückkaufswert zu diesem Datum betrug EUR 24.016,68.

Basierend auf der Zusage des Versicherungsagenten brachte der Versicherungsnehmer eine Klage gegen den Versicherer ein. Nach dem Klagebegehren des Versicherungsnehmers sollte das Gericht feststellen (bestätigen), dass ihm bei Vertragsauflösung mindestens die eingezahlten Prämien abzüglich der Bearbeitungsgebühr EUR 500,00 zustehen. Fraglich war im vorliegenden Fall insbesondere, ob der Versicherungsnehmer überhaupt eine solche Feststellungsklage einbringen kann, ohne zuvor überhaupt den Vertrag aufgelöst zu haben.

Was ist passiert?

Am 22. Oktober 2012 unterzeichneten der Versicherungsnehmer und ein Versicherungsagent einen Antrag auf Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung in der Wohnung des Versicherungsnehmers. Der Versicherungsnehmer war an einer 18-jährigen Laufzeit nicht interessiert und teilte dem Versicherungsagenten mit, dass er den Vertrag nur abschließen würde, wenn er bei vorzeitiger Beendigung der Versicherungslaufzeit jedenfalls zumindest die einbezahlte Prämie in voller Höhe zurückerhalten wird. Der Versicherungsagent erklärte dem Versicherungsnehmer, dass er die Lebensversicherung nach einer Mindestfrist von 10 Jahren kündigen könnte und dabei die einbezahlten Prämien mit Ausnahme einer Verwaltungsgebühr von EUR 500,00 wieder zurückerhalte.

Entgegen dieser Zusicherung lautet Punkt 4 im schriftlichen Antrag auf Abschluss der fondsgebundenen Lebensversicherung auszugsweise wie folgt:

»Vorzeitige Kündigung des Vertrages (Rückkauf)
Wird der Vertrag vor Ende der Laufzeit – nach Ablauf der gesetzlichen Mindestbindefrist von 10 Jahren – gekündigt (rückgekauft), erhalten Sie je nach abgelaufenem Versicherungsjahr den Rückkaufswert […] ausbezahlt. […] Im Falle der vorzeitigen Kündigung nach Ablauf der gesetzlichen Mindestbindefrist ist die Hälfte der staatlichen Förderung zurückzuzahlen. Zusätzlich werden in jedem Fall die effektiven Kapitalerträge mit 25 % Kapitalertragsteuer (KESt) nachversteuert.«

Die Versicherung wurde am 5. November 2012 entsprechend dem Antrag polizziert. Der Versicherungsnehmer zahlte bis zum 1. April 2023 insgesamt EUR 28.954,32 an Prämien, der Rückkaufswert zu diesem Datum betrug EUR 24.016,68.

Basierend auf der Zusage des Versicherungsagenten brachte der Versicherungsnehmer eine Klage gegen den Versicherer ein. Nach dem Klagebegehren des Versicherungsnehmers sollte das Gericht feststellen (bestätigen), dass ihm bei Vertragsauflösung mindestens die eingezahlten Prämien abzüglich der Bearbeitungsgebühr EUR 500,00 zustehen. Fraglich war im vorliegenden Fall insbesondere, ob der Versicherungsnehmer überhaupt eine solche Feststellungsklage einbringen kann, ohne zuvor überhaupt den Vertrag aufgelöst zu haben.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.05.2024, Geschäftszahl: 7 Ob 34/24m, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass jede Feststellungsklage ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung eines Rechtsverhältnisses erfordere. Ein Feststellungsbegehren sei somit unzulässig, wenn bereits eine Leistungsklage (auf Zahlung gerichtet) eingebracht werden könnte.

Der OGH sprach weiters aus, dass der Versicherungsnehmer das Recht habe, den Lebensversicherungsvertrag nach Ablauf von 10 Jahren zum Ende der laufenden Versicherungsperiode zu kündigen. Die Versicherungsperiode gemäß § 9 VersVG betrage grundsätzlich ein Jahr, falls die Prämie nicht nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist. Wenn die Zahlung der Versicherungsprämie, wie im vorliegenden Fall, ohne einen weiteren Hinweis monatlich vorgesehen ist, so sei auch die Versicherungsperiode als monatliche vereinbart.

Im vorliegenden Fall kam der OGH zum Ergebnis, dass der Versicherungsnehmer das Recht habe, den Vertrag gemäß § 165 Abs 1 VersVG monatlich zu kündigen. Der Versicherungsnehmer hätte daher den Lebensversicherungsvertrag kündigen und im Anschluss daran eine Klage auf Zahlung der von ihm bisher geleisteten Prämien (abzüglich der Bearbeitungsgebühr von EUR 500,00) einbringen können, da er ohne Weiteres die bis zur Kündigung bezahlten Prämien beziffern hätte können. Die gegenständliche Feststellungsklage sei daher nicht zulässig, sodass diese abgewiesen wurde.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Ist die Zahlung der Prämie in einem Lebensversicherungsvertragsverhältnis ohne einen weiteren Hinweis monatlich vorgesehen, so ist eine monatliche Versicherungsperiode vereinbart. Der Lebensversicherungsvertrag kann daher auch monatlich gekündigt werden.«

Was ist passiert?

Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem beklagten Versicherer besteht ein privater Unfallversicherungsvertrag mit einer Versicherungssumme von EUR 224.151,00 für dauernde Invalidität. Die diesem Versicherungsverhältnis zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB) lauten auszugsweise wie folgt:

» ABSCHNITT C: BEGRENZUNGEN DES VERSICHERUNGSSCHUTZES
[…]
Artikel 20
Welche Unfälle sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?
Ausgeschlossen von der Versicherung sind Unfälle
[…]
20.8 welche die versicherte Person infolge einer Bewusstseinsstörung […] erleidet.«

Der Versicherungsnehmer stürzte aufgrund eines kurzfristigen Schwindels von einer Leiter. Dabei erlitt er Verletzungen im Bereich der linken Schulter, für die er aufgrund einer dauernden Invalidität eine Versicherungsleistung vom Versicherer forderte. Der Versicherer lehnte jedoch eine Leistung mit der Begründung ab, dass der schwindelbedingte Sturz von der Leiter ein Unfall infolge einer Bewusstseinsstörung sei und somit der Risikoausschlusses gemäß Art 20.8 AUVB greifen würde.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.05.2024, Geschäftszahl: 7 Ob 60/24k, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass der Begriff der Bewusstseinsstörung nicht die völlige Bewusstlosigkeit fordert. Nach Ansicht des OGH genügt es vielmehr, wenn die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit so gestört ist, dass der Versicherungsnehmer der Gefahrenlage, in der er sich jeweils befindet, nicht mehr so gewachsen ist, wie die jeweiligen Verhältnisse es erfordern. Auch eine Schwindelattacke könne eine Bewusstseinsstörung darstellen, wenn dadurch die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit erheblich gestört ist.

Im vorliegenden Fall kamen die Gerichte zum Ergebnis, dass diese Erheblichkeitsschwelle noch nicht überschritten war. Der beim Versicherungsnehmer aufgetretene kurzfristige Schwindel habe „aufgrund seiner Kopfhaltung“ keine erhebliche Störung seiner Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit mit sich gezogen. Das Vorliegen des Risikoausschluss wurde daher verneint, sodass der Versicherer dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet wurde.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Beim Risikoausschluss für Unfälle infolge einer Bewusstseinsstörung kommt es darauf an, ob die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit des Versicherungsnehmers in einer konkreten Gefahrenlage so gestört ist, dass er diese Situation nicht mehr so beherrschen kann, wie es die Verhältnisse eigentlich erfordern würden. Nur dann, wenn diese Erheblichkeitsschwelle überschritten wird, was stets im Einzelfall anhand der jeweiligen Umstände zu überprüfen ist, kann der Versicherer eine Leistung unter Berufung auf diesen Risikoausschluss zu Recht verweigern

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer schloss 1997 eine fondsgebundene Lebensversicherung ab, die er 2013 kündigte. Der Versicherer leistete den Rückkaufswert in Höhe von EUR 45.121,36 an den Versicherungsnehmer, der insgesamt Prämien in Höhe von EUR 50.358,31 investiert hatte. 2018 trat der Versicherungsnehmer wegen fehlender Belehrung über sein Rücktrittsrecht zudem vom Vertrag zurück. Das Handelsgericht Wien bestätigte den Rücktritt und verurteilte den Versicherer zur Rückzahlung der Prämien abzüglich des erhaltenen Rückkaufswerts, der Versicherungssteuer und der Risikokosten. Das Begehren auf Zahlung der Vergütungszinsen wies es wegen Verjährung rechtskräftig ab.

Der Versicherungsnehmer klagte den Versicherer erneut auf Zahlung der Vergütungszinsen und argumentiert mit einer neuen Rechtsansicht: Er behauptete nunmehr Intransparenz und Missbräuchlichkeit einiger Vertragsklauseln, die zur Nichtigkeit des Vertrags und somit zu einem doch nicht verjährten Anspruch der Zahlung von Vergütungszinsen führen. Konkret stützte er den Anspruch auf den Entfall des Lebensversicherungsvertrages. Nach seiner Argumentation ist das Versicherungsverhältnis bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln, wodurch bereits empfangene Leistungen allseits zurückzustellen sind. Das Erstgericht und das Berufungsgericht wiesen die Klage ab, da der Vertrag 2018 rückabgewickelt wurde und keine weiteren Ansprüche bestünden. Das Berufungsgericht ließ aber die ordentliche Revision zu.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.05.2024 zu GZ 7 Ob 67/24i führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft die erneute Klage auf denselben Anspruch und Sachverhalt verhindert. Wenn das Gericht ein Prozesshindernis nicht beachtet, muss das Verfahren aufgehoben und die Klage zurückgewiesen werden.

Nach der Rechtsprechung des OGH räumt der EuGH den Mitgliedstaaten Verfahrensautonomie ein, einschließlich der Ausgestaltung der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen. Der Effektivitätsgrundsatz erfordert nicht, die nationalen Rechtskraftregeln zugunsten des Verbraucherschutzes zu umgehen, insbesondere nicht im vorliegenden Fall, wo der Vertrag rückwirkend aufgehoben wurde.

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Versicherungsnehmer im Jahr 2018 sein Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG ausübte, was zu einer Vertragsaufhebung führt, die auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurückreicht. Die Rechtslage ist damit so zu beurteilen, als ob der Vertrag nie abgeschlossen worden wäre.

Etwaige Klauseln des Lebensversicherungsvertrags wurden damit gar nicht wirksam und entfalteten auch keine Verbindlichkeit gegenüber dem Versicherungsnehmer.

Der OGH bestätigte im Ergebnis die abweisenden Vorentscheidungen. Er kam zum Ergebnis, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers nicht besteht, da die bestehenden Regelungen zur Rechtskraft – welche auch für Verbraucher gelten – der zweimaligen Geltendmachung desselben Anspruchs entgegenstehen.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Änderungen der Rechtslage nach einem ersten Urteil können keinen neuen Anspruch für davor liegende Zeiträume begründen. Auch Änderungen in der Rechtsauffassung begründen keine neue Klage.«

Was ist passiert?

Der Beklagte erwarb Miteigentumsanteile an einem Grundstück, um Wohnungseigentum an einer darauf zu errichtenden Wohnung zu begründen. Im Anwartschaftsvertrag wurde ein Ratenplan festgelegt. Laut Vertrag musste der Erwerber nach Bezugsfertigstellung bzw. vereinbarter vorzeitiger Übernahme einen Teilbetrag von 17 % des gesamten Kaufpreises zahlen. Er zahlte davon nur einen Teil, bezahlte aber nach Fertigstellung des Objekts die „letzte“ Rate und berief sich auf sein Zurückbehaltungsrecht auf Grund zahlreicher Baumängel, die er an allgemeinen Teilen des Gebäudes und am Wohnungseigentumsobjekt selbst ortete.

Das Erstgericht gab der Klage des Bauträgers auf Zahlung statt, da die eingewandten Mängel nicht schwerwiegend iSd BTVG (Bauträgervertragsgesetz) seien.

Das Berufungsgericht wies die Klage zur Gänze ab. Der Beklagte sei auch berechtigt, den Werklohn wegen Mängeln an allgemeinen Teilen zurückzubehalten. Auch im Rahmen des BTVG (Bauträgervertragsgesetz) stehe dem Erwerber das Leistungsverweigerungsrecht gem. § 1052 ABGB zu. Dem Berufungsgericht zu Folge, kann der Zweck des Zurückbehaltungsrechts nicht davon abhängen, dass nicht die letzte eigentliche Rate, sondern ein Teil der vorletzten nach Bezugsfertigstellung zu bezahlenden Rate offen sei. Eine schikanöse Rechtsausübung liege nicht vor.

Die Revision ließ das Berufungsgericht nachträglich zur Rechtsfrage zu, ob sich der Erwerber auch hinsichtlich der nach dem Ratenzahlungsplan vorletzten eigentlichen Rate auf sein Zurückbehaltungsrecht nach § 1052 ABGB berufen könne, obwohl die dem entsprechenden Bauabschnitt zuzuordnenden Leistungen abgeschlossen seien.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 04.04.2024, Geschäftszahl: 4 Ob 128/23m, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, es sei das vorrangige Ziel des Bauträgervertragsgesetzes, das Vorauszahlungsrisiko des Erwerbers durch Sicherungspflichten des Bauträgers weitgehend auszuschalten und so den Konsumentenschutz zu verstärken.

Die Zahlungen im Sinne eines Ratenplans sind zwar an das Zug-um-Zug-Prinzip angelehnt, trotzdem stehen die einzelnen Leistungen nicht in funktionellem Synallagma zu den Raten. Durch das Vereinbaren eines Haftrücklasses, der vor allem Deckung für zunächst verborgene Mängel bieten soll, wird nicht automatisch auf das darüberhinausgehende Leistungsverweigerungsrecht mangels Fälligkeit des Werklohns wegen Unterlassung einer Verbesserung des mangelhaften Werks verzichtet.

Der OGH urteilt, dass die Zurückbehaltung keine Schikane ist, weil der Beklagte einen Betrag zurückhält, der unter jenem des gesamten Verbesserungsaufwands liegt. Das Zurückbehaltungsrecht kann auch wegen Mängel an allgemeinen Teilen des Hauses erfolgen.

Der OGH kam daher zu dem Ergebnis, dass der Beklagte sein Zurückbehaltungsrecht zu Recht ausgeübt und gab daher der Revision des Klägers keine Folge.

Schlussfolgerung/Fazit

Das Zurückbehaltungsrecht des Wohnungseigentumsbewerbers auf Grund mangelhafter Bauleistungen besteht auch bei Mängeln an allgemeinen Teilen und kann sich auch auf frühere als die letzte Rate erstrecken.