Was ist passiert?

Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer besteht ein Kfz-Kaskoversicherungsvertrag. Die vor dem Haus des Versicherungsnehmers befindliche Parkfläche weist ein (Nord-Süd-) Gefälle auf den ersten vier Metern nach der Begrenzung durch eine Steinmauer von 1 % auf und steigt innerhalb der nächsten vier Meter auf bis zu 30 % an. Ein auf der Parkfläche abgestelltes Fahrzeug kann bei nicht entsprechender Absicherung über eine Wegstrecke von nahezu 20 Metern wegrollen.

Das Fahrzeug des Versicherungsnehmers verfügte über ein Schaltgetriebe, eine Handbremse und ein sogenanntes „Hill-Holdsystem“, mit welchem der Versicherungsnehmer gut vertraut war. Dieses System bewirkt, dass bei Anhalten des Fahrzeugs und kurzem Betätigen des Bremspedals im Leerlauf die Bremse über eine Zeitspanne von etwa 20 Sekunden aktiviert wird und sich anschließend wieder löst.

Der Versicherungsnehmer stellte sein Fahrzeug auf der Parkfläche vor seinem Haus mit der Front in Richtung Norden in etwa auf Höhe der Begrenzung durch die Steinmauer ab. Ein derart abgestelltes Fahrzeug rollt aufgrund des vorhandenen Gefälles bei nicht entsprechender Absicherung in Richtung Süden ab. Der Versicherungsnehmer legte weder einen Gang ein, noch zog er die Handbremse an, sondern aktivierte das „Hill-Holdsystem“. Ohne sich zu vergewissern, ob ein Gang eingelegt oder die Handbremse aktiviert war, stieg er aus dem Fahrzeug aus. Nach ungefähr 20 Sekunden löste sich die Bremse und begann das Fahrzeug über die Parkfläche nach hinten in Richtung Süden zu rollen, bis es schließlich gegen die Gartenhütte des Versicherungsnehmers prallte und diese beschädigte.

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung musste der Oberste Gerichtshof (7 Ob 127/23m) die Schwere des Sorgfaltsverstoßes durch den Versicherungsnehmer bewerten. Gemäß § 61 VersVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat.

In vorliegenden Fall war der Versicherungsnehmer sowohl mit den Örtlichkeiten als auch mit den technischen Einrichtungen seines Fahrzeugs gut vertraut. Er wusste daher, dass sich die Bremse beim Anhalten des Fahrzeuges und Aktivierung des „Hill-Holdsystem“ nach einer Zeitspanne von etwa 20 Sekunden wieder lösen wird. Dennoch legte er weder einen Gang ein, noch betätigte er die Handbremse und stellte das Fahrzeug in einem Bereich ab, in dem ein leichtes (aber rasch und stark zunehmendes) Gefälle besteht. Der OGH kam daher nach Würdigung all dieser Umstände zum Ergebnis, dass das Verhalten des Versicherungsnehmers nicht mehr als nur leicht fahrlässig einzustufen sei, sodass Leistungsfreiheit des Versicherers bestand.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Das Ziehen der Handbremse und/oder Einlegen eines Gangs beim Abstellen des Fahrzeugs auf einem Parkplatz mit Gefälle ist auch bei Vorliegen eines „Hill-Holdsystems“ eine einfache und naheliegende Maßnahme, um das Wegrollen des Fahrzeugs zu verhindern, weshalb dem Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall der Sorgfaltsverstoß auch subjektiv schwer vorwerfbar war.«

Was ist passiert?

Im gegenständlichen Fall begehrte der Antragsteller den Ersatz der Zustimmung der weiteren Mit- und Wohnungseigentümer zur Umzäunung einer ihm zur Eigennutzung zugeordneten Gartenfläche mittels eines 1,50 m hohen Staketenholzzaunes.

Es ging im gegenständlichen Verfahren um die Frage, ob eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der übrigen Wohnungseigentümer durch eine solche Umzäunung vorliegt.

Wie ist die Rechtslage?

Ein Wohnungseigentümer ist gemäß § 16 Abs 2 WEG zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an seinem Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten berechtigt. Die Änderung darf nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG aber weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben (negative Genehmigungsvoraussetzungen). Werden für eine solche Änderung auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, so muss die Änderung überdies entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen (§ 16 Abs 2 Z 2 WEG).

Nicht jede Veränderung an den zur ausschließlichen Benützung überlassenen Teilen einer gemeinschaftlichen Sache bewirkt schon einen empfindlichen Eingriff in die Rechtssphäre der übrigen Miteigentümer und damit eine Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Interessen iSd § 16 Abs 2 Z 1 WEG (RIS-Justiz RS0083271). Für eine von einem Mit- und Wohnungseigentümer begehrte Änderung gilt vielmehr, dass sie nur abgewehrt werden kann, wenn sie mit wesentlichen Interessen der anderen Mit- und Wohnungseigentümer kollidiert (RS0083236; RS0083378).

Die Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses ist ein spezifischer Fall der Interessenbeeinträchtigung. Darunter wird nach ständiger Rechtsprechung eine Veränderung verstanden, die eine Verschlechterung des Erscheinungsbildes bewirkt (RS0043718). Primär ist nach der Rechtsprechung zwar die straßenseitige Ansicht der Liegenschaft maßgeblich, aber auch optische Aspekte, die eine negative Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes einer Wohnhausanlage bewirken, können den Ausschlag geben (5 Ob 9/17k; RS0043718). Selbst wenn Veränderungen im Bereich eines Wohnungseigentumsobjekts nur von anderen Wohnungen, insbesondere einer dazugehörigen Terrasse aus wahrnehmbar wären, bilden doch auch solche Veränderungen einen Teil des äußeren Erscheinungsbildes der Wohnanlage.

Der OGH kam im abgeführten Rechtsstreit zu GZ 5 Ob 144/22w daher zum Ergebnis, dass die Beurteilung des Rekursgerichtes, die Abgrenzung des Gartenteils mittels eines 1,50 m hohen Staketenholzzauns beeinträchtige schutzwürdige Interessen der widersprechenden Mit- und Wohnungseigentümer, nicht korrekturbedürftig sei. Abzustellen sei auf die beabsichtigte Änderung in ihrer konkret geplanten Ausgestaltung, somit auf den vom Antragsteller gewählten und zum Gegenstand seines Begehrens gemachten Zaun, der sich von der Grünanlage nicht nur farblich deutlich abhebe, sondern insgesamt einen optischen Fremdkörper im Garten bilde. Auch werde der ungestörte einheitliche Grünblick von Balkonen, Terrassen und auch den (hier „tortenförmig“ schmal, aber lang) gestalteten Gartenanteilen selbst beeinträchtigt, weshalb von einer wesentlichen Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer auszugehen sei; daher sei der außerordentliche Revisionsrekurs des antragstellenden Wohnungseigentümers zurückzuweisen.

Schlussfolgerung /Fazit

Die Beurteilung, ob eine Änderung schutzwürdige Interessen der anderen Wohnungseigentümer beeinträchtigt, ist immer von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig.

Insbesondere die Errichtung von Zäunen, Mauern und Gartenhütten kann aufgrund der Höhe der Einrichtungen problematisch sein und kann darin ein Eingriff vorliegen, der wegen seiner Auswirkung auf die äußere Erscheinung des Hauses bzw. der Wohnhausanlage eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer darstellt. In einem allfälligen Außerstreitverfahren zur Ersetzung der fehlenden Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer wäre es für den änderungswilligen Mit- und Wohnungseigentümer daher in einem solchen Fall ratsam, auch das Vorliegen einer positiven Genehmigungsvoraussetzung iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG (Verkehrsübung oder wichtiges Interesse)zu behaupten und zu beweisen).

Was ist passiert?

Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer bestand ein Versicherungsvertrag, mit welchem das im Alleineigentum des Versicherungsnehmers stehende Gebäude gegen das Risiko von Brand- und Feuerschäden versichert wurde. Aufgrund einer Vereinbarung bewohnte der Enkel des Versicherungsnehmers die Wohnung im Obergeschoss des Gebäudes. Am 12.05.2020 kam es schließlich zu einem Brand, bei dem das feuerversicherte Gebäude schwer beschädigt wurde. Brandursache war eine vom Enkel des Versicherungsnehmers in einem Restmüllsack gemeinsam mit anderen Müllresten entsorgte – zuvor in einer Tasse ausgedrückte – Zigarette. Der Versicherer ersetzte seinem Versicherungsnehmer den Schaden in der Höhe von EUR 428.471,71 und begehrte im Anschluss daran vom Enkel des Versicherungsnehmers den Ersatz dieser Versicherungsleistung. Der Enkel des Versicherungsnehmers lehnte eine Zahlung mit der Begründung ab, dass zwischen dem Versicherer und dem Versicherer ein Regressverzicht gegen Wohnungsinhaber für leichte Fahrlässigkeit vereinbart wurde. Der Fall landete schließlich beim Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

Nachdem der Versicherer den Schaden seines Versicherungsnehmers ersetzt hat, ging der Schadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen seinen Enkel (den Bewohner des Obergeschosses) gemäß § 67 Abs 1 VersVG auf den Versicherer über.

In seiner Entscheidung vom 27.09.2023, Geschäftszahl: 7 Ob 153/23k, führte der OGH zunächst aus, dass der Enkel des Versicherungsnehmers, der das Obergeschoss des versicherten Gebäudes bewohnt, als Wohnungsinhaber zu qualifizieren ist. Der vereinbarte Regressverzicht für leichte Fahrlässigkeit komme daher zur Anwendung. Fraglich war daher im vorliegenden Fall, ob der Enkel des Versicherungsnehmers grobe Fahrlässigkeit zu verantworten hat.

Nach Ansicht des OGH wird grobe Fahrlässigkeit allgemein im Versicherungsvertragsrecht dann als gegeben erachtet, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen, wenn jedenfalls völlige Gleichgültigkeit gegen das vorliegt, was offenbar unter den gebotenen Umständen hätte geschehen müssen. Grobe Fahrlässigkeit erfordere, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist. Ob der Schädiger leichte oder grobe Fahrlässigkeit zu verantworten hat, sei nach den konkreten Umständen des Falls zu beurteilen.

Im vorliegenden Einzelfall kam der OGH nach Würdigung aller Umstände zum Ergebnis, dass grobe Fahrlässigkeit zu verneinen ist, wenn ein Gebäudebrand darauf zurückzuführen ist, dass eine – zuvor in einer Tasse ausgedrückte – Zigarette in einem Restmüllsack gemeinsam mit anderen Müllresten entsorgt wird.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Grobe Fahrlässigkeit ist eine Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt, die sich über die alltäglich vorkommenden Fahrlässigkeitshandlungen erheblich und ungewöhnlich heraushebt. Bei der Beurteilung, ob im Einzelfall grobe Fahrlässigkeit vorliegt, steht dem Gericht ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Dabei muss jedoch das Gericht sämtliche Umstände des jeweiligen Einzelfalls in die Beurteilung miteinfließen lassen

Was ist passiert?

Ein Rechtsschutzversicherer legt seinen Verträgen mit Verbrauchern seit Jahrzehnten Allgemeine Geschäftsbedingungen mit folgender Klausel zugrunde:

» Artikel 7

Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen? (Allgemeine Risikoausschlüsse)

Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen

1. in ursächlichem Zusammenhang

[…]

1.2. mit […] Akten der Hoheitsverwaltung wie insbesondere Enteignungs-, Flurverfassungs-, Raumordnungs-, Grundverkehrs- oder Grundbuchsangelegenheiten;«

Der Versicherer wollte mit dieser Klausel erreichen, dass verwaltungsbehördliche oder gerichtliche „Bewilligungsverfahren“ vom Versicherungsschutz ausgenommen sind. In einem Verbandsverfahren wurde diese Klausel nunmehr von den Gerichten aller Instanzen als intransparent bewertet.

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 27.09.2023 zu GZ 7 Ob 92/23i wiederholt der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zum Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG. Das Transparenzgebot solle es dem Kunden ermöglichen, sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren. Es solle eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung Allgemeiner Geschäftsbedingungen sicherstellen, um zu verhindern, dass der für die jeweilige Vertragsart typische Verbraucher von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigt Pflichten abverlangt werden. Das setze die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig ist oder von ihm jedenfalls festgestellt werden kann. Das Transparenzgebot begnüge sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlange, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind. Unbestimmte Begriffe seien nach Ansicht des OGH regelmäßig intransparent.

Der OGH weist in seiner Entscheidung auch darauf hin, dass es dem Versicherer freistehe, bestimmte Risiken vom Versicherungsschutz auszunehmen. Voraussetzung sei jedoch, dass der Ausschluss – neben den anderen gesetzlichen Erfordernissen – für den Verbraucher transparent erfolgt.

Mit der bloß demonstrativen Aufzählung bestimmter Verwaltungs- und Gerichtsangelegenheiten gebe der Versicherer nach Ansicht des OGH für einen Verbraucher nicht klar zu erkennen, welche sonstigen Hoheitsakte vom Versicherungsschutz ausgenommen sein sollen. Die Reichweite des Risikoausschlusses bleibe damit unklar und die Klausel sei wegen Intransparenz unzulässig. 

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Versicherer können bestimmte Risiken vom Versicherungsschutz ausnehmen. Er hat dabei deutlich zu formulieren, was er vom Ausschluss umfasst haben will. Eine bloß demonstrative Aufzählung der vom Ausschluss umfassten Angelegenheiten kann – bei Anwendbarkeit des KSchG – eine Ausschlussklausel intransparent machen.«

Was ist passiert?

Dem zugunsten des Versicherten abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrages liegen die „Allgemeinen Bedingungen für den Premium-Unfallschutz“ (AUVB 2006) zugrunde. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

»G Was versteht man unter dauernder Invalidität? Wie wird der Invaliditätsgrad bemessen?

[…] 3. […]. Bei völligem Verlust oder völliger Funktionsunfähigkeit der nachstehend genannten Körperteile und Sinnesorgane gelten zur Bemessung des Invaliditätsgrads ausschließlich, soweit nichts anderes vereinbart ist, die folgenden Bewertungsgrundlagen (Gliedertaxe):

[…]

eines Armes … 70 %

[…]

Für andere Körperteile und Sinnesorgane bemisst sich der Invaliditätsgrad danach, inwieweit die normale körperliche oder geistige Funktionsfähigkeit insgesamt beeinträchtigt ist. Dabei sind ausschließliche medizinische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. […]«

Der Versicherte zog sich bei einem Sturz einen Mehrfragmentverrenkungsbruch des rechten Oberarmkopfes zu. Die eingesetzte Delta-Reverse-Prothese wurde nach Auftreten einer Infektion entfernt und durch einen Spacer ersetzt. Der Versicherte litt an einer Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks. Diese Bewegungseinschränkung bewirkte ausschließlich eine (teilweise) Funktionsunfähigkeit bzw. Gebrauchsfähigkeit des rechten Armes. So war die Innen- und Außenrotationsbewegung im Wesentlichen aufgehoben, ein Nacken- und Kreuzgriff nicht mehr durchführbar und die Muskulatur des rechten Armes verschmächtigt. Eine darüber hinausgehende selbständige Gebrauchsminderung der Schulter bzw. anderer Komponenten der Schulter lag hingegen nicht vor.

Fraglich war im vorliegenden Fall, ob die Verletzung bzw. Bewegungseinschränkung des Schultergelenks vom (70%igen) Armwert im Sinne der Gliedertaxe erfasst ist, oder der Invaliditätsgrad anhand eines „anderen Körperteils“ im Sinne der AUVB 2006 zu bemessen ist.

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 30.08.2023 (7 Ob 124/23w) führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass die dauernde Invalidität der gänzliche oder teilweise Verlust von Körperteilen oder Organen und/oder die Einschränkung der körperlichen, organischen oder geistigen Funktions- oder Gebrauchsfähigkeit ist. Dabei seien die in der Gliedertaxe – für die einzelnen Körperteile – angeführten Prozentangaben heranzuziehen.

Bei nicht in der Gliedertaxe genannten „anderen“ Körperteilen und Sinnesorganen bemisst sich der Invaliditätsgrad nach Ansicht des OGH danach, inwieweit die normale körperliche oder geistige Funktions- und Gebrauchsunfähigkeit nach ausschließlich medizinischen Gesichtspunkten beeinträchtigt ist.

In der Unfallversicherung habe damit die Beurteilung des Vorliegens und des Grades einer dauernden Invalidität bezogen auf einzelne Körperteile, bzw. Sinnesorgane oder einer (nach medizinischen Gesichtspunkten) spezifischen Funktionsunfähigkeit zu erfolgen. Bei der Funktionsbeeinträchtigung kommt es dabei nach Ansicht des OGH nicht auf den Sitz der Verletzung an, sondern darauf, wo bzw. auf welchen Körperteil sich die Verletzung auswirkt.

Der OGH kam daher im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass die Bemessung der dauernden Invalidität anhand des 70%igen Armwerts zu erfolgen hat, da sich das betroffene Schultergelenk ausschließlich auf die Gebrauchsfähigkeit des rechten Arms ausgewirkt hat.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Bei der Unfallversicherung richtet sich die dauernde Invalidität nicht nach dem verletzten Körperteil, sondern danach, auf welches Körperteil sich die Funktionsunfähigkeit konkret auswirkt.«

Was ist passiert?

Die Vermieterin kündigte dem Mieter wegen unleidlichem Verhalten.

Das unleidliche Verhalten ging aber nicht vom Mieter selbst aus, sondern von dessen Sohn. Er lauert etwa Bewohnern im Stiegenhaus auf, stellt sich ihnen in den Weg und fotografiert sie ohne deren Zustimmung. Aufgrund eines tätlichen Angriffs im Haus auf eine Bewohnerin wurde der Sohn strafrechtlich verurteilt. Der Vater sieht jedoch keine Schuld bei seinem Sohn. Trotz Verurteilung passt der Sohn weiterhin Bewohner im Haus ab, wovon der Vater auch weiß.

Der Sohn isst und übernachtet zwar in der Wohnung des Vaters, er bewohnt im Übrigen aber eine eigene Wohnung im selben Haus.

Die Vermieterin kündigte in weiterer Folge auch dem Sohn, allerdings nicht wegen seines Verhaltens gegenüber den Mitbewohnern, sondern wegen nicht bezahlten Mietzinsen. Diese Kündigung war vor Gericht allerdings nicht erfolgreich.

Wie ist die Rechtslage?

Ein Mietvertrag kann etwa wegen rücksichtslosem, anstößigem oder sonst grob ungehörigem Verhalten gekündigt werden, wenn solches Verhalten den Mitbewohnern das Zusammenwohnen verleidet. Man spricht idZ auch von unleidlichem Verhalten.  

Für den Kündigungsgrund ist es nicht erforderlich, dass das störende Verhalten vom Mieter selbst ausgeht. Der Mieter muss sich vielmehr das Verhalten jener Personen zurechnen lassen, die mit seinem Willen den Mietgegenstand nutzen. Solche Personen sind in erster Linie Familienmitglieder und Mitbewohner, können aber auch Gäste sein. In solchen Fällen ist es allerdings erforderlich, dass der Mieter vom störenden Verhalten der Mitbewohner weiß und dennoch nicht einschreitet.

In vorliegendem Fall hatte der störende Sohn aber eine eigene Wohnung im Haus. Der Sohn hätte sich somit auch ohne seinen Vater im Haus aufhalten dürfen. Die Kündigung des Vaters war deshalb nicht geeignet, das Verhalten des Sohnes wirksam zu unterbinden. Eine Fortsetzung des unleidlichen Verhaltens des Sohnes konnte daher durch die Kündigung des Vaters nicht verhindert werden. Auch die Kündigung des Vaters musste daher scheitern.

Schlussfolgerung / Fazit

Störendes Verhalten eines Mitbewohners des Mieters ist diesem nur dann zuzurechnen, wenn dadurch der Schutz der anderen Hausgenossen vor Störungen erreicht werden kann. Das ist insb. dann nicht der Fall, wenn der störende Mitbewohner aufgrund eigener Berechtigung (eigener Mietvertag) Zugang zum Haus hat.

Was ist passiert?

Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer besteht ein Leitungswasserversicherungsvertrag. Der Polizze liegen unter anderem die “Allgemeinen Z* Bedingungen für die Leitungswasserversicherung (AWB 2009)“ sowie die „Besonderen Bedingungen EHLWG009 (BB EHLWG009)“ zugrunde.

Im Heizraum des versicherten Gebäudes ist ein Pufferspeicher installiert. Dabei handelt es sich um einen zylindrischen Behälter mit einem entsprechenden Volumen zur Aufnahme von Wasser. Im Pufferspeicher des Versicherungsnehmers sind zusätzlich Wellrohre für die Wärmeübertragung von Heizkreisen im Haus montiert. Die im Pufferspeicher wendelförmig verlaufende Warmwasserleitung ist ein Teil des Gesamtwarmwasserrohrsystems. Im Puffer wird das Rohr und das darin befindliche Wasser erwärmt und das warme Wasser wiederum über ein Rohrsystem zu den Entnahmestellen geführt.

In gegenständlicher Angelegenheit brach das Warmwasserwellrohr innerhalb des Pufferspeichers. Das dadurch aus der Rohrleitung austretende Wasser beschädigte den Pufferspeicher, sodass dessen Austausch notwendig war.

Wie ist die Rechtslage?

Gemäß Artikel 1 Punkt 1 der AWB 2009 sind Sachschäden versichert, die durch die unmittelbare Einwirkung von Leitungswasser eintreten, das aus wasserführenden Rohrleitungen, Armaturen oder angeschlossenen Einrichtungen austritt (Schadenereignis).

In seiner Entscheidung vom 13.12.2022 (7 Ob 184/22t) führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass es sich beim vorliegenden Pufferspeicher um eine „angeschlossene Einrichtung“ handle, da dieser Pufferspeicher ein Behältnis sei, das bestimmungsgemäß Wasser durchlässt oder aufnimmt und dauernd durch eine Zuleitung oder durch eine Ableitung oder durch beides mit dem Rohrsystem verbunden ist.

Gemäß Artikel 2 Punkt 4 der AWB 2009 sind jedoch Bruchschäden an angeschlossenen Einrichtungen nicht versichert. Bruchschäden an wasserführenden Rohrleitungen wären hingegen nach Artikel 1 Punkt 2.2 der AWB 2009 sehr wohl versichert.

Im vorliegenden Fall kam der OGH zum Ergebnis, dass ein Bruchschaden an einer angeschlossenen Einrichtung und nicht ein Bruchschaden an einer wasserführenden Rohrleitung vorliegt, da die (wasserführende) Rohrleitung innerhalb des Pufferspeichers gebrochen sei und diesen beschädigt habe. Diese Rohrleitung sei jedoch ein Bestandteil der technischen Einheit „Pufferspeicher“ und somit auch Bestandteil einer „angeschlossenen Einrichtung“. Aufgrund des Risikoausschlusses gemäß Artikel 2 Punkt 4 der AWB 2009 bestand daher im vorliegenden Fall kein Versicherungsschutz.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Nach Ansicht des OGH, der bei der Auslegung von versicherungsrechtlichen Begriffen das Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers zugrunde legt,  ist eine angeschlossene Einrichtung jedes Behältnis, das bestimmungsgemäß Wasser durchlässt oder aufnimmt und dauernd durch eine Zuleitung oder durch eine Ableitung oder durch beides mit dem Rohrsystem verbunden ist. Der vorliegende Pufferspeicher ist eine solche angeschlossene Einrichtung.«

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer hatte für sein Hotel eine Leitungswasserversicherung abgeschlossen. Die anwendbaren Allgemeinen Bedingungen für die Leitungswasserschadenversicherung – Deckungsvariante Premium FL03 (AWBP) sehen in Art 8 vor, dass „unter Erdniveau aufbewahrte Waren mindestens 12 cm über dem Fußboden gelagert werden müssen“.  

Das Hotel des Versicherungsnehmers weist ein Obergeschoß (OG), ein Erdgeschoß (EG) und fünf Untergeschoße (UG) auf. Es ist in steiler Hanglage errichtet, sodass die ostseitige Rückseite, eine der Längsseiten des Gebäudes, im Bereich der fünf UG bis zur Fußbodenkonstruktion des EG und die beiden südlichen und nördlichen Schmalseiten in diesem Bereich keilförmig, dem Geländeverlauf folgend, eingeschüttet sind. Die dem Hang abgewandte Westseite ist in allen Geschoßen, vom OG bis einschließlich zum fünften UG freistehend. Auch das unterste Geschoß ist ebenerdig von der freistehenden Seite zugänglich. Das Fußbodenniveau des fünften UG ist auf der gesamten Vorderseite über Erdniveau situiert. Es ist über die parallel zum Baukörper verlaufende Straße zugänglich.

In einem im 5. UG situierten Lager kam es aufgrund einer Beschädigung der Hauptwasserleitung zu einem Wasserstand von weniger als 12 cm, weil das Wasser über einen Öffnungsquerschnitt im Mauerwerk ungehindert abfließen konnte. In diesem Lager waren zahlreiche Gegenstände des Versicherungsnehmers unmittelbar auf dem Boden in Schachteln gelagert. Diese Waren wurden durch das Wasser beschädigt.

Der Versicherungsnehmer verlangte vom Versicherer Ersatz für die beschädigten Waren. Der Versicherer wandte im Prozess ein, das fünfte UG sei nach der technischen Definition als unter dem Erdniveau liegend anzusehen. Da die Waren entgegen Art 8 AWBP nicht mindestens 12 cm über dem Fußboden gelagert worden seien, sei er leistungsfrei.

Wie ist die Rechtslage?

Der OGH hielt in seiner dazu ergangenen Entscheidung vom 21.2.2023, GZ 7 Ob 220/22m, zunächst fest, dass das Erfordernis gem. Art 8 AWBP, Waren unter Erdniveau mindestens 12 cm über dem Fußboden zu lagern, im vorliegenden Fall eine (vorbeugende) Obliegenheit darstelle. Der mit der Klausel verfolgte Zweck liege darin, die höhere Schadensneigung im Rahmen einer Leitungswasserversicherung bei in tiefer gelegenen Gebäudeteilen situierten Waren zu reduzieren, sammle sich doch Wasser grundsätzlich dem Gesetz der Schwerkraft folgend in den unteren Bereichen an und könne dort nur langsamer oder gar nicht ablaufen.

Nach der Definition des OGH ist ein Raum dann unter Erdniveau, wenn dessen Fußboden niedriger liegt, als das Gelände um das Gebäude; bei gestufter oder unebener Geländeumgebung, wenn er niedriger als die niedrigste Stelle des Geländes liegt. Da im vorliegenden Fall das Fußbodenniveau des fünften UG auf der gesamten Vorderseite über Erdniveau situiert ist und das Wasser im Wege der westseitigen Gebäudeöffnungen ungehindert abfließen konnte, war der Versicherungsnehmer nicht verpflichtet, die beschädigten Waren mindestens 12 cm über dem Fußboden zu lagern.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Der Begriff „unter Erdniveau“ iS Art 8 AWBP bezieht sich bei Gebäuden in Hanglagen auf die niedrigste Stelle des Geländes. Nur wenn der Fußboden eines Raums unter der niedrigsten Stelle des Geländes um das Gebäude liegt, ist er unter Erdniveau

Was ist passiert?

Zwischen den Versicherungsnehmern und dem Versicherer besteht eine Haushaltsversicherung, der die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung (ABH 2013) und die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS 2001) zugrunde liegen.

Artikel 4 ABH 2013 lautet auszugsweise:

»1. Wenn die Versicherungsräumlichkeiten auch für noch so kurze Zeit von allen Personen verlassen werden,

1.1. sind Eingangs- und Terrassentüren, Fenster und alle sonstigen Öffnungen stets ordnungsgemäß verschlossen zu halten. Dazu sind vorhandene Schlösser zu versperren. Dies gilt nicht für Fenster, Balkontüren und sonstige Öffnungen, durch die ein Täter nur unter Überwindung erschwerender Hindernisse einsteigen kann;

[…]

5. Die vorstehenden Obliegenheiten gelten als vereinbarte Sicherheitsvorschriften gemäß Artikel 3 ABS. Ihre Verletzung führt nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zur Leistungsfreiheit des Versicherers.“

Artikel 3.2. ABS 2001 lautet auszugsweise:

„Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Schadenfall nach der Verletzung eintritt und die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht. […].«

Am 12.12.2019 ereignete sich ein Einbruchsdiebstahl in das Wohnhaus der Versicherungsnehmer. Diese hatten beide gegen 9:00 Uhr in der Früh das Haus verlassen und kamen gemeinsam gegen 22:00 Uhr wieder zurück. Die Täter drangen in diesem Zeitraum über eine Terrassentür in das Haus ein. Diese Tür hat außen einen fixen Knauf und ist von innen versperrbar. Zum Zeitpunkt des Einbruchs war die Tür nicht versperrt, sodass der oder die Täter die Tür „aufhebeln“ konnten. Den Versicherungsnehmern war bekannt, dass in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Jahr 2019 ein Einbruchsdiebstahl verübt wurde. Nachdem die von den Versicherungsnehmern begehrte Versicherungsleistung von EUR 72.561,00 vom Versicherer abgelehnt wurde, landete die Angelegenheit vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 30.08.2023 zu 7 Ob 59/23m musste sich der OGH unter anderem mit der Frage auseinandersetzen, ob die Versicherungsnehmer die Obliegenheit grob fahrlässig verletzt haben. Nach der Judikatur des OGH wird grobe Fahrlässigkeit allgemein im Versicherungsvertragsrecht dann als gegeben erachtet, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen, wenn jedenfalls völlige Gleichgültigkeit gegen das vorliegt, was offenbar unter den gebotenen Umständen hätte geschehen müssen. Grobe Fahrlässigkeit erfordere zudem, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist.

Nach Ansicht des OGH stellt das Verlassen des Hauses über mehrere Stunden bei unversperrter Terrassentür nicht in jedem Fall ein grob fahrlässiges Verhalten des Versicherungsnehmers dar. Dies auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass den Versicherungsnehmern bekannt war, dass in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein Einbruchsdiebstahl verübt wurde, handelte es sich dabei doch um ein einmaliges Ereignis. Wenn die Versicherungsnehmer die Tür stets versperrt halten und es lediglich einmalig unterlassen, eine Terrassentür nicht zu versperren, liege daher kein subjektiv schwerstens vorwerfbares Verhalten vor. Nachdem die Vorinstanzen zu diesem Thema keine rechtskräftigen Feststellungen getroffen hatten, musste die Angelegenheit vom OGH zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen werden.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Wenn ein Versicherungsnehmer seine Terrassentür stets versperrt hält und lediglich am Vorfallstag ausnahmsweise vergessen hat, diese Tür zu versperren, liegt nach Ansicht des OGH ein bloß leicht fahrlässiges Verhalten vor, sodass die Verletzung der Obliegenheit nicht die Leistungsfreiheit des Versicherers bewirkt

Was ist passiert?

Der im Jahre 1947 geborene Versicherungsnehmer schloss mit dem Versicherer im Jahr 1984 einen Er- und Ablebensversicherungsvertrag mit Gewinnbeteiligung ab, der vertragsgemäß am 01.02.2032 enden sollte. Darüber hinaus ermöglichte der Versicherer dem Versicherungsnehmer eine Vertragsbeendigung zu begünstigten Bedingungen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. Die diesbezügliche Klausel lautete auszugsweise wie folgt:

»Begünst.Rückkauf – Klausel 511

Der Versicherungsnehmer hat das Recht, diese Lebensversicherung zu begünstigten Bedingungen zum 60. Lebensjahr aufzulösen und die Auszahlung eines nach versicherungstechnischen Grundsätzen errechneten Ablösebetrags zu verlangen. Diese Ablösesumme beträgt, wenn die versicherte Person das versicherungsmäßig 60. Lebensjahr vollendet hat EUR 5.323,96.

Dieser Betrag erhöht sich noch um den Rückkaufswert des bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen Gewinnkapitals, das sind EUR 4.092,02.

[…].

Da die in den künftigen Jahren erzielbaren Überschüsse nicht vorausgesehen werden können, beruhen Zahlenangaben über die Gewinnbeteiligung auf Schätzungen, denen die gegenwärtigen Verhältnisse zugrunde liegen. Solche Angaben sind daher unverbindlich. Die Höhe vergangener Zuteilungen lässt keine Rückschlüsse auf künftige Ergebnisse zu. Insbesondere bei längeren Laufzeiten können die tatsächlichen Zuteilungen von den dargestellten Werten stark abweichen.«

Der Versicherungsnehmer hat die Beendigung des Vertrags nicht mit Vollendung seines 60. Lebensjahres erklärt, sondern erst zum Ablauf des 37. Versicherungsjahres (01.02.2021), als er bereits 74 Jahre alt war. Er erhielt vom Versicherer einen Auszahlungsbetrag in Höhe von EUR 14.904,31, der sich laut Schreiben des Versicherers aus dem „Rückkaufswert“ sowie einer „Gewinnbeteiligung“ zusammensetzt. Nach Ansicht des Versicherungsnehmers stünden ihm jedoch noch zusätzlich EUR 5.323,96 zu. Der Fall gelangte schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

Nach Ansicht des OGH (7 Ob 78/23f) ist der Wortlaut der vorliegenden Klausel so eindeutig, dass keine Auslegungszweifel verbleiben können. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Klausel erhalte der Versicherungsnehmer, wenn er das 60. Lebensjahr vollendet hat (hier: Februar 2007), einen als „Ablösesumme“ bezeichneten Betrag von EUR 5.323,96 zuzüglich eines Betrags von EUR 4.092,02, der als „Rückkaufswert des bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen Gewinnkapitals“ bezeichnet wird.

Damit sei für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer völlig klar geregelt, dass sich sein Zahlungsanspruch bei begünstigter Vertragsauflösung nur aus diesen (zwei) Positionen zusammensetzt. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Versicherer in seinem Schreiben an den Versicherungsnehmer anstelle der oben genannten Positionen die Begriffe „Rückkaufswert“ und „Gewinnbeteiligung“ verwendet hat.

Da der Versicherungsnehmer die Beendigung des Vertrags nicht mit Vollendung seines 60. Lebensjahres erklärt hat, habe der Versicherer nicht die in der Klausel angeführte (begünstigte) Ablösesumme von EUR 5.323,96, sondern die rechnerisch zu diesem Zeitpunkt zustehende Ablösesumme von EUR 8.945,50 ausbezahlt und diese lediglich als „Gewinnbeteiligung“ bezeichnet. Der Versicherer habe daher in Entsprechung des Wortlautes der Klausel zwei Positionen an den Versicherungsnehmer ausbezahlt. Der OGH kam somit zum Ergebnis, dass der Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf Zahlung von weiteren EUR 5.323,96 hat.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Allgemeine Versicherungsbedingungen sind orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers auszulegen. Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen. Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers. Nachdem jedoch nach Ansicht des OGH im vorliegenden Fall keine Unklarheiten vorliegen, standen dem Versicherungsnehmer bei der Vertragsbeendigungen nur zwei Positionen zu