Was ist passiert?

Die Versicherungsnehmerin bemerkte einen süßlichen Geschmack im Mund, begleitet von Übelkeit und einem allgemeinen Schwächegefühl. Sie verlor noch im Stehen das Bewusstsein, fiel zur Seite und stieß mit dem Kopf auf einen Heizkörper, wobei sie sich verletzte. Die unmittelbar vor dem Sturz erlittene und für den Sturz verantwortliche Bewusstlosigkeit ging auf den grenzwertig reduzierten Ernährungszustand, Hypotonie und Hyponatriämie zurück.

Die Versicherungsnehmerin verlangte von ihrer Gesundheitsvorsorgeversicherung Deckung für den Unfall.

Die dem Gesundheitsvorsorgeversicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für den Premium-Unfallschutz (AUVB 2006) in der Fassung 07 2012 lauten auszugsweise wie folgt:

»Was ist eingeschränkt versichert?
1. Kein Versicherungsschutz besteht für Unfälle:
[…]1.5 der versicherten Person infolge einer Geistes- oder Bewusstseinsstörung, sowie durch epileptische oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der versicherten Person ergreifen.
Geistes- und Bewusstseinsstörungen sind alle erheblichen Störungen der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit, die auf Krankheit oder künstlichen Mitteln beruhen, die versicherte Personen außerstande setzen, den Sicherheitsanforderungen ihre Umwelt zu genügen, und einen Grad erreicht haben, bei dem sie die Gefahrenlage nicht mehr beherrschen kann. […]«


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.05.2024, Geschäftszahl: 7Ob78/24g, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass die Allgemeinen Versicherungsbedingungen nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung auszulegen sind. Dabei orientiert man sich am Maßstab des durchschnittlichen Versicherungsnehmers unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks der Bestimmungen. Unklarheiten gehen grundsätzlich zu Lasten der Partei, von der die Formulierung stammt. Ausschlüsse dürfen nicht weiter ausgelegt werden als ihr wirtschaftlicher Zweck und die Ausdrucksweise es erfordern.

Im konkreten Fall sollen durch die Klausel Unfälle vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, die sich als Folge einer schon vor dem Unfall vorhandenen, gefahrenerhöhenden, gesundheitlichen Beeinträchtigung beim Versicherungsnehmer darstellen.

Die Beeinträchtigung muss so beschaffen sein, dass sie eine den Unfall vermeidende Reaktion des Versicherungsnehmers nicht zulässt.

Eine Haftung des Versicherungsträgers für Unfallschäden, die auf eine durch eine Bewusstseinsstörung (Bewusstlosigkeit) zurückzuführen sind, ist ausgeschlossen, auch wenn die Bewusstlosigkeit etwa auch nur sehr kurzfristig gewesen ist. Auf ein Verschulden des Versicherungsnehmers kommt es nicht an.

Dass die Versicherungsnehmerin aufgrund eines reduzierten Ernährungszustands, Hypotonie und Hyponatriämie das Bewusstsein verlor und sich verletzte, stellen daher eine Krankheit dar, die subjektiv und objektiv die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden negativ beeinflusste.

Der OGH kam schließlich zum Ergebnis, dass kein Versicherungsschutz besteht, da die Klausel in den Allgemeinen Bedingungen für den Premium-Unfallschutz im Zusammenhang mit Bewusstseinsstörungen klar war und die Versicherungsnehmerin mit dem Ausschluss rechnen musste.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Jedem Versicherungsnehmer muss das Wissen zugemutet werden, dass einem Versicherungsvertrag gewisse Begrenzungsnormen zugrunde liegen. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer hat daher grundsätzlich mit Risikoausschlüssen zu rechnen

Was ist passiert?

Im gegenständlichen Fall kündigte die Klägerin und Vermieterin der Beklagten und Mieterin die Wohnung in 1100 Wien auf mit der Begründung, dass die Beklagte den Mietgegenstand nicht benützt (§ 30 Abs 2 Z 6 MRG).

Die Beklagte ist Mieterin der 20,76 m2 großen Wohnung mit einem im Gang befindlichen und zu der Wohnung gehörigem WC. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung durch die Vermieterin im April 2023 waren nur mehr drei Wohnungen bewohnt und standen die restlichen Wohnungen leer. Das Schloss des Haustores war seit mehr als zwei Jahren defekt und stand dieses daher Tag und Nacht offen. Dies führte dazu, dass sich häufig fremde Personen im Haus aufhielten, darunter unterstandslose Personen und Drogenabhängige, die im Stiegenhaus Alkohol tranken, rauchten und lärmten; dies sowohl am Tag als auch in der Nacht. Die Beklagte hatte Angst in ihrer Wohnung. Im Juni 2023 wurde auch versucht, das zu ihrer Wohnung gehörige und im Gang befindliche WC aufzubrechen. Weiters gab es in der aufgekündigten Wohnung keine funktionierende Heizung.

Im gegenständlichen Verfahren stellte sich daher die Frage, ob die Aufkündigung wegen Nichtbenützung des Mietgegenstandes auch dann rechtswirksam ist, wenn die Nichtbenützung aufgrund unzumutbarer Belästigungen, die nicht in die Sphäre des Mieters fallen, erfolgt.


Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 30 Abs 2 Z 6 MRG liegt ein Aufkündigungsgrund vor, wenn die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen regelmäßig verwendet wird, es sei denn, dass der Mieter zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus beruflichen Gründen abwesend ist. Dem liegt die Erwägung des Gesetzgebers zugrunde, dass es dem Vermieter möglich sein soll, die Verfügung über das Bestandobjekt wiederzuerlangen, wenn der Mieter aus in seine Sphäre fallenden Gründen über einen nicht unerheblichen Zeitraum von der Benützung Abstand nimmt und auf die Wohnung auch nicht mehr angewiesen ist (1 Ob 166/15s).

Für die Beurteilung des Vorliegens eines Kündigungsgrundes ist im Allgemeinen der Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an den Kündigungsgegner maßgeblich (RS0070282 [T12, T13]).

Die regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken setzt voraus, dass die gekündigte Wohnung vom gekündigten Mieter wenigstens während eines beträchtlichen Zeitraums im Jahr (bzw. einige Tage in der Woche) zumindest in mancher Beziehung als wirtschaftlicher oder familiärer Mittelpunkt (RS0079240; RS0068679) bzw. als Mittelpunkt seiner Lebenshaltung benützt wird (RS0079240 [T1]).

Ist der Mieter allerdings wegen der Unbenützbarkeit der Wohnung genötigt, sein Wohnbedürfnis bis zu deren Beseitigung anderswo zu befriedigen, liegt kein in seiner Sphäre liegender Umstand vor, der den Vermieter zur Kündigung wegen Nichtbenützung berechtigen würde. Es ist dabei nicht erforderlich, dass diese Unbenützbarkeit auf ein vertragswidriges Verhalten des Vermieters zurückzuführen ist. Einem Mieter, der durch eine von ihm nicht zu vertretende Unbrauchbarkeit des Bestandsgegenstands veranlasst wurde, sich eine andere Unterkunft anzuschaffen, kann das dringende Wohnbedürfnis am bisherigen Objekt nicht abgesprochen werden (1 Ob 166/15s; 1 Ob 594/88; 6 Ob 122/00k). In solchen Fällen ist eine Rückkehrabsicht des Mieters zu vermuten (1 Ob 166/15s).

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes führte im gegenständlichen Fall das nicht versperrbare Haustor zu den eingangs ausgeführten, gravierenden Missständen und war zudem auch die Heizung der Wohnung zum Zeitpunkt der Aufkündigung defekt.

Der OGH bestätigte daher im abgeführten Rechtsstreit zu GZ 7 Ob 42/24p die Entscheidung der Vorinstanzen, dass aufgrund der massiven Missstände, bei denen es sich nicht um in Altbauten übliche und von einem Mieter hinzunehmende Umstände handelt und diese auch nicht in der Sphäre des Mieters liegen, der Beklagten die Benützung der Wohnung unzumutbar war und daher der von der Klägerin behauptete Kündigungsgrund nicht gegeben war. Die Aufkündigung war daher nicht rechtswirksam. Der OGH führte zudem aus, dass der Bestandgeber umfassend dafür zu sorgen hat, dass der bedungene Gebrauch des Bestandsnehmers nicht durch Dritte beeinträchtigt wird (§ 1096 ABGB) und die Vermieterin offenkundig ihre Bestandgeberpflichten nicht erst genommen hat.

Schlussfolgerung

Bei der Aufkündigung einer vermieteten Wohnung aufgrund Nichtbenützung ist es daher ratsam vor Einbringung der Aufkündigung zu prüfen, ob gravierende Missstände vorliegen, die nicht in der Sphäre des Mieters liegen und im Einzelfall beurteilt werden müssen, sowie ob man als Vermieter seine Bestandgeberpflichten erfüllt hat. Sollten gravierende Missstände vorliegen, die nicht in der Sphäre des Mieters liegen, kann eine vorschnell eingebrachte Aufkündigung für rechtsunwirksam erklärt und abgewiesen werden

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer stellte bei einer Grillfeier einen mit Benzin und Alkohol gefüllten Kochtopf auf eine auf einer Feuerschale befindliche Holztüre in ein brennendes Lagerfeuer. Hierauf entwickelte sich eine Stichflamme, welche eine der Anwesenden erfasste.

Die Anwesende erlitt dadurch Verbrennungen zweiten Grades.

Der Versicherungsnehmer verlangte von seiner Privathaftpflichtversicherung Deckung und stützte sich dabei darauf, dass es sich um eine Gefahr des täglichen Lebens handle.

Dem Versicherungsvertrag liegen nachstehende Bedingungen zugrunde:

»Was gilt als Versicherungsfall? – Artikel 5:
Ein Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem privaten Risikobereich entspringt und aus welchem den versicherten Personen Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen könnten.
 
Welche Gefahren sind versichert? – Artikel 7:
Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers und der im Artikel 6 genannten mitversicherten Personen als Privatpersonen aus den Gefahren des täglichen Lebens […]«


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 17.04.2024, Geschäftszahl: 7Ob55/24z, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass die primäre Risikobegrenzung definiert, welche Interessen gegen welche Gefahren versichert sind. In der Privathaftpflichtversicherung sind dies die „Gefahren des täglichen Lebens“ gemäß Art. 7 ZGWO.

Nach ständiger Rechtsprechung sind „Gefahren des täglichen Lebens“, jene, mit denen im Privatleben üblicherweise gerechnet wird (RS0081099).

Die Privathaftpflichtversicherung deckt auch außergewöhnliche Situationen ab, in die ein Durchschnittsmensch geraten kann, jedoch nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten. Hierbei kommt es auf eine Bewertung im Einzelfall an (RS0081276).

Eine Gefahr des täglichen Lebens muss nach der Meinung des OGH nicht täglich auftreten, sondern nur erfahrungsgemäß immer wieder im normalen Lebensverlauf vorkommen.

Das bewusste und gewollte Schaffen von einer Brand- oder Explosionsgefahr gehört nicht zu den Gefahren des täglichen Lebens (RS0081317).

Weiters urteilte der OGH, dass der Vorgang des Flambierens von Speisen in einem Restaurant mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar sei.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Auch wenn ein vernünftiger Durchschnittsmensch sich zu einer gefährlichen Tätigkeit, aus der die entsprechenden Folgen erwachsen, hinreißen lassen kann, zählt das bewusste und gewollte Schaffen einer Situation, die eine Brandgefahr oder Explosionsgefahr mit sich bringt, nicht zu den Gefahren des täglichen Lebens

Was ist passiert?

Am 28.05.2024 ist die neue Gebäudeenergieeffizienz-RL der EU in Kraft getreten. Damit versucht der EU Gesetzgeber auch die Bedeutung des bereits vorhandenen Gebäudebestands zu berücksichtigen. Als nicht direkt anwendbare Richtlinie muss diese in Österreich innerhalb der nächsten 24 Monate noch in nationales Recht umgesetzt werden.


Rechtliche Beurteilung

EPBD enthält grundlegende Vorgaben dazu, wie die angestrebte Emissionsfreiheit des Gebäudebestands in der gesamten Union bis zum Jahr 2050 erreicht werden soll. Hierzu nimmt der Unionsgesetzgeber die Mitgliedstaaten in die Pflicht und sieht Regelungen für neue Gebäude und – mit deutlich längeren Übergangsfristen – auch Regelungen für den derzeitigen Gebäudebestand vor. Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, Mindestanforderungen an die Energieeffizienz des Gebäudebestands festzulegen. Dazu gehören zum Bespiel unionsweit einheitliche Festlegungen von Mindestvorgaben für Photovoltaikanlagen. Andere Neuerungen betreffen unter anderem einen Renovierungspass, Vorgaben an die nationalen Gebäuderenovierungspläne und Bestimmungen zu nachhaltiger Mobilität betreffend Infrastruktur in Gebäuden und daran angrenzende Parkplätze.

Die EPBD sieht vor, dass neue Gebäude, die sich im Eigentum von öffentlichen Einrichtungen befinden, ab dem 1. 1. 2028 Nullemissionsgebäude sein müssen. Für alle anderen neuen Gebäude gilt diese Verpflichtung erst ab dem 1. 1. 2030.

Der Energiebedarf eines Nullemissionsgebäudes darf dann ausschließlich gedeckt werden durch:

  • am Standort des Gebäudes oder in dessen Nähe erzeugte, erneuerbare Energie,
  • von einer Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft „gelieferte“ Energie,
  • Energie aus einem effizienten Fernwärme- oder Fernkältesystem,
  • Energie aus sonstigen kohlenstofffreien Quellen.

Weiters werden die Mitgliedstaaten verpflichtet nationale Gebäuderenovierungspläne zu erstellen, die das Ziel gewährleisten sollen, bis in das Jahr 2050 einen dekarbonisierten Gebäudebestand erreicht zu haben. Der erste Entwurf solch eines Gebäuderenovierungsplans ist bis spätestens 31. 12. 2025 durch die Mitgliedstaaten an die Kommission vorzulegen.

Die Mitgliedstaaten werden weiters verpflichtet, Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden festzulegen. Etwas überraschend ist, dass die EPBD selbst nicht zwischen neuen Gebäuden und Bestandsgebäuden differenziert. Den Mitgliedstaaten wird diese Möglichkeit aber im Rahmen einer Öffnungsklausel eingeräumt. Die Mitgliedstaaten sind außerdem verpflichtet, sicherzustellen, dass die Gesamtenergieeffizienz bestehender Gebäude, die einer „größeren Renovierung“ unterzogen werden, derart erhöht wird, dass sie den staatlich festgelegten Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden genügen.

Die EPBD beinhaltet auch Regelungen zur nachhaltigen Mobilität vor, wobei zwischen Wohn- und Nichtwohngebäuden einerseits und der Elektromobilität und der Nutzung von Fahrrädern andererseits unterschieden wird. In neuen Nichtwohngebäuden, die über mehr als fünf Kfz-Abstellplätze verfügen, ist künftig verpflichtend jeder fünfte Abstellplatz mit einem Ladepunkt für E-Fahrzeuge zu versehen. In neuen Wohngebäuden muss ab drei vorhandenen Kfz-Stellplätzen künftig auf zumindest 50 % der vorhandenen Stellplätze eine Vorverkabelung für die spätere Errichtung von Ladepunkten installiert sein. Außerdem besteht die Verpflichtung, zumindest zwei Fahrradabstellplätze je Wohneinheit bereitzustellen. 

Diese weitreichenden Verpflichtungen der EPBD sind durch Österreich zeitnah in nationales Recht umzusetzen (24 Monate nach Veröffentlichung).

Schlussfolgerung

Die neue EPBD definiert den Weg vom Niedrigstenergie- zum Nullemissionsgebäude bis 2050. Das Ziel ist die vollständige Dekarbonisierung des Gebäudesektors den nächsten 26 Jahren durch Vorgaben (i) zur Renovierung des Gebäudebestands und Ausstieg aus fossilen Heizungssystemen, (ii) zu Nullemissionsgebäuden, neuen Energieausweisen und Forcierung der Erneuerbaren Energieträger, (iii) zu Finanziellen Anreizen, Bekämpfung der Energiearmut und qualifizierten Arbeitskräften, und (iv) zu Modernisierung der technischen Gebäudeausrüstung und nachhaltiger Mobilität.

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung stürzte bei einer Küstenwanderung am 20. 7. 2021 von einer Klippe und erlitt unter anderem einen Bruch der linken Hüftpfanne mit suspekter Verrenkung des Oberschenkelkopfes und einen Bruch des linken 9. Brustwirbelfortsatzes. Der Versicherungsnehmer begehrte auf Grund dessen Versicherungsleistungen aus dauernder Invalidität. Mit der Bemessung und Leistung der Versicherung war der Versicherungsnehmer nicht einverstanden, weshalb er mittels Klage eine höhere Leistung forderte. Dazu forderte er nicht nur die Leistung für den aktuellen Ist-Zustand, sondern auch eine Leistung für die Prognose, wonach bereits jetzt feststehe, dass eine Verschlechterung eintreten würde.

Fraglich war im anhängigen Rechtsstreit sohin, welcher Zeitpunkt zur Leistungsermittlung für die Erstbemessung herangezogen werden kann.

Der Versicherungsnehmer argumentierte, dass nicht nur von der bereits feststehenden Dauerinvalidität des Beinwertes links auszugehen sei, sondern mit der Gutachtenserörterung im Prozess vor dem Erstgericht die nötigen Erhebungen abgeschlossen worden seien und feststeht, dass die Dauerinvalidität am Ende der Bemessungsperiode mit hoher Wahrscheinlichkeit höher sein werde und hohe Wahrscheinlichkeit als Beweismaß ausreiche.

Der Versicherer hielt dagegen, dass eine Invalidität im Sinn einer körperlichen Funktionsminderung tatsächlich am Körper anhaften müsse, wenn sie zur Leistungsermittlung herangezogen werden solle, weshalb zukünftige – wenngleich allenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit – innerhalb der Vier-Jahres-Frist eintretende Umstände zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung nicht herangezogen werden dürften.

Die dem Unfallversicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung Plus (AUVBP 2015) lauten auszugsweise wie folgt

»Artikel 7 – Dauerinvalidität
[…]
1. Voraussetzung für die Leistung:
Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer (Lebenszeit) in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.
Die Invalidität muss
• innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und in diesem Zeitraum durch medizinische Unterlagen dokumentiert sein sowie
• innerhalb von drei Jahren nach dem Unfall durch einen ärztlichen Befundbericht festgestellt und bei uns geltend gemacht werden. […] Maßgeblich für die Ermittlung der dauernden Invalidität ist der Zustand der Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit zum Zeitpunkt der ärztlichen Untersuchung bzw der Erstellung des Gutachtens.«


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 17.04.2024, Geschäftszahl: 7Ob56/24x, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass entsprechend Art 7.1. dritter Absatz AUVBP 2015 für die Ermittlung der dauernden Invalidität der Zustand der Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz, in der die Gutachtenserörterung stattfand, maßgebend ist. Dieser Zustand muss im Prozess mit hoher Wahrscheinlichkeit (RS0110701) – feststehen. Dieser Ist-Zustand ist für die Bewertung bzw. Bemessung maßgeblich.

Dass bis zum Ablauf der Vier-Jahres-Frist für die Neubemessung (Art 7.5. zweiter Satz AUVBP 2015) mit hoher Wahrscheinlichkeit eine weitere dauerhafte Gesundheitsverschlechterung eintreten wird, ist laut OGH dagegen nach der Bedingungslage für die derzeitige Ermittlung der dauernden Invalidität nicht maßgeblich. Nach Ansicht des OGH ist vielmehr erst nach der gegenständlichen Erstbemessung bei einer späteren Verschlechterung des Grades der dauernden Invalidität unter den Voraussetzungen des Art 7.5. AUVBP 2015 eine Neubemessung bis vier Jahre ab dem Unfalltag vorgesehen.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Der Schluss der Verhandlung erster Instanz ist bei einer derartigen Bedingungslage Stichtag für die Bemessung der Invalidität. Künftige Entwicklungen oder Verschlechterungen sind im Rahmen der Nachbemessungsfrist (4 Jahre) von Relevanz.«

Was ist passiert?

Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer besteht ein Unfallversicherungsvertrag. Die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen lauten auszugsweise wie folgt:

»[…]
Sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes – Artikel 21
[…]
3. Haben Krankheiten oder Gebrechen, bei der durch ein Unfallereignis hervorgerufenen Gesundheitsschädigung – insbesondere solche Verletzungen, die durch krankhaft abnützungsbedingte Einflüsse verursacht oder mitverursacht worden sind – oder deren Folgen mitgewirkt, ist im Fall einer Invalidität der Prozentsatz des Invaliditätsgrades, ansonsten die Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens, zu vermindern, wenn dieser Anteil mindestens 25 % beträgt. Dies gilt insbesondere auch, wenn die Gesundheitsschädigung durch einen abnützungsbedingten Einfluss mit Krankheitswert, wie beispielsweise Arthrose, mitverursacht worden ist.[…]
4. Bei Bandscheibenhernien wird eine Leistung nur erbracht, wenn sie durch direkte mechanische Einwirkung auf die Wirbelsäule entstanden sind und es sich nicht um eine Verschlimmerung von vor dem Unfall bestandenen Krankheitserscheinungen handelt.
[…]«


Wie ist die Rechtslage?

Der Versicherungsnehmer kam im Jahr 2020 zwei Mal zu Sturz und zog sich dabei . Seitdem leidet er an Beeinträchtigungen infolge eines durch die Stürze verursachten Bandscheibenvorfalls. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten bestanden beim Versicherungsnehmer bereits vor dem ersten Unfall ausgeprägte abnützungsbedingte Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenveränderungen in sämtlichen Segmenten (nämlich in Form von Vorfällen bzw. Vorwölbungen) und eine abnutzungsbedingte Einengung des Rückenmarkkanals, die aufgrund der bei den beiden Unfällen erlittenen Prellungen verschlimmert wurden.

Wegen der bestehenden Beeinträchtigungen begehrte der Versicherungsnehmer vom Versicherer diverse Versicherungsleistungen (Invaliditätsentschädigung, Rehabilitationspauschale, Schmerzengeld). Nachdem der Versicherer sämtliche Leistungen abgelehnt und der Versicherungsnehmer eine Klage gegen den Versicherer eingebracht hat, landete der vorliegende Fall vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Bei den vorliegenden Versicherungsbedingungen erfolgt ein vollständiger Entfall des Leistungsanspruchs des Versicherungsnehmers und keine Leistungskürzung entsprechend dem Anteil der Mitwirkung der Vorschädigung, sofern es sich im Falle von Bandscheibenhernien lediglich um eine Verschlimmerung von Krankheitserscheinungen handelt, die bereits vor dem Unfall bestanden.«

Was ist passiert?

Die Antragsgegnerin ist Alleineigentümerin und Vermieterin einer Wohnung, die der Vater der Erstantragsgegnerin und dessen Ehefrau, die Zweitantragstellerin, im Jahr 1972 anmieteten. Das Ehepaar wohnte seither gemeinsam mit ihrer Tochter, der Erstantragstellerin, in dieser Wohnung.

Das Mietverhältnis unterliegt dem Vollanwendungsbereich des MRG.

Im Jänner 2022 verstarb der Ehemann der Zweitantragstellerin und Vater der Erstantragstellerin. Die Tochter trat an Stelle ihres Vaters in den Mietvertrag über die Wohnung ein. Die Vermieterin hob sodann den Hauptmietzins an.

Die Mieterinnen als Antragstellerin beantragten in Folge die gerichtliche Feststellung, dass die von der Vermieterin geforderte Anhebung des Mietzinses für die Wohnung unzulässig sei.

Der Fall landete schließlich vor dem OGH.


Rechtliche Beurteilung

§ 46 MRG gewährt dem Vermieter einer Wohnung unter bestimmten Voraussetzungen das Recht zur Anhebung des (vor dem 1. März 1994) vereinbarten Hauptmietzins beim Eintritt bestimmter eintrittsberechtigter Personen. Beim Eintritt von Ehegatten, Lebensgefährten oder minderjähriger Kinder (also besonders privilegierter Angehöriger) des bisherigen Hauptmieters in den Mietvertrag, soll der Hauptmietzins allerdings unverändert bleiben.

Der OGH geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass dem Fall des Eintritts von privilegierten nahen Angehörigen (Ehegatten, Lebensgefährten oder minderjähriger Kinder) jener Fall gleichzusetzen ist, in dem neben dem verstorbenen Mieter, in dessen Mietrechte Angehörige eintreten, noch Mitmieter bestehen. Grund dafür ist, dass eine Person, die bereits Mieter einer Wohnung gewesen ist, durch das Hinzutreten eines weiteren Mieters nicht schlechter gestellt werden soll.

Es steht daher jeder überlebende Mitmieter – unabhängig davon, ob er selbst eintrittsberechtigt ist oder nicht – der Anhebung des Hauptmietzinses gemäß § 46 MRG entgegen. Allerdings wird eine Mietzinsanhebung dann zulässig, wenn alle privilegierten Personen die Wohnung dauerhaft verlassen haben oder volljährig geworden sind.

Im gegenständlichen Fall wurde sohin festgesellt, dass die Anhebung des Hauptmietzinses für die Wohnung unzulässig ist.

Schlussfolgerung

Vor Anhebung des Mietzinses gemäß § 46 MRG ist sohin zu prüfen, ob noch Mitmieter vorhanden sind. Es besteht nämlich keine Anhebungsmöglichkeit im Fall eines Eintritts in ein Mitmietverhältnis, weil eine Person, die bereits Mieter gewesen ist, durch das Hinzutreten eines weiteren Mieters nicht schlechter gestellt werden soll.

Was ist passiert?

Am 22.08.2022 fuhr der Lenker eines kaskoversicherten Lastwagens in den Hof eines Firmengebäudes und öffnete dabei die Fahrertür, indem er den Schnapper für das Schloss betätigte und die Tür mit der flachen Hand etwas aufdrückte. Bevor er mit der Hand den Türgriff fassen konnte, um die Tür ganz zu öffnen, erfasste eine Windböe die Tür und riss sie über den Anschlag hinaus auf, wodurch das Scharnier, die Tür selbst und die A‑Säule beschädigt wurden. Die Tür wurde dadurch nicht nach vorne gegen den Lastwagen geschleudert. Der dabei eingetretene Schaden belief sich auf EUR 5.424,93. Die dem Kaskoversicherungsvertrag zugrundeliegenden Bedingungen lauten auszugsweise wie folgt:

»3. Umfang der Versicherung
Der Versicherer leistet […] Deckung für Verlust oder Beschädigung als Folge der nachstehend genannten Gefahren:
3.1. Schäden, die dadurch verursacht werden, dass durch Naturgewalten Gegenstände mit dem Fahrzeug kollidieren; […]«

Die Versicherungspolizze enthält unter anderem folgende Deckungserweiterungen:

»Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit, Böswilligkeit, Fahrlässigkeit, Vorsatz Dritter […].«

Der Versicherer lehnte eine Versicherungsleistung mit der Begründung ab, dass im Zusammenhang mit Naturgewalten Deckung nur für Schäden bestehe, die dadurch verursacht wurden, dass durch Naturgewalten Gegenstände mit dem Fahrzeug kollidieren, was nicht der Fall war. Bedienungsfehler, fahrlässiges Handeln oder eine Ungeschicklichkeit seien daher im Zusammenhang mit Naturgewalten nur dann gedeckt, wenn dadurch Gegenstände mit dem Fahrzeug kollidieren.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 17.04.2024, Geschäftszahl: 7 Ob 62/24d, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass Schäden, die durch Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit oder Fahrlässigkeit verursacht worden sind, versichert seien. Daneben seien auch Naturgewalten unter den in den Bedingungen näher beschriebenen Voraussetzungen (Kollision eines Gegenstandes mit dem Fahrzeug) versichert. Eine Einschränkung, dass ein Bedienungsfehler, fahrlässiges Handeln oder eine Ungeschicklichkeit bei Vorliegen einer Naturgewalt – wie bei einer Sturmböe – nur bei Vorliegen der Voraussetzungen für die versicherte Gefahr „Naturgewalt“ gedeckt sind, könne den Versicherungsbedingungen hingegen nicht entnommen werden. Das Verhalten des Fahrers sei als leichte Fahrlässigkeit zu qualifizieren und somit nach den Deckungserweiterungen versichert.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Die vorliegenden Versicherungsbedingungen sehen unter anderem eine Deckungserweiterung für Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit und Fahrlässigkeit vor. Diese Deckungserweiterung besteht gesondert zu den sonstigen versicherten Gefahren und müssen daher auch bei einem Schadensfall im Zusammenhang mit einer Naturgewalt nicht die Voraussetzungen für die versicherte Gefahr „Naturgewalt“ vorliegen. Bei Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit und Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit einer Naturgewalt muss daher kein Gegenstand mit dem Fahrzeug kollidieren.«

Was ist passiert?

Die Versicherungsnehmerin hatte den Auftrag, Gehäuse für Wechselrichter anzufertigen und Wechselrichter darin einzubauen. Bei einem Entladevorgang kippte ein Wechselrichter zur Seite und es kam zu einem Totalschaden.

Der Haftpflichtversicherer lehnte die Deckung für den Totalschaden ab und brachte unter anderem vor, es greife der Risikoausschluss des Art. 7, Pkt. 10.4. AHVB 2006 für die „Benützung, Beförderung oder Bearbeitung oder einer sonstigen Tätigkeit an oder mit“ beweglichen Sachen.

Das Erstgericht hielt fest, dass die beiden besonderen Bedingungen BB 7858 und BB 7878 in diesem Fall zu berücksichtigen seien, die die Risikoausschlüsse für Schäden an beweglichen Sachen teilweise abbedingen. Die besonderen Bedingungen lauten auszugsweise:

»Besondere Bedingung Nr. 7858
Verwahrung von beweglichen Sachen
1. Die Bestimmungen gemäß Pkt. 3. gelten ausschließlich für solche beweglichen Sachen, die der Versicherungsnehmer oder die für ihn handelnden Personen zur Bearbeitung, Verarbeitung oder Reparatur übernommen haben. […]
3. Der Versicherungsschutz bezieht sich abweichend von Art. 7, Punkte 10.2 und 10.3 AHVB auch auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an beweglichen Sachen gemäß Pkt. 1. aus dem Titel der Verwahrung[…].
Schäden an diesen Sachen, die bei oder infolge ihrer Benützung, Beförderung, Bearbeitung oder einer sonstigen Tätigkeit an oder mit ihnen entstehen, bleiben gemäß Art. 7, Pkt. 10.4 AHVB vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. […]
 
Besondere Bedingung Nr. 7878
Tätigkeiten an beweglichen Sachen
1. Abweichend von Art. 7, Pkt. 10.4 AHVB erstreckt sich die Versicherung auch auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an beweglichen Sachen, die bei oder infolge einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen (Bearbeitung, Reparatur und dgl.) entstehen, sei es auch im Zuge der Verwahrung […].
2. Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen bleiben:
2.1 Schäden an Sachen, die der Versicherungsnehmer oder die für ihn handelnden Personen entliehen, gemietet oder geleast haben; […]«


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 06.03.2024, Geschäftszahl: 7Ob159/23t, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass die BB 7878 abweichend von Art 7.10.4 AHVB 2006 einen Einschluss für Schadenersatzverpflichtungen auf Grund von Schäden an beweglichen Sachen enthält, die bei bzw. infolge einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen entstanden sind.

Im Anschluss daran werden bestimmte Tätigkeiten konkret angeführt, wobei die Aufzählung in der BB 7878 nur beispielhaft zu verstehen ist. Aus dem Wortlaut der Klausel kann daher der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht entnehmen, dass Schäden bei einem Abladevorgang nicht von der BB 7878 umfasst sind, solange die bewegliche Sache bei oder infolge der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit dieser Sache beschädigt wurde, was hier ohne Zweifel der Fall ist. Auch die Systematik des Bedingungswerks spricht für diese Auslegung. Der geltend gemachte Schaden ist somit durch den Risikoeinschluss der BB 7878 gedeckt.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Die Auslegung von Versicherungsbedingungen hat sich am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren. Diese Entscheidung zeigt, wie wichtig eine klare, nachvollziehbare Formulierung von Versicherungsbedingungen ist.«

Was ist passiert?

Bei einer Steuerberatungsgesellschaft (Klägerin) kam es infolge eines unwirksam eingebrachten Schriftsatzes beim Finanzamt zu einem Haftungsfall mit einem Schaden von insgesamt EUR 766.952,19. In dieser Sache vertrat die Klägerin gleich mehrere Anleger, da es sich in allen Verfahren um den gleichen Grundsachverhalt handelte. Es wurden Berufungen angemeldet, die Begründung dafür sollte nachgereicht werden. Dazu bediente sich die Klägerin zur weiteren Begründung der einzelnen Rechtsmittel der Anleger eines Schriftsatzes, welcher mittels Email an das Finanzamt übermittelt wurde.

Nachdem die Übertragung fehlerhaft war, wurden die Berufungsverfahren zu Lasten der Anleger eingestellt. Bei ordnungsgemäßer Einbringung der Rechtsmittel wäre das nicht passiert und wäre es nicht zum Schadensfall gekommen.

Die Klägerin meldete den Schadensfall ihrer Berufshaftpflichtversicherung (Grundversicherung – Nebenintervenientin), die einen Deckungsumfang zu einer Versicherungssumme von EUR 250.000 pro Versicherungsfall vorsah. Anschießend begehrte die Klägerin als Kammermitglied die Bezahlung des Differenzbetrages aus einem von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder abgeschlossenen Exzedentenversicherungsvertrages, welcher eine Versicherungssumme von max. EUR 2.180.185,00 vorsah. Begründete wurde diese mit dem Vorliegen eines Serienschadens. Dies wurde von der Exzedentenversicherung bestritten.

Die Klausel in den zugrundeliegenden Bedingungen (ABHV) lautete wie folgt:

»[…] 1.1 Versichert sind Sachschäden, die durch einen vollbrachten oder versuchten Einbruchdiebstahl
entstehen (Schadenereignis).
Versichert sind auch Sachschäden, die als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses
eintreten.
1.2
Einbruchdiebstahl liegt vor, wenn ein Täter in die Versicherungsräumlichkeiten
1.2.1 durch Eindrücken oder Aufbrechen von Türen, Fenstern oder anderen Gebäudeteilen
einbricht;
1.2.2 unter Überwindung erschwerender Hindernisse durch Öffnungen, die nicht zum Eintritt
bestimmt sind, einsteigt;
1.2.3 einschleicht und aus den versperrten Versicherungsräumlichkeiten Sachen wegbringt;
1.2.4 durch Öffnen von Schlössern mittels Werkzeugen oder falscher Schlüssel eindringt.
Falsche Schlüssel sind Schlüssel, die widerrechtlich angefertigt werden;
1.2.5 mit richtigen Schlüsseln eindringt, die er durch Einbruchdiebstahl in andere Räumlichkeiten
als die Versicherungsräumlichkeiten oder durch Beraubung an sich gebracht hat.
Beraubung ist die Wegnahme oder erzwungene Herausgabe von Sachen unter Anwendung
oder Androhung tätlicher Gewalt gegen Personen;
1.2.6 gelangt und während der Anwesenheit von Personen in versperrte Räume gemäß
Punkt 1.2.1. bis 1.2.5. einbricht. […]«

Der Versicherungsnehmer mietete ab September 2017 ein Atelier in einer ehemaligen Traktorfabrik

und ging dort seiner künstlerischen Tätigkeit nach. Am 19.10.2019 brachen Gehilfen

der Vermieterin das Schloss zum Atelier des Versicherungsnehmers auf und verbrachten die

im Atelier befindlichen Fahrnisse, wie etwa Möbel und Kunstwerke, an einen dem Versicherungsnehmer

unbekannten Ort. Der Grund dafür war ein Streit zwischen dem Versicherungsnehmer

und der Vermieterin über die Befristung des Mietverhältnisses. Erst rund vier Monate

später erfuhr der Versicherungsnehmer zufällig von einem Dritten, dass seine Gegenstände

in einem Container auf dem Gelände der Traktorfabrik eingelagert waren. Der Versicherungsnehmer

erlangte seine Fahrnisse mit einigen Ausnahmen wieder zurück. Die Gehilfen der Vermieterin

hatten keinen Vorsatz, sich aus den Kunstwerken und sonstigen Fahrnissen des Versicherungsnehmers

zu bereichern. Die Täter wollten den Versicherungsnehmer lediglich delogieren.

Im Zuge der Entwendung wurden Kunstwerke des Versicherungsnehmers beschädigt. Der

Versicherungsnehmer begehrte aus der Einbruchsdiebstahlversicherung die Kosten für die Instandsetzung

in der Höhe von EUR 18.932,50. Nachdem der Versicherer eine Leistung mit

der Begründung abgelehnt hat, dass kein versichertes Schadensereignis vorliege, da die Täter

sich nicht bereichern wollten, landete der Fall vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 17.04.2024, 7 Ob 215/23b, führte der OGH zunächst aus, dass

Rechtsbegriffe, die in Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwendet werden und die in

der Rechtssprache eine bestimmte, unstrittige Bedeutung haben, grundsätzlich in diesem Sinn

auszulegen sind. Nach dem Strafgesetzbuch sei für einen Einbruchsdiebstahl erforderlich,

dass bereits die Einbruchshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen wird, fremde Sachen wegzunehmen,

um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Der Rechtsbegriff „Einbruchsdiebstahl“

habe daher in der Rechtssprache eine bestimmte, unstrittige Bedeutung.

Allerdings enthalten die hier vorliegenden Versicherungsbedingungen eine eigenständige Definition

des Begriffs „Einbruchsdiebstahl“, die nicht mit jener im Strafgesetzbuch übereinstimme.

Es könne daher im gegenständlichen Fall nicht ohne Weiteres auf den strafrechtlichen

Begriffsinhalt abgestellt werden. Nach Ansicht des OGH werde in den hier vorliegenden Versicherungsbedingungen

ein Bereicherungsvorsatz des Täters gerade nicht ausdrücklich als

Voraussetzung angeführt.

Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei daher aus dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen

nicht ersichtlich, dass neben den in den Bedingungen angeführten Begehungsformen

ein Handeln des Täters mit Bereicherungsvorsatz für die Qualifikation als Einbruchsdiebstahl

im Sinn der Versicherungsbedingungen erforderlich wäre. Vielmehr gehe der

durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne einen Anhaltspunkt im Wortlaut der Bedingungen

davon aus, dass bereits bei Vorliegen einer der in den Bedingungen genannten Begehungsformen

ein Einbruchsdiebstahl im Sinn der Bedingungen vorliegt. Dies umso mehr, als

es sich regelmäßig der Kenntnis des Versicherungsnehmers entzieht, ob der Täter mit Bereicherungsvorsatz

gehandelt hat.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Sofern Versicherungsbedingungen den Einbruchsdiebstahl selbst definieren und der Wortlaut der Bedingungen keinen besonderen Vorsatz des Täters als Voraussetzung enthält, ist das Vorliegen des vom Strafgesetzbuch für einen Einbruchsdiebstahl geforderten Bereicherungsvorsatzes nicht Voraussetzung für die Annahme eines Einbruchsdiebstahls im Sinne der Versicherungsbedingungen. Ob ein Täter die weggenommene Sache verschenken oder vernichten oder lediglich für einige Zeit (und mit der Absicht späterer Rückgabe) in Gebrauch nehmen möchte, spielt bei den gegenständlichen Bedingungen versicherungsrechtlich keine Rolle.«