Tag Archive for: Haftpflichtversicherung

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer beabsichtigte seine Haushaltsversicherung aufgrund eines Wohnungswechsels „umzuschreiben“. Hierfür wandte er sich an eine Genossenschaft, die als Versicherungsagent Versicherungen mehrerer Versicherungsunternehmen vermittelt. Ein Mitarbeiter der Genossenschaft teilte dem Versicherungsnehmer mit, dass eine „Umschreibung“ nicht möglich sei, sondern eine Anpassung an die geänderte Wohnungsgröße erfolgen müsse. Der Versicherungsnehmer antwortete darauf, dass die bisherige Versicherungssumme auch unter Berücksichtigung der größeren Fläche ausreichend sei und ihm vor allem eine günstige Prämie wichtig sei. Die Genossenschaft übermittelte dem Versicherungsnehmer daraufhin zwei Angebote unterschiedlicher Versicherungen: Das erste mit einer günstigeren Prämie, jedoch einem eingeschränkten Unterversicherungsverzicht, das zweite mit einer höheren Prämie bei einem gänzlichem Unterversicherungsverzicht. Der Versicherungsnehmer entschied sich für das erstgenannte Angebot.

Nach einem Wohnungseinbruch stellte sich heraus, dass eine Unterversicherung vorlag. Daraufhin begehrte der Versicherungsnehmer von der vermittelnden Genossenschaft Schadenersatz aufgrund der Verletzung von Beratungs- und Aufklärungspflichten. Letztlich wurde der Oberste Gerichtshof (OGH) mit dem gegenständlichen Fall befasst.

Wie ist die Rechtslage?

Der OGH hatte in seiner Entscheidung (7 Ob 74/22s) zum vorliegenden Sachverhalt unter anderem zu klären, nach welchem Maßstab die vermittelnde Genossenschaft haftet, insbesondere da die Genossenschaft als Versicherungsagent auftrat, jedoch Angebote von zwei unterschiedlichen Versicherungen übermittelte.

Hierzu führt der OGH in seiner Entscheidung zunächst aus, dass die Genossenschaft das sie als Versicherungsagent treffende Trennungsgebot missachtet habe, da sie gegenüber dem Kunden mehrere Versicherer innerhalb einer Versicherungssparte ins Spiel gebracht habe. Demnach sei die Genossenschaft nicht mehr eindeutig der Seite des Versicherungsunternehmens zuordenbar. Aufgrund der Übermittlung von Angeboten von zwei unterschiedlichen Versicherungsunternehmen in derselben Sparte sei die Genossenschaft gegenüber dem Kunden als Versicherungsmakler aufgetreten und hafte sohin nach dem Maßstab für Versicherungsmakler. Den Makler treffen dabei aus dem Treueverhältnis zum Kunden gewisse Schutz-, Sorgfalts- und Beratungspflichten (§ 28 MaklerG), für deren Verletzung der Makler als Sachverständiger einzustehen habe.

Trotz dieses Maßstabes kam der OGH im gegenständlichen Fall zum Schluss, dass keine Pflichtverletzung der Genossenschaft vorliege. Es gab keinerlei Hinweise, dass die Informationen des Versicherungsnehmers unrichtig oder unvollständig gewesen wären oder der eingeschränkte Unterversicherungsverzicht den Interessen des Versicherungsnehmers zuwidergelaufen wäre. Auch der Umstand, dass der Versicherungsnehmer lediglich seine bisherige Versicherung, die einen gänzlichen Unterversicherungsverzicht umfasste, „umschreiben“ wollte, begründe keine Pflichtverletzung, da diesem auch ein entsprechendes Angebot mit einem solchen Verzicht übermittelt wurde. Eine Haftung der Genossenschaft, auch nach dem Maßstab für Versicherungsmakler, wurde sohin im gegenständlichen Fall vom OGH verneint.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Anders als der Versicherungsmakler ist der Versicherungsagent dem Versicherungsunternehmen zuzuordnen und steht in einem Naheverhältnis zu diesem. Ein Versicherungsagent, der Agenturverhältnisse zu mehreren Versicherungsunternehmen hat, darf daher gegenüber dem Kunden in einer Versicherungssparte nur für ein Versicherungsunternehmen auftreten. Missachtet der Agent dieses Trennungsgebot, so haftet er grundsätzlich nach dem Maßstab eines Versicherungsmaklers.«

5 Ob 177/22y

Sachverhalt

Der Kläger ist Mieter einer in einem fünfstöckigen Wohnhaus im 5. Bezirk in Wien gelegenen Mietwohnung. Von der Mietwohnung sind Geschäfte des täglichen Bedarfs ebenso wie die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel (U-Bahn und Autobus) fußläufig erreichbar. Auch kulturelle Einrichtungen der innerstädtischen Bezirke sind mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar sowie Gesundheits- und Bildungseinrichtungen in unmittelbarer Umgebung vorhanden. Die gute öffentliche Verkehrsanbindung der Mietwohnung bringt allerdings auch eine hohe Lärmbelastung durch Straßenlärm mit sich.

Als Teil des Mietzinses wurde dem Mieter vom Vermieter ein Lagezuschlag verrechnet. Der Mieter beantragte die gerichtliche Überprüfung des ihm vom Vermieter vorgeschriebenen Hauptmietzinses.

Das Erst- sowie auch das Rekursgericht kamen im Rahmen der Mietzinsüberprüfung zu der Entscheidung, dass im gegenständlichen Fall kein Lagezuschlag zusteht. Dies, wegen der vergleichsweisen hohen Lärmbelästigung.

Der Vermieter war nach wie vor anderer Ansicht und wandte sich daher an den OGH. In seinem Revisionsrekurs an den OGH kritisierte der Vermieter an den Entscheidungen des Erst- und des Rekursgerichts insbesondere, dass diese die sehr gute Verkehrsanbindung sowie weitere Faktoren, die die verfahrensgegenständliche Wohnung als eine „überdurchschnittliche“ iSd § 16 MRG iVm § 2 RichtWG qualifizierten, nicht ausreichend berücksichtigten. Die Behauptungen des Vermieters wurden durch ein Sachverständigengutachten bekräftigt. Der OGH hatte daher zu beurteilen, welche Auswirkungen die Lärmbelastung einer Mietwohnung im Zusammenhang mit dem für eine Mietwohnung gebührenden Lagezuschlag hat und inwieweit der diesbezügliche Ermessensspielraum des entscheidenden Gerichts reicht

Rechtliche Beurteilung

Voraussetzung dafür, dass ein Lagezuschlag zum Richtwertmietzins gemäß § 16 Abs 4 MRG vereinbart werden kann, ist primär die überdurchschnittlich gute Lage der Mietwohnung.

Für die Beurteilung, ob eine konkrete Lage „besser als durchschnittlich“ qualifiziert werden kann, muss nach der Rechtsprechung die Lage des Wohnhauses der Mietwohnung mit anderen Lagen vergleichen werden.

Die Beurteilung des zulässigen Mietzinses und daher auch die Frage, ob ein Lagezuschlag berechtigt ist oder nicht, ist eine vom Richter – und nicht von einem Sachverständigen – zu beurteilende Rechtsfrage.

In seiner Entscheidung verweist der OGH zunächst darauf, dass sich die Qualität einer Wohnumgebung nicht nur an ihrer guten Anbindung bzw. Infrastruktur orientiert. Vielmehr bedarf es eines Gesamtvergleichs mit anderen Wohnumgebungen. In Wien ist als Referenzgebiet für die Beurteilung der Überdurchschnittlichkeit der Lage einer Mietwohnung auf jene  Teile des Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung ähnlich sind und aufgrund ihrer Bebauungsmerkmale ein einheitliches Wohngebiet bilden.

Zwar zeichnet sich der Teil des Stadtgebietes, in dem die Mietwohnung liegt, tatsächlich durch gute Lagemerkmale aus (insbesondere durch nahe gelegene Geschäfte des täglichen Bedarfs, kulturelle Einrichtungen sowie Gesundheits- und Bildungseinrichtungen), doch begründet dies alleine noch nicht die „Überdurchschnittlichkeit“ der Lage, die einen Lagezuschlag rechtfertigt.

Der OGH gelangte schließlich zu der Entscheidung, dass eine erhebliche Lärmbelästigung (in diesem Fall von etwa 75 dB auf der einen und etwa 60-65 dB auf der anderen Straßenseite des Wohnhauses) grundsätzlich ein Lagekriterium darstellt. Im gegenständlichen Fall steht daher ein Lagezuschlag nicht zu.

Schlussfolgerung

»Bei der Beurteilung, ob ein Lagezuschlag zusteht, ist sohin nicht ausschließlich die Lage des Mietgegenstandes, sondern auch weitere Faktoren – wie hier eine erhebliche Lärmbelastung aufgrund hohen Verkehrsaufkommens – zu berücksichtigen.«

Was ist passiert?

Zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer wurde ein Unfallversicherungsvertrag abgeschlossen. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 2006 idF 7/2012), die der Polizze zugrunde lagen, lauteten auszugsweise wie folgt:

»Was versteht man unter „Dauernder Invalidität“? Wie wird der Invaliditätsgrad gemessen?
1. Dauernde Invalidität liegt vor, wenn die versicherte Person durch den Unfall auf Lebenszeit in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Der Eintritt dauernder Invalidität ist notwendige Voraussetzung für Zahlungen aus den Leistungsarten Unfallkapital, Zusatzkapital und Unfallrente […]
2. Die dauernde Invalidität muss
– innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sein und
[…]«

Seit einem Unfall am 06.03.2014 litt der Versicherungsnehmer an Kopfschmerzen. Aufgrund dieser, durch den Unfall verursachten Kopfschmerzen machte der Versicherungsnehmer eine 10%ige dauernde Invalidität geltend. Bei den Begutachtungen im Jänner 2016 und November 2019, die im Rahmen des durchgeführten Gerichtsverfahrens stattfanden, wurden die Kopfschmerzen ausdrücklich nicht als dauerhaft festgestellt oder prognostiziert. Erst mit Gutachten vom Juli 2021 wurden die Kopfschmerzen erstmals als dauernde Invalidität bewertet.

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.03.2023 (7Ob28/23b) führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass nach Art G.1 iVm Art G.2 AUVB Voraussetzung für die Versicherungsleistung ist, dass die versicherte Person durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist und diese Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten ist.

„Dauernde Invalidität“ sei nach Ansicht des OGH der gänzliche oder teilweise Verlust von Körperteilen oder Organen und/oder die Einschränkung der körperlichen, organischen oder geistigen Funktionsfähigkeit. Eine dauernde Invalidität liege vor, wenn sie objektiv vorhanden („eingetreten“) ist. Nicht entscheidend sei nach den Versicherungsbedingungen, dass sie der Versicherungsnehmer auch innerhalb der Frist eines Jahres erkannt haben muss. Eine dauernde Invalidität könne auch schon eingetreten sein, ohne dass sie der Betroffene als solche erkennt.

Dauerinvalidität in der Unfallversicherung erfordere, dass die Invalidität auf Lebensdauer feststeht, oder nach dem ärztlichen Wissensstand zur Zeit der Beurteilung und der Erfahrung des Arztes die Prognose besteht, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Invalidität lebenslang andauern wird. Nur wenn sich innerhalb eines Jahres nach dem Unfall diese Prognose ergibt, sei die erste Voraussetzung für eine allfällige Leistungspflicht des Versicherers erfüllt. Wenn sich hingegen die Prognose erst zu einem späteren Zeitpunkt in Richtung Dauerinvalidität ändern sollte, dann bestehe kein Anspruch.

Im vorliegenden Fall wurden die Kopfschmerzen des Versicherungsnehmers nicht innerhalb der Jahresfrist des Art G.2 AUVB, sondern erst sieben Jahre nach dem Unfall erstmals als dauerhaft bewertet. Da sich die dauernde Invalidität im vorliegenden Fall erst nach Ablauf eines Jahres ergeben habe, sei der Versicherer infolge der vereinbarten Klausel gemäß Art G.2 AUVB leistungsfrei.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Die Bestimmung, wonach der Versicherer die vereinbarte Leistung zu erbringen hat, falls sich innerhalb eines Jahres vom Unfallstag an ergibt, dass eine dauernde Invalidität zurückbleibt, stellt einen Risikoausschluss dar und führt dazu, dass der Versicherer leistungsfrei ist, wenn sich die dauernde Invalidität erst nach Ablauf dieses einen Jahres ergibt.«

Was ist passiert?

Im Alltag stellt sich für Käufer und Verkäufer bei Immobilientransaktionen immer wieder die Frage wie ausführlich ein Finanzierungsvorbehalt in einem Immobilien Kaufangebot ausformuliert sein muss und wen er wie bindet. Reicht die oft verwendete Formel „unter Finanzierungsvorbehalt“ aus oder sollte man klarere Regeln treffen?

Wie ist die Rechtslage?

Ohne spezifische Regelung im Kaufangebot oder im Kaufvertrag trifft das Risiko der Kaufpreisfinanzierung den Käufer. Er wird sich, wenn er schlussendlich nicht finanzieren kann, nicht aus seinen vertraglichen Verpflichtungen argumentieren können.

In der Praxis von Immobilientransaktionen wird jedoch häufig ein sogenannter Finanzierungsvorbehalt vereinbart, oft lediglich durch Zusatz der Formulierung „vorbehaltlich Finanzierung“ oder „unter finanzierungsvorbehalt“. Sinn und Zweck ist der Wunsch des Käufers die Finanzierbarkeit des Kaufpreises als Voraussetzung für die Wirksamkeit des Kaufvertrages zu vereinbaren.

Da solch ein Finanzierungsvorbehalt in der Regel nicht sehr ausformuliert in den Kaufangeboten aufgenommen wird, braucht man zur Feststellung der tatsächlichen Bedeutung vertragliche Auslegung. Was ist der Wille der Parteien? Wie ist solch ein Finanzierungvorbehalt im redlichen Verkehr zu verstehe? Im Wesentlichen ist ein Finanzierungsvorbehalt entweder als (i) Rücktrittsrecht oder (ii) Bedingung einzustufen.

In der Praxis ist der Finanzierungsvorbehalt uE als unbedingtes Angebot auf Abschluss eines aufschiebend bedingten Kaufvertrags zu sehen. Was Detailfragen aufwirft: Wie lange und intensiv muss sich der Käufer um eine Finanzierung bemühen? Welche Konditionen muss der Käufer bei einer Bank akzeptieren? Wie lange ist der Verkäufer gebunden und muss darauf warten, dass der Käufer eine Finanzierung findet?

Die Vertragsparteien eines bedingten Vertrages müssen grundsätzlich alles Erlaube und Zumutbare unternehmen, um den Bedingungseintritt zu fördern und alles unterlassen, was der Erfüllung entgegensteht.

Pflichten des Käufers: Vereitelt der Käufer den Bedingungseintritt treuwidrig, dann wird der Eintritt der Bedingung fingiert, dh, dass der Kaufvertrag auch dann rechtskräftig zustande kommt, wenn der Käufer keine Finanzierung erhalten hat. In der Praxis heißt das, dass der Verkäufer vom Käufer Erfüllung verlangen kann, bei entsprechendem Verzug und Verstreichen einer Nachfrist zurücktreten und Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung geltend machen kann. Ein redlicher Käufer muss also alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen um den (unter Finanzierungsvorbehalt geschlossenen) Kauf finanzieren zu können. Unseres Erachtens ist somit eine Anfrage bei der jeweiligen Hausbank allein nicht ausreichend um den Verpflichtungen des Käufers genüge zu tun. Dieser muss binnen angemessener Frist Anfragen bei mehreren Banken stellen und entsprechende Verhandlungen führen. Die Annahme eines Kreditangebots eines Kreditinstituts zu marktüblichen Konditionen wird dem Käufer idR zumutbar sein.

Pflichten des Verkäufers: Ohne klare Formulierung des Finanzierungsvorbehalts befindet sich der Verkäufer in einem rechtlichen Schwebezustand. Wie lange ist der Verkäufer gebunden? Wie lange muss er warten, ob der Käufer in der Lage ist eine entsprechende Finanzierung zu erlangen? Da die Rechtsprechung verlangt, dass die endgültige Entwicklung bis zur vollen Gewissheit abgewartet wird, resultiert dies für den Verkäufer in einem potentiell sehr langen vertraglichen Schwebezustand. Ein vorzeitiger Rücktritt für den Verkäufer soll somit nur dann zulässig sein, wenn ein Abwarten der endgültigen Entwicklungen für ihn unzumutbar und rechtsmissbräuchlich sind. Wann dies der Fall ist, muss im Einzelfall beurteilt werden. Ein Rücktrittsrecht des Verkäufers sollte jedoch idR dann möglich sein, wenn eine im Geschäftsverkehr übliche Dauer zur Erlangung einer Finanzierung deutlich überschritten wurde und den Verkäufer daran kein Verschulden trifft. Es sollten den Vertragsparteien nicht zugemutet werden ewig an einen bedingten Vertragsabschluss gebunden zu sein. In der Praxis wird es bei der Beweiswürdigung jedoch schwer zu belegen sein, ob sich die Vertragsparteien ausreichend bemüht haben oder ob ein treuwidriges Verhalten einer Vertragspartei vorliegt.

Schlussfolgerung

Eine bloße Verwendung von „unter Finanzierungsvorbehalt“ ohne genauere Regelungen vorzusehen, ist kein vertragliches Allheilmittel für den Käufer. Solch eine Formulierung kann sowohl für Käufer als auch für Verkäufer Rechtsunsicherheiten nach sich ziehen. Aus Sicht das Käufers ist unsicher, wie stark er sich um eine Finanzierung bemühen muss und was (z.B welche Konditionen) er im Sinne einer Finanzierung akzeptieren muss, um nicht vertragsbrüchig zu werden und für den Verkäufer ist unklar, wie lange er auf den Käufer und dessen potentielle Finanzierung warten muss.

Wir empfehlen in der Praxis daher bei der Formulierung eines Finanzierungsvorbehalts detailliertere Regelungen vorzusehen. Jedenfalls sollte ein sogenanntes „Long-Stop Date“ verhandelt werden, dh eine Regelung bis wann ein Bedingungseintritt spätestens zu erfolgen hat, um beiden Parteien Rechtssicherheit über die Dauer des geschuldeten Bemühens zu geben.

Was ist passiert?

Zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Versicherer bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag. Im Vorverfahren begehrte die Versicherungsnehmerin von ihrem ehemaligen Lebensgefährten eine Zahlung in der Höhe von EUR 585.313,10, weil er sie vom Balkon gestoßen und dadurch schwer verletzt habe. Diese Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. Der Rechtsvertreter der Versicherungsnehmerin stellte anschließend seine Honorarforderung gegenüber der Versicherungsnehmerin fällig, stundete jedoch den Betrag bis zum rechtskräftigen Abschluss des mit dem Rechtsschutzversicherer geführten Deckungsprozesses. Die Versicherungsnehmerin ersetzte bislang weder dem Gegner des Haftpflichtprozesses dessen Prozesskosten, noch beglich sie die Honorarforderung ihres Rechtsvertreters.

Im gegenständlichen Prozess begehrte die Versicherungsnehmerin vom Rechtsschutzversicherer die Zahlung der Kosten des Haftpflichtprozesses und als Eventualbegehren die Feststellung der Versicherungsdeckung. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 25.01.2023 führte der OGH (7 Ob 217/22w) zunächst aus, dass die Rechtsschutzversicherung als passive Schadensversicherung den Versicherungsnehmer gegen das Entstehen von Verbindlichkeiten (Passiva) schütze. Sie biete Versicherungsschutz gegen die Belastung des Versicherungsnehmers mit Rechtskosten. Die Hauptleistungspflicht des Versicherers in der Rechtsschutzversicherung bestehe in der Tragung der dem Versicherungsnehmer entstehenden Kosten.

Vor Fälligkeit des Leistungsanspruchs könne nur auf Feststellung dahin geklagt werden, dass der Versicherer verpflichtet ist, Rechtsschutzdeckung in bestimmten Angelegenheiten zu gewähren. Nach Eintritt der Fälligkeit sei die Frage der Deckungspflicht sodann Vorfrage für den Leistungsanspruch. Beim Leistungsanspruch handle es sich aber (zunächst) nur um einen Befreiungsanspruch, somit nicht (primär) um einen Geld- bzw. Zahlungsanspruch. Nur wenn der Versicherungsnehmer seinen Kostengläubiger bereits selbst befriedigt hat, könne sich sein Befreiungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer verwandeln.

Im vorliegenden Fall war der Leistungsanspruch der Versicherungsnehmerin gegenüber dem beklagten Versicherer bereits fällig. Der dadurch gegebene Freistellungsanspruch gehe nach den Ausführungen des OGH auf Befreiung von den bei der Wahrnehmung des versicherten rechtlichen Interesses entstehenden Kosten. Dieser Freistellungsanspruch sei aber nach Ansicht des OGH einem Geld- bzw. Zahlungsanspruch (Kostenerstattungsanspruch) nicht gleichgestellt. Vielmehr könne er sich erst dann in einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer verwandeln, wenn der Versicherungsnehmer seinen Kostengläubiger bereits selbst befriedigt hat. Der Versicherungsnehmer habe nach Fälligkeit seines Leistungsanspruchs aber auch kein rechtliches Interesse an der Feststellung der Versicherungsdeckung mehr, weil die Möglichkeit der Leistungsklage (im vorliegenden Stadium: auf Freistellung) nach ständiger Rechtsprechung bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage verdrängt.

Im vorliegenden Fall kam daher der OGH zum Ergebnis, dass das Geldleistungsbegehren mangels Zahlung der Kostenschuld und das als Eventualbegehren gestellte Feststellungsbegehren wegen Fehlens des rechtlichen Interesses nicht berechtigt und daher die Klage abzuweisen war.

Schlussfolgerung

»Der Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Rechtsschutzversicherer kann sich erst dann in einen Geld- bzw. Zahlungsanspruch (= Kostenerstattungsanspruch) verwandeln, wenn der Versicherungsnehmer seinen eigenen Kostengläubiger bereits selbst befriedigt hat. Davor hat der Versicherungsnehmer nur einen Feststellungsanspruch bzw. ab Fälligkeit einen Anspruch auf Freistellung.«

Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch

2 Ob 155/22s

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer schloss am 11.04.2020 eine Eigenheimversicherung für ein Wohngebäude ab, welches zwar in seinem Eigentum stand, jedoch bereits seit ca. 10 Jahren vermietet war. Der Versicherungsnehmer vereinbarte dabei mit dem Mieter – entsprechend den feuerpolizeilichen Vorschriften – dass dieser die Feuerungsanlage regelmäßig reinigen zu lassen habe. Aufgrund eines Brandes am 14.02.2021 kam es zur Beschädigung des Gebäudes, in dessen Folge sich herausstellte, dass der Mieter dieser Verpflichtung nicht nachgekommen war. In den Versicherungsbedingungen der Eigenheimversicherung wurde festgelegt, dass das Versicherungsunternehmen den Vertrag kündigen kann, wenn der Versicherungsnehmer gesetzliche, behördliche oder vereinbarte Sicherheitsvorschriften verletzt oder die Verletzung duldet. Überdies wurde auch die Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens vereinbart, sollte der Schadenfall nach der Verletzung eintreten und die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruhen. Der Versicherungsnehmer forderte von dem Versicherungsunternehmen den Ersatz des Brandschadens, diese verweigerte jedoch unter Verweis auf die Verletzung einer Sicherheitspflicht die Leistung.

Wie ist die Rechtslage?

Der Oberste Gerichtshof (OGH) war zu 7 Ob 204/22h unter anderem damit befasst, ob der Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall die Verletzung einer Sicherheitsvorschrift zu verantworten habe und wenn ja, welcher Verschuldensgrad ihm vorzuwerfen sei. Diesbezüglich hatte der OGH einerseits zu klären, ob das Verhalten des Mieters und sohin dessen Verschulden dem Versicherungsnehmer zugerechnet werden kann, andererseits aber auch, ob das Verhalten des Versicherungsnehmers selbst grob fahrlässig war.

Zu ersten Frage hielt der OGH fest, dass in Österreich die in Deutschland vertretene Repräsentationstheorie im Versicherungsrecht nicht gelte. Demnach führe das Verhalten eines Dritten nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers. Das Verhalten einer dritten Person könne dem Versicherungsnehmer nur dann zugerechnet werden, wenn dieser zur Abwicklung eines bestimmten Versicherungsverhältnisses bevollmächtigt wurde. Mit dem Mieter bestand jedoch lediglich die Vereinbarung, dass sich dieser um die Reinigung der Feuerungsanlage zu kümmern habe. Da keine Bevollmächtigung im beschriebenen Sinne vorliege, sei das Verhalten des Mieters bei der Beurteilung des Verschuldens daher unbeachtlich.

Betreffend die zweite Frage, verwies der OGH zunächst darauf, dass grobe Fahrlässigkeit eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht verlange. Der objektiv besonders schwere Sorgfaltsverstoß müsse auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen sein. Die mangelnde Veranlassung der Reinigung bzw. die mangelnde Kontrolle der dem Mieter überbundenen Pflicht durch den Versicherungsnehmer begründe nach Ansicht des OGH jedoch kein grob fahrlässiges Verhalten. Es sei nämlich weder objektiv noch subjektiv ein besonders schwerwiegender Sorgfaltsverstoß des Versicherungsnehmers anzunehmen, da der Versicherungsnehmer aufgrund mangelnder Verdachtsmomente von der Verlässlichkeit des Mieters ausging. Folglich wurde die gegenständliche Revision des Versicherungsunternehmens vom OGH auch zurückgewiesen.

Schlussfolgerung

»Das Verhalten eines Dritten führt im Regelfall nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmen. Zu hinterfragen ist jedoch stets, ob dem Versicherungsnehmer nicht aufgrund seines eigenen Verhaltens ein Verschulden angelastet werden kann. Wurde von einem Dritten eine Sicherheitspflicht verletzt, so ist entsprechend der Ansicht des OGH dabei auch zu prüfen, ob der Versicherungsnehmer auf ein pflichtgemäßes Verhalten des Dritten vertrauen durfte.«

Was ist passiert?

Die Versicherungsnehmerin beabsichtigte eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich einzubringen, mit der sie Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden begehrte. Begründend führte die Versicherungsnehmerin hierzu aus, dass ihr Ehegatte aufgrund des unzureichenden Pandemie-Managements der Behörden in der Zeit Ende Februar/Anfang März 2020 verstorben sei. Unter Verweis auf den Risikoausschluss für Katastrophen verweigerte die Rechtsschutzversicherung jedoch die Leistung, sodass die Versicherungsnehmerin Klage einbrachte.

Der gegenständliche Punkt 7.1.1.2. ARB 2013 lautet auszugsweise wie folgt:

»Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang (…) mit Katastrophen; Eine Katastrophe liegt vor, wenn durch ein Naturereignis oder ein sonstiges Ereignis dem Umfang nach eine außergewöhnliche Schädigung von Menschen oder Sachen eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht.«

Am 05.08.2020 nahm der Versicherungsnehmer, ein Polizeibeamter, an einem Auswahlverfahren der Cobra teil. Dabei hatte er unter anderem eine von der Wand ausgeklappte Sprossenwand mit einer Höhe von ca. 3 m zu bewältigen. Nachdem er den Scheitelpunkt der Sprossenwand überwand, sprang er direkt auf den Boden. Er landete dabei mit dem linken Fuß, der den Hauptanteil des Körpergewichts bzw. des Fallgewichts seines Körpers übernahm, um dann nach Bodenkontakt mit dem rechten Fuß sofort in eine Drehbewegung nach rechts starten zu können. Der gesamte Bewegungsablauf war von ihm genau so geplant.

Dennoch erlitt er dabei eine vordere Kreuzbandruptur links, ein ausgedehntes Knochenmarksödem im Bereich der inneren Oberschenkelrolle bzw. des Schienbeinkopfes und eine Überdehnung des Innenseitenbandes.

Unter Berücksichtigung der durch Vorverletzungen bestehenden Vorinvalidität verblieb beim Versicherungsnehmer eine dauernde Invalidität von 6 %. Der Versicherer lehnte jedoch eine Leistung mit der Begründung ab, dass es sich beim Geschehensablauf um keinen Unfall gehandelt habe. Dem Unfallbegriff sei immanent, dass der Bewegungsablauf im Zuge des Unfalls unbeherrschbar werde. Ein Ereignis von außen habe nicht auf den Körper eingewirkt.

Wie ist die Rechtslage?

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat bereits in anderen Entscheidungen festgehalten, dass die COVID-Pandemie den in Rechtsschutzversicherungen enthaltenen Risikoausschluss für hoheitsrechtliche Anordnungen aufgrund einer Ausnahmesituation (sog. „Hoheitsausschluss“) erfüllen kann. Nun hatte der OGH zu 7 Ob 196/22g zu klären, ob durch die COVID-Pandemie auch der gegenständliche Katastrophenausschluss erfüllt sein kann.

Eingangs seiner Entscheidung hielt der OGH fest, dass die COVID-Pandemie durchaus den Katastrophenbegriff erfüllt. Als „Ereignis“ im Sinne der Versicherungsbedingungen sei dabei der Ausbruch des Virus zu sehen sowie die darauffolgende Verbreitung. Die gegenwärtige Situation zeige nach Ansicht des OGH auch, dass die Pandemie ein zeitlich begrenzter Vorgang sei, sodass trotz jahrelanger Pandemie-Situation von einem „Ereignis“ auszugehen sei.

Allerdings verlange der Ausschlusstatbestand auch, dass die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen „in ursächlichem Zusammenhang“ mit der Katastrophe steht. Dabei müsse sich vielmehr das typische Risiko, das gerade zur Aufnahme des Risikoausschlusses geführt hat, verwirklichen („adäquat-ursächlicher Zusammenhang“).

Im gegenständlichen Fall kam der OGH zum Ergebnis, dass auch dieser adäquat-ursächliche Zusammenhang gegeben ist. Die behaupteten Sorgfaltsverstöße der Behörden seien „typische Folgen“ gerade jenes Risikos, das von dem Ausschlusstatbestand erfasst werden soll, da die COVID-Pandemie regelmäßig ein behördliches Handeln erforderte. Entgegen der Ansicht der Versicherungsnehmerin sei laut OGH sohin nicht das rechtswidrige Verhalten der handelnden Beamten als Ursache zu sehen. Bei diesem Verständnis würde nämlich kein menschliches Fehlverhalten im Zusammenhang mit einer Katastrophe den Risikoausschluss verwirklichen, sodass dieser praktisch entwertet wäre. Folglich kam der OGH auch zu der Entscheidung, dass die Deckungsablehnung der Versicherung berechtigt war.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»In Ergänzung seiner bisherigen Rechtsprechung stellt der OGH im gegenständlichen Fall klar, dass die COVID-Pandemie auch als ‚Katastrophe‘ im Sinne des Katastrophenausschlusses gewertet werden kann und dass die Behördentätigkeit in einem adäquat-kausalen Zusammenhang mit der Pandemie stand. Im Ergebnis stehen daher dem Rechtsschutzversicherer bei Fällen im Zusammenhang mit der COVID-Pandemie sohin potentiell sowohl der Hoheits- als auch der Katastrophenausschluss offen.«

Was ist passiert?

Zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer bestand ein Unfallversicherungsvertrag. Die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen lauteten auszugsweise wie folgt:

»Was ist ein Unfall? – Artikel 6

1. Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.

2. Als Unfall gelten auch folgende Ereignisse:

Verrenkungen von Gliedern sowie Zerrungen und Zerreißungen von an Gliedmaßen und an der Wirbelsäule befindlichen Muskeln, Sehnen, Bändern und Kapseln sowie Meniskusverletzungen.

[…]«

Am 05.08.2020 nahm der Versicherungsnehmer, ein Polizeibeamter, an einem Auswahlverfahren der Cobra teil. Dabei hatte er unter anderem eine von der Wand ausgeklappte Sprossenwand mit einer Höhe von ca. 3 m zu bewältigen. Nachdem er den Scheitelpunkt der Sprossenwand überwand, sprang er direkt auf den Boden. Er landete dabei mit dem linken Fuß, der den Hauptanteil des Körpergewichts bzw. des Fallgewichts seines Körpers übernahm, um dann nach Bodenkontakt mit dem rechten Fuß sofort in eine Drehbewegung nach rechts starten zu können. Der gesamte Bewegungsablauf war von ihm genau so geplant.

Dennoch erlitt er dabei eine vordere Kreuzbandruptur links, ein ausgedehntes Knochenmarksödem im Bereich der inneren Oberschenkelrolle bzw. des Schienbeinkopfes und eine Überdehnung des Innenseitenbandes.

Unter Berücksichtigung der durch Vorverletzungen bestehenden Vorinvalidität verblieb beim Versicherungsnehmer eine dauernde Invalidität von 6 %. Der Versicherer lehnte jedoch eine Leistung mit der Begründung ab, dass es sich beim Geschehensablauf um keinen Unfall gehandelt habe. Dem Unfallbegriff sei immanent, dass der Bewegungsablauf im Zuge des Unfalls unbeherrschbar werde. Ein Ereignis von außen habe nicht auf den Körper eingewirkt.

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 25.01.2023 (7 Ob 212/22k) führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass Art 6.1 der gegenständlichen Versicherungsbedingungen den allgemeinen Unfallbegriff definiert. Demnach handle es sich bei einem Unfall um ein plötzlich von außen auf den Körper der versicherten Person einwirkendes Ereignis, wodurch diese unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Ein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis liege vor, wenn Kräfte auf den Körper einwirken, die außerhalb des Einflussbereichs des eigenen Körpers liegen. Für den Versicherten müsse die Lage so sein, dass er sich bei normalem Geschehensablauf den Folgen des Ereignisses (Krafteinwirkung auf den Körper) im Augenblick ihres Einwirkens auf seine Person nicht mehr entziehen kann.

Der OGH führte jedoch weiters aus, dass in Art 6.2 der gegenständlichen Versicherungsbedingungen eine Reihe weiterer Umstände umschrieben werden, welche auch als „Unfall“ gelten. Demnach gelten nach Art 6.2 Zerrungen und Zerreißungen von an Gliedmaßen und an der Wirbelsäule befindlichen Muskeln, Sehnen, Bändern und Kapseln sowie Meniskusverletzungen als Unfall. Art 6.2 („als Unfall gelten auch“) könne nach Ansicht des OGH nur so verstanden werden, dass damit Umstände dem Unfallbegriff gleichgestellt werden (Unfallsfiktion), die sich vom eigentlichen Unfall nach Art 6.1 unterscheiden. Sofern daher die in Art 6.2 genannten körperlichen Verletzungen vorliegen, bestehe Versicherungsschutz ohne Hinzutreten der in Art 6.1 geforderten weiteren Voraussetzungen.

Dies gelte umso mehr, da sich der Versicherer – anders als andere Versicherungsunternehmen in Österreich – gerade nicht für eine Klausel entschieden habe, wonach Sehnen-, Muskel- und Bänderrisse (nur) „infolge von Abweichungen vom geplanten und gewollten Bewegungsablauf“ als Unfälle gelten.

Der OGH kam daher zum Ergebnis, dass der Versicherungsnehmer durch den vorliegenden Unfall vom 05.08.2020 eine in Art 6.2 der gegenständlichen Versicherungsbedingungen beschriebene Verletzung erlitten hat, weshalb vom Eintritt eines Unfalls auszugehen ist, sodass der Versicherer aufgrund dauernder Invalidität zur Leistung verpflichtet ist.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Art 6.2 des gegenständlichen Bedingungswerkes ist unabhängig von Art 6.1 zu lesen. Der Unfallbegriff nach Art 6.2 erfordert daher kein „plötzliches“ Unfallereignis im Sinn von Unkontrollierbarkeit, mit welchem eine unfreiwillige Gesundheitsschädigung einhergeht. Auf Basis der vorliegenden Klausel kann daher auch eine geplante und kontrollierte Bewegungsabfolge ein versichertes Unfallereignis darstellen, sofern es dabei zu einer der genannten Verletzungen kommt.«

2 Ob 155/22s

Was ist passiert?

Die Klägerin, Ehegattin eines Mieters, stieg, als sie ihrem Enkelkind nacheilte, auf ein zur Liegenschaft gehörendes Lichtschachtgitter, das lediglich schräg auf der Einfassung des Lichtschachtgitters gelegen und zudem leicht verbogen war. Sie stürzte ein, erlitt Verletzungen und begehrte daraufhin Schadenersatz.

Die Beklagte entgegnete im Wesentlichen, dass sie ihrer Verpflichtung zur Objektsicherung durch regelmäßige Überprüfungen durch den Hausmeister sowie die Beauftragung eines Fachunternehmens mit der Überprüfung ausreichend nachgekommen sei. Außerdem sei die verrutschte Position des Gitters für die Klägerin leicht erkennbar gewesen.

Wie ist die Rechtslage?

Gemäß § 1319 ABGB ist, wenn durch Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder eines anderen auf einem Grundstück aufgeführten Werkes jemand verletzt oder sonst ein Schaden verursacht wird, der Besitzer des Gebäudes oder Werkes zum Ersatze verpflichtet, wenn die Ereignung die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes ist und er nicht beweist, dass er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet hat. Der Oberste Gerichtshof stellte in seiner Entscheidung zunächst fest, dass der Lichtschacht unter den Begriff des Werkes iSd. § 1319 ABGB fällt.

Für den gegenständlichen Fall sind jedoch ohnehin die Grundsätze der allgemeinen vertraglichen Haftung, konkret § 1096 Abs. 1 Satz 1 ABGB, anzuwenden. Vom Schutzbereich ist die Klägerin als Ehegattin des Mieters mitumfasst. In diesem Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof festgehalten, dass zur vertraglichen Nebenpflicht des Vermieters die Beseitigung und Vorbeugung von Gefahrenquellen zum Schutze des Mieters gehört. Dies betrifft auch allgemeine Teile des Hauses, die der Mieter aufgrund des Vertrags oder nach Verkehrsauffassung nützen darf.

Dass die Anlage baubehördlich genehmigt wurde, bedeutet nicht, dass dadurch allfällige Sicherungsvorkehrungen wegfallen. Bestehen Gefahrenquellen offenkundig, so hat der Bestandgeber alle notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um diese zu beseitigen – unabhängig einer baurechtlichen Genehmigung. Dem vor Ort zuständigen Hausmeister war gegenständlich bewusst, dass der Lichtschacht regelmäßig nicht ordnungsgemäß geschützt war. Dennoch unterließ er die Fixierung des Gitters.

Von der Verkehrssicherungspflicht des Vermieters ist allerdings nicht geschützt, wer, objektiv betrachtet, die Gefahr sofort erkenne. Gegenständlich führte der Umstand, dass auch der Klägerin bekannt war, dass das Lichtschachtgitter regelmäßig aus der Fassung genommen wurde und die schräge Lage des Lichtschachtgitters für sie erkennbar war, letztlich zu einer Verschuldensteilung von 1:1.

Schlussfolgerung

»Der Bestandgeber ist verpflichtet, neben der Hauptleistungspflicht, für die Beseitigung und Vorbeugung von Gefahrenquellen zum Schutze des Mieters zu sorgen. Davon mitumfasst sind auch allgemeine Teile des Hauses, die der Mieter nützen darf. Eine behördliche Genehmigung oder Überwachung führen dabei nicht per se dazu, dass der Vermieter von dieser Verpflichtung befreit wird..«

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer mietete im Rahmen seiner betrieblichen Tätigkeit zur Verrichtung von Ladetätigkeiten einen nicht-kennzeichenpflichtigen Kettenbagger. Während des Beladens eines LKWs ließ der Fahrer des Kettenbaggers einen Betonbrocken auf die Ladefläche des LKWs fallen. Die dadurch verursachte Erschütterung wurde in den Bereich des Aufstiegs des LKWs übertragen, sodass der Fahrer, der sich gerade auf den Stufen befand, stürzte und sich verletzte. Der Versicherungsnehmer forderte von seiner Betriebshaftpflichtversicherung, die auch das Risiko „Baggerarbeiten“ umfasste, die Deckung für den Schadensfall. Das Versicherungsunternehmen lehnte jedoch unter Verweis auf einen Risikoausschluss ab. Gemäß Art. 7.5.3. AHVB 2004 erstreckt sich die Versicherung nämlich nicht auf Schäden, die durch die Verwendung von Fahrzeugen verursacht werden, „die nach ihrer Bauart und Ausrüstung oder ihrer Verwendung im Rahmen des versicherten Risikos ein behördliches Kennzeichen tragen müssen oder tatsächlich tragen“. Schließlich begehrte der Versicherungsnehmer die Feststellung des Versicherungsschutzes auf dem Klagswege.

Wie ist die Rechtslage?

Im vorliegenden Fall hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) zu 7 Ob 178/22k mit der Frage auseinanderzusetzen, was unter der „Verwendung eines Fahrzeuges“ zu verstehen ist.

Der OGH stellte eingangs seiner Entscheidung klar, dass sich der Begriff der „Verwendung eines Fahrzeuges“ bei einer KFZ-Haftpflichtversicherung an § 2 Abs 1 Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz orientiere. Da hiermit bei der KFZ-Haftpflichtversicherung das versicherte Risiko umschrieben werde, sei von einem weiten Begriffsverständnis auszugehen, weshalb auch Ladevorgänge eine Verwendung eines Fahrzeuges darstellen würden.

Im gegenständlichen Fall liege jedoch eine Betriebshaftpflichtversicherung vor, bei der die „Verwendung eines Fahrzeuges“ nicht das primär versicherte Risiko, sondern einen Risikoausschluss beschreibe, der grundsätzlich eng auszulegen sei. Die Interpretation eines Ausschlusstatbestandes habe nach Ansicht des OGH zweckorientiert zu erfolgen. Der vorliegende Risikoausschluss umfasse somit Gefahren, die primär von der Verwendung des Fahrzeuges unmittelbar ausgehen. Nicht erfasst seien andere (z.B. betriebliche) Risiken, die bloß in einem Zusammenhang mit einem Fahrzeug stehen. Damit der Risikoausschluss gegeben ist, müsse der Schaden dem Fahrzeugrisiko näher stehen als dem betrieblichen Risiko.

Im vorliegenden Fall kam der Oberste Gerichtshof daher zum Schluss, dass sich bei der Ladetätigkeit nicht primär eine vom Fahrzeug ausgehende Gefahr realisiert habe, sondern ein betriebliches Risiko. Eine „Verwendung eines Fahrzeuges“ im Sinne des Ausschlusstatbestandes liege somit nicht vor, sodass der Risikoausschluss nicht greifen würde.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Begriffe im Versicherungsrecht sind trotz oftmals gleich- oder ähnlich lautender Formulierungen nicht stets ident auszulegen. Es ist insbesondere der Zweck zu berücksichtigen, der mit der konkreten Vertragsbestimmung verwirklicht werden soll. Ausschlusstatbestände, die gerade eine Einschränkung des versicherten Risikos bezwecken, sind dabei entsprechend diesem Zweck eng auszulegen.«