Spätrücktritt bei im Fernabsatz abgeschlossenen Lebensversicherungen

Was ist passiert?

Im Jahre 2012 hat sich ein Rechtsanwalt bei sich zu Hause mit seinem Versicherungsmakler persönlich getroffen. Im Rahmen dieser persönlichen Beratung unterfertigte der Rechtsanwalt (als Verbraucher) einen Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung. Der Versicherungsmakler nahm den vom Rechtsanwalt unterzeichneten Versicherungsantrag mit und übermittelte diesen anschließend dem Versicherer.

Nach dem Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz (FernFinG) kommt einem Verbraucher das Recht zu, von einem im Fernabsatz abgeschlossenen Vertrag oder einer Vertragserklärung zurücktreten (§ 8). Eine Belehrung durch den Versicherungsmakler über dieses Rücktrittsrecht erfolgte jedoch nicht.

Im Jahre 2018 erklärte der Rechtsanwalt gegenüber dem Versicherer, unter anderem wegen der schlechten Performance der Lebensversicherung, den Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrag. Den Vertragsrücktritt begründete der Rechtsanwalt im Wesentlichen damit, dass er zu keiner Zeit über das bei Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher bestehende Rücktrittsrecht belehrt worden sei. Nachdem vom Versicherer die Ansicht des Rechtsanwaltes nicht geteilt wurde, brachte der Rechtsanwalt eine Klage beim zuständigen Gericht ein.


Wie ist die Rechtslage?

Der Oberste Gerichtshof führte in seiner – im RIS noch nicht veröffentlichten – Entscheidung vom 17.12.2020 (7 Ob 147/20y) im Wesentlichen aus, dass ein Versicherungsmakler im Zuge eines persönlichen Treffens mit seinem Kunden selbst umfangreiche und detaillierte Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten hat, denen er im Fall der Unterfertigung eines Antrags auf Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags nachkommen muss. Diese Pflichten des Versicherungsmaklers seien nach Ansicht des OGH jener Informationslage gleichwertig, die durch die Rechtsbelehrung im Fernabsatz vermittelt wird. Vor diesem Hintergrund vertrat der OGH die Rechtsansicht, dass der im Fernabsatz angestrebte Schutz von Verbrauchern bereits mit der persönlichen Beratung durch den Versicherungsmakler zur Gänze gewährleistet sei. Aus Sicht des OGH besteht daher für Verbraucher in solchen Fällen kein Rücktrittsrecht nach § 8 FernFinG.


Schlussfolgerung

Wird von einem Verbraucher eine Vertragserklärung im Zuge einer persönlichen Beratung durch den Versicherungsmakler abgegeben, so wird der im Fernabsatz angestrebte Schutz des Verbrauchers bereits zur Gänze durch den Versicherungsmakler gewährleistet. Für ein Rücktrittsrecht nach § 8 FernFinG besteht in solchen Fällen kein Raum. Die Klage des Rechtsanwalts blieb daher in allen Instanzen erfolglos.