Haftpflichtversicherung: Risikoausschluss wegen Inkaufnahme des Schadens und bewusstem Verstoß gegen behördliche Vorschriften

Was ist passiert?

Zwischen der Versicherungsnehmerin – eine GmbH – und dem Versicherer bestand ein Haftpflichtversicherungsvertrag, dem unter anderem die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2006 und EHVB 2006), Fassung 2014, zugrunde lagen.

Die Versicherungsnehmerin wurde von einem Bauherrn mit Arbeiten im Keller seines Hauses beauftragt. Die erforderlichen Baggerarbeiten wurden vom ehemaligen Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin, einem Bau-Polier mit langjähriger Erfahrung, durchgeführt. Er hat im Keller des Gebäudes ca. 25 cm Bodenschicht ohne Abstützungsmaßnahmen mit einem kleinen Bagger entfernt, wobei das Fundament untergraben wurde. Er prüfte den Untergrund während er das erste Stück mit dem Bagger abzog. Ihm hätte in dem Augenblick, als erkennbar war, dass die bestehende Gründungsunterkante untergraben wird, klar sein müssen, dass damit in die Standfestigkeit des Bauwerks eingegriffen wird. Er hätte die Arbeitsweise entweder sofort sach- und fachgerecht an diese Umstände anpassen oder einstellen müssen. Da er dies jedoch unterlassen hatte, kam es in weiterer Folge zu massiven Schäden am Haus und somit zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen des Bauherrn gegenüber der Versicherungsnehmerin.

Der Versicherer lehnte jedoch eine Deckung unter Verweis auf das Vorliegen von Risikoausschlüssen ab. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH), Aktenzeichen: 7 Ob 96/23b.

Wie ist die Rechtslage?

Gemäß Artikel 7.2.1 AHVB 2006 erstreckt sich die Versicherung nicht auf Schadenersatzverpflichtungen der Personen, die den Schaden durch eine solche Handlung oder Unterlassung herbeigeführt haben, bei welcher der Schadenseintritt mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden musste, jedoch in Kauf genommen wurde (z.B. im Hinblick auf die Wahl einer kosten- oder zeitsparenden Arbeitsweise).

Nach Ansicht des OGH müssen sich Bedenken und Entschluss des Versicherungsnehmers nicht auf den Schadenserfolg selbst, sondern nur auf einen diesem Erfolg vorgelagerten Umstand beziehen, der eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür begründet, dass es wirklich zum Eintritt des Schadens kommen kann.

Im vorliegenden Fall kam der OGH zum Ergebnis, dass es keinen Anhaltspunkt für eine Inkaufnahme des Schadens gebe, da der Bau-Polier bei Bedenken nicht in das Gewölbe gefahren wäre, weil ihn das in Lebensgefahr gebracht hätte.

Darüber hinaus ist der Versicherer gemäß Abschnitt A, Ziffer 3 EHVB 2006 von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt wurde und bewusst – insbesondere im Hinblick auf die Wahl einer kosten- oder zeitersparenden Arbeitsweise oder Ausführungsweise einer Tätigkeit – den für den versicherten Betrieb oder für den versicherten Beruf oder für das versicherte Risiko geltenden Gesetzen, Verordnungen oder behördlichen Vorschriften zuwidergehandelt wurde.

Nach der Judikatur des OGH müssen beide Voraussetzungen kumulativ vorhanden sein. Die Leistungsfreiheit des Versicherers setze nicht das Kennenmüssen, das heißt einen grob fahrlässigen Verstoß gegen Vorschriften voraus, sondern einen bewussten, das heißt vorsätzlichen Verstoß. Der Versicherungsnehmer müsse die Verbotsvorschrift zwar nicht in ihrem Wortlaut und in ihrem genauen Umfang kennen, er müsse sich aber bei seiner Vorgangsweise bewusst sein, dass er damit gegen geltende Vorschriften verstößt. Er müsse also das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit seiner Handlungsweise haben.

Abschnitt A Z 3 EHVB 2006 verlange einen Verstoß gegen Gesetze, Verordnungen oder behördliche Vorschriften. ÖNORMEN seien, soweit sie nicht durch konkrete Rechtsvorschriften für verbindlich erklärt wurden, rechtlich nichts weiter als Vertragsschablonen.

Im vorliegenden Fall kam der OGH zum Ergebnis, dass auch dieser Risikoausschluss nicht verwirklicht sei. Insbesondere habe der Versicherer nicht konkret vorgebracht, dass sich der Bau-Polier bei seiner Vorgangsweise bewusst war, dass er damit gegen die vom Versicherer behaupteten Vorschriften verstößt.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Risikoausschlusses als Ausnahmetatbestand liegt beim Versicherer. Der Versicherer muss daher auch zu allen Voraussetzungen eines Risikoausschlusses ein konkretes Vorbringen erstatten, andernfalls kann sich der Versicherer nicht erfolgreich auf Leistungsfreiheit berufen