Auslegung einer Deckungserweiterung bei Kaskoversicherungen

Was ist passiert?

Am 22.08.2022 fuhr der Lenker eines kaskoversicherten Lastwagens in den Hof eines Firmengebäudes und öffnete dabei die Fahrertür, indem er den Schnapper für das Schloss betätigte und die Tür mit der flachen Hand etwas aufdrückte. Bevor er mit der Hand den Türgriff fassen konnte, um die Tür ganz zu öffnen, erfasste eine Windböe die Tür und riss sie über den Anschlag hinaus auf, wodurch das Scharnier, die Tür selbst und die A‑Säule beschädigt wurden. Die Tür wurde dadurch nicht nach vorne gegen den Lastwagen geschleudert. Der dabei eingetretene Schaden belief sich auf EUR 5.424,93. Die dem Kaskoversicherungsvertrag zugrundeliegenden Bedingungen lauten auszugsweise wie folgt:

»3. Umfang der Versicherung
Der Versicherer leistet […] Deckung für Verlust oder Beschädigung als Folge der nachstehend genannten Gefahren:
3.1. Schäden, die dadurch verursacht werden, dass durch Naturgewalten Gegenstände mit dem Fahrzeug kollidieren; […]«

Die Versicherungspolizze enthält unter anderem folgende Deckungserweiterungen:

»Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit, Böswilligkeit, Fahrlässigkeit, Vorsatz Dritter […].«

Der Versicherer lehnte eine Versicherungsleistung mit der Begründung ab, dass im Zusammenhang mit Naturgewalten Deckung nur für Schäden bestehe, die dadurch verursacht wurden, dass durch Naturgewalten Gegenstände mit dem Fahrzeug kollidieren, was nicht der Fall war. Bedienungsfehler, fahrlässiges Handeln oder eine Ungeschicklichkeit seien daher im Zusammenhang mit Naturgewalten nur dann gedeckt, wenn dadurch Gegenstände mit dem Fahrzeug kollidieren.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 17.04.2024, Geschäftszahl: 7 Ob 62/24d, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass Schäden, die durch Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit oder Fahrlässigkeit verursacht worden sind, versichert seien. Daneben seien auch Naturgewalten unter den in den Bedingungen näher beschriebenen Voraussetzungen (Kollision eines Gegenstandes mit dem Fahrzeug) versichert. Eine Einschränkung, dass ein Bedienungsfehler, fahrlässiges Handeln oder eine Ungeschicklichkeit bei Vorliegen einer Naturgewalt – wie bei einer Sturmböe – nur bei Vorliegen der Voraussetzungen für die versicherte Gefahr „Naturgewalt“ gedeckt sind, könne den Versicherungsbedingungen hingegen nicht entnommen werden. Das Verhalten des Fahrers sei als leichte Fahrlässigkeit zu qualifizieren und somit nach den Deckungserweiterungen versichert.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Die vorliegenden Versicherungsbedingungen sehen unter anderem eine Deckungserweiterung für Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit und Fahrlässigkeit vor. Diese Deckungserweiterung besteht gesondert zu den sonstigen versicherten Gefahren und müssen daher auch bei einem Schadensfall im Zusammenhang mit einer Naturgewalt nicht die Voraussetzungen für die versicherte Gefahr „Naturgewalt“ vorliegen. Bei Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit und Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit einer Naturgewalt muss daher kein Gegenstand mit dem Fahrzeug kollidieren.«