Die Reichweite des Versicherungsfalls in der Rechtsschutzversicherung, 7 Ob 161/24

Was ist passiert?

Am 31. Dezember 2006 ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei dem der Kläger und seine Ehefrau verletzt wurden. Der verletzte Kläger hatte einen Rechtsschutzversicherungsvertrag einschließlich des versicherten Bausteins „Fahrzeug-Rechtsschutz“ abgeschlossen – die Ehefrau, die ebenfalls im Rahmen dieses Verkehrsunfalls verletzt wurde ist mitversichert. Die Höchsthaftungssumme des Versicherungsvertrags lautet auf EUR 52.000,00. Sowohl der Versicherungsnehmer als auch die mitversicherte Ehefrau machten daraufhin jeweils getrennt voneinander Schadenersatzansprüche gegen die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners geltend. Die beklagte Versicherung gewährte Deckungsschutz für beide Verfahren: Während die Ansprüche des Klägers kostenneutral für die Versicherung blieben, da er erfolgreich prozessierte, wurden für die Ansprüche seiner Frau die volle Versicherungssumme von EUR 52.000,00 ausgeschöpft.

Im Jahr 2017 wollte der Kläger weiteres Schmerzensgeld infolge des Verkehrsunfalls vom 31.12.2006 geltend machen und stellte bei der Rechtschutzversicherung eine Anfrage, wie viel von der Versicherungssumme hierfür noch zur Verfügung stehe. Die Rechtschutzversicherung antwortete dem Versicherungsnehmer, dass die Versicherungssumme bereits vollständig aufgebraucht sei.

Im Jahr 2023 stellte der Kläger eine erneute Deckungsanfrage, um Ansprüche auf Abfertigung, Pensionsdifferenz und Gutachterkosten geltend zu machen. Die Versicherung lehnte wiederum ab, da keine Versicherungssumme mehr zur Verfügung stehe. Der Kläger klagte daraufhin auf Feststellung, dass ihm noch Deckungsschutz in voller Höhe der Versicherungssumme zustehe, mit der Argumentation, dass der Unfall zwei separate Versicherungsfälle beinhalte – einmal für ihn als Versicherungsnehmer und einmal für seine mitversicherte Frau.


Wie ist die Rechtslage?

In der Entscheidung 7 Ob 117/24t vom 20.11.2024 führte der Oberste Gerichtshof basierend auf den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2005) aus, dass für diese Entscheidung die Definition des Versicherungsfalls maßgebend ist. Nach Art 2.1 ARB gilt demgemäß als Versicherungsfall das dem Anspruch zugrunde liegende Schadenereignis. Der OGH stellte fest, dass unter Schadenereignis in der Rechtsschutzversicherung das äußere Ereignis zu verstehen ist, dass den Personen – oder Sachschaden unmittelbar auslöst. Der äußere Vorgang, der den Schaden unmittelbar herbeiführt ist der Verkehrsunfall selbst, genauer die Kollision. Da im konkreten Fall das Schadenereignis derselbe Autounfall ist, liegt nur ein Versicherungsfall vor, selbst wenn dieser Personenschäden sowohl beim Versicherungsnehmer, als auch bei der mitversicherten Person auslöst.

Nach Art. 6.7.1 ARB bildet die Versicherungssumme die Höchstgrenze für den Versicherungsfall und steht unabhängig davon, wie viele Personen betroffen sind, nur einmal zur Verfügung. Auch die sogenannte Serienschadenklausel (Art. 6.7.2 ARB) legt fest, dass mehrere aus demselben Ereignis resultierende Schäden als ein einheitlicher Versicherungsfall betrachtet werden. Da die Versicherungssumme bereits vollständig ausbezahlt wurde, wurde das Klagebegehren des Klägers abgewiesen.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Der Begriff des Versicherungsfalls ist in der Rechtsschutzversicherung an das zugrunde liegende Schadenereignis geknüpft. Ausschlaggebend ist das äußere Ereignis, das den Personen- oder Sachschaden unmittelbar auslöst. Bei einem Verkehrsunfall ist der äußere Vorgang, der den Schaden unmittelbar herbeiführt der Verkehrsunfall selbst, genauer die Kollision.«