Einbruchsdiebstahlversicherung: Bereicherungsvorsatz des Täters erforderlich?
Was ist passiert?
Bei einer Steuerberatungsgesellschaft (Klägerin) kam es infolge eines unwirksam eingebrachten Schriftsatzes beim Finanzamt zu einem Haftungsfall mit einem Schaden von insgesamt EUR 766.952,19. In dieser Sache vertrat die Klägerin gleich mehrere Anleger, da es sich in allen Verfahren um den gleichen Grundsachverhalt handelte. Es wurden Berufungen angemeldet, die Begründung dafür sollte nachgereicht werden. Dazu bediente sich die Klägerin zur weiteren Begründung der einzelnen Rechtsmittel der Anleger eines Schriftsatzes, welcher mittels Email an das Finanzamt übermittelt wurde.
Nachdem die Übertragung fehlerhaft war, wurden die Berufungsverfahren zu Lasten der Anleger eingestellt. Bei ordnungsgemäßer Einbringung der Rechtsmittel wäre das nicht passiert und wäre es nicht zum Schadensfall gekommen.
Die Klägerin meldete den Schadensfall ihrer Berufshaftpflichtversicherung (Grundversicherung – Nebenintervenientin), die einen Deckungsumfang zu einer Versicherungssumme von EUR 250.000 pro Versicherungsfall vorsah. Anschießend begehrte die Klägerin als Kammermitglied die Bezahlung des Differenzbetrages aus einem von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder abgeschlossenen Exzedentenversicherungsvertrages, welcher eine Versicherungssumme von max. EUR 2.180.185,00 vorsah. Begründete wurde diese mit dem Vorliegen eines Serienschadens. Dies wurde von der Exzedentenversicherung bestritten.
Die Klausel in den zugrundeliegenden Bedingungen (ABHV) lautete wie folgt:
Der Versicherungsnehmer mietete ab September 2017 ein Atelier in einer ehemaligen Traktorfabrik
und ging dort seiner künstlerischen Tätigkeit nach. Am 19.10.2019 brachen Gehilfen
der Vermieterin das Schloss zum Atelier des Versicherungsnehmers auf und verbrachten die
im Atelier befindlichen Fahrnisse, wie etwa Möbel und Kunstwerke, an einen dem Versicherungsnehmer
unbekannten Ort. Der Grund dafür war ein Streit zwischen dem Versicherungsnehmer
und der Vermieterin über die Befristung des Mietverhältnisses. Erst rund vier Monate
später erfuhr der Versicherungsnehmer zufällig von einem Dritten, dass seine Gegenstände
in einem Container auf dem Gelände der Traktorfabrik eingelagert waren. Der Versicherungsnehmer
erlangte seine Fahrnisse mit einigen Ausnahmen wieder zurück. Die Gehilfen der Vermieterin
hatten keinen Vorsatz, sich aus den Kunstwerken und sonstigen Fahrnissen des Versicherungsnehmers
zu bereichern. Die Täter wollten den Versicherungsnehmer lediglich delogieren.
Im Zuge der Entwendung wurden Kunstwerke des Versicherungsnehmers beschädigt. Der
Versicherungsnehmer begehrte aus der Einbruchsdiebstahlversicherung die Kosten für die Instandsetzung
in der Höhe von EUR 18.932,50. Nachdem der Versicherer eine Leistung mit
der Begründung abgelehnt hat, dass kein versichertes Schadensereignis vorliege, da die Täter
sich nicht bereichern wollten, landete der Fall vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).
Wie ist die Rechtslage?
In seiner Entscheidung vom 17.04.2024, 7 Ob 215/23b, führte der OGH zunächst aus, dass
Rechtsbegriffe, die in Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwendet werden und die in
der Rechtssprache eine bestimmte, unstrittige Bedeutung haben, grundsätzlich in diesem Sinn
auszulegen sind. Nach dem Strafgesetzbuch sei für einen Einbruchsdiebstahl erforderlich,
dass bereits die Einbruchshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen wird, fremde Sachen wegzunehmen,
um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Der Rechtsbegriff „Einbruchsdiebstahl“
habe daher in der Rechtssprache eine bestimmte, unstrittige Bedeutung.
Allerdings enthalten die hier vorliegenden Versicherungsbedingungen eine eigenständige Definition
des Begriffs „Einbruchsdiebstahl“, die nicht mit jener im Strafgesetzbuch übereinstimme.
Es könne daher im gegenständlichen Fall nicht ohne Weiteres auf den strafrechtlichen
Begriffsinhalt abgestellt werden. Nach Ansicht des OGH werde in den hier vorliegenden Versicherungsbedingungen
ein Bereicherungsvorsatz des Täters gerade nicht ausdrücklich als
Voraussetzung angeführt.
Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei daher aus dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen
nicht ersichtlich, dass neben den in den Bedingungen angeführten Begehungsformen
ein Handeln des Täters mit Bereicherungsvorsatz für die Qualifikation als Einbruchsdiebstahl
im Sinn der Versicherungsbedingungen erforderlich wäre. Vielmehr gehe der
durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne einen Anhaltspunkt im Wortlaut der Bedingungen
davon aus, dass bereits bei Vorliegen einer der in den Bedingungen genannten Begehungsformen
ein Einbruchsdiebstahl im Sinn der Bedingungen vorliegt. Dies umso mehr, als
es sich regelmäßig der Kenntnis des Versicherungsnehmers entzieht, ob der Täter mit Bereicherungsvorsatz
gehandelt hat.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:
»Sofern Versicherungsbedingungen den Einbruchsdiebstahl selbst definieren und der Wortlaut der Bedingungen keinen besonderen Vorsatz des Täters als Voraussetzung enthält, ist das Vorliegen des vom Strafgesetzbuch für einen Einbruchsdiebstahl geforderten Bereicherungsvorsatzes nicht Voraussetzung für die Annahme eines Einbruchsdiebstahls im Sinne der Versicherungsbedingungen. Ob ein Täter die weggenommene Sache verschenken oder vernichten oder lediglich für einige Zeit (und mit der Absicht späterer Rückgabe) in Gebrauch nehmen möchte, spielt bei den gegenständlichen Bedingungen versicherungsrechtlich keine Rolle.«