KFZ-Kaskoversicherung: Fälligkeit ohne Vorlage einer Reparaturrechnung?

Was ist passiert?

Für seinen PKW hat der Versicherungsnehmer mit dem Versicherer einen Kaskoversicherungsvertrag abgeschlossen. Die zugrunde liegenden „1023A – Allgemeine Bedingungen Parkschadenkasko (PK 2013)“ lauten auszugsweise wie folgt:

»Artikel 9
Wann und unter welchen Voraussetzungen wird die Versicherungsleistung ausbezahlt? (Fälligkeit der Versicherungsleistung, Verjährung und Klagefrist)
1. Die Versicherungsleistung wird nach Abschluss der für ihre Feststellung notwendigen Erhebungen fällig. Bei Vorliegen eines Teilschadens ist Voraussetzung für die Beendigung der Erhebungen die Vorlage einer Rechnung über die ordnungsgemäße Wiederherstellung […]

Nach den Angaben des Versicherungsnehmers wurde sein ordnungsgemäß abgestellter PKW im Zeitraum vom 14.10.2022 bis 16.10.2022 durch einen Vandalismusschaden beschädigt. Der Versicherungsnehmer hat den Vorfall ordnungsgemäß bei der Polizei zur Anzeige gebracht und beabsichtigte, das Fahrzeug in einer Fachwerkstätte reparieren zu lassen. Die ordnungsgemäße Reparatur der Schäden in einer Fachwerkstätte erfordert Kosten in der Höhe von EUR 10.116,34. Der Kaskoversicherer lehnte eine Versicherungsleistung unter anderem mit der Begründung ab, dass die Fälligkeit nicht gegeben sei, weil die Fälligkeit nach Art 9 PK 2013 erst nach Vorlage einer Rechnung über die ordnungsgemäße Reparatur des Fahrzeugs eintrete. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 24.01.2024, Geschäftszahl: 7 Ob 209/23w, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass § 11 Abs 1 VersVG in seinem ersten Satz festlegt, dass Geldleistungen des Versicherers grundsätzlich mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen fällig sind. Im vorliegenden Fall verlange der Versicherungsnehmer vom Versicherer die Reparaturkosten und damit eine Geldleistung, sodass § 11 VersVG einschlägig sei. Ein Abweichen von der Fälligkeitsbestimmung des § 11 Abs 1 VersVG sei unzulässig, da es sich dabei um eine einseitig zwingende Fälligkeitsbestimmung zu Gunsten des Versicherungsnehmers handle.

Art 9.1. Satz 2 PK 2013 sehe vor, dass bei Vorliegen eines Teilschadens Voraussetzung für die Beendigung der „nötigen Erhebungen“ die Vorlage einer Rechnung über die ordnungsgemäße Wiederherstellung ist. § 11 Abs 1 VersVG knüpfe die Fälligkeit an die Beendigung der nötigen Erhebungen eines Versicherers an.

Nach Ansicht des OGH stellt Art 9.1. Satz 2 PK 2013 nicht auf nötige Erhebungen des Versicherers ab, sondern verlangt die Vorlage einer Rechnung „über die ordnungsgemäße Wiederherstellung“. Diese Vorlagepflicht des Versicherungsnehmers, wodurch erst die Versicherungsleistung fällig werden soll, gehe über die allein zulässigen nötigen Erhebungen nach § 11 Abs 1 Satz 1 VersVG hinaus. Diese Klausel enthalte daher ein unzulässiges Abweichen von der Fälligkeitsbestimmung des § 11 Abs 1 Satz 1 VersVG und sei daher ungültig (§ 15a Abs 1 VersVG), da sie zum Nachteil des Versicherungsnehmers der gesetzlichen Vorgabe des Abschlusses nötiger Erhebungen widerspreche. Der OGH kam daher zum Ergebnis, dass der Versicherer seine Leistungspflicht zu Unrecht abgelehnt hat.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Gemäß § 11 Abs 1 VersVG sind Geldleistungen des Versicherers grundsätzlich mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen fällig. Nötig sind nach Ansicht des OGH jene Erhebungen, die ein sorgfältiger Versicherer braucht, um den Versicherungsfall abschließend festzustellen und zu prüfen; dazu kommt noch die Prüfung des Umfangs der Leistungspflicht und wem gegenüber diese besteht.«