Lebensversicherung: keine neuerliche Klage auf Zahlung von Zinsen
Was ist passiert?
Der Versicherungsnehmer schloss 1997 eine fondsgebundene Lebensversicherung ab, die er 2013 kündigte. Der Versicherer leistete den Rückkaufswert in Höhe von EUR 45.121,36 an den Versicherungsnehmer, der insgesamt Prämien in Höhe von EUR 50.358,31 investiert hatte. 2018 trat der Versicherungsnehmer wegen fehlender Belehrung über sein Rücktrittsrecht zudem vom Vertrag zurück. Das Handelsgericht Wien bestätigte den Rücktritt und verurteilte den Versicherer zur Rückzahlung der Prämien abzüglich des erhaltenen Rückkaufswerts, der Versicherungssteuer und der Risikokosten. Das Begehren auf Zahlung der Vergütungszinsen wies es wegen Verjährung rechtskräftig ab.
Der Versicherungsnehmer klagte den Versicherer erneut auf Zahlung der Vergütungszinsen und argumentiert mit einer neuen Rechtsansicht: Er behauptete nunmehr Intransparenz und Missbräuchlichkeit einiger Vertragsklauseln, die zur Nichtigkeit des Vertrags und somit zu einem doch nicht verjährten Anspruch der Zahlung von Vergütungszinsen führen. Konkret stützte er den Anspruch auf den Entfall des Lebensversicherungsvertrages. Nach seiner Argumentation ist das Versicherungsverhältnis bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln, wodurch bereits empfangene Leistungen allseits zurückzustellen sind. Das Erstgericht und das Berufungsgericht wiesen die Klage ab, da der Vertrag 2018 rückabgewickelt wurde und keine weiteren Ansprüche bestünden. Das Berufungsgericht ließ aber die ordentliche Revision zu.
Wie ist die Rechtslage?
In seiner Entscheidung vom 22.05.2024 zu GZ 7 Ob 67/24i führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft die erneute Klage auf denselben Anspruch und Sachverhalt verhindert. Wenn das Gericht ein Prozesshindernis nicht beachtet, muss das Verfahren aufgehoben und die Klage zurückgewiesen werden.
Nach der Rechtsprechung des OGH räumt der EuGH den Mitgliedstaaten Verfahrensautonomie ein, einschließlich der Ausgestaltung der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen. Der Effektivitätsgrundsatz erfordert nicht, die nationalen Rechtskraftregeln zugunsten des Verbraucherschutzes zu umgehen, insbesondere nicht im vorliegenden Fall, wo der Vertrag rückwirkend aufgehoben wurde.
Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Versicherungsnehmer im Jahr 2018 sein Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG ausübte, was zu einer Vertragsaufhebung führt, die auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurückreicht. Die Rechtslage ist damit so zu beurteilen, als ob der Vertrag nie abgeschlossen worden wäre.
Etwaige Klauseln des Lebensversicherungsvertrags wurden damit gar nicht wirksam und entfalteten auch keine Verbindlichkeit gegenüber dem Versicherungsnehmer.
Der OGH bestätigte im Ergebnis die abweisenden Vorentscheidungen. Er kam zum Ergebnis, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers nicht besteht, da die bestehenden Regelungen zur Rechtskraft – welche auch für Verbraucher gelten – der zweimaligen Geltendmachung desselben Anspruchs entgegenstehen.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:
»Änderungen der Rechtslage nach einem ersten Urteil können keinen neuen Anspruch für davor liegende Zeiträume begründen. Auch Änderungen in der Rechtsauffassung begründen keine neue Klage.«