Obliegenheitsverletzungen bei einer Bündelversicherung

Was ist passiert?

Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer bestand ein Versicherungsvertrag, der folgende Sparten beinhaltete: Feuerversicherung, Total-Mietentgang-Betriebsunterbrechungsversicherung, Einbruchsdiebstahlversicherung, Leitungswasserversicherung, Glaspauschalversicherung, Sturmversicherung, Haftpflichtversicherung Haus/und Grundbesitz. Den einzelnen Sparten waren jeweils unterschiedliche Versicherungssummen und unterschiedliche Jahresprämien zugeordnet. Darüber hinaus wurden den einzelnen Sparten unterschiedliche Versicherungsbedingungen zugrunde gelegt.

Durch einen Brand kam es am versicherten Objekt zu zahlreichen Sachschäden (Betriebsgebäude, Lagerhaus, kaufmännische und technische Betriebseinrichtung, Waren, Vorräte). Trotz ordnungsgemäßer Schadenmeldung im Rahmen der Feuerversicherung lehnte der Versicherer eine Leistung aus dem gegenständlichen Versicherungsvertrag mit der Begründung ab, dass der Versicherungsnehmer zur Total-Mietentgang-Betriebsunterbrechungsversicherung eine Verletzung einer Obliegenheit zu verantworten habe, da er über den Mietentgang unwahre Behauptungen gemacht habe, was schließlich zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen würde. Nach Einbringung einer Klage durch den Versicherungsnehmer landete der Fall schließlich beim Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

Der OGH (09.11.2022, 7 Ob 163/22d) befasste sich zunächst mit den Unterschieden zwischen einer „kombinierten“ Versicherung und einer Bündelversicherung. Nach Ansicht des OGH liegt eine „kombinierte“ Versicherung vor, wenn mehrere Gefahren in einem einzigen Vertrag zusammengefasst werden, dem einheitliche Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) zugrunde liegen. Die „kombinierte“ Versicherung führe zu einem Vertrag, der ein ungeteiltes rechtliches Schicksal hat. Er könne nur als Einheit abgeschlossen und beendet werden.

Von einer Bündelversicherung spreche man hingegen, wenn für die einzelnen Gefahren getrennte Verträge bestehen, die jedoch als einziges „Versicherungsprodukt“ angeboten werden, wofür in der Regel nur ein Versicherungsschein errichtet wird. Dabei werden mehrere rechtlich selbständige Versicherungsverträge zum Zweck der administrativen Vereinfachung in der Weise zusammengefasst, dass für sie zwar ein einheitliches Antragsformular verwendet und ein gemeinsamer Versicherungsschein ausgestellt wird, es werden aber dennoch mehrere selbständige Versicherungsverträge, für die unterschiedliche AVB zur Anwendung gelangen, abgeschlossen. Die darin eingeschlossenen Sparten haben ein rechtlich selbständiges Schicksal und sind insoweit getrennt zu beurteilen.

Ausgehend davon, dass im vorliegenden Fall eine Vielzahl unterschiedlicher Sparten eingeschlossen sei und dabei den einzelnen Sparten jeweils unterschiedliche Versicherungssummen, Jahresprämien und Allgemeine Vertragsbedingungen zugeordnet seien, kam der OGH zum Ergebnis, dass es sich beim gegenständlichen Versicherungsvertrag um eine Bündelversicherung handle. Die zur Total-Mietentgang-Betriebsunterbrechungsversicherung behauptete Verletzung einer Obliegenheit führe daher nicht zur Leistungsfreiheit hinsichtlich der durch den Brand verursachten Sachschäden aus der Feuerversicherung.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Bei einer Bündelversicherung haben die eingeschlossenen Sparten ein rechtlich selbständiges Schicksal. Obliegenheitsverletzungen zählen daher auch nur in der betroffenen Sparte.«