Privathaftpflichtversicherung: Suizidversuch als Gefahr des täglichen Lebens?
Was ist passiert?
Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer besteht – im Rahmen eines Haushaltsversicherungsvertrags – ein Haftpflichtversicherungsvertrag. Die zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung (ABH 2015) lauten auszugsweise wie folgt:
»Abschnitt C Haftpflichtversicherung:
[…]
Artikel 11
[…]
Was ist mitversichert? (Sachlicher Umfang des Versicherungsschutzes)
Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens, insbesondere
[…]«
Der mitversicherte Sohn des Versicherungsnehmers warf sich in stark alkoholisiertem Zustand in Suizidabsicht vor einen sich auf einer Bundesstraße annähernden LKW. Fraglich war im vorliegenden Fall, ob daraus resultierende Schäden von dritten Personen vom Haftpflichtversicherungsschutz umfasst sind. Der Versicherer lehnte eine Leistung ab. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).
Wie ist die Rechtslage?
In seiner Entscheidung vom 23.10.2024, Aktenzeichen: 7 Ob 172/24f, führte der OGH zunächst aus, dass in Abschnitt C Art 11 ABH 2015 eine primäre Risikoumschreibung dahin vorgenommen werde, dass in der hier vorliegenden Privathaftpflichtversicherung der Risikobereich „Gefahren des täglichen Lebens“ unter Versicherungsschutz gestellt werde.
Der versicherungsrechtliche Begriff der „Gefahr des täglichen Lebens“ sei nach Ansicht des OGH so auszulegen, dass davon jene Gefahren, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss, umfasst seien. Für das Vorliegen einer Gefahr des täglichen Lebens sei nicht erforderlich, dass sie geradezu täglich auftritt. Vielmehr genüge es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Voraussetzung für einen aus einer Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadenfall sei eine Fehlleistung oder eine schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers. Auch ein vernünftiger Durchschnittsmensch könne aus Unvorsichtigkeit eine außergewöhnliche Gefahrensituation schaffen oder sich in einer solchen völlig falsch verhalten oder sich zu einer gefährlichen Tätigkeit, aus der die entsprechenden Folgen erwachsen, hinreißen lassen. Derartigen Fällen liege eine falsche Einschätzung der jeweiligen Sachlage zu Grunde. Es dürfe sich jedoch nicht um eine ungewöhnliche Gefahr handeln. Die Abgrenzung zwischen dem gedeckten Eskalierenden einer Alltagssituation und einer nicht gedeckten ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeit hänge von den Umständen des Einzelfalls ab.
Im vorliegenden Fall kam daher der OGH zum Ergebnis, dass keine vom gedeckten Risiko umfasste Gefahr des täglichen Lebens vorliege, wenn man sich in stark alkoholisiertem Zustand in Suizidabsicht vor einen sich auf einer Bundesstraße annähernden LKW wirft. Auf eine – im Verfahren behauptete – gesteigerte Selbstmordrate bei Jugendlichen komme es dabei nicht an. Es liege auch dann keine Gefahr des täglichen Lebens vor, wenn die Handlung im Zustand voller Berauschung oder einem psychischen Ausnahmezustand verübt wird.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:
»Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines Durchschnittsmenschen zwar eine Ausnahme dar, die Privathaftpflichtversicherung soll allerdings Deckung auch für nicht alltägliche Situationen schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch ausnahmsweise hineingeraten und dadurch haftpflichtig werden kann. Absolut ungewöhnliche Gefahren und Tätigkeiten sollen jedoch nicht vom Versicherungsschutz umfasst sein.«
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