Rechtsschutzversicherung: Versicherungsfall im »Diesel-Skandal«

Was ist passiert?

Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem beklagten Versicherer bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag. Die zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2017) lauten auszugsweise wie folgt:

»Artikel 2
Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?
[…]
3. In den übrigen Fällen – insbesondere auch für die Geltendmachung eines reinen Vermögensschadens (Art 17.2.1, Art 18.2.1 und Art 19.2.1), sowie für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen wegen reiner Vermögensschäden (Art 17.2.4, Art 23.2.1 und Art 24.2.1) – gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. […]«

Der Versicherungsnehmer hat am 17.11.2019 und somit während des versicherten Zeitraums einen gebrauchten Porsche Cayenne 3.0 um EUR 36.200,00 privat erworben. Der darin verbaute Motortyp EA897 wurde mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung („Diesel-Skandal“) ausgeliefert und entsprecht nicht den gesetzlichen Bestimmungen. Der Versicherungsnehmer beabsichtigte daher, von der Herstellerfirma des PKW den Ersatz des Minderwerts (30 % des Kaufpreises) zu fordern. Nachdem der Versicherer eine Deckung aus der Rechtsschutzversicherung abgelehnt hat, brachte der Versicherungsnehmer eine Deckungsklage auf Feststellung der Versicherungsdeckung ein. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.05.2024, Aktenzeichen: 7 Ob 82/24w, führte der OGH zunächst aus, dass es sich bei der gegenständlichen Angelegenheit um die Deckung für die Geltendmachung reiner Vermögensschäden handelt, bei denen nach Art 2.3. ARB hier 2017 der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften als Versicherungsfall gelte. Nach dieser Bestimmung liege der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung vor, wenn einer der Beteiligten begonnen hat oder begonnen haben soll gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen.

Ein zeitlich lange vorangehender Gesetzes- oder Pflichtenverstoß, mag er auch die spätere Rechtsverfolgung des Versicherungsnehmers adäquat kausal begründet haben, könne den Versicherungsfall erst dann auslösen und damit den Zeitpunkt des Verstoßes in Bezug auf den konkreten Versicherungsnehmer in der Rechtsschutzversicherung festlegen, wenn dieser erstmals davon betroffen ist, das heißt in seinen Rechten beeinträchtigt wird oder worden sein soll. Dies sei im Fall des serienmäßigen Einbaus eines nicht rechtskonformen Bauteils in eine Sache der Zeitpunkt des Erwerbs der mangelhaften Sache durch den Versicherungsnehmer. Erst damit beginne sich auch die vom Rechtsschutzversicherer in Bezug auf den Versicherungsnehmer konkret übernommene Gefahr zu verwirklichen.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Rechtsschutzversicherungsfall im Zusammenhang mit Forderungen des Versicherungsnehmers gegen den Autohersteller wegen einer unzulässigen Abgasmanipulationssoftware in Diesel-Fahrzeugen während des versicherten Zeitraums eingetreten ist, ist die Frage, wann der Versicherungsnehmer das Diesel-Fahrzeug erworben hat. Nicht relevant ist der Zeitpunkt, zu dem die unzulässige Einrichtung vom Hersteller eingebaut wurde«