Unfallversicherung: Schwindel als Bewusstseinsstörung?

Was ist passiert?

Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem beklagten Versicherer besteht ein privater Unfallversicherungsvertrag mit einer Versicherungssumme von EUR 224.151,00 für dauernde Invalidität. Die diesem Versicherungsverhältnis zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB) lauten auszugsweise wie folgt:

» ABSCHNITT C: BEGRENZUNGEN DES VERSICHERUNGSSCHUTZES
[…]
Artikel 20
Welche Unfälle sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?
Ausgeschlossen von der Versicherung sind Unfälle
[…]
20.8 welche die versicherte Person infolge einer Bewusstseinsstörung […] erleidet.«

Der Versicherungsnehmer stürzte aufgrund eines kurzfristigen Schwindels von einer Leiter. Dabei erlitt er Verletzungen im Bereich der linken Schulter, für die er aufgrund einer dauernden Invalidität eine Versicherungsleistung vom Versicherer forderte. Der Versicherer lehnte jedoch eine Leistung mit der Begründung ab, dass der schwindelbedingte Sturz von der Leiter ein Unfall infolge einer Bewusstseinsstörung sei und somit der Risikoausschlusses gemäß Art 20.8 AUVB greifen würde.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.05.2024, Geschäftszahl: 7 Ob 60/24k, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass der Begriff der Bewusstseinsstörung nicht die völlige Bewusstlosigkeit fordert. Nach Ansicht des OGH genügt es vielmehr, wenn die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit so gestört ist, dass der Versicherungsnehmer der Gefahrenlage, in der er sich jeweils befindet, nicht mehr so gewachsen ist, wie die jeweiligen Verhältnisse es erfordern. Auch eine Schwindelattacke könne eine Bewusstseinsstörung darstellen, wenn dadurch die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit erheblich gestört ist.

Im vorliegenden Fall kamen die Gerichte zum Ergebnis, dass diese Erheblichkeitsschwelle noch nicht überschritten war. Der beim Versicherungsnehmer aufgetretene kurzfristige Schwindel habe „aufgrund seiner Kopfhaltung“ keine erhebliche Störung seiner Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit mit sich gezogen. Das Vorliegen des Risikoausschluss wurde daher verneint, sodass der Versicherer dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet wurde.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Beim Risikoausschluss für Unfälle infolge einer Bewusstseinsstörung kommt es darauf an, ob die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit des Versicherungsnehmers in einer konkreten Gefahrenlage so gestört ist, dass er diese Situation nicht mehr so beherrschen kann, wie es die Verhältnisse eigentlich erfordern würden. Nur dann, wenn diese Erheblichkeitsschwelle überschritten wird, was stets im Einzelfall anhand der jeweiligen Umstände zu überprüfen ist, kann der Versicherer eine Leistung unter Berufung auf diesen Risikoausschluss zu Recht verweigern