Zur Auslegung der Klausel über Bewusstseinsstörungen

Was ist passiert?

Die Versicherungsnehmerin bemerkte einen süßlichen Geschmack im Mund, begleitet von Übelkeit und einem allgemeinen Schwächegefühl. Sie verlor noch im Stehen das Bewusstsein, fiel zur Seite und stieß mit dem Kopf auf einen Heizkörper, wobei sie sich verletzte. Die unmittelbar vor dem Sturz erlittene und für den Sturz verantwortliche Bewusstlosigkeit ging auf den grenzwertig reduzierten Ernährungszustand, Hypotonie und Hyponatriämie zurück.

Die Versicherungsnehmerin verlangte von ihrer Gesundheitsvorsorgeversicherung Deckung für den Unfall.

Die dem Gesundheitsvorsorgeversicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für den Premium-Unfallschutz (AUVB 2006) in der Fassung 07 2012 lauten auszugsweise wie folgt:

»Was ist eingeschränkt versichert?
1. Kein Versicherungsschutz besteht für Unfälle:
[…]1.5 der versicherten Person infolge einer Geistes- oder Bewusstseinsstörung, sowie durch epileptische oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der versicherten Person ergreifen.
Geistes- und Bewusstseinsstörungen sind alle erheblichen Störungen der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit, die auf Krankheit oder künstlichen Mitteln beruhen, die versicherte Personen außerstande setzen, den Sicherheitsanforderungen ihre Umwelt zu genügen, und einen Grad erreicht haben, bei dem sie die Gefahrenlage nicht mehr beherrschen kann. […]«


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.05.2024, Geschäftszahl: 7Ob78/24g, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass die Allgemeinen Versicherungsbedingungen nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung auszulegen sind. Dabei orientiert man sich am Maßstab des durchschnittlichen Versicherungsnehmers unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks der Bestimmungen. Unklarheiten gehen grundsätzlich zu Lasten der Partei, von der die Formulierung stammt. Ausschlüsse dürfen nicht weiter ausgelegt werden als ihr wirtschaftlicher Zweck und die Ausdrucksweise es erfordern.

Im konkreten Fall sollen durch die Klausel Unfälle vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, die sich als Folge einer schon vor dem Unfall vorhandenen, gefahrenerhöhenden, gesundheitlichen Beeinträchtigung beim Versicherungsnehmer darstellen.

Die Beeinträchtigung muss so beschaffen sein, dass sie eine den Unfall vermeidende Reaktion des Versicherungsnehmers nicht zulässt.

Eine Haftung des Versicherungsträgers für Unfallschäden, die auf eine durch eine Bewusstseinsstörung (Bewusstlosigkeit) zurückzuführen sind, ist ausgeschlossen, auch wenn die Bewusstlosigkeit etwa auch nur sehr kurzfristig gewesen ist. Auf ein Verschulden des Versicherungsnehmers kommt es nicht an.

Dass die Versicherungsnehmerin aufgrund eines reduzierten Ernährungszustands, Hypotonie und Hyponatriämie das Bewusstsein verlor und sich verletzte, stellen daher eine Krankheit dar, die subjektiv und objektiv die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden negativ beeinflusste.

Der OGH kam schließlich zum Ergebnis, dass kein Versicherungsschutz besteht, da die Klausel in den Allgemeinen Bedingungen für den Premium-Unfallschutz im Zusammenhang mit Bewusstseinsstörungen klar war und die Versicherungsnehmerin mit dem Ausschluss rechnen musste.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Jedem Versicherungsnehmer muss das Wissen zugemutet werden, dass einem Versicherungsvertrag gewisse Begrenzungsnormen zugrunde liegen. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer hat daher grundsätzlich mit Risikoausschlüssen zu rechnen