Wird ein Arbeitnehmer eines Unternehmens von einem betriebsfremden Dritten am Körper verletzt und befindet sich der Arbeitnehmer in weiterer Folge im Krankenstand, so stellt sich für das Unternehmen naturgemäß die Frage, ob das fortzuzahlende Entgelt und allfällige Kosten für Leiharbeiter vom Schädiger ersetzt werden müssen.

Was ist passiert?

Der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 14.04.2020 (1 Ob 50/20) lag folgender Sachverhalt zugrunde: eine betriebsfremde Person hat am 29.09.2016 zwei Mitarbeiter eines Unternehmens am Körper verletzt und wurde aus diesem Grund strafgerichtlich verurteilt. Einer der Mitarbeiter war aufgrund seiner Verletzung bis einschließlich 27.10.2016 im Krankenstand. Für diesen Zeitraum zahlte ihm das Unternehmen das volle Entgelt fort. Der zweite Mitarbeiter befand sich bis 13.10.2017 im Krankenstand und erhielt vom Unternehmen bis 02.12.2016 den vollen Lohn, danach bis Ende 2016 das halbe Entgelt. Darüber hinaus hat das Unternehmen für diesen Zeitraum Leiharbeiter beschäftigt, um so den Arbeitsausfall der verletzten Arbeitnehmer kompensieren zu können.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte das Ersturteil und verurteilte den betriebsfremden Schädiger zum Ersatz der Entgeltfortzahlungen. Die Kosten, den das Unternehmen für die Beschäftigung von Leiharbeitern tragen mussten, wurde dem Unternehmen hingegen nicht zugesprochen.



Begründung des OGH

Begründend führte der Oberste Gerichtshof aus, dass grundsätzlich nur der unmittelbar, durch die rechtswidrige Handlung Geschädigte (= Arbeitnehmer) Ersatz verlangen, nicht aber der bloß mittelbar geschädigte Dritte (= Arbeitgeber). Anderes hat jedoch dann zu gelten, wenn beim unmittelbar Geschädigten (= Arbeitnehmer) nur deshalb ein bestimmter Vermögensnachteil nicht eintritt, weil ein Dritter (= Arbeitgeber) aufgrund besonderer Rechtsbeziehungen zum Geschädigten das wirtschaftliche Risiko des Schadens zu tragen hat. Ein typischer Anwendungsfall dieser sogenannten Drittschadensliquidation ist die Lohnfortzahlung. Handelt es sich demnach bei der verletzten Person um einen Arbeitnehmer und ist dessen Arbeitgeber gesetzlich zur Lohnfortzahlung verpflichtet, wird der sonst im Verdienstentgang liegende Schaden des Arbeitnehmers auf den Arbeitgeber überwälzt.

Eben diese Grundsätze können jedoch auf die Kosten eines Leiharbeiters gerade nicht übertragen werden, da es sich bei diesen Kosten nicht um solche handelt, die sonst typischerweise vom geschädigten Arbeitnehmer getragen werden müssen.



Schlussfolgerung

Zusammengefasst kann daher festgehalten werden, dass der Arbeitgeber vom betriebsfremden Schädiger nur den Ersatz für die Entgeltfortzahlungen verlangen kann. Die Kosten für die – während der Dauer des Krankenstandes erfolgte – Beschäftigung von Leiharbeitern müssen vom Schädiger hingegen nicht ersetzt werden.

Was ist passiert?

Der Halter eines Lkws stellte diesen neben dem Wirtschaftsgebäude eines landwirtschaftlichen Anwesens ab. Im Motorraum dieses abgestellten Lkw kam es zu einem Kurzschluss, der einen Fahrzeugbrand auslöste. Der Brand griff auf das daneben befindliche Wirtschaftsgebäude über. Dadurch ist das Wirtschaftsgebäude abgebrannt. Auch weitere Gebäude wurden durch diesen Brand beschädigt.

Was war die Ursache?

Die Ursache für den Kurzschluss im Lkw war nicht feststellbar. Die Gebäudeversicherung, die den Brandschaden am Wirtschaftsgebäude ersetzt hatte, klagte den Halter des Lkw auf Grundlage des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes (EKHG). In diesem Rechtsstreit zwischen der Gebäudeversicherung und dem Haftpflichtversicherer des Lkw ging es daher um die Frage, ob der Halter des Lkw nach dem EKHG für den Schaden einzustehen hat.

Rechtsgrundlagen

Der Halter bestritt die Anwendbarkeit des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes, denn der Brand sei nicht „beim Betrieb“ des Fahrzeuges entstanden (wie das Gesetz es formuliert). Der OGH bestätigte diese Ansicht. Die vom Verschulden unabhängige Haftung nach dem EKHG ist nur gerechtfertigt, wenn der Unfall auf einer spezifischen Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugs beruht. Diese kann zwar grundsätzlich auch von einem stehenden Fahrzeug ausgehen, weshalb auch eine Haftung für Schäden, die beim Ein- und Aussteigen oder Be- und Entladen verursacht werden
entstehen kann.

Schlussfolgerung


Im gegenständlichen Fall hat sich aber nicht die spezifische Gefahr eines sich mit Motorkraft bewegenden Fahrzeugs verwirklicht, sondern muss das Versagen einer Betriebseinrichtung bei einem abgestellten Fahrzeug in diesem Zusammengang gleich beurteilt werden wie das Versagen anderer technischer Anlagen, etwa einer stationären Arbeitsmaschine oder einer Elektroeinrichtung.
Der Halter haftet daher nicht für Schäden, die sich aus einem Kurzschluss im parkenden Lkw ergeben.