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Die Rettungsobliegenheit nach Löscharbeiten infolge Gebäudebrands

Was ist passiert?

Am 03.07.2011 brannte das bei der Beklagten versicherte Gebäude der Klägerin beinahe zur Gänze ab und hatte das Gebäude nach dem Brand noch einen Restwert von circa EUR 120.000,00. Nach einem der Klägerin bekannten Sachverständigengutachten wurde unter der Überschrift „Schadenbild und Reparaturbeschreibung“, eine Trocknung der Deckenkonstruktion infolge Durchfeuchtung durch das Löschwasser angesprochen und wurde erwähnt, dass sich im Keller Löschwasser befindet und der Keller durch Raumtrockner zu trocknen sei. Die vom Löschwasser durchnässten Gebäudeteile wurden jedoch von der Klägerin über einen Zeitraum von sieben Jahren zu keiner Zeit getrocknet. Dadurch kam es im Gebäude zu einer Schimmelbildung, was zur Abbruchreife des Gebäudes geführt hat. Die Klägerin begehrte schließlich von der Beklagten mit ihrer Klage die Bezahlung des vor der Schimmelbildung vorhandenen Gebäuderestwertes von EUR 120.000,00.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 27.01.2021 (7 Ob 185/20m) musste sich der OGH nunmehr mit der Frage auseinandersetzen, ob die Vergrößerung des Schadens in Folge Schimmelbildung auf einen grob fahrlässigen Verstoß der Klägerin gegen ihre Rettungsobliegenheit zurückzuführen ist. Nach § 62 Abs 2 VersVG ist der Versicherer von der Leistung frei, wenn der Versicherte die Obliegenheit, nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen und Weisungen des Versicherers einzuholen oder zu befolgen, vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat.

Die Rettungsobliegenheit gilt zeitlich unbeschränkt, solange der Schaden abgewendet oder gemindert oder der Umfang der Entschädigung gemindert werden kann. Sie verlangt inhaltlich vom Versicherungsnehmer die ihm in der jeweiligen Situation möglichen und zumutbaren Rettungsmaßnahmen unverzüglich und mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu ergreifen. Der Inhalt der Rettungs- und Schadenminderungsobliegenheit bestimmt sich danach, wie sich der Versicherungsnehmer verständigerweise verhalten hätte, wenn er nicht versichert wäre. Dabei hat der Versicherer den Verstoß gegen die Obliegenheit, der Versicherungsnehmer das Fehlen von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit zu beweisen.

Nach Ansicht des OGH weiß ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer, dass Feuchtigkeit in einem Haus zu Schimmelbildung führen kann und er einer solchen Gefahr mit Abwehrmaßnahmen begegnen würde. Die Verletzung der Rettungsobliegenheit wurde daher im vorliegenden Fall aufgrund der Untätigkeit der Klägerin bejaht.

Blieb noch zu prüfen, ob die Klägerin grobe Fahrlässigkeit zu verantworten hat. Grobe Fahrlässigkeit wird im Versicherungsvertragsrecht dann als gegeben erachtet, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen. Nach Ansicht des OGH lässt das Sachverständigengutachten weder auf einen Totalschaden, noch darauf schließen, dass der Aufwand für Trocknungsmaßnahmen verloren wäre. Es sei daher kein nachvollziehbarer Grund für das Unterlassen von Trocknungsmaßnahmen oder zumindest für das Unterbleiben der Einholung einer Weisung bei der Versicherung für allfällige weitergehende Rettungsmaßnahmen ersichtlich. Nach Ansicht des OGH kann daher die Klägerin in einem solchen Fall das fehlende grobe Verschulden nicht nachweisen, was zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers führt. Im vorliegenden Fall waren jedoch die Feststellungen zum Sachverständigengutachten unklar, weshalb die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an die untere Instanz zurückverwiesen worden ist.

Schlussfolgerung

Im Zweifel sollte daher in jedem Schadenfall mit dem Versicherer abgeklärt werden, ob weitergehende Sanierungsarbeiten vorzunehmen sind, um die mögliche Gefahr, die Rettungsobliegenheit zu verletzten, möglichst zu minimieren.