Die (verzögerte) Fälligkeit der Invaliditätsleistung
Was ist passiert?
Im Juli 2020 stürzte ein Versicherungsnehmer (Kläger) auf seiner Terrasse und zog sich dabei eine Schultereckgelenkssprengung Grad III zu. Bereits im August 2020 lehnte die Unfallversicherung (Beklagte) die Deckung mit der Begründung ab, dass ein qualifizierter Prämienrückstand vorliege, was sich als unrichtig erwies.
Der Kläger begehrte daher die Feststellung der Versicherungsdeckung für den Unfall und brachte zum Feststellungsinteresse vor, dass der Grad der zu erwartenden Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall noch nicht eindeutig feststehe, weshalb anstelle eines Leistungs- ein Feststellungsbegehren zulässig ist. Dies bestritt die Beklagte und entgegnete unter anderem, dass eine Invalidität bereits feststehe, weshalb eine Leistungsklage einzubringen sei. Dieser Ansicht schloss sich das Erstgericht an, zumal laut einem vorliegenden Gutachten bereits ein Mindestmaß an Invalidität von 5% beziffert werden könne. Tatsächlich bestand zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz eine Invalidität von 20% des Armwertes, wobei aber noch kein Endstadium erreicht war.
Das Berufungsgericht erachtete die Feststellungsklage als zulässig, wogegen die Beklagte Revision an den OGH erhob.
Wie ist die Rechtslage?
Eine Feststellungsklage ist nur dann zulässig, wenn eine Leistungsklage noch nicht erhoben werden kann. Im Verhältnis zur Leistungsklage ist sie sohin subsidiär (RS0038849; RS0038817). Lehnt der Versicherer die Leistung endgültig ab, wird der Entschädigungsanspruch (zur Leistung) sofort fällig (RS0114507).
Ausgehend vom vorliegenden Sachverhalt stellte sich der OGH in der Entscheidung „7 Ob174/21w“ die Frage, ob die Invaliditätsleistung bereits fällig ist und anstelle einer Feststellungsklage mittels Leistungsklage geltend gemacht werden kann.
Dazu setzte sich der OGH mit nachstehenden Bedingungen (Klipp & Klar Bedingungen UD00 (Fassung 02/2016); AUVB 2012)) auseinander:
Nach Ansicht des OGH ist Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf die Invaliditätsleistung, dass gemäß Art. 7.7. der AUVB 2012 innerhalb eines Jahres nach dem Unfall Art und Umfang der Unfallfolgen eindeutig feststehen. Der Begriff „Art“ der Unfallfolgen bezieht sich nach Ansicht des OGH auf die Einschränkungen von Körperteilen und Sinnesorganen. Diese Einschränkung stünde aufgrund der erlittenen Schultereckgelenkssprengung Grad III fest. Der Begriff „Umfang der Unfallfolge“ bezieht sich hingegen auf den Invaliditätsgrad, welcher innerhalb des ersten Jahres „eindeutig feststehen“ müsse.
Ausgehend vom vorliegenden Sachverhalt kam der OGH schließlich zum Ergebnis, dass der Invaliditätsgrad eben noch nicht eindeutig feststeht, sondern sich noch maßgeblich ändern kann, weshalb der Anspruch auf die Versicherungsleistung nach Art. 7.7 AUVB zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt, welcher vor Ablauf der Jahresfrist des Art. 7.1 AUVB 2012 lag, noch nicht fällig war, womit dem Feststellungsbegehren stattzugeben sei.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch: