Schlagwortarchiv für: Risikobegrenzung

Was ist passiert?

Die Versicherungsnehmerin hat für ihr KFZ einen Kaskoversicherungsvertrag abgeschlossen. Im Mai 2023 verursachte ihr Lebensgefährte in alkoholisiertem Zustand mit diesem Fahrzeug einen Autounfall. Im Vertrag war folgende Alkoholklausel festgelegt:


»Zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer Erhöhung der Gefahr sind die Obliegenheiten vereinbart,
[…]
(2) dass sich der Lenker nicht in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet.
[…].«



Die Versicherungsnehmerin machte daraufhin die Versicherungsleistung für die durch den Unfall verursachten Schäden geltend. Der Versicherer wendete dagegen die Verletzung der Alkoholklausel ein.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 28.08.2024, 7 Ob 158/24x, stellte der OGH zunächst klar, dass die Alkoholklausel grundsätzlich nicht nur dann anwendbar ist, wenn der Versicherungsnehmer in alkoholisiertem Zustand einen Unfall verursacht, sondern sich auch auf jenen Fall erstreckt, wenn der Versicherungsnehmer einer anderen derart beeinträchtigten Person sein KFZ überlassen hat. Einem Versicherungsnehmer kann dies aber nicht zur Last gelegt werden, wenn er beweisen kann, frei von jeglichem Verschulden zu sein oder er einen Kausalitätsgegenbeweis erbringt. Nur wenn der Verdacht der Obliegenheitsverletzung vollständig ausgeräumt ist, daher keine Negativfeststellungen mehr bestehen, hat der Versicherer zu leisten.

In gegenständlichem Fall existierte eine Negativfeststellung, nämlich dass nicht nachgewiesen werden konnte, dass die Versicherungsnehmerin den zuvor schon in einem Lokal und später zuhause fortgesetzten Alkoholkonsum ihres Lebensgefährten nicht wahrgenommen hatte. Weil ebendiese Negativfeststellung schon nicht beseitigt werden konnte, erübrigten sich die daran anknüpfenden Fragen nach einer möglichen Verletzung der Nachforschungspflicht und das Auffallen von Anzeichen einer Alkoholisierung.

In diesem Zusammenhang wurde auch das konstitutive Anerkenntnis erläutert. Hierbei handelt es sich um eine Willenserklärung durch den Schuldner, nach ernstlicher Behauptung des Anspruches des Gläubigers das Recht anzuerkennen und somit gleichzeitig bestehende Zweifel daran zu beseitigen. Dadurch entsteht eine neue selbstständige Verpflichtung, unabhängig vom Verschuldensgrad zu leisten und selbst, wenn es im Zeitpunkt des Anerkenntnisses Unsicherheiten gab. Es stellt ein abstraktes Geschäft dar, was nach österreichischem Recht grundsätzlich unzulässig ist. Wirksam wäre es bloß dann, wenn dadurch Streitigkeiten hinsichtlich eines bestimmten Rechts bereinigt werden sollen.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Die Alkoholklausel im Zusammenhang mit Kaskoversicherungen gilt auch dann, wenn jemand anderes als der Versicherungsnehmer aufgrund von Alkohol einen Autounfall verursacht. Es gilt dann zu beurteilen, ob der Versicherungsnehmer seine Obliegenheiten verletzt hat, indem er sein Fahrzeug schuldhaft einer alkoholisierten Person zum Lenken überlassen hat, dabei muss jedwede Negativfeststellung ausgeräumt sein, damit eine Leistungspflicht seitens des Versicherers bejaht werden kann.«

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer hat mit der beklagten Versicherung Krankenzusatzversicherungsverträge abgeschlossen. Dabei hat er jedoch zahlreiche ihm bekannte Erkrankungen und auch „Fehlbildungen“, nach denen die beklagte Krankenversicherung vor Abschluss der Versicherungsverträge ausdrücklich gefragt hatte (wie Nierenagenesie, arterielle Hypertonie und Linksventrikelhypertrophie, Lumbalgie, Spondylolyse, Anterolisthese L5/S1, Diskopathie L4–S1, Plattfuß und Senk-Spreizfuß), nicht angegeben. Nachdem die Versicherung nachträglich von diesen Erkrankungen erfahren hatte, erklärte sie den Rücktritt von den abgeschlossenen Krankenzusatzversicherungsverträgen. Die gegen diesen Rücktritt eingebrachte Klage des Versicherungsnehmers landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 23.09.2024, Aktenzeichen: 7 Ob 149/24y, führte der OGH zunächst aus, dass gemäß § 16 Abs 1 Satz 3 VersVG ein Umstand, nach welchem der Versicherer – wie im vorliegenden Fall – ausdrücklich und in geschriebener Form gefragt hat, im Zweifel als erheblich gilt. In solchen Fällen sei der Versicherungsnehmer dafür beweispflichtig, dass auch die richtige Beantwortung der an ihn gestellten Frage nicht geeignet gewesen wäre, den Entschluss der Versicherung zum Vertragsabschluss in irgendeiner Weise zu beeinflussen. Zur Bejahung der Gefahrenerheblichkeit von Umständen sei es nicht erforderlich, dass die Versicherung bei Kenntnis des wahren Sachverhalts den Vertrag tatsächlich abgelehnt oder nicht zu den erwähnten Bedingungen abgeschlossen hätte. Es reiche vielmehr bereits aus, dass der von der Versicherung nachgewiesene Umstand bei objektiver Betrachtung geeignet ist, einen solchen Entschluss der Versicherung zu motivieren. Nach Ansicht des OGH bedarf es auch keiner versicherungsmathematischen Relevanz der verschwiegenen Umstände.

Im vorliegenden Fall kam der OGH daher zum nachvollziehbaren Ergebnis, dass dem Versicherungsnehmer dieser Gegenbeweis nicht gelungen ist. Dies auf Basis der vom Erstgericht getroffenen Feststellung, dass die Versicherung „den Ausschluss einzelner bestehender Erkrankungen als nicht mehr zielführend erachtet“ hat, also die Krankenzusatzversicherungsverträge in Kenntnis der vor Abschluss der Versicherungsverträge bestehenden Erkrankungen nicht abgeschlossen hätte.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Sofern ein Versicherer nach einem Umstand ausdrücklich und in geschriebener Form gefragt hat, muss der Versicherungsnehmer beweisen, dass die unrichtige Beantwortung dieser Frage nicht geeignet war, den Entschluss des Versicherers zum Vertragsabschluss zu beeinflussen.«

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Was ist passiert?

Der Kläger ist Eigentümer eines Sees und verpachtete den See an die Gemeinde unter anderem zum Betrieb eines Strandbads.

An jenem Ufer, welches sich gegenüber vom Strandbad befindet, liegt eine – vom Strandbad etwa 30 Gehminuten entfernte – Wohnsiedlung.

Der Beklagte ist Eigentümer einer Liegenschaft samt Wohnhaus, die zwar nicht an den See angrenzt, sich aber in Gehdistanz von etwa fünf Minuten zum Seeufer befindet. Seit dem Jahr 1969 ging der Beklagte regelmäßig (in den Sommermonaten bei Schönwetter täglich) in den See baden und schwimmen. Er war der Ansicht, dazu berechtigt zu sein. Auch andere Anrainer badeten seit jeher im See außerhalb des Strandbads. Dem Beklagten fielen mehrere zu diesem Zweck errichtete Badestege und Seezugänge auf, er wusste aber nicht, dass diese aufgrund separater Vereinbarungen mit dem Kläger als Seeeigentümer errichtet worden waren. Dem Kläger war bekannt, dass von dem anderen Ufer aus im See gebadet wird.

Der Kläger begehrte sohin die Feststellung, dass dem Beklagten weder eine Personal- noch eine Grunddienstbarkeit des Badens und Schwimmens im See zustehe. Die Bademöglichkeit sei seit jeher auf das vor etwa 100 Jahren errichtete Strandbad sowie einzelne private Seezugänge beschränkt gewesen.

Der Beklagte wandte ein, eine Dienstbarkeit des Badens und Schwimmens im See von der Einstiegsstelle in der Nähe seines Hauses ersessen zu haben. Er behauptete primär eine zugunsten seines Grundstücks ersessene Grunddienstbarkeit und hilfsweise eine ihm persönlich zustehende Personaldienstbarkeit.

Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

Eine Dienstbarkeit ist ein beschränktes dingliches Nutzungsrecht an einer fremden Sache. Persönliche Dienstbarkeiten stehen einer bestimmten Person zu, der dadurch ein Vorteil verschafft werden soll. Bei den Grunddienstbarkeiten steht das Recht dem jeweiligen Eigentümer einer bestimmten Liegenschaft zu.

Ein Recht, in einem fremden Gewässer zu baden, kann grundsätzlich Gegenstand einer Grunddienstbarkeit oder einer persönlichen Dienstbarkeit sein

Sowohl Grund- als auch persönliche Dienstbarkeiten können durch Ersitzung erworben werden. Dies setzt ganz allgemein die Ausübung eines Rechtsbesitzes an der fremden Sache während der Ersitzungszeit voraus.

Derjenige, in dessen Besitz bei der Ersitzung eingegriffen wird, muss jedenfalls erkennen können, welches konkrete Recht ausgeübt wird. Es kommt auf die objektive Erkennbarkeit der Rechtsausübung an.

Der OGH verneinte das Bestehen einer Grunddienstbarkeit, da keine objektiven Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der die Liegenschaft des Beklagten durch das Baden im See besser benutzbar sein sollte.

Da hingegen durch eine persönliche Dienstbarkeit einer Person nur ein persönlicher Vorteil verschafft werden soll und die für die Ersitzung erforderliche erkennbare Rechtsausübung dem zu erwerbenden Recht zu entsprechen hat, muss sich auch die Erkennbarkeit bei der Ersitzung einer Personalservitut auf einen persönlichen Vorteil beziehen.

Eine solche Rechtsausübung wäre laut OGH allerdings nur erkennbar gewesen, wenn an der betreffenden Stelle im See nur der Beklagte (oder allenfalls andere unberechtigte Personen) gebadet hätte oder geschwommen wäre und nicht auch jene Personen, die hierzu berechtigt waren.

Fehlt eine solche Erkennbarkeit einer Rechtsausübung, liegt der notwendige Rechtsbesitz des Nutzers der fremden Sache und sohin die Ersitzung deiner persönlichen Dienstbarkeit nicht vor. Ob das zutrifft, konnte mangels ausreichend festgestelltem Sachverhalt vom OGH nicht abschließend beurteilt werden und wurde dem Berufungsgericht daher eine Beweisergänzung aufgetragen.

Sollte das Berufungsgericht feststellen, dass an der vom Beklagten benutzten Stelle im See auch andere berechtigte Personen schwammen und badeten, würde der OGH zum Schluss kommen, dass mangels Erkennbarkeit der Ausübung der persönlichen Dienstbarkeit eine solche nicht besteht.

Schlussfolgerung

Bei der Ersitzung von Dienstbarkeiten kommt es unter anderem darauf an, ob die Ausübung der Dienstbarkeit für den Eigentümer der genutzten Sache objektiv erkennbar war. Die Erkennbarkeit der Ausübung eines Rechtsbesitzes durch den Beklagten hängt auch davon ab, ob andere Personen berechtigt ein vergleichbares Verhalten setzten, das bei entsprechender Sorgfalt des Ersitzungsgegners nicht von der Rechtsausübung des Beklagten unterschieden werden kann

Was ist passiert?

Die Versicherungsnehmer schlossen mit ihrem Versicherer einen Versicherungsvertrag, mit dem ein in deren Hälfteeigentum stehende Haus unter anderem gegen Feuer versichert wurde. Diesem lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS) 2020/Stufe 1 zugrunde, die auszugsweise lauten:

Artikel 2 Gefahrenerhöhung
»1. Nach Vertragsabschluss darf der Versicherungsnehmer ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrenerhöhung vornehmen oder Vornahme durch einen Dritten gestatten. Erlangt der Versicherungsnehmer davon Kenntnis, dass durch eine von ihm ohne Einwilligung des Versicherers vorgenommene […] Änderung die Gefahr erhöht […]hat er dem Versicherer unverzüglich in geschriebener Form Anzeige zu erstatten.
2. […]Verletzt der Versicherungsnehmer eine der in Abs 1 genannten Pflichten, ist der Versicherer außerdem gemäß den Voraussetzungen und Begrenzungen der §§ 23 bis 31 VersVG von der Verpflichtung zur Leistung frei.«

Nach Abschluss des Versicherungsvertrags genehmigten die Versicherungsnehmer den Mietern ebenjenes Hauses, eine Fotovoltaikanlage zu errichten.

Tatsächlich errichteten die Mieter nicht nur eine Fotovoltaikanlage, sondern auch einen Batteriespeicher, bestehend aus einer Serienparallelschaltung von rund 60 „Autobatterien“, die unsachgemäß zusammengefügt wurden. Am 6. Februar 2023 ereignete sich, ausgehend von dem Batteriespeicher, ein Brand.

Die Versicherungsnehmer verlangten vom Versicherer Ersatz für die Schäden des Brandes, der Versicherer wiederum berief sich auf Leistungsfreiheit, da eine gewillkürte Gefahrenerhöhung vorgelegen wäre.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 23.10.2024, 7 Ob 153/24m, führte der OGH zunächst aus, dass eine Gefahrenerhöhung gem. § 23 Abs 1 VersVG eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsabschluss tatsächlich vorhandenen gefahrenerheblichen Umstände ist, die den Eintritt des Versicherungsfalls wahrscheinlicher macht.

Allgemein übliche, das Durchschnittsrisiko kennzeichnende Gefahrenerhöhungen und solche, deren Unterstellung unter die §§ 23 ff VersVG den Versicherungsschutz der Mehrzahl der Versicherungsnehmer erheblich entwerten würde, sind mitversichert.

Der OGH stellte weiters fest, dass nur eine vom Versicherungsnehmer willkürlich herbeigeführte Gefahrenerhöhung Leistungsfreiheit zur Folge hat. Dem Wissen des Versicherungsnehmers um die Gefahrenerhöhung steht dessen verschuldetes Nichtwissen gleich, wenn dieses so schwer ins Gewicht fällt, dass es einer positiven Kenntnis gleichkommt, er also Bescheid wissen hätte müssen.

Der OGH schloss sich in diesem Fall der Meinung des Berufungsgerichts an und verneinte eine Leistungsfreiheit des Versicherers, da keine willkürliche Gefahrenerhöhung vorliegt.

Dies deshalb, weil die Versicherungsnehmer weder gewusst haben, dass der Batteriespeicher eingebaut wurde, noch ihnen ein diesem Wissen gleichkommendes schwerwiegendes Nichtwissen anzulasten ist.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»INichtwissen um eine Gefahrenerhöhung steht dem Wissen um eine solche nur dann gleich, wenn es so schwer ins Gewicht fällt, dass sie positiver Kenntnis gleichkommt

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer war Mieter einer Wohnung. Weil das Wohnhaus in der Vergangenheit häufig Gegenstand von Sachbeschädigung geworden war, wurden vom Eigentümer des Wohnobjektes an der Außenwand Überwachungskameras installiert. Der Versicherungsnehmer kam eines Abends von einem Weinfest nach Hause. Dort angekommen, wollte der aufgrund übermäßigem Alkoholkonsums eigentlich nicht mehr fahrtaugliche Versicherungsnehmer sein Fahrzeug auf dem Parkplatz abstellen. Hierbei fuhr er über die Parkplatzbegrenzung hinaus und beschädigte sein Fahrzeug schwer. In der Unfallmeldung an den Kaskoversicherer gab der Versicherungsnehmer an, sich aufgrund einer vorbeilaufenden Katze dermaßen erschrocken zu haben, dass er das Brems- mit dem Gaspedal verwechselte und der Schaden so entstanden sei. Eine vorläufige Deckungszusage wurde erteilt. Beim Lokalaugenschein durch einen Mitarbeiter der Versicherung bemerkte dieser die Überwachungskamera und ließ sich das Videomaterial aushändigen, woraufhin die Deckung für den Unfallschaden abgelehnt wurde. In weiterer Folge kam es zu einem Vergleich zwischen dem Versicherungsnehmer und der Kaskoversicherung und klagte der Versicherungsnehmer daraufhin den Eigentümer des Hauses, welcher die Überwachungskamera angebracht hatte, auf Schadenersatz, weil dieser aufgrund unzulässiger Datenverarbeitung den Ersatz der Reparaturkosten durch den Versicherer vereitelt habe.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom OGH, 15.05.2024, 6 Ob 70/24y, führte der OGH zunächst aus, dass gem. § 82 DSGVO jedermann, dem aufgrund eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden erwachsen ist, Schadenersatzanspruch gegenüber dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter hat. Hierbei gelten nach § 29 DSG die allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. In gegenständlichem Fall war die Versicherung ohnehin aufgrund des Risikoausschlusses gem. § 67 VersVG leistungsfrei gestellt, zumal der Versicherungsnehmer aufgrund von starker Alkoholisierung über die Parkplatzbegrenzung hinausgefahren war und den Schaden daher grob fahrlässig herbeigeführt hatte. Für die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles in der Kaskoversicherung ist es nicht erforderlich, dass die Alkoholisierung behördlich oder gerichtlich festgestellt wurde, da es im Gegensatz zur Alkoholklausel gem. § 5 Abs 1 Z 5, Abs 4 KHVG iVm den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nicht darauf ankommt, dass im Spruch oder der Begründung einer rechtskräftigen verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung das Lenken eines Fahrzeugs im durch Alkohol beeinträchtigten Zustand festgestellt worden ist. Die vom Versicherungsnehmer behauptete Verletzung des Datenschutzes gem. Art 82 DSGVO liegt nicht vor, zumal es außerhalb des Schutzzwecks dieser Datenschutzbestimmung liege, wenn der Kläger im Wege einer (behaupteten) Datenschutzverletzung Schadenersatz für eine von der Versicherung berechtigt verweigerte Versicherungsleistung vom Verantwortlichen der Datenverarbeitung begehre.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»In dieser Entscheidung hat der OGH klargestellt, dass es für die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles im Sinne von § 67 VersVG in der Kaskoversicherung nicht erforderlich ist, dass die Beeinträchtigung durch Alkohol im Spruch oder in der Begründung einer rechtskräftigen verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung festgestellt wird. In diesem Zusammenhang hat der OGH aus datenschutzrechtlicher Sicht auch klargestellt, dass ein aufgrund einer (möglicherweise unzulässigen) Datenverarbeitung und Datenauswertung festgestellter bzw. verwirklichter Risikoausschluss und ein damit für den Versicherungsnehmer behaupteter Schaden (verweigerte Versicherungsleistung) außerhalb des Schutzzweckes von § 82 DSGVO liegt.«

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer hat mit dem beklagten Versicherer einen Rechtsschutzversicherungsvertrag abgeschlossen. Am 19.03.2018 hat der Versicherungsnehmer einen gebrauchten PKW Skoda Octavia um EUR 19.100,00 gekauft. Nach den Behauptungen des Versicherungsnehmers war dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen. Er beabsichtigte daher gegen die Herstellerin klageweise Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Bereits am 14. und 15. Mai 2020 ersuchte er die Versicherung um Rechtsschutzdeckung für das gegen die Herstellerin beabsichtigte Verfahren, wobei er gleichzeitig den Zulassungsschein des Fahrzeugs und den Kaufvertrag übermittelte. Die Rechtsschutzversicherung lehnte ihre Deckungspflicht mit Schreiben vom 20.05.2020 ab. Eine neuerliche Deckungsanfrage des Versicherungsnehmers vom 15.06.2023 wurde gleichfalls abgelehnt und zudem darauf hingewiesen, dass der Rechtsschutzanspruch bereits verjährt sei. Mittels Klage begehrte der Versicherungsnehmer daher die Feststellung der Deckungspflicht der Rechtsschutzversicherung für den gegen die Fahrzeugherstellerin beabsichtigten Prozess. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 23.09.2024, 7 Ob 143/24s, führte der OGH zunächst aus, dass die Verjährungsfrist für Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gemäß § 12 Versicherungsvertragsgesetz (VersVG) drei Jahre beträgt. Ihr Beginn ist nicht im VersVG speziell geregelt. Nach § 12 Abs 1 Satz 1 VersVG gelte grundsätzlich die allgemeine Regelung des § 1478 ABGB, wonach für den Versicherungsnehmer der Beginn der Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt beginne, zu dem das Recht hätte ausgeübt werden können, seiner Geltendmachung also kein rechtliches Hindernis mehr entgegensteht.

Im besonderen Fall der Rechtsschutzversicherung beginne die Verjährungsfrist mit der Fälligkeit des Rechtsschutzanspruchs zu laufen. Nach Ansicht des OGH beginnt daher die Verjährungsfrist des Anspruchs aus der Rechtsschutzversicherung nach § 12 Abs 1 Satz 1 VersVG zu jenem Zeitpunkt, zu dem sich die Notwendigkeit einer Interessenwahrnehmung für den Versicherungsnehmer so konkret abzeichnet, dass er mit der Entstehung von Rechtskosten rechnen muss, deretwegen er die Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen will.

Im vorliegenden Fall kam der OGH zum Ergebnis, dass der Verjährungseinwand der Rechtsschutzversicherung berechtigt war. Aus der im Mai 2020 gestellten Deckungsanfrage folge nämlich, dass der Versicherungsnehmer bereits zu diesem Zeitpunkt davon ausging, dass in seinem Fahrzeug ein Motor mit unzulässiger Abschalteinrichtung verbaut ist, er aus diesem Grund eine Klagsführung gegen die Herstellerin beabsichtigte und er daher mit dem Entstehen von Rechtskosten rechnete. Die Klagseinbringung im November 2023 sei daher verspätet.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Über den Beginn der Verjährungsfrist des Rechtsschutzanspruch kann keine generalisierende Aussage getroffen werden. Es kommt vielmehr stets auf die Umstände des Einzelfalls an. Relevant ist jener Zeitpunkt, in dem der Versicherungsnehmer für eine bestimmte Angelegenheit konkret mit der Entstehung von Rechtskosten rechnen muss“

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Was ist passiert?

Die Versicherungsnehmerin betrieb einen Getreidemühlen-Betrieb. Sie hatte bei dem Versicherer einen aufrechten Feuerversicherungsvertrag.

Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Feuerversicherung (AFB 2002/Stufe 2) lauten auszugsweise wie folgt:

»Artikel 1
Versicherte Gefahren und Schäden
1. Versicherte Gefahren
1.1. Brand: Brand ist ein Feuer, das sich mit schädigender Wirkung und aus Kraft ausbreitet (Schadenfeuer). […]
«

In seiner Entscheidung vom OGH, 23.09.2024, 7Ob113/24d, führte der OGH zunächst aus, dass ein Brand ein Feuer voraussetzt.

Als Feuer kann weiters jeder Verbrennungsvorgang mit Lichterscheinung verstanden werden, wobei die Lichterscheinung in Flammen, Funken oder in einem Glimmen bestehen kann, solange die Bedingungen, wie hier, keine Flammenbildung vorsehen.

Laut OGH ist ein weiteres Kriterium für das Vorliegen eines „Brandes“, dass sich das Feuer aus eigener Kraft auszubreiten vermag und daher kein so genanntes Bagatellfeuer vorliegt. Selbständige Ausbreitungsfähigkeit des Feuers setzt nach Ansicht des OGH voraus, dass es im konkreten Fall die Fähigkeit zum zündenden Weitergreifen auf andere Stoffe aufweist. Das Feuer muss daher die von ihm für eine wenigstens geringfügige, über seine Ausgangsstelle hinausgehende Ausdehnung im Raum benötigte Energie als Reaktionsenergie selbst ausreichend bereitstellen.

Für eine Ausbreitung des Feuers ist damit lediglich erforderlich, dass es sich von dem Ort seiner ersten Entstehung selbständig entfernt, wobei eine geringfügige räumliche Ausdehnung ausreicht. Eine großflächige oder gar potentiell unbeschränkte weitere Ausbreitung ist nicht notwendig. Das ist nach dem erkennbaren Zweck der Regelung auch nicht geboten, weil es sich bei jeder drohenden Ausbreitung über den ersten Entstehungs- oder Ausbreitungsort hinaus potentiell nicht mehr nur um ein Bagatellfeuer handelt.

Der OGH kam daher zu dem Schluss, dass das Vorliegen eines Brandes nicht davon abhängig ist, ob sich das Feuer tatsächlich ausgebreitet hat oder die Ausbreitung – etwa durch rechtzeitige Löscharbeiten oder wie hier die Platzierung der Brandquelle entfernt von brennbarem Material – noch verhindert werden konnte und gab damit dem gesamten Klagebegehren des Versicherungsnehmers statt.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom OGH, 23.09.2024, 7Ob113/24d, führte der OGH zunächst aus, dass ein Brand ein Feuer voraussetzt.

Als Feuer kann weiters jeder Verbrennungsvorgang mit Lichterscheinung verstanden werden, wobei die Lichterscheinung in Flammen, Funken oder in einem Glimmen bestehen kann, solange die Bedingungen, wie hier, keine Flammenbildung vorsehen.

Laut OGH ist ein weiteres Kriterium für das Vorliegen eines „Brandes“, dass sich das Feuer aus eigener Kraft auszubreiten vermag und daher kein so genanntes Bagatellfeuer vorliegt. Selbständige Ausbreitungsfähigkeit des Feuers setzt nach Ansicht des OGH voraus, dass es im konkreten Fall die Fähigkeit zum zündenden Weitergreifen auf andere Stoffe aufweist. Das Feuer muss daher die von ihm für eine wenigstens geringfügige, über seine Ausgangsstelle hinausgehende Ausdehnung im Raum benötigte Energie als Reaktionsenergie selbst ausreichend bereitstellen.

Für eine Ausbreitung des Feuers ist damit lediglich erforderlich, dass es sich von dem Ort seiner ersten Entstehung selbständig entfernt, wobei eine geringfügige räumliche Ausdehnung ausreicht. Eine großflächige oder gar potentiell unbeschränkte weitere Ausbreitung ist nicht notwendig. Das ist nach dem erkennbaren Zweck der Regelung auch nicht geboten, weil es sich bei jeder drohenden Ausbreitung über den ersten Entstehungs- oder Ausbreitungsort hinaus potentiell nicht mehr nur um ein Bagatellfeuer handelt.

Der OGH kam daher zu dem Schluss, dass das Vorliegen eines Brandes nicht davon abhängig ist, ob sich das Feuer tatsächlich ausgebreitet hat oder die Ausbreitung – etwa durch rechtzeitige Löscharbeiten oder wie hier die Platzierung der Brandquelle entfernt von brennbarem Material – noch verhindert werden konnte und gab damit dem gesamten Klagebegehren des Versicherungsnehmers statt.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Ein Schadenfeuer ist schon dann gegeben, wenn es die Fähigkeit hat, sich selbständig auszubreiten.“

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Was ist passiert?

Zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer bestand ein Bündelversicherungsvertrag, der unter anderem eine Sturmschadenversicherung für das Grundstück des Versicherungsnehmers beinhaltete und dem die Allgemeinen Bedingungen für die Sturmversicherung (AStB 1998) zugrunde lagen. Diese lauten auszugsweise:

»Versicherte Gefahren und Schäden
1. 
Versicherte Gefahren: […]
1.2 
Hagel: Hagel ist ein wetterbedingter Niederschlag in Form von Eiskörnern. […]
2. 
Versicherte Schäden:
Versichert sind Schäden, die
2.1 durch die unmittelbare Einwirkung einer versicherten Gefahr (Schadenereignis) eintreten; […]
2.2 als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses eintreten; […]
Artikel 2
Nicht versicherte Schäden
Nicht versichert sind, auch nicht als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses: […]
4. Schäden durch Wasser.
Schäden durch Schmelz- oder Niederschlagswasser sind aber versichert, wenn das Wasser dadurch in ein Gebäude eindringt, dass feste Baubestandteile oder ordnungsgemäß verschlossene Fenster oder Außentüren durch ein Schadenereignis beschädigt oder zerstört wurden. […]«

Am 2. Juni 2022 fand im Bereich der Liegenschaft des Versicherungsnehmers ein Gewitter mit Starkregen und Hagel statt.

Der Versicherungsnehmer begehrte vom Versicherer Zahlung von EUR  201.555,97  sA, weil Hagelkörner seinen Acker mit einer Schicht von rund 10 cm Höhe bedeckten. Die Hagelkörner wären durch den warmen Regen abgeschmolzen. Durch die entstandenen Wassermassen wäre in weiterer Folge das Wasser in den Kellerraum des Gebäudes eingedrungen und hätte diesen beschädigt.

Der Versicherer beantragte Klageabweisung, weil der Schaden durch das eingedrungene Wasser und nicht durch Hagel oder als dessen unvermeidliche Folge eingetreten wäre. Im Übrigen wären die Risikoausschlüsse gemäß Art 2 AStB 1998, welche Schäden durch Wasser ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausschließen, anzuwenden


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 23.09.2024, Geschäftszahl: 7Ob110/24p, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass gemäß Art 1.2.1 AStB 1998 Schäden versichert sind, die durch die unmittelbare Einwirkung einer versicherten Gefahr, hier Hagel, eintreten sind. Unmittelbares Einwirken ist gegeben, wenn die Naturgewalt einzige oder letzte Ursache für den Schaden ist.

Die zeitlich letzte Ursache des Schadeneintritts waren die Wassermassen, die in das Gebäude eindrangen. Damit liegt auch keiner der nach Art 1.2.1 der unmittelbaren Einwirkung gleichgehaltenen Fälle vor.

Außerdem sind nach Art 1.2.2 AStB 1998 Schäden versichert, die als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses eintreten. Nach herrschender Rechtsprechung versteht man als „unvermeidlich“ jede weitere adäquate Folge, unabhängig davon, ob sie abzuwenden gewesen wäre oder nicht. Im vorliegenden Fall greift jedoch der Risikoausschluss des Versicherers.

Gemäß Art 2.4. AStB 1998 sind Schäden durch Wasser nicht versichert, auch nicht als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses. Nur Schäden durch Schmelz- oder Niederschlagswasser sind versichert, wenn das Wasser dadurch in ein Gebäude eindringt, dass feste Baubestandteile oder ordnungsgemäß verschlossene Fenster oder Außentüren durch ein Schadenereignis beschädigt oder zerstört wurden.

Der Versicherungsnehmer bestreitet nicht, dass die Schäden durch „Wasser“ entstanden sind, er meint aber, dass der sekundäre Risikoeinschluss greifen würde, weil mit dem Begriff „Schadenereignis“ in Art 2.4. AStB 1998 nicht das versicherte Ereignis gemeint sei, sondern ein „Schadenereignis schlechthin“. Der OGH entgegnet dem, dass der Begriff „Schadenereignis“ in Art 1.2.1 AStB 1998 eindeutig im Sinn von „versicherte Gefahr“ definiert ist und diese Definition unzweifelhaft auch für Art 2.4. AStB 1998 gilt.

Der OGH kam daher schlussendlich zu dem Ergebnis, dass die geltend gemachten Schäden nach dem eindeutigen, Wortlaut des Art 2.4. AStB 1998 nicht gedeckt sind.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Der Begriff Schadenereignis beschreibt nicht das Schadenereignis per se, sondern einzig die versicherte Gefahr.«

Was ist passiert?

Zwischen der Versicherungsnehmerin und der beklagten Versicherung bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag. Die zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2014) lauten auszugsweise wie folgt:

»Artikel 9
Wann und wie hat der Versicherer zum Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Stellung zu nehmen?
[…]
2. Davon unabhängig hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzustellen. Kommt er nach Prüfung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der Rechts- und Beweislage zum Ergebnis
[…]
2.3 dass erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat er das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen

Die Versicherungsnehmerin hat während des rechtsschutzversicherten Zeitraums einen gebrauchten Diesel-PKW mit einer behauptetermaßen unzulässigen Abschalteinrichtung erworben. Sie begehrte vom Versicherer Rechtsschutzdeckung für eine Klage gegen die Herstellerin, mit der die Versicherungsnehmerin einen Anspruch auf Ersatz des Minderwerts im Ausmaß 30 % des Kaufpreises geltend machte.

Nachdem der Versicherer die Rechtsschutzdeckung unter Verweis auf fehlende Erfolgsaussichten abgelehnt hat, landete der Fall schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.05.2024, Aktenzeichen: 7 Ob 81/24y, führte der OGH zunächst aus, dass eine Prozessführung dann „offenbar aussichtslos“ ist, wenn sie schon ohne nähere Prüfung der Angriffs- oder Verteidigungsmittel als erfolglos erkannt werden kann. Dies insbesondere bei Unschlüssigkeit, aber auch bei unbehebbarem Beweisnotstand. Eine klare Gesetzeslage oder bereits gelöste Rechtsfragen könnten die Annahme rechtfertigen, dass kein oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Für das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestands habe der Versicherer den Beweis zu führen.

Im vorliegenden Fall kam der OGH zum Ergebnis, dass das anspruchsbegründende Vorbringen der Versicherungsnehmerin nicht unschlüssig sei und auch eine nicht ganz entfernte Möglichkeit des Erfolgs bestehe. Der Versicherer habe die von ihm behaupteten, fehlenden Erfolgsaussichten noch nicht mit einer bereits gefestigten oberstgerichtlichen Judikatur dahin begründen können, dass gegen die Herstellerin lediglich ein Ersatzanspruch in einer Bandbreite von 5 % bis 15 % in Frage komme.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»In der Rechtsschutzversicherung genügt bereits eine nicht ganz entfernte Möglichkeit des Erfolgs, um die Rechtsverfolgung nicht als offenbar aussichtslos erscheinen zu lassen.«

Was ist passiert?

Eine Versicherungsnehmerin stellte Anlagen im Bereich der Schüttgut-Technologie her und hatte beim Versicherer eine Berufshaftpflichtversicherung.

Diese lautet auszugsweise:

Im März 2016 fragte die Versicherungsnehmerin um eine erweiterte Deckung reiner Vermögensschäden mit einem Sublimit von EUR 1 Mio und eine Deckung von Planungsfehlern an, woraufhin der Versicherer verschiedene Angebote unterbreitete.

Erst am 31.03.2017 entschied sich die Versicherungsnehmerin, für ein Angebot, das jedoch noch von beiden Vertragsseiten angepasst werden musste.

Erst am 16.07.2018 wurde eine Versicherungspolizze „Stand 31.03.2017“ übermittelt.

Bereits vor Übermittlung der finalen Versicherungspolizze, nämlich am 18.12.2017, erstattete die Versicherungsnehmerin eine Schadensmeldung auf Grund von Schadenersatzansprüche wegen eines Produktrückrufs.

Der Versicherer lehnte am 10.11.2018 die Deckung ab, da der „Verstoß“ schon vor dem 31.03.2017 in der Planungsphase passiert und somit nicht versichert wäre.

Die Versicherungsnehmerin begehrte die Zahlung von EUR 900.000,00 s.A. und die Feststellung der Deckungspflicht für weitere Verfahrenskosten.

Sie stützt sich darauf, dass sie die Deckungserweiterung am 31.03.2017 in Unkenntnis der später auftretenden Probleme abgeschlossen hat.

Der Versicherer wendete unter anderem ein, dass nach dem Vertrag bis 30.03.2017 Planungsfehler nicht versichert waren. Als die Versicherungsnehmerin am 31.3.2017 den Antrag auf Einschluss dieses Risikos gestellt habe, habe sie die auf sie zukommenden Probleme bereits gekannt, der Vertrag über die Deckungserweiterung wäre außerdem erst mit 16.07.2018 geschlossen worden.

Zu diesem Zeitpunkt würde eine Rückwärtsversicherung vorliegen, von der Fälle, die bis zum Vertragsabschluss eintreten, unter der Voraussetzung jeder nachträglichen Zahlung der Erstprämie gedeckt sind. Auch in einem solchen Fall besteht jedoch nach Meinung des Versicherers gem §2 Abs 2 VerVG Leistungsfreiheit, wenn beide Parteien Kenntnis von einem Schadenfall haben.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 17.04.2024, Geschäftszahl: 7 Ob 168/23s, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass der Versicherer nach fast einem Jahr nicht mehr an das Angebot aus 2016 gebunden war. Daher ist die „Annahme“ des Angebots vom 31.03.2017 als neues Angebot zu werten. Der Vertrag wurde demnach erst am 16.07.2018 abgeschlossen.

Das Erstgericht hat jedoch einen Beweisantrag zur Frage, ob Planungsfehler aus dem Jahr 2016 für den Schaden ursächlich gewesen sind übergangen, weshalb die Sache an das Erstgericht zurückverwiesen wurde.

Obwohl damit kein abschließendes Urteils der OGH ergeht, beantwortete er aber insbesondere die Frage der Rückwärtsversicherung, sollte der Versicherungsfall innerhalb der Geltungszeit der Deckungserweiterung liegen:

Die Polizze vom 16.07.2018 weist die Bemerkung „Stand 31.03.2017“ auf. Die Anführung eines vor dem Ausstellungsdatum liegenden Tages im Versicherungsschein als Beginn der Versicherung bedeutet im Zweifel den Abschluss einer Rückwärtsversicherung.

§2 Abs 2 VersVG regelt für Rückwärtsversicherungen die Fälle, dass eine der Vertragsparteien weiß, dass ein Versicherungsfall eintritt, jedoch nicht, dass beide Parteien davon Kenntnis haben.

In nunmehr ständiger Rechtsprechung wird vertreten, dass § 2 Abs 2 Satz 2 VersVG stillschweigend abbedungen ist, wenn der Versicherungsfall nach der Übergabe des Antrags an den Vertreter des Versicherers eingetreten ist, der Versicherer davon durch Entgegennahme der Schadenanzeige noch vor der Annahme des Antrags Kenntnis erlangt und den Antrag dennoch angenommen hat.

Somit kam der OGH schlussendlich zu dem Ergebnis, dass sollte die Schadenmeldung vom 18.12.2017 einen Versicherungsfall betroffen haben, der nach Wirksamkeit der Deckungserweiterung am 31.03.2017 eingetreten ist, auch die Kenntnis beider Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht zur Leistungsfreiheit führen würde.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Haben beide Parteien Kenntnis Versicherungsfall bei Vertragsabschluss wäre der Versicherer leistungsfrei. Dies gilt aber nicht, wenn der Versicherungsfall nach Antragstellung, aber vor Annahme eintrat und dem Versicherer mitgeteilt wurde.«