Wann kann man den Rechtsschutzversicherer auf Zahlung klagen?

Was ist passiert?

Zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Versicherer bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag. Im Vorverfahren begehrte die Versicherungsnehmerin von ihrem ehemaligen Lebensgefährten eine Zahlung in der Höhe von EUR 585.313,10, weil er sie vom Balkon gestoßen und dadurch schwer verletzt habe. Diese Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. Der Rechtsvertreter der Versicherungsnehmerin stellte anschließend seine Honorarforderung gegenüber der Versicherungsnehmerin fällig, stundete jedoch den Betrag bis zum rechtskräftigen Abschluss des mit dem Rechtsschutzversicherer geführten Deckungsprozesses. Die Versicherungsnehmerin ersetzte bislang weder dem Gegner des Haftpflichtprozesses dessen Prozesskosten, noch beglich sie die Honorarforderung ihres Rechtsvertreters.

Im gegenständlichen Prozess begehrte die Versicherungsnehmerin vom Rechtsschutzversicherer die Zahlung der Kosten des Haftpflichtprozesses und als Eventualbegehren die Feststellung der Versicherungsdeckung. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 25.01.2023 führte der OGH (7 Ob 217/22w) zunächst aus, dass die Rechtsschutzversicherung als passive Schadensversicherung den Versicherungsnehmer gegen das Entstehen von Verbindlichkeiten (Passiva) schütze. Sie biete Versicherungsschutz gegen die Belastung des Versicherungsnehmers mit Rechtskosten. Die Hauptleistungspflicht des Versicherers in der Rechtsschutzversicherung bestehe in der Tragung der dem Versicherungsnehmer entstehenden Kosten.

Vor Fälligkeit des Leistungsanspruchs könne nur auf Feststellung dahin geklagt werden, dass der Versicherer verpflichtet ist, Rechtsschutzdeckung in bestimmten Angelegenheiten zu gewähren. Nach Eintritt der Fälligkeit sei die Frage der Deckungspflicht sodann Vorfrage für den Leistungsanspruch. Beim Leistungsanspruch handle es sich aber (zunächst) nur um einen Befreiungsanspruch, somit nicht (primär) um einen Geld- bzw. Zahlungsanspruch. Nur wenn der Versicherungsnehmer seinen Kostengläubiger bereits selbst befriedigt hat, könne sich sein Befreiungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer verwandeln.

Im vorliegenden Fall war der Leistungsanspruch der Versicherungsnehmerin gegenüber dem beklagten Versicherer bereits fällig. Der dadurch gegebene Freistellungsanspruch gehe nach den Ausführungen des OGH auf Befreiung von den bei der Wahrnehmung des versicherten rechtlichen Interesses entstehenden Kosten. Dieser Freistellungsanspruch sei aber nach Ansicht des OGH einem Geld- bzw. Zahlungsanspruch (Kostenerstattungsanspruch) nicht gleichgestellt. Vielmehr könne er sich erst dann in einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer verwandeln, wenn der Versicherungsnehmer seinen Kostengläubiger bereits selbst befriedigt hat. Der Versicherungsnehmer habe nach Fälligkeit seines Leistungsanspruchs aber auch kein rechtliches Interesse an der Feststellung der Versicherungsdeckung mehr, weil die Möglichkeit der Leistungsklage (im vorliegenden Stadium: auf Freistellung) nach ständiger Rechtsprechung bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage verdrängt.

Im vorliegenden Fall kam daher der OGH zum Ergebnis, dass das Geldleistungsbegehren mangels Zahlung der Kostenschuld und das als Eventualbegehren gestellte Feststellungsbegehren wegen Fehlens des rechtlichen Interesses nicht berechtigt und daher die Klage abzuweisen war.

Schlussfolgerung

»Der Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Rechtsschutzversicherer kann sich erst dann in einen Geld- bzw. Zahlungsanspruch (= Kostenerstattungsanspruch) verwandeln, wenn der Versicherungsnehmer seinen eigenen Kostengläubiger bereits selbst befriedigt hat. Davor hat der Versicherungsnehmer nur einen Feststellungsanspruch bzw. ab Fälligkeit einen Anspruch auf Freistellung.«

Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch