Keine grobe Fahrlässigkeit bei mangelnder Kontrolle der an den Mieter übertragenen Pflichten

2 Ob 155/22s

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer schloss am 11.04.2020 eine Eigenheimversicherung für ein Wohngebäude ab, welches zwar in seinem Eigentum stand, jedoch bereits seit ca. 10 Jahren vermietet war. Der Versicherungsnehmer vereinbarte dabei mit dem Mieter – entsprechend den feuerpolizeilichen Vorschriften – dass dieser die Feuerungsanlage regelmäßig reinigen zu lassen habe. Aufgrund eines Brandes am 14.02.2021 kam es zur Beschädigung des Gebäudes, in dessen Folge sich herausstellte, dass der Mieter dieser Verpflichtung nicht nachgekommen war. In den Versicherungsbedingungen der Eigenheimversicherung wurde festgelegt, dass das Versicherungsunternehmen den Vertrag kündigen kann, wenn der Versicherungsnehmer gesetzliche, behördliche oder vereinbarte Sicherheitsvorschriften verletzt oder die Verletzung duldet. Überdies wurde auch die Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens vereinbart, sollte der Schadenfall nach der Verletzung eintreten und die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruhen. Der Versicherungsnehmer forderte von dem Versicherungsunternehmen den Ersatz des Brandschadens, diese verweigerte jedoch unter Verweis auf die Verletzung einer Sicherheitspflicht die Leistung.

Wie ist die Rechtslage?

Der Oberste Gerichtshof (OGH) war zu 7 Ob 204/22h unter anderem damit befasst, ob der Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall die Verletzung einer Sicherheitsvorschrift zu verantworten habe und wenn ja, welcher Verschuldensgrad ihm vorzuwerfen sei. Diesbezüglich hatte der OGH einerseits zu klären, ob das Verhalten des Mieters und sohin dessen Verschulden dem Versicherungsnehmer zugerechnet werden kann, andererseits aber auch, ob das Verhalten des Versicherungsnehmers selbst grob fahrlässig war.

Zu ersten Frage hielt der OGH fest, dass in Österreich die in Deutschland vertretene Repräsentationstheorie im Versicherungsrecht nicht gelte. Demnach führe das Verhalten eines Dritten nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers. Das Verhalten einer dritten Person könne dem Versicherungsnehmer nur dann zugerechnet werden, wenn dieser zur Abwicklung eines bestimmten Versicherungsverhältnisses bevollmächtigt wurde. Mit dem Mieter bestand jedoch lediglich die Vereinbarung, dass sich dieser um die Reinigung der Feuerungsanlage zu kümmern habe. Da keine Bevollmächtigung im beschriebenen Sinne vorliege, sei das Verhalten des Mieters bei der Beurteilung des Verschuldens daher unbeachtlich.

Betreffend die zweite Frage, verwies der OGH zunächst darauf, dass grobe Fahrlässigkeit eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht verlange. Der objektiv besonders schwere Sorgfaltsverstoß müsse auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen sein. Die mangelnde Veranlassung der Reinigung bzw. die mangelnde Kontrolle der dem Mieter überbundenen Pflicht durch den Versicherungsnehmer begründe nach Ansicht des OGH jedoch kein grob fahrlässiges Verhalten. Es sei nämlich weder objektiv noch subjektiv ein besonders schwerwiegender Sorgfaltsverstoß des Versicherungsnehmers anzunehmen, da der Versicherungsnehmer aufgrund mangelnder Verdachtsmomente von der Verlässlichkeit des Mieters ausging. Folglich wurde die gegenständliche Revision des Versicherungsunternehmens vom OGH auch zurückgewiesen.

Schlussfolgerung

»Das Verhalten eines Dritten führt im Regelfall nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmen. Zu hinterfragen ist jedoch stets, ob dem Versicherungsnehmer nicht aufgrund seines eigenen Verhaltens ein Verschulden angelastet werden kann. Wurde von einem Dritten eine Sicherheitspflicht verletzt, so ist entsprechend der Ansicht des OGH dabei auch zu prüfen, ob der Versicherungsnehmer auf ein pflichtgemäßes Verhalten des Dritten vertrauen durfte.«