Die COVID-Pandemie als »Katastrophe« in der Rechtsschutzversicherung

Was ist passiert?

Die Versicherungsnehmerin beabsichtigte eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich einzubringen, mit der sie Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden begehrte. Begründend führte die Versicherungsnehmerin hierzu aus, dass ihr Ehegatte aufgrund des unzureichenden Pandemie-Managements der Behörden in der Zeit Ende Februar/Anfang März 2020 verstorben sei. Unter Verweis auf den Risikoausschluss für Katastrophen verweigerte die Rechtsschutzversicherung jedoch die Leistung, sodass die Versicherungsnehmerin Klage einbrachte.

Der gegenständliche Punkt 7.1.1.2. ARB 2013 lautet auszugsweise wie folgt:

»Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang (…) mit Katastrophen; Eine Katastrophe liegt vor, wenn durch ein Naturereignis oder ein sonstiges Ereignis dem Umfang nach eine außergewöhnliche Schädigung von Menschen oder Sachen eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht.«

Am 05.08.2020 nahm der Versicherungsnehmer, ein Polizeibeamter, an einem Auswahlverfahren der Cobra teil. Dabei hatte er unter anderem eine von der Wand ausgeklappte Sprossenwand mit einer Höhe von ca. 3 m zu bewältigen. Nachdem er den Scheitelpunkt der Sprossenwand überwand, sprang er direkt auf den Boden. Er landete dabei mit dem linken Fuß, der den Hauptanteil des Körpergewichts bzw. des Fallgewichts seines Körpers übernahm, um dann nach Bodenkontakt mit dem rechten Fuß sofort in eine Drehbewegung nach rechts starten zu können. Der gesamte Bewegungsablauf war von ihm genau so geplant.

Dennoch erlitt er dabei eine vordere Kreuzbandruptur links, ein ausgedehntes Knochenmarksödem im Bereich der inneren Oberschenkelrolle bzw. des Schienbeinkopfes und eine Überdehnung des Innenseitenbandes.

Unter Berücksichtigung der durch Vorverletzungen bestehenden Vorinvalidität verblieb beim Versicherungsnehmer eine dauernde Invalidität von 6 %. Der Versicherer lehnte jedoch eine Leistung mit der Begründung ab, dass es sich beim Geschehensablauf um keinen Unfall gehandelt habe. Dem Unfallbegriff sei immanent, dass der Bewegungsablauf im Zuge des Unfalls unbeherrschbar werde. Ein Ereignis von außen habe nicht auf den Körper eingewirkt.

Wie ist die Rechtslage?

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat bereits in anderen Entscheidungen festgehalten, dass die COVID-Pandemie den in Rechtsschutzversicherungen enthaltenen Risikoausschluss für hoheitsrechtliche Anordnungen aufgrund einer Ausnahmesituation (sog. „Hoheitsausschluss“) erfüllen kann. Nun hatte der OGH zu 7 Ob 196/22g zu klären, ob durch die COVID-Pandemie auch der gegenständliche Katastrophenausschluss erfüllt sein kann.

Eingangs seiner Entscheidung hielt der OGH fest, dass die COVID-Pandemie durchaus den Katastrophenbegriff erfüllt. Als „Ereignis“ im Sinne der Versicherungsbedingungen sei dabei der Ausbruch des Virus zu sehen sowie die darauffolgende Verbreitung. Die gegenwärtige Situation zeige nach Ansicht des OGH auch, dass die Pandemie ein zeitlich begrenzter Vorgang sei, sodass trotz jahrelanger Pandemie-Situation von einem „Ereignis“ auszugehen sei.

Allerdings verlange der Ausschlusstatbestand auch, dass die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen „in ursächlichem Zusammenhang“ mit der Katastrophe steht. Dabei müsse sich vielmehr das typische Risiko, das gerade zur Aufnahme des Risikoausschlusses geführt hat, verwirklichen („adäquat-ursächlicher Zusammenhang“).

Im gegenständlichen Fall kam der OGH zum Ergebnis, dass auch dieser adäquat-ursächliche Zusammenhang gegeben ist. Die behaupteten Sorgfaltsverstöße der Behörden seien „typische Folgen“ gerade jenes Risikos, das von dem Ausschlusstatbestand erfasst werden soll, da die COVID-Pandemie regelmäßig ein behördliches Handeln erforderte. Entgegen der Ansicht der Versicherungsnehmerin sei laut OGH sohin nicht das rechtswidrige Verhalten der handelnden Beamten als Ursache zu sehen. Bei diesem Verständnis würde nämlich kein menschliches Fehlverhalten im Zusammenhang mit einer Katastrophe den Risikoausschluss verwirklichen, sodass dieser praktisch entwertet wäre. Folglich kam der OGH auch zu der Entscheidung, dass die Deckungsablehnung der Versicherung berechtigt war.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»In Ergänzung seiner bisherigen Rechtsprechung stellt der OGH im gegenständlichen Fall klar, dass die COVID-Pandemie auch als ‚Katastrophe‘ im Sinne des Katastrophenausschlusses gewertet werden kann und dass die Behördentätigkeit in einem adäquat-kausalen Zusammenhang mit der Pandemie stand. Im Ergebnis stehen daher dem Rechtsschutzversicherer bei Fällen im Zusammenhang mit der COVID-Pandemie sohin potentiell sowohl der Hoheits- als auch der Katastrophenausschluss offen.«