Was ist passiert?

Ein Versicherungsnehmer verursachte mit seinem haftpflichtversicherten PKW einen Verkehrsunfall. Die Haftpflichtversicherung leistete aufgrund dieses Unfalls Ersatzzahlungen an den Geschädigten von mehr als EUR 11.000,00. Der durchgeführte Alkomattest ergab einen Atemluft-Alkoholwert von 1,28 Promille. Die Bezirkshauptmannschaft erließ daher das an den Versicherungsnehmer gerichtete Straferkenntnis wegen Übertretung des § 5 Abs 1 StVO (Lenken eines Fahrzeuges mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von mehr als 1,2 Promille). Aufgrund des verschuldeten Verkehrsunfalls wurde von der Staatsanwaltschaft zudem eine (strafrechtliche) Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den Versicherungsnehmer eingebracht. Mangels Schuldbeweises wurde der Versicherungsnehmer allerdings rechtskräftig freigesprochen. Aus diesem Grund (Doppelbestrafungsverbot) wurde auch das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Allerdings entzog die Bezirkshauptmannschaft dem Beklagten mit Bescheid die Lenkberechtigung, dies mit der Begründung, dass der Versicherungsnehmer in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall verursacht hat.

Nach den vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ist die Versicherung von der Leistung befreit, wenn sich der Lenker in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im Sinn der Straßenverkehrsvorschriften befindet und wenn zudem im Spruch oder in der Begründung einer rechtskräftigen verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung festgestellt wird, dass das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt wurde. Die Leistungsfreiheit des Versicherers infolge einer solchen Obliegenheitsverletzung ist vereinbarungsgemäß mit EUR 11.000,00 beschränkt.

Ausgehend von diesen Versicherungsbedingungen begehrte die Haftpflichtversicherung vom Versicherungsnehmer eine Regresszahlung von EUR 11.000,00. Der Versicherungsnehmer lehnte jedoch die Zahlung mit der Begründung ab, dass keine rechtskräftige Entscheidung eines Strafgerichts oder einer Verwaltungsbehörde im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegen würde. Der im Führerscheinentzugsverfahren ergangene Bescheid würde die in den Versicherungsbedingungen geforderten Voraussetzungen nicht erfüllen. Der Versicherungsnehmer sei nicht nach einer konkreten Bestimmung der Straßenverkehrsordnung bestraft worden, sondern erfolgte vielmehr nur ein Führerscheinentzug nach dem Führerscheingesetz.

Wie ist die Rechtslage?

Im vorliegenden Fall führte der OGH (15.09.2021, 7 Ob 99/21s) aus, dass es der ständigen Rechtsprechung entspricht, dass für den Regressanspruch des KFZ-Haftpflichtversicherers zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Einerseits muss im Regressprozess der Nachweis der Alkoholisierung „im Sinne der Straßenverkehrsvorschriften“ erbracht werden. Andererseits muss eine rechtskräftige Entscheidung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts vorliegen, in deren Spruch oder Begründung festgestellt wird, dass das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt wurde.

Zu den im zweiten Punkt inhaltsgleichen Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung sprach der Oberste Gerichtshof bereits aus, dass Sinn dieser zweiten Voraussetzung für die Leistungsfreiheit des Versicherers nicht die Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung ist. Mit dieser Voraussetzung sollen lediglich die Zweifel am inkriminierten Verhalten des Versicherungsnehmers beseitigt werden, und zwar durch eine entsprechende (gesicherte) behördliche Feststellung. Ein Strafausspruch ist hingegen nicht Voraussetzung für den Regress, sodass eine Differenzierung zwischen verwaltungsstrafrechtlichen Bescheiden und Bescheiden, mit denen die Lenkberechtigung entzogen wird, nicht erforderlich ist.

In seiner Entscheidung hat der OGH auch auf die ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach bei einem Blutalkoholgehalt von 0,8 Promille und darüber der Zustand einer Person als von Alkohol beeinträchtigt gilt, sodass der Gegenbeweis fehlender Beeinträchtigung nicht möglich ist.

Schlussfolgerung

»Die Feststellung in der Begründung eines Bescheids in einem Führerscheinentzugsverfahren erfüllt die Voraussetzung einer leistungsbefreienden Obliegenheitsverletzung gemäß den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, solange im Bescheid konkret festgestellt wird, dass der Versicherungsnehmer ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat.«

Dr. Roland Weinrauch

Was ist passiert?

Eine Versicherungsnehmerin schloss im Jahr 2010 eine Lebensversicherung ab. Im Versicherungsantrag, welchen sie unterfertigte, fand sich eine Rücktrittsbelehrung nach § 165a VersVG.

In der Polizze selbst wurde von der Versicherung über die Rücktrittsrechte nach § 5b VersVG und § 8 FernFinG informiert. Eine Information zum Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG war in der Polizze nicht mehr enthalten. Diesen Umstand erachtete die Versicherungsnehmerin als irreführend und widersprüchlich, weshalb sie von einer nicht gehörigen Rücktrittsbelehrung ausging und folglich im Jahr 2018 den Vertragsrücktritt erklärte. Dies akzeptierte die Versicherung nicht. 

Wie ist die Rechtslage?

Im vorliegenden Rechtstreit hatte der OGH (7 Ob 180/21b) zum wiederholten Male unter Berücksichtigung der alten Rechtslage zu beurteilen, ob eine ordentliche Belehrung über das Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG stattgefunden hat.

Dazu hat der OGH zunächst auf die jüngeren Entscheidungen (7 Ob 121/21a und 7 Ob 128/21f) verwiesen, worin klargestellt wurde, dass die Belehrung nach § 165a VersVG (Fassung BGBl I Nr. 2006/95) vor Abgabe der Vertragserklärung zu erteilen ist. Dies ist gegenständlich erfolgt.

Fraglich war noch, ob das Fehlen der (wiederholten) Belehrung in der Polizze, die lediglich über die Rücktrittsrechte nach § 5b VersVG und § 8 FernFinG informierte, widersprüchlich und irreführend war, was vom OGH verneint wurde. Für den durchschnittlichen, redlichen und vernünftigen Versicherungsnehmer sei nämlich klar, dass der Zugang der Polizze die Verständigung vom Zustandekommen des Versicherungsvertrages ist, womit die Rücktrittsfrist ausgelöst wurde. Das Fehlen der wiederholten Belehrung in der Polizze stellt keinen Grund dar, dass die Versicherungsnehmerin an der Ausübung des Rücktrittsrechtes gehindert wäre. 

Schlussfolgerung

Die Belehrung über das Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG (Fassung BGBl I 2007/56) hat vor Abschluss des Vertrags zu erfolgen. Fehlt die Belehrung hingegen in der Polizze selbst, so ist dies für das Auslösen bzw. Ablaufen der Rücktrittsfrist unschädlich.

Was ist passiert?

Der klagende Versicherungsnehmer hat mit der beklagten Versicherung einen Unfallversicherungsvertrag abgeschlossen. Nach einem vom Versicherungsschutz umfassten Unfall konnte beim Versicherungsnehmer der Invaliditätsgrad noch nicht abschließend bewertet werden. In diesem Zusammenhang lauten die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden AUVB auszugsweise wie folgt:


7. Steht der Grad der dauernden Invalidität nicht eindeutig fest, sind sowohl die versicherte Person als auch wir berechtigt, den Invaliditätsgrad jährlich bis vier Jahre ab dem Unfalltag ärztlich neu bemessen zu lassen, ….

Artikel 7 […]

Dennoch wurde von der beklagten Versicherung die vom Versicherungsnehmer nach Ablauf der Vier-Jahres-Frist beantragte Neubemessung unter Verweis auf Art 7.7 AUVB abgelehnt. Dazu führte die Versicherung aus, dass beim Versicherungsnehmer innerhalb der vier Jahre keine durchgehende depressive Phase bestand, während der seine Fähigkeiten herabgesetzt waren. Vielmehr gab es wiederholt – wenn auch zum Teil kurze – Phasen von Tagen, Wochen und Monaten, in denen sich der Zustand des Versicherungsnehmers zum Teil vollkommen normalisierte, in denen er keine Symptome aufwies und keinen Einschränkungen unterlag. In diesen Zeiten führte er mit der beklagten Versicherung sogar eine umfangreiche versicherungsbezogene Korrespondenz.

Im, vom Versicherungsnehmer eingeleiteten Gerichtsverfahren war sodann zu beurteilen, ob die Berufung auf den Ablauf der Vier-Jahres-Frist des Art 7.7 AUVB gegen Treu und Glauben verstößt.

Wie ist die Rechtslage?

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes (OGH 18.10.2021, 7 Ob 167/21s) beinhaltet Art 7.7 AUVB eine Ausschlussfrist. Wird demnach die Antragstellung auf Neubemessung innerhalb von vier Jahren ab Unfalltag versäumt, bleibt es bei der bisherigen Bemessung des Invaliditätsgrades. Eine (weitere) Neubemessung für einen Zeitpunkt nach Fristablauf ist ausgeschlossen, sodass ein (weiterer) Entschädigungsanspruch grundsätzlich erlischt. Der OGH hat allerdings bereits mehrfach entschieden, dass die Berufung der Versicherung auf den Ablauf der Ausschlussfrist gegen Treu und Glauben verstoßen kann. Ein solcher Verstoß kann unter anderem dann vorliegen, wenn die Berufung auf die Ausschlussfrist gegenüber nicht voll geschäftsfähigen Personen erfolgt, da solche Personen den besonderen Schutz der Gesetze genießen und von den Gerichten im Rahmen einer umfassenden Fürsorgepflicht vor Übervorteilung im Geschäftsverkehr bewahrt werden sollen. Entscheidungswesentlich ist dabei, ob die Geltendmachung eines Anspruchs auf Leistung für dauernde Invalidität tatsächlich an einer nach dem Unfall vorgelegenen geistigen Beeinträchtigung des Versicherungsnehmers scheiterte.

Schlussfolgerung

Die nach Treu und Glauben zu entscheidende Frage, ob ein Versicherungsnehmer aufgrund einer geistigen Beeinträchtigung seinen Anspruch auf Neubemessung auch nach Ablauf von vier Jahren vom Unfalltag an geltend machen kann, hängt typischerweise von den Umständen des Einzelfalls ab. Im vorliegenden Fall ist der Antrag auf Neubemessung binnen vier Jahren ab Unfalltag jedoch nicht an einer nach dem Unfall vorgelegenen geistigen Beeinträchtigung des klagenden Versicherungsnehmers gescheitert, da keine durchgehende depressive Phase bestand. Die Berufung der beklagten Versicherung auf die Ausschlussfrist des Art 7.7 AUVB widersprach daher auch nicht Treu und Glauben.

Was ist passiert?

Der Mieter einer Wohnung (Erstbeklagte) in einem feuerversicherten Haus hat sein eigentümliches Fahrzeug im Carport abgestellt. Nachdem der Fahrzeughalter in der Vergangenheit beim Starten des Fahrzeuges in der Früh bereits mehrmals Probleme hatte, beabsichtigte er – nachdem er einen entsprechenden Tipp von einer KFZ-Werkstätte bekommen hatte – den Motor mit einem Heizlüfter aufzuwärmen. Dazu stellte er einen Heizlüfter zwischen der zunächst noch geöffneten Motorhaube und dem Fahrzeugrahmen ab. Er schaltete den Heizlüfter ein und entfernte sich vom Fahrzeug, um in der Wohnung die Post durchzusehen. Zumindest für 5 Minuten blieb das Fahrzeug unbeaufsichtigt. In diesem Zeitraum kam es dazu, dass die Motorhaube zufiel und der Heizlüfter aus seiner ursprünglichen Position in den Motorraum fiel, wodurch ein Fahrzeugbrand entstand, welcher die Fassade des Wohnhauses beschädigte. Die Feuerversicherung (klagende Partei), welche den Schaden ersetzte, führte gestützt auf die Bestimmung nach § 67 VersVG einen Regressprozess gegen den Mieter der Wohnung bzw. Halter des Fahrzeuges (Erstbeklagten) und dessen KFZ-Haftpflichtversicherung (Zweitbeklagte).

Wie ist die Rechtslage?

Die Gebäudeversicherung brachte gegenüber dem Erstbeklagten vor, dass dieser grob fahrlässig im Sinne von § 61 VersVG gehandelt habe, weshalb dieser losgelöst von der Frage, ob er als Versicherter oder Dritter gegenüber dem klagenden Feuerversicherer anzusehen ist, für den eingetretenen Schaden haftet (Leistungsfreiheit des Versicherers). Gegenüber der Zweitbeklagten wurde vorgebracht, dass eine Haftung nach § 1 EKHG gegeben sei, da sich der Unfall beim Betrieb des Kraftfahrzeuges ereignet habe, zumal die Beheizung des Fahrzeuges der Vorbereitung der Inbetriebnahme des Fahrzeuges gedient habe.

Der OGH hat in seiner Entscheidung vom 21.10.2021 (2Ob170/20v) zunächst die Haftung des Erstbeklagten aufgrund grober Fahrlässigkeit im Sinne von § 61 VersVG, wie bereits die beiden Vorinstanzen, bejaht. Hinsichtlich der Haftung der Zweitbeklagten (KFZ-Haftpflichtversicherung) ist er ebenfalls zum Ergebnis gekommen, dass eine Haftung gegenüber der klagenden Partei gegeben ist, zumal der Deckungsumfang des KFZ-Haftpflichtversicherers in § 2 KHVG gesetzlich zwingend umschrieben ist. Nach Ansicht des OGH geht der Begriff des „Verwendens“ eines Fahrzeuges im Sinne von § 2 Abs. 1 KHVG nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des OGH (RS0116494) weiter, als jener des „Betriebs“ nach § 1 EKHG. Nach Unionsrechtskonformer Auslegung sei auch die Selbstentzündung eines in einer Privatgarage eines Hauses geparkten Kraftfahrzeuges (EUGH 20.6.2019, C-100-18) in Folge dessen Verwendung gem. § 2 Abs. 1 KHVG grundsätzlich vom Deckungsumfang der für das Kraftfahrzeug bestehenden Haftpflichtversicherung umfasst und bei schuldhafter Verletzung durch die versicherte Person, der entstandene Sachschaden daher zu ersetzen.

Schlussfolgerung


Der Begriff „Verwendung eines Fahrzeuges“ im Sinne von § 2 Abs. 1 KHVG umfasst nach unionsrechtskonformer Auslegung grundsätzlich auch das „Parken eines Fahrzeuges in einer Privatgarage“, weshalb die KFZ-Haftpflichtversicherung gem. § 2 Abs. 1 KHVG für den durch den Fahrzeugbrand, schuldhaft herbeigeführten Schaden am Haus einzustehen hat.

Was ist passiert?

Ein Versicherungsnehmer hat mit der beklagten Versicherung eine Wohnhaus- und Eigenheimversicherung abgeschlossen, von der auch Sturmschäden umfasst sind. Nach Vertragsabschluss errichtete der Versicherungsnehmer auf dem flachen Dach einer bestehenden Garage eine Terrasse samt dazugehörigem Metallgeländer mit Glaselementen. In der baubehördlichen Bewilligung wurden dem Versicherungsnehmer insofern Auflagen erteilt, als die Ausführung entsprechend den statischen Erfordernissen durch befugte Unternehmer unter Einhaltung des Baugesetzes sowie der sonst geltenden Normen zu erfolgen hat. Entgegen diesen baubehördlich angeordneten Auflagen wurde allerdings die Montage des Geländers vom Versicherungsnehmer ohne jegliche Fachkenntnisse in Eigenregie durchgeführt. In weiterer Folge wurde das Geländer infolge eines Sturmereignisses beschädigt. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten erfolgte die vom Versicherungsnehmer in Eigenregie durchgeführte Montage mittels unzureichender Holzverschraubung. Dadurch war die nach den anzuwendenden Normen erforderliche Lastannahme weder hinsichtlich der Windslast noch hinsichtlich der Holmlastvorgabe erfüllt und lag die Überlastung um das 8,8-Fache über der Norm. Diese unsachgemäße Montage war ursächlich dafür, dass das Geländer der am Schadenstag aufgetretenen Windstärke nicht Stand hielt. Nachdem die Versicherung eine Zahlung aus der Glasbruch- und Sturmversicherung abgelehnt hatte, versuchte der Versicherungsnehmer seine Ansprüche mittels Klage geltend zu machen.

Wie ist die Rechtslage?

Gemäß § 23 Abs 1 VersVG darf der Versicherungsnehmer nach Abschluss des Vertrages ohne Einwilligung des Versicherers keine Erhöhung der Gefahr vornehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes  ist eine solche Gefahrenerhöhung eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsabschluss tatsächlich vorhandenen gefahrenerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht und den Versicherer deshalb vernünftigerweise veranlassen kann, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Prämie fortzusetzen. Darunter wird ein Gefährdungsvorgang verstanden, der seiner Natur nach geeignet ist, einen neuen Gefahrenzustand von so langer Dauer zu schaffen, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Schadenverlaufs bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern geeignet ist. Verstöße gegen (polizeiliche) Sicherheitsvorschriften, zu denen auch Auflagen der zuständigen Baubehörde zählen, stellen die wichtigste Gruppe von Gefahrenerhöhungen dar. Die Gefahrenerhöhung muss vom Versicherungsnehmer schuldhaft erfolgen, wobei dafür bereits leichte Fahrlässigkeit schadet.

Schlussfolgerung

Im vorliegenden Fall kam der Oberste Gerichtshof (7 Ob 7/21m) zum klaren Ergebnis, dass der Verstoß gegen die baubehördlich angeordneten Auflagen (unsachgemäße Montage in Eigenregie) die Wahrscheinlichkeit für den Versicherungsfall in der Glasbruch- und Sturmversicherung erhöht hat. Dem Versicherungsnehmer ist daher die Vornahme einer Gefahrenerhöhung im Sinne des § 23 Abs 1 VersVG schuldhaft anzulasten. Aufgrund dieser schuldhaften Erhöhung der Gefahr bestand für die beklagte Versicherung Leistungsfreiheit.

Was ist passiert?

Die nunmehrige Klägerin hat mit der beklagten Versicherung einen Lebensversicherungsvertrag mit Versicherungsbeginn zum 01.11.2007 abgeschlossen. Weder in den vorvertraglichen Gesprächen noch im Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages wurde die Klägerin über ihr Rücktrittsrecht gemäß § 165a VersVG informiert. Erst in der übermittelten Polizze wurde die Klägerin erstmals, und zwar unter der Überschrift „RÜCKTRITTSRECHTE“, über ihr 30-tägiges Rücktrittsrecht belehrt. Diese Polizze wurde von der Klägerin nicht mehr durchgelesen. Nach Ansicht der Klägerin war diese Belehrung über das Rücktrittsrecht nicht ausreichend, sondern erfolgte vielmehr verspätet, da die Belehrung bereits im Antrag enthalten sein hätte müssen. Im März 2018 erklärte die Versicherungsnehmerin daher den Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrag mit der Begründung, dass ihr durch diese „verspätete“ Belehrung die Frist für die Ausübung des Rücktrittsrechts nach wie vor zur Verfügung gestanden haben soll. Die Rücktrittserklärung wurde von der beklagten Versicherung zurückgewiesen, woraufhin die Versicherungsnehmerin gegen die Versicherung eine Klage auf Rückzahlung der Prämien und Zinsen eingebracht hatte.

Wie ist die Rechtslage?

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes wurde die Klägerin von der beklagten Versicherung im vorliegenden Fall zwar verspätet, und zwar erst mit der Übermittlung der Polizze und damit erst bei Vertragsabschluss über ihr gesetzliches Rücktrittsrecht in Kenntnis gesetzt. Der OGH führte allerdings aus, dass durch diese „verspätete“ Belehrung die Rücktrittsfrist von 30 Tagen ab Verständigung vom Zustandekommen des Vertrags nicht verändert wurde. Dabei spiele es auch keine Rolle, dass der Versicherungsnehmerin vor Übersenden der Polizze die Überlegungsfrist verkürzt wurde. Nach den rechtlichen Vorgaben der Europäischen Union sei nur maßgeblich, dass Versicherungsnehmer eine eindeutige und detaillierte schriftliche Information über ihr Rücktrittsrecht erhalten. Es sei daher auch insbesondere nicht erforderlich, dass Versicherungsnehmer die Versicherungspolizze auch tatsächlich durchlesen.

Schlussfolgerung

Die ordnungsgemäße Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht erstmals in der zugestellten Polizze – anstatt vor Abgabe seiner Vertragserklärung – stellt keine relevante Erschwernis des Rücktrittsrechts dar und rechtfertigt daher keinen unbefristeten „Spätrücktritt“. Im vorliegenden Fall erfolgte daher der im März 2018 erklärte Rücktritt verspätet, weshalb das auf Rückzahlung der Prämien und Zinsen gerichtete Klagebegehren abgewiesen wurde.

Was ist passiert?

Als es 2013 zu einem Unfall zwischen einem PKW (A) und einem Zug (B) auf einer Eisenbahnkreuzung (C) kam, stellte ein Zivilgericht zunächst das gleichteilige Verschulden von PKW-Lenker (A) und Bahnlinienbetreiber (C) fest. Der Versicherer des PKW-Lenkers (A) zahlte schließlich den Schaden am Zug (B), da der Versicherer (A) der Meinung war, dass eine solidarische Haftung mit dem Bahnlinienbetreiber (C) besteht, womit der Zugeigentümer (B) seinen Schäden in voller Höhe entweder vom Versicherer (A) oder vom Bahnlinienbetreiber (C) begehren kann und sich diese wiederum im Innenverhältnis den Schaden teilen müssten. Im Folgeprozess zwischen dem Versicherer (A) und dem Bahnlinienbetreiber (C) auf Bezahlung von 50% des Haftpflichtschadens, wurde die Klage letztendlich mit der Begründung rechtskräftig abgewiesen, dass zwischen dem Bahnlinienbetreiber (C) und dem Zugseigentümer (B) ein internationales Abkommen besteht, wonach ein Ersatzanspruch des Zugeigentümers (B) gegenüber dem Bahnlinienbetreiber (C) nicht zusteht. Demnach scheidet eine Solidarhaftung aus.

In einem weiteren Verfahren zwischen dem Versicherer (A) und dem Zugeigentümer (B) stellte sich die Frage, ob in Ermangelung einer Solidarschuld die Versicherung (A) den um 50% zu viel bezahlten Schaden vom Zugeigentümer (B) wieder zurückverlangen kann.

Wie ist die Rechtslage?

In der Klage forderte der Versicherer (A) die Rückzahlung der von ihm zu viel geleisteten Reparaturkosten vom Zugseigentümer (B). Der Zugseigentümer berief sich darauf, dass der Versicherer mit der Zahlung die Berechtigung der Forderung stillschweigend anerkannt hat und die Forderung zudem bereits verjährt ist (dreijährige Verjährungsfrist).

Im vorliegenden Fall gaben das Erstgericht und Berufungsgericht der Klage statt, da der Versicherer gemäß § 1431 ABGB einen Bereicherungsanspruch habe und er ausgehend vom Glauben an eine Solidarschuld einem Rechtsirrtum unterlegen sei. Aus diesem Grund hab er an den Zugseigentümer nicht nur den, anteilig der Schuld entsprechend, halben Anteil bezahlt, sondern den gesamten Schaden. Zusätzlich sei die Forderung auch nicht verjährt, da die lange Verjährungsfrist von 30 Jahren anzuwenden sei. Der OGH folgte schließlich in seiner Entscheidung OGH 9 Ob 44 / 21t vom 2. September 2021 dieser Auffassung und stellte einerseits klar, dass eine Rückforderung in diesem Fall nur ausgeschlossen wäre, wenn der gutgläubige Empfänger die Zahlung als schlüssiges Anerkenntnis verstehen durfte, was gegenständlich nicht der Fall war. Andererseits sei auf den vorliegenden Kondiktionsanspruch des Versicherers (A) nach § 1431 ABGB wegen eines an den Geschädigten irrtümlich zu viel geleisteten Schadenersatzes die lange Verjährungsfrist des § 1478 ABGB anzuwenden. 

Schlussfolgerung

Bezahlt der Versicherer ohne Abgabe eines expliziten Anerkenntnisses bzw. Zugeständnisses den Schaden des Geschädigten, da er der Meinung ist, dass eine rechtliche Verpflichtung dazu besteht und stellt sich nachträglich heraus, dass diese rechtliche Verpflichtung tatsächlich nicht bestand, könnte der Versicherer – abhängig vom Einzelfall – den (zu viel geleisteten) Schadenersatz vom Geschädigten zurückverlangen.

Was ist passiert?

Der Ehegatte der Klägerin schloss mit dem Versicherer eine Ablebensversicherung ab. Als versicherte Personen waren sowohl der Ehegatte, als auch die Klägerin angeführt. Der Ehegatte verstarb im Jahr 2015. Die Versicherung teilte in der Folge der Klägerin mit, dass sich herausgestellt habe, dass der Versicherungsnehmer beim Abschluss des Versicherungsvertrags falsche Angaben gemacht habe, der Vertrag somit wegen Arglist angefochten werde und ihr keine Versicherungsleistung zustehe. Die Klägerin forderte unter Berufung auf § 3 VersVG die Herausgabe der Versicherungsunterlagen, insbesondere des Versicherungsantrags. Die Beklagte lehnte dies jedoch bereits im Jahr 2015 ab, weil das Recht auf Herausgabe der Unterlagen nur dem Versicherungsnehmer zustehen würde. Im Jahr 2020 brachte die Klägerin eine Klage auf Herausgabe der Unterlagen ein.

Wie ist die Rechtslage?

In § 3 Abs 3 VersVG wird die Auskunftspflicht des Versicherers gesetzlich festgehalten. Die Nebenleistungspflicht des Versicherers soll garantieren, dass der Versicherungsnehmer über die relevanten Bestimmungen seines Versicherungsvertrags informiert ist und seine Rechte wahren kann. § 3 Abs 3 VersVG ordnet zudem an, dass dann, wenn der Versicherungsnehmer Abschriften für die Vornahme von Handlungen gegenüber dem Versicherer braucht, die an eine bestimmte Frist gebunden sind, und diese ihm nicht schon früher vom Versicherer ausgehändigt worden sind, der Lauf der Frist von der Stellung des Begehrens bis zum Einlangen der Abschriften gehemmt ist. 

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»In der Entscheidung 7 Ob 16/21k vom 30.06.2021 stellt der OGH nunmehr fest, dass die Pflicht zur Herausgabe von Unterlagen nur bis zur vollständigen Abwicklung besteht, also so lange, bis keine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag mehr geltend gemacht werden können. § 3 Abs 3 VersVG ist daher für die Frist zur Geltendmachung der Ansprüche durch Klage die nicht anwendbar. Das hat zur Folge, dass sowohl der Anspruch der Klägerin auf Herausgabe der Versicherungsunterlagen, als auch der Anspruch auf Auszahlung der Versicherungsleistung in der Zwischenzeit verjährt sind.«

Was ist passiert?

Der Kläger hatte bei dem Abschluss eines Versicherungsvertrages mit dem beklagten Versicherer bezüglich der Prämienzahlung eine Lastschriftvereinbarung getroffen. Nach Zustellung der Polizze wurde nachträglich, abweichend von der ursprünglichen Regelung eine vierteljährliche Zahlung der Versicherungsprämie vereinbart. Als dann der Versuch des Versicherers scheiterte die ausstehende Prämie mittels Lastschrifteinzug zu erhalten, wurde die Zahlungsweise, einseitig vom Versicherer, auf Zahlschein umgestellt. Der Kläger leistet daraufhin auch Zahlungen, jedoch nicht im nötigen Umfang. Als es sodann zu einem Versicherungsfall kam, war nicht einmal die erste Prämie vollständig beglichen. §38 VersVG schreibt vor, dass soweit die Versicherungsprämie nicht oder nicht vollständig gezahlt wurde innerhalb von 14 Tagen nach Eintritt des Zahlungsverzuges von Seiten des Versicherers ein Aufforderungsschreiben ergehen muss, das den Versicherungsnehmer darauf hinweist, dass bei ausbleibendem Zahlungseingang im Versicherungsfall keine Leistungspflicht des Versicherers besteht. Der Kläger berief sich auf das Ausbleiben eines solchen Erinnerungsschreibens und forderte vom Versicherer aus diesem Grund die Leistung der vollen Entschädigung.

Wie ist die Rechtslage?

Schon das Berufungsgericht entschied, dass auch bei der Zahlweise mittels Lastschriftverfahren, eine Zahlungserinnerung mit dem entsprechenden Warnhinweis nicht ausbleiben darf. In der Revision wurde diese Ansicht bestätigt. (OGH 23.10.2019, 7 Ob 83/19k) Der Versicherer berief sich darauf, dass ein solcher Warnhinweis beim Lastschriftverfahren nicht erforderlich sei, da aus der Prämienschuld parteieinvernehmlich eine Holschuld wurde. Das Höchstgericht argumentierte mit dem Gesetzeswortlaut. So würde §38 VersVG für das Lastschriftverfahren keine Ausnahme vorsehen und eine entsprechende Warnung sei auch beim Lastschriftverfahren von wichtiger Bedeutung. Zudem hätte in diesem konkreten Fall der Versicherer die Zahlungsweise auf Zahlschein umgestellt und die offenen Zahlungen wurden nur teilweise beglichen. Allein aus diesem Grund wäre hier schon eine Zahlungsaufforderung notwendig gewesen.

Schlussfolgerung

Damit sich der Versicherer in einem solchen Sachverhalt wie dem Vorliegenden auf seine Leistungsfreiheit berufen kann, muss einerseits die Polizze und andererseits eine „qualifizierte“ Zahlungsaufforderung dem Versicherungsnehmer wirksam zugestellt worden sein. Das gilt auch im Lastschriftverfahren.

Was ist passiert?

Der klagende Versicherungsnehmer hat mit der beklagten Versicherung eine Sturmversicherung für ein Betriebsgebäude abgeschlossen. Als besondere Bedingung war vereinbart, dass „Mehrkosten auf Grund behördlicher Auflagen“ mitversichert sind. Als solche Mehrkosten sind jene Kosten zu beurteilen, die „auf Grund behördlicher Auflagen nach einem ersatzpflichtigen Schaden die Kosten der Wiederherstellung von Gebäuden und/oder Betriebseinrichtungen in den ursprünglichen Zustand überschreiten.“ Durch ein versichertes Sturmereignis wurde schließlich eine Lichtkuppel des Betriebsgebäudes beschädigt. Die Versicherung ersetzte zwar die beschädigte Lichtkuppel. Die Kosten für die Anbringung einer Absturzsicherung, die bis dato nicht existiert hatte, jedoch aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen grundsätzlich vorgesehen war, wurden von der Versicherung hingegen nicht übernommen. Aus diesem Grund hat sich der Versicherungsnehmer dazu entschieden, diese Kosten mittels Klage gerichtlich geltend zu machen.

Wie ist die Rechtslage?

Die Vorinstanzen haben im vorliegenden Fall entschieden, dass die Mehrkosten für die Anbringung der gesetzlich vorgesehenen Absturzsicherung jedenfalls vom Versicherungsschutz umfasst sind. Der Oberste Gerichtshof kam hingegen in seiner Entscheidung (7 Ob 153/19d) zu einem differenzierten Ergebnis. Für die Definition des Begriffs „behördliche Auflage“ ist nach Ansicht des OGH die im Verwaltungsrecht üblicherweise verwendete Formulierung heranzuziehen. Demnach sind unter diesem Begriff Ge- oder Verbote zu verstehen, die als Nebenbestimmungen in einem individuellen, dem Hauptinhalt nach zwar begünstigenden Verwaltungsakt (insbesondere Bescheid) enthalten sind, wobei diese Ge- oder Verbote den Bescheidadressaten belasten. Nach Ansicht des OGH kann auch ein durchschnittlicher, nicht juristisch gebildeter Versicherungsnehmer zwischen gesetzlichen Verpflichtungen, die jedermann betreffen, und solchen Verpflichtungen unterscheiden, die einem konkret „auferlegt“ werden. Ausgehend von der Formulierung „behördliche Auflagen“ hat daher die Versicherung nur die Mehrkosten für die zuletzt genannten, individuellen Belastungen zu übernehmen. Im vorliegenden Fall hatte der Versicherungsnehmer keinen Bescheid erhalten, mit welchem er von einer Behörde konkret und individuell aufgefordert worden ist, eine solche Absturzsicherung anzubringen. Die Verpflichtung zur Anbringung einer Absturzsicherung ergab sich vielmehr aus einer gesetzlichen Verpflichtung, die jedermann betrifft.

Schlussfolgerung

Der Begriff „behördliche Auflage“ hat eine eindeutige rechtliche Bedeutung. In einem solchen Fall ist daher diese Bedeutung auch zur Definition von Begriffen in Allgemeinen Versicherungsbedingungen heranzuziehen.