Kein Lagezuschlag bei Lärmbelastung durch hohes Verkehrsaufkommen
5 Ob 177/22y
Sachverhalt
Der Kläger ist Mieter einer in einem fünfstöckigen Wohnhaus im 5. Bezirk in Wien gelegenen Mietwohnung. Von der Mietwohnung sind Geschäfte des täglichen Bedarfs ebenso wie die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel (U-Bahn und Autobus) fußläufig erreichbar. Auch kulturelle Einrichtungen der innerstädtischen Bezirke sind mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar sowie Gesundheits- und Bildungseinrichtungen in unmittelbarer Umgebung vorhanden. Die gute öffentliche Verkehrsanbindung der Mietwohnung bringt allerdings auch eine hohe Lärmbelastung durch Straßenlärm mit sich.
Als Teil des Mietzinses wurde dem Mieter vom Vermieter ein Lagezuschlag verrechnet. Der Mieter beantragte die gerichtliche Überprüfung des ihm vom Vermieter vorgeschriebenen Hauptmietzinses.
Das Erst- sowie auch das Rekursgericht kamen im Rahmen der Mietzinsüberprüfung zu der Entscheidung, dass im gegenständlichen Fall kein Lagezuschlag zusteht. Dies, wegen der vergleichsweisen hohen Lärmbelästigung.
Der Vermieter war nach wie vor anderer Ansicht und wandte sich daher an den OGH. In seinem Revisionsrekurs an den OGH kritisierte der Vermieter an den Entscheidungen des Erst- und des Rekursgerichts insbesondere, dass diese die sehr gute Verkehrsanbindung sowie weitere Faktoren, die die verfahrensgegenständliche Wohnung als eine „überdurchschnittliche“ iSd § 16 MRG iVm § 2 RichtWG qualifizierten, nicht ausreichend berücksichtigten. Die Behauptungen des Vermieters wurden durch ein Sachverständigengutachten bekräftigt. Der OGH hatte daher zu beurteilen, welche Auswirkungen die Lärmbelastung einer Mietwohnung im Zusammenhang mit dem für eine Mietwohnung gebührenden Lagezuschlag hat und inwieweit der diesbezügliche Ermessensspielraum des entscheidenden Gerichts reicht
Rechtliche Beurteilung
Voraussetzung dafür, dass ein Lagezuschlag zum Richtwertmietzins gemäß § 16 Abs 4 MRG vereinbart werden kann, ist primär die überdurchschnittlich gute Lage der Mietwohnung.
Für die Beurteilung, ob eine konkrete Lage „besser als durchschnittlich“ qualifiziert werden kann, muss nach der Rechtsprechung die Lage des Wohnhauses der Mietwohnung mit anderen Lagen vergleichen werden.
Die Beurteilung des zulässigen Mietzinses und daher auch die Frage, ob ein Lagezuschlag berechtigt ist oder nicht, ist eine vom Richter – und nicht von einem Sachverständigen – zu beurteilende Rechtsfrage.
In seiner Entscheidung verweist der OGH zunächst darauf, dass sich die Qualität einer Wohnumgebung nicht nur an ihrer guten Anbindung bzw. Infrastruktur orientiert. Vielmehr bedarf es eines Gesamtvergleichs mit anderen Wohnumgebungen. In Wien ist als Referenzgebiet für die Beurteilung der Überdurchschnittlichkeit der Lage einer Mietwohnung auf jene Teile des Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung ähnlich sind und aufgrund ihrer Bebauungsmerkmale ein einheitliches Wohngebiet bilden.
Zwar zeichnet sich der Teil des Stadtgebietes, in dem die Mietwohnung liegt, tatsächlich durch gute Lagemerkmale aus (insbesondere durch nahe gelegene Geschäfte des täglichen Bedarfs, kulturelle Einrichtungen sowie Gesundheits- und Bildungseinrichtungen), doch begründet dies alleine noch nicht die „Überdurchschnittlichkeit“ der Lage, die einen Lagezuschlag rechtfertigt.
Der OGH gelangte schließlich zu der Entscheidung, dass eine erhebliche Lärmbelästigung (in diesem Fall von etwa 75 dB auf der einen und etwa 60-65 dB auf der anderen Straßenseite des Wohnhauses) grundsätzlich ein Lagekriterium darstellt. Im gegenständlichen Fall steht daher ein Lagezuschlag nicht zu.
Schlussfolgerung
»Bei der Beurteilung, ob ein Lagezuschlag zusteht, ist sohin nicht ausschließlich die Lage des Mietgegenstandes, sondern auch weitere Faktoren – wie hier eine erhebliche Lärmbelastung aufgrund hohen Verkehrsaufkommens – zu berücksichtigen.«