Der Versicherungsnehmer stellte bei einer Grillfeier einen mit Benzin und Alkohol gefüllten Kochtopf auf eine auf einer Feuerschale befindliche Holztüre in ein brennendes Lagerfeuer. Hierauf entwickelte sich eine Stichflamme, welche eine der Anwesenden erfasste.
Die Anwesende erlitt dadurch Verbrennungen zweiten Grades.
Der Versicherungsnehmer verlangte von seiner Privathaftpflichtversicherung Deckung und stützte sich dabei darauf, dass es sich um eine Gefahr des täglichen Lebens handle.
Dem Versicherungsvertrag liegen nachstehende Bedingungen zugrunde:
Wie ist die Rechtslage?
In seiner Entscheidung vom 17.04.2024, Geschäftszahl: 7Ob55/24z, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass die primäre Risikobegrenzung definiert, welche Interessen gegen welche Gefahren versichert sind. In der Privathaftpflichtversicherung sind dies die „Gefahren des täglichen Lebens“ gemäß Art. 7 ZGWO.
Nach ständiger Rechtsprechung sind „Gefahren des täglichen Lebens“, jene, mit denen im Privatleben üblicherweise gerechnet wird (RS0081099).
Die Privathaftpflichtversicherung deckt auch außergewöhnliche Situationen ab, in die ein Durchschnittsmensch geraten kann, jedoch nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten. Hierbei kommt es auf eine Bewertung im Einzelfall an (RS0081276).
Eine Gefahr des täglichen Lebens muss nach der Meinung des OGH nicht täglich auftreten, sondern nur erfahrungsgemäß immer wieder im normalen Lebensverlauf vorkommen.
Das bewusste und gewollte Schaffen von einer Brand- oder Explosionsgefahr gehört nicht zu den Gefahren des täglichen Lebens (RS0081317).
Weiters urteilte der OGH, dass der Vorgang des Flambierens von Speisen in einem Restaurant mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar sei.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:
»Auch wenn ein vernünftiger Durchschnittsmensch sich zu einer gefährlichen Tätigkeit, aus der die entsprechenden Folgen erwachsen, hinreißen lassen kann, zählt das bewusste und gewollte Schaffen einer Situation, die eine Brandgefahr oder Explosionsgefahr mit sich bringt, nicht zu den Gefahren des täglichen Lebens.«
https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.png00Stefanie Taborskyhttps://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.pngStefanie Taborsky2024-07-09 09:57:222024-07-09 09:57:22Kochtopf mit Benzin auf Lagerfeuer
Am 28.05.2024 ist die neue Gebäudeenergieeffizienz-RL der EU in Kraft getreten. Damit versucht der EU Gesetzgeber auch die Bedeutung des bereits vorhandenen Gebäudebestands zu berücksichtigen. Als nicht direkt anwendbare Richtlinie muss diese in Österreich innerhalb der nächsten 24 Monate noch in nationales Recht umgesetzt werden.
Rechtliche Beurteilung
EPBD enthält grundlegende Vorgaben dazu, wie die angestrebte Emissionsfreiheit des Gebäudebestands in der gesamten Union bis zum Jahr 2050 erreicht werden soll. Hierzu nimmt der Unionsgesetzgeber die Mitgliedstaaten in die Pflicht und sieht Regelungen für neue Gebäude und – mit deutlich längeren Übergangsfristen – auch Regelungen für den derzeitigen Gebäudebestand vor. Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, Mindestanforderungen an die Energieeffizienz des Gebäudebestands festzulegen. Dazu gehören zum Bespiel unionsweit einheitliche Festlegungen von Mindestvorgaben für Photovoltaikanlagen. Andere Neuerungen betreffen unter anderem einen Renovierungspass, Vorgaben an die nationalen Gebäuderenovierungspläne und Bestimmungen zu nachhaltiger Mobilität betreffend Infrastruktur in Gebäuden und daran angrenzende Parkplätze.
Die EPBD sieht vor, dass neue Gebäude, die sich im Eigentum von öffentlichen Einrichtungen befinden, ab dem 1. 1. 2028 Nullemissionsgebäude sein müssen. Für alle anderen neuen Gebäude gilt diese Verpflichtung erst ab dem 1. 1. 2030.
Der Energiebedarf eines Nullemissionsgebäudes darf dann ausschließlich gedeckt werden durch:
am Standort des Gebäudes oder in dessen Nähe erzeugte, erneuerbare Energie,
von einer Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft „gelieferte“ Energie,
Energie aus einem effizienten Fernwärme- oder Fernkältesystem,
Energie aus sonstigen kohlenstofffreien Quellen.
Weiters werden die Mitgliedstaaten verpflichtet nationale Gebäuderenovierungspläne zu erstellen, die das Ziel gewährleisten sollen, bis in das Jahr 2050 einen dekarbonisierten Gebäudebestand erreicht zu haben. Der erste Entwurf solch eines Gebäuderenovierungsplans ist bis spätestens 31. 12. 2025 durch die Mitgliedstaaten an die Kommission vorzulegen.
Die Mitgliedstaaten werden weiters verpflichtet, Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden festzulegen. Etwas überraschend ist, dass die EPBD selbst nicht zwischen neuen Gebäuden und Bestandsgebäuden differenziert. Den Mitgliedstaaten wird diese Möglichkeit aber im Rahmen einer Öffnungsklausel eingeräumt. Die Mitgliedstaaten sind außerdem verpflichtet, sicherzustellen, dass die Gesamtenergieeffizienz bestehender Gebäude, die einer „größeren Renovierung“ unterzogen werden, derart erhöht wird, dass sie den staatlich festgelegten Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden genügen.
Die EPBD beinhaltet auch Regelungen zur nachhaltigen Mobilität vor, wobei zwischen Wohn- und Nichtwohngebäuden einerseits und der Elektromobilität und der Nutzung von Fahrrädern andererseits unterschieden wird. In neuen Nichtwohngebäuden, die über mehr als fünf Kfz-Abstellplätze verfügen, ist künftig verpflichtend jeder fünfte Abstellplatz mit einem Ladepunkt für E-Fahrzeuge zu versehen. In neuen Wohngebäuden muss ab drei vorhandenen Kfz-Stellplätzen künftig auf zumindest 50 % der vorhandenen Stellplätze eine Vorverkabelung für die spätere Errichtung von Ladepunkten installiert sein. Außerdem besteht die Verpflichtung, zumindest zwei Fahrradabstellplätze je Wohneinheit bereitzustellen.
Diese weitreichenden Verpflichtungen der EPBD sind durch Österreich zeitnah in nationales Recht umzusetzen (24 Monate nach Veröffentlichung).
Schlussfolgerung
Die neue EPBD definiert den Weg vom Niedrigstenergie- zum Nullemissionsgebäude bis 2050. Das Ziel ist die vollständige Dekarbonisierung des Gebäudesektors den nächsten 26 Jahren durch Vorgaben (i) zur Renovierung des Gebäudebestands und Ausstieg aus fossilen Heizungssystemen, (ii) zu Nullemissionsgebäuden, neuen Energieausweisen und Forcierung der Erneuerbaren Energieträger, (iii) zu Finanziellen Anreizen, Bekämpfung der Energiearmut und qualifizierten Arbeitskräften, und (iv) zu Modernisierung der technischen Gebäudeausrüstung und nachhaltiger Mobilität.
https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.png00Stefanie Taborskyhttps://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.pngStefanie Taborsky2024-07-02 11:39:522024-07-02 11:39:53Fachbeitrag Immobilienrecht – Neue Gebäudeenergieeffizienz Richtlinie der EU (Energy Performance of Bulidings Directive – „EPBD“)
Der Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung stürzte bei einer Küstenwanderung am 20. 7. 2021 von einer Klippe und erlitt unter anderem einen Bruch der linken Hüftpfanne mit suspekter Verrenkung des Oberschenkelkopfes und einen Bruch des linken 9. Brustwirbelfortsatzes. Der Versicherungsnehmer begehrte auf Grund dessen Versicherungsleistungen aus dauernder Invalidität. Mit der Bemessung und Leistung der Versicherung war der Versicherungsnehmer nicht einverstanden, weshalb er mittels Klage eine höhere Leistung forderte. Dazu forderte er nicht nur die Leistung für den aktuellen Ist-Zustand, sondern auch eine Leistung für die Prognose, wonach bereits jetzt feststehe, dass eine Verschlechterung eintreten würde.
Fraglich war im anhängigen Rechtsstreit sohin, welcher Zeitpunkt zur Leistungsermittlung für die Erstbemessung herangezogen werden kann.
Der Versicherungsnehmer argumentierte, dass nicht nur von der bereits feststehenden Dauerinvalidität des Beinwertes links auszugehen sei, sondern mit der Gutachtenserörterung im Prozess vor dem Erstgericht die nötigen Erhebungen abgeschlossen worden seien und feststeht, dass die Dauerinvalidität am Ende der Bemessungsperiode mit hoher Wahrscheinlichkeit höher sein werde und hohe Wahrscheinlichkeit als Beweismaß ausreiche.
Der Versicherer hielt dagegen, dass eine Invalidität im Sinn einer körperlichen Funktionsminderung tatsächlich am Körper anhaften müsse, wenn sie zur Leistungsermittlung herangezogen werden solle, weshalb zukünftige – wenngleich allenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit – innerhalb der Vier-Jahres-Frist eintretende Umstände zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung nicht herangezogen werden dürften.
Die dem Unfallversicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung Plus (AUVBP 2015) lauten auszugsweise wie folgt
Wie ist die Rechtslage?
In seiner Entscheidung vom 17.04.2024, Geschäftszahl: 7Ob56/24x, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass entsprechend Art 7.1. dritter Absatz AUVBP 2015 für die Ermittlung der dauernden Invalidität der Zustand der Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz, in der die Gutachtenserörterung stattfand, maßgebend ist. Dieser Zustand muss im Prozess mit hoher Wahrscheinlichkeit (RS0110701) – feststehen. Dieser Ist-Zustand ist für die Bewertung bzw. Bemessung maßgeblich.
Dass bis zum Ablauf der Vier-Jahres-Frist für die Neubemessung (Art 7.5. zweiter Satz AUVBP 2015) mit hoher Wahrscheinlichkeit eine weitere dauerhafte Gesundheitsverschlechterung eintreten wird, ist laut OGH dagegen nach der Bedingungslage für die derzeitige Ermittlung der dauernden Invalidität nicht maßgeblich. Nach Ansicht des OGH ist vielmehr erst nach der gegenständlichen Erstbemessung bei einer späteren Verschlechterung des Grades der dauernden Invalidität unter den Voraussetzungen des Art 7.5. AUVBP 2015 eine Neubemessung bis vier Jahre ab dem Unfalltag vorgesehen.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:
»Der Schluss der Verhandlung erster Instanz ist bei einer derartigen Bedingungslage Stichtag für die Bemessung der Invalidität. Künftige Entwicklungen oder Verschlechterungen sind im Rahmen der Nachbemessungsfrist (4 Jahre) von Relevanz.«
https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.png00Stefanie Taborskyhttps://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.pngStefanie Taborsky2024-07-02 11:28:052024-07-02 11:28:06Zeitpunkt zur Leistungsermittlung bei dauernder Invalidität
Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer besteht ein Unfallversicherungsvertrag. Die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen lauten auszugsweise wie folgt:
Wie ist die Rechtslage?
Der Versicherungsnehmer kam im Jahr 2020 zwei Mal zu Sturz und zog sich dabei . Seitdem leidet er an Beeinträchtigungen infolge eines durch die Stürze verursachten Bandscheibenvorfalls. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten bestanden beim Versicherungsnehmer bereits vor dem ersten Unfall ausgeprägte abnützungsbedingte Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenveränderungen in sämtlichen Segmenten (nämlich in Form von Vorfällen bzw. Vorwölbungen) und eine abnutzungsbedingte Einengung des Rückenmarkkanals, die aufgrund der bei den beiden Unfällen erlittenen Prellungen verschlimmert wurden.
Wegen der bestehenden Beeinträchtigungen begehrte der Versicherungsnehmer vom Versicherer diverse Versicherungsleistungen (Invaliditätsentschädigung, Rehabilitationspauschale, Schmerzengeld). Nachdem der Versicherer sämtliche Leistungen abgelehnt und der Versicherungsnehmer eine Klage gegen den Versicherer eingebracht hat, landete der vorliegende Fall vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:
»Bei den vorliegenden Versicherungsbedingungen erfolgt ein vollständiger Entfall des Leistungsanspruchs des Versicherungsnehmers und keine Leistungskürzung entsprechend dem Anteil der Mitwirkung der Vorschädigung, sofern es sich im Falle von Bandscheibenhernien lediglich um eine Verschlimmerung von Krankheitserscheinungen handelt, die bereits vor dem Unfall bestanden.«
https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.png00Stefanie Taborskyhttps://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.pngStefanie Taborsky2024-06-24 12:27:222024-07-02 12:27:48Unfallversicherung: Unfallbedingte Verschlimmerung von Bandscheibenvorfällen
Die Antragsgegnerin ist Alleineigentümerin und Vermieterin einer Wohnung, die der Vater der Erstantragsgegnerin und dessen Ehefrau, die Zweitantragstellerin, im Jahr 1972 anmieteten. Das Ehepaar wohnte seither gemeinsam mit ihrer Tochter, der Erstantragstellerin, in dieser Wohnung.
Das Mietverhältnis unterliegt dem Vollanwendungsbereich des MRG.
Im Jänner 2022 verstarb der Ehemann der Zweitantragstellerin und Vater der Erstantragstellerin. Die Tochter trat an Stelle ihres Vaters in den Mietvertrag über die Wohnung ein. Die Vermieterin hob sodann den Hauptmietzins an.
Die Mieterinnen als Antragstellerin beantragten in Folge die gerichtliche Feststellung, dass die von der Vermieterin geforderte Anhebung des Mietzinses für die Wohnung unzulässig sei.
Der Fall landete schließlich vor dem OGH.
Rechtliche Beurteilung
§ 46 MRG gewährt dem Vermieter einer Wohnung unter bestimmten Voraussetzungen das Recht zur Anhebung des (vor dem 1. März 1994) vereinbarten Hauptmietzins beim Eintritt bestimmter eintrittsberechtigter Personen. Beim Eintritt von Ehegatten, Lebensgefährten oder minderjähriger Kinder (also besonders privilegierter Angehöriger) des bisherigen Hauptmieters in den Mietvertrag, soll der Hauptmietzins allerdings unverändert bleiben.
Der OGH geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass dem Fall des Eintritts von privilegierten nahen Angehörigen (Ehegatten, Lebensgefährten oder minderjähriger Kinder) jener Fall gleichzusetzen ist, in dem neben dem verstorbenen Mieter, in dessen Mietrechte Angehörige eintreten, noch Mitmieter bestehen. Grund dafür ist, dass eine Person, die bereits Mieter einer Wohnung gewesen ist, durch das Hinzutreten eines weiteren Mieters nicht schlechter gestellt werden soll.
Es steht daher jeder überlebende Mitmieter – unabhängig davon, ob er selbst eintrittsberechtigt ist oder nicht – der Anhebung des Hauptmietzinses gemäß § 46 MRG entgegen. Allerdings wird eine Mietzinsanhebung dann zulässig, wenn alle privilegierten Personen die Wohnung dauerhaft verlassen haben oder volljährig geworden sind.
Im gegenständlichen Fall wurde sohin festgesellt, dass die Anhebung des Hauptmietzinses für die Wohnung unzulässig ist.
Schlussfolgerung
Vor Anhebung des Mietzinses gemäß § 46 MRG ist sohin zu prüfen, ob noch Mitmieter vorhanden sind. Es besteht nämlich keine Anhebungsmöglichkeit im Fall eines Eintritts in ein Mitmietverhältnis, weil eine Person, die bereits Mieter gewesen ist, durch das Hinzutreten eines weiteren Mieters nicht schlechter gestellt werden soll.
https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.png00Stefanie Taborskyhttps://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.pngStefanie Taborsky2024-06-18 16:58:182024-06-18 16:58:19Fachbeitrag Immobilienrecht – Zur Anhebung des Hauptmietzinses beim Eintritt naher Angehöriger in den Mietvertrag 5 Ob 8/24y
Am 22.08.2022 fuhr der Lenker eines kaskoversicherten Lastwagens in den Hof eines Firmengebäudes und öffnete dabei die Fahrertür, indem er den Schnapper für das Schloss betätigte und die Tür mit der flachen Hand etwas aufdrückte. Bevor er mit der Hand den Türgriff fassen konnte, um die Tür ganz zu öffnen, erfasste eine Windböe die Tür und riss sie über den Anschlag hinaus auf, wodurch das Scharnier, die Tür selbst und die A‑Säule beschädigt wurden. Die Tür wurde dadurch nicht nach vorne gegen den Lastwagen geschleudert. Der dabei eingetretene Schaden belief sich auf EUR 5.424,93. Die dem Kaskoversicherungsvertrag zugrundeliegenden Bedingungen lauten auszugsweise wie folgt:
Die Versicherungspolizze enthält unter anderem folgende Deckungserweiterungen:
Der Versicherer lehnte eine Versicherungsleistung mit der Begründung ab, dass im Zusammenhang mit Naturgewalten Deckung nur für Schäden bestehe, die dadurch verursacht wurden, dass durch Naturgewalten Gegenstände mit dem Fahrzeug kollidieren, was nicht der Fall war. Bedienungsfehler, fahrlässiges Handeln oder eine Ungeschicklichkeit seien daher im Zusammenhang mit Naturgewalten nur dann gedeckt, wenn dadurch Gegenstände mit dem Fahrzeug kollidieren.
Wie ist die Rechtslage?
In seiner Entscheidung vom 17.04.2024, Geschäftszahl: 7 Ob 62/24d, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass Schäden, die durch Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit oder Fahrlässigkeit verursacht worden sind, versichert seien. Daneben seien auch Naturgewalten unter den in den Bedingungen näher beschriebenen Voraussetzungen (Kollision eines Gegenstandes mit dem Fahrzeug) versichert. Eine Einschränkung, dass ein Bedienungsfehler, fahrlässiges Handeln oder eine Ungeschicklichkeit bei Vorliegen einer Naturgewalt – wie bei einer Sturmböe – nur bei Vorliegen der Voraussetzungen für die versicherte Gefahr „Naturgewalt“ gedeckt sind, könne den Versicherungsbedingungen hingegen nicht entnommen werden. Das Verhalten des Fahrers sei als leichte Fahrlässigkeit zu qualifizieren und somit nach den Deckungserweiterungen versichert.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:
»Die vorliegenden Versicherungsbedingungen sehen unter anderem eine Deckungserweiterung für Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit und Fahrlässigkeit vor. Diese Deckungserweiterung besteht gesondert zu den sonstigen versicherten Gefahren und müssen daher auch bei einem Schadensfall im Zusammenhang mit einer Naturgewalt nicht die Voraussetzungen für die versicherte Gefahr „Naturgewalt“ vorliegen. Bei Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit und Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit einer Naturgewalt muss daher kein Gegenstand mit dem Fahrzeug kollidieren.«
https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.png00Stefanie Taborskyhttps://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.pngStefanie Taborsky2024-06-18 14:08:482024-06-18 14:08:49Auslegung einer Deckungserweiterung bei Kaskoversicherungen
Die Versicherungsnehmerin hatte den Auftrag, Gehäuse für Wechselrichter anzufertigen und Wechselrichter darin einzubauen. Bei einem Entladevorgang kippte ein Wechselrichter zur Seite und es kam zu einem Totalschaden.
Der Haftpflichtversicherer lehnte die Deckung für den Totalschaden ab und brachte unter anderem vor, es greife der Risikoausschluss des Art. 7, Pkt. 10.4. AHVB 2006 für die „Benützung, Beförderung oder Bearbeitung oder einer sonstigen Tätigkeit an oder mit“ beweglichen Sachen.
Das Erstgericht hielt fest, dass die beiden besonderen Bedingungen BB 7858 und BB 7878 in diesem Fall zu berücksichtigen seien, die die Risikoausschlüsse für Schäden an beweglichen Sachen teilweise abbedingen. Die besonderen Bedingungen lauten auszugsweise:
Wie ist die Rechtslage?
In seiner Entscheidung vom 06.03.2024, Geschäftszahl: 7Ob159/23t, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass die BB 7878 abweichend von Art 7.10.4 AHVB 2006 einen Einschluss für Schadenersatzverpflichtungen auf Grund von Schäden an beweglichen Sachen enthält, die bei bzw. infolge einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen entstanden sind.
Im Anschluss daran werden bestimmte Tätigkeiten konkret angeführt, wobei die Aufzählung in der BB 7878 nur beispielhaft zu verstehen ist. Aus dem Wortlaut der Klausel kann daher der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht entnehmen, dass Schäden bei einem Abladevorgang nicht von der BB 7878 umfasst sind, solange die bewegliche Sache bei oder infolge der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit dieser Sache beschädigt wurde, was hier ohne Zweifel der Fall ist. Auch die Systematik des Bedingungswerks spricht für diese Auslegung. Der geltend gemachte Schaden ist somit durch den Risikoeinschluss der BB 7878 gedeckt.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:
»Die Auslegung von Versicherungsbedingungen hat sich am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren. Diese Entscheidung zeigt, wie wichtig eine klare, nachvollziehbare Formulierung von Versicherungsbedingungen ist.«
https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.png00Stefanie Taborskyhttps://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.pngStefanie Taborsky2024-06-10 14:56:052024-06-12 14:56:59Umgekippter Wechselrichter: Einschluss von Schäden an bearbeiteten beweglichen Sachen
Bei einer Steuerberatungsgesellschaft (Klägerin) kam es infolge eines unwirksam eingebrachten Schriftsatzes beim Finanzamt zu einem Haftungsfall mit einem Schaden von insgesamt EUR 766.952,19. In dieser Sache vertrat die Klägerin gleich mehrere Anleger, da es sich in allen Verfahren um den gleichen Grundsachverhalt handelte. Es wurden Berufungen angemeldet, die Begründung dafür sollte nachgereicht werden. Dazu bediente sich die Klägerin zur weiteren Begründung der einzelnen Rechtsmittel der Anleger eines Schriftsatzes, welcher mittels Email an das Finanzamt übermittelt wurde.
Nachdem die Übertragung fehlerhaft war, wurden die Berufungsverfahren zu Lasten der Anleger eingestellt. Bei ordnungsgemäßer Einbringung der Rechtsmittel wäre das nicht passiert und wäre es nicht zum Schadensfall gekommen.
Die Klägerin meldete den Schadensfall ihrer Berufshaftpflichtversicherung (Grundversicherung – Nebenintervenientin), die einen Deckungsumfang zu einer Versicherungssumme von EUR 250.000 pro Versicherungsfall vorsah. Anschießend begehrte die Klägerin als Kammermitglied die Bezahlung des Differenzbetrages aus einem von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder abgeschlossenen Exzedentenversicherungsvertrages, welcher eine Versicherungssumme von max. EUR 2.180.185,00 vorsah. Begründete wurde diese mit dem Vorliegen eines Serienschadens. Dies wurde von der Exzedentenversicherung bestritten.
Die Klausel in den zugrundeliegenden Bedingungen (ABHV) lautete wie folgt:
Der Versicherungsnehmer mietete ab September 2017 ein Atelier in einer ehemaligen Traktorfabrik
und ging dort seiner künstlerischen Tätigkeit nach. Am 19.10.2019 brachen Gehilfen
der Vermieterin das Schloss zum Atelier des Versicherungsnehmers auf und verbrachten die
im Atelier befindlichen Fahrnisse, wie etwa Möbel und Kunstwerke, an einen dem Versicherungsnehmer
unbekannten Ort. Der Grund dafür war ein Streit zwischen dem Versicherungsnehmer
und der Vermieterin über die Befristung des Mietverhältnisses. Erst rund vier Monate
später erfuhr der Versicherungsnehmer zufällig von einem Dritten, dass seine Gegenstände
in einem Container auf dem Gelände der Traktorfabrik eingelagert waren. Der Versicherungsnehmer
erlangte seine Fahrnisse mit einigen Ausnahmen wieder zurück. Die Gehilfen der Vermieterin
hatten keinen Vorsatz, sich aus den Kunstwerken und sonstigen Fahrnissen des Versicherungsnehmers
zu bereichern. Die Täter wollten den Versicherungsnehmer lediglich delogieren.
Im Zuge der Entwendung wurden Kunstwerke des Versicherungsnehmers beschädigt. Der
Versicherungsnehmer begehrte aus der Einbruchsdiebstahlversicherung die Kosten für die Instandsetzung
in der Höhe von EUR 18.932,50. Nachdem der Versicherer eine Leistung mit
der Begründung abgelehnt hat, dass kein versichertes Schadensereignis vorliege, da die Täter
sich nicht bereichern wollten, landete der Fall vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).
Wie ist die Rechtslage?
In seiner Entscheidung vom 17.04.2024, 7 Ob 215/23b, führte der OGH zunächst aus, dass
Rechtsbegriffe, die in Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwendet werden und die in
der Rechtssprache eine bestimmte, unstrittige Bedeutung haben, grundsätzlich in diesem Sinn
auszulegen sind. Nach dem Strafgesetzbuch sei für einen Einbruchsdiebstahl erforderlich,
dass bereits die Einbruchshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen wird, fremde Sachen wegzunehmen,
um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Der Rechtsbegriff „Einbruchsdiebstahl“
habe daher in der Rechtssprache eine bestimmte, unstrittige Bedeutung.
Allerdings enthalten die hier vorliegenden Versicherungsbedingungen eine eigenständige Definition
des Begriffs „Einbruchsdiebstahl“, die nicht mit jener im Strafgesetzbuch übereinstimme.
Es könne daher im gegenständlichen Fall nicht ohne Weiteres auf den strafrechtlichen
Begriffsinhalt abgestellt werden. Nach Ansicht des OGH werde in den hier vorliegenden Versicherungsbedingungen
ein Bereicherungsvorsatz des Täters gerade nicht ausdrücklich als
Voraussetzung angeführt.
Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei daher aus dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen
nicht ersichtlich, dass neben den in den Bedingungen angeführten Begehungsformen
ein Handeln des Täters mit Bereicherungsvorsatz für die Qualifikation als Einbruchsdiebstahl
im Sinn der Versicherungsbedingungen erforderlich wäre. Vielmehr gehe der
durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne einen Anhaltspunkt im Wortlaut der Bedingungen
davon aus, dass bereits bei Vorliegen einer der in den Bedingungen genannten Begehungsformen
ein Einbruchsdiebstahl im Sinn der Bedingungen vorliegt. Dies umso mehr, als
es sich regelmäßig der Kenntnis des Versicherungsnehmers entzieht, ob der Täter mit Bereicherungsvorsatz
gehandelt hat.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:
»Sofern Versicherungsbedingungen den Einbruchsdiebstahlselbst definieren und der Wortlaut der Bedingungen keinen besonderen Vorsatzdes Täters als Voraussetzung enthält, ist das Vorliegen des vom Strafgesetzbuch für einenEinbruchsdiebstahl geforderten Bereicherungsvorsatzes nicht Voraussetzung für die Annahmeeines Einbruchsdiebstahls im Sinne der Versicherungsbedingungen. Ob ein Täter dieweggenommene Sache verschenken oder vernichten oder lediglich für einige Zeit (und mit derAbsicht späterer Rückgabe) in Gebrauch nehmen möchte, spielt bei den gegenständlichenBedingungen versicherungsrechtlich keine Rolle.«
https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.png00Stefanie Taborskyhttps://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.pngStefanie Taborsky2024-06-04 12:05:432024-06-04 12:08:09Einbruchsdiebstahlversicherung: Bereicherungsvorsatz des Täters erforderlich?
Bei einer Steuerberatungsgesellschaft (Klägerin) kam es infolge eines unwirksam eingebrachten Schriftsatzes beim Finanzamt zu einem Haftungsfall mit einem Schaden von insgesamt EUR 766.952,19. In dieser Sache vertrat die Klägerin gleich mehrere Anleger, da es sich in allen Verfahren um den gleichen Grundsachverhalt handelte. Es wurden Berufungen angemeldet, die Begründung dafür sollte nachgereicht werden. Dazu bediente sich die Klägerin zur weiteren Begründung der einzelnen Rechtsmittel der Anleger eines Schriftsatzes, welcher mittels Email an das Finanzamt übermittelt wurde.
Nachdem die Übertragung fehlerhaft war, wurden die Berufungsverfahren zu Lasten der Anleger eingestellt. Bei ordnungsgemäßer Einbringung der Rechtsmittel wäre das nicht passiert und wäre es nicht zum Schadensfall gekommen.
Die Klägerin meldete den Schadensfall ihrer Berufshaftpflichtversicherung (Grundversicherung – Nebenintervenientin), die einen Deckungsumfang zu einer Versicherungssumme von EUR 250.000 pro Versicherungsfall vorsah. Anschießend begehrte die Klägerin als Kammermitglied die Bezahlung des Differenzbetrages aus einem von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder abgeschlossenen Exzedentenversicherungsvertrages, welcher eine Versicherungssumme von max. EUR 2.180.185,00 vorsah. Begründete wurde diese mit dem Vorliegen eines Serienschadens. Dies wurde von der Exzedentenversicherung bestritten.
Die Klausel in den zugrundeliegenden Bedingungen (ABHV) lautete wie folgt:
Die Versicherungsnehmerin leidet seit 1998 an einem atypischen Morbus Parkinson. Bei dieser Erkrankung kommt es zu keinen Veränderungen des muskuloskelettalen Apparats. Die Versicherungsnehmerin erlitt 2017 einen spontanen Riss der Peroneussehne. Dieser Riss war zu 100 % auf degenerative Veränderungen zurückzuführen, die aufgrund der mit dem Morbus Parkinson verbundenen Gangstörung bestanden.
Im Verfahren war strittig, ob und in welchem Ausmaß der Versicherer die degenerativen Veränderungen vom Leistungsanspruch abziehen durfte.
Wie ist die Rechtslage?
Der OGH führt in seiner darüber getroffenen Entscheidung vom 6.3.2024, 7 Ob 3/24b aus, dass Art 21.3 UB00 der anwendbaren Bedingungen so zu verstehen sei, dass unfallfremde Krankheiten oder Gebrechen grundsätzlich zur Kürzung des Anspruchs oder zu einem Abzug von der Gesamtinvalidität führen. Dabei werde allein auf die Mitwirkung der Krankheiten oder Gebrechen auf die Unfallfolgen abgestellt, und nicht darauf, ob beim Unfallereignis selbst Vorerkrankungen mitgewirkt haben. Der OGH hatte also zu prüfen, ob eine Leistungskürzung iSd Art 21.3 UB00 auch bei einer Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen an einer versicherten Verletzung vorzunehmen sei. Er bejahte diese Frage, da bereits Art 6.2 UB00 ausdrücklich darauf hinweise, dass hinsichtlich krankhaft abnützungsbedingter Einflüsse Art 21.3 UB00 Anwendung findet.
Im vorliegenden Fall sei die nach Art 6.2 UB00 versicherte Verletzung der Versicherungsnehmerin (Riss der Peroneussehne) zu 100 % durch die vom Morbus Parkinson (Krankheit) verursachten chronisch-degenerativen Veränderungen (Gebrechen) bewirkt. Aufgrund der damit vorliegenden 100%igen Mitwirkung an der versicherten Verletzung – und damit zwingend an einer dadurch hervorgerufenen dauernden Invalidität – bestehe kein Versicherungsschutz.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:
»Vorerkrankungen führen auch dann zur Leistungskürzung bzw zum gänzlichen Entfall des Versicherungsschutzes, wenn diese zwar den Unfall nicht unmittelbar verursacht, diese am Unfall jedoch mitgewirkt haben. Lediglich Vorschäden, die innerhalb des altersbedingten Normzustands liegen, führen zu keiner Leistungskürzung.«
https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.png00Stefanie Taborskyhttps://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.pngStefanie Taborsky2024-05-28 12:19:112024-05-28 12:19:11Abzug für Vorerkrankungen in der Unfallversicherung
Bei einer Steuerberatungsgesellschaft (Klägerin) kam es infolge eines unwirksam eingebrachten Schriftsatzes beim Finanzamt zu einem Haftungsfall mit einem Schaden von insgesamt EUR 766.952,19. In dieser Sache vertrat die Klägerin gleich mehrere Anleger, da es sich in allen Verfahren um den gleichen Grundsachverhalt handelte. Es wurden Berufungen angemeldet, die Begründung dafür sollte nachgereicht werden. Dazu bediente sich die Klägerin zur weiteren Begründung der einzelnen Rechtsmittel der Anleger eines Schriftsatzes, welcher mittels Email an das Finanzamt übermittelt wurde.
Nachdem die Übertragung fehlerhaft war, wurden die Berufungsverfahren zu Lasten der Anleger eingestellt. Bei ordnungsgemäßer Einbringung der Rechtsmittel wäre das nicht passiert und wäre es nicht zum Schadensfall gekommen.
Die Klägerin meldete den Schadensfall ihrer Berufshaftpflichtversicherung (Grundversicherung – Nebenintervenientin), die einen Deckungsumfang zu einer Versicherungssumme von EUR 250.000 pro Versicherungsfall vorsah. Anschießend begehrte die Klägerin als Kammermitglied die Bezahlung des Differenzbetrages aus einem von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder abgeschlossenen Exzedentenversicherungsvertrages, welcher eine Versicherungssumme von max. EUR 2.180.185,00 vorsah. Begründete wurde diese mit dem Vorliegen eines Serienschadens. Dies wurde von der Exzedentenversicherung bestritten.
Die Klausel in den zugrundeliegenden Bedingungen (ABHV) lautete wie folgt:
Wie ist die Rechtslage?
In der Entscheidung 7 Ob20/24b hatte sich der OGH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Tätigkeit der Klägerin, die für die einzelnen Anleger im jeweils individuell geschlossenen Bevollmächtigungsvertrag begründet war, aufgrund des Übermittlungsfehlers des Schriftsatzes einen einheitlichen Versicherungsfall oder aber mehrere Versicherungsfälle darstellen.
Der OGH ist zum Ergebnis gekommen, dass gegenständlich zwar nicht Punkt 2.2.1 der ABHV zur Anwendung kommt, da nicht von einem einzelnen Verstoß im Sinne der Versicherungsbedingungen gesprochen werden kann. Den Verstößen liegt nach Ansicht des OGH aber die selbe Ursache zugrunde, weshalb Punkt 2.2.2 der ABHV zu tragen kommt.
Voraussetzung für einen Serienschaden sei es mit Verweis auf höchstgerichtliche Rechtsprechung nämlich, dass Ursachenidentität vorliegt, somit alle Verstöße auf einer einzigen gleichen Ursache beruhen. Vereinfacht gesagt, als würde man die Ursache lediglich multiplizieren, ohne dass es zu selbstständigen Umsetzungsvorgängen kommt.
Die Ursache der Verstöße liegt in diesem Sachverhalt darin, dass die Klägerin die Berufungen einzelner Mandanten in einem einzigen Schriftsatz zusammenfasste und in einem einzigen Übermittlungsvorgang verschickte. Dies stellt einen einzigen Umsetzungsvorgang und somit einen Serienschaden dar. Folglich ist nun die Versicherungssumme des Grundversicherers in der Höhe von EUR 250.000 für diesen Versicherungsfall ausgeschöpft und der Exzedentenversicherer aufgrund des Serienschadens daher für die weitere Laufstrecke verantwortlich.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:
»Ein Serienschaden kann auch dann vorliegen, wenn mehrere Verstöße aus individuellen Verträgen auf einer einzigen gleichen Ursache beruhen.«
https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.png00Stefanie Taborskyhttps://weinrauch-rechtsanwaelte.at/wp-content/uploads/2019/10/logo-alternativ-transparent-02.pngStefanie Taborsky2024-05-22 12:55:032024-05-22 12:55:39Serienschadenklauseln in Haftpflichtversicherungsverträgen