Was ist passiert?

Zwischen dem Versicherungsnehmer (Eigentümer eines Wohnhauses in Hanglage auf 920 Meter Seehöhe) und dem Versicherer bestand ein Gebäudeversicherungsvertrag, der unter anderem die Gefahren Sturm, Hagel und Schneedruck umfasste. Die Versicherungsbedingungen lauten auszugsweise wie folgt:

»Artikel 1
Versicherte Gefahren und Schäden
1. Versicherte Gefahren
[…]
1.2. Hagel; Hagel ist ein wetterbedingter Niederschlag in Form von Eiskörnern.
1.3. Schneedruck; Schneedruck ist die Kraftwirkung durch natürlich angesammelte ruhende Schnee- oder Eismassen.
[…]
2. Versicherte Schäden
Versichert sind Sachschäden, die
2.1. durch die unmittelbare Einwirkung einer versicherten Gefahr (Schadenereignis) eintreten.
[…]
2.2. als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses eintreten;
[…]
Artikel 2
Nicht versicherte Schäden
Nicht versichert sind, auch nicht als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses:
[…]
4. Schäden durch Wasser und dadurch verursachten Rückstau.
Schäden durch Schmelz- oder Niederschlagswasser sind aber versichert, wenn das Wasser dadurch in ein Gebäude eindringt, dass feste Baubestandteile oder ordnungsgemäß verschlossene Fenster oder Außentüren durch ein Schadenereignis beschädigt oder zerstört wurden.«

Am 16.08.2021 ereignete sich ein schweres Gewitter mit Hagelschlag. Der Hagel sammelte sich auf dem Gelände und rutschte dann als eine gesammelte Masse (diese enthielt auch Hangwasser) den Hang hinunter auf das Anwesen des Versicherungsnehmers zu. Die Masse füllte den Kellerabgang. Der äußere Füllstand an der Außentreppe übte Druck auf die Kellertür aus. Das Türblatt verformte sich, die Tür versagte, und das Wasser/Schmelzwasser drang ungehindert in die Kellerräume ein und verursachte dort Schäden. Das Versagen der Tür trat kurz nach der Füllung mit der vorwiegend festen (Hagel-)Masse bei steigendem Porenwasserdruck durch Abschmelzung ein.

Der Versicherungsnehmer forderte von der Versicherung Deckung für die Schäden durch den Wassereintritt. Der Versicherer lehnte ab. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

Der OGH führte in seiner Entscheidung vom 19.02.2025, Aktenzeichen: 7 Ob 214/24g, zunächst aus, dass die Gefahr „Schneedruck“ (Art 1.1.3) definiert ist, als Krafteinwirkung durch natürlich angesammelte ruhende Schnee- oder Eismassen. Im vorliegenden Fall sei die Hagel- und Schmelzwassermasse innerhalb kürzester Zeit über den Hang abgerutscht. Sie sei lediglich durch das Hindernis der Kellertür kurz zum Stillstand gekommen, bevor sie diese eindrückte. Dies sei nicht mit den normalen, mit freiem Auge nicht erkennbaren Kriech- und Gleitvorgängen einer ansonsten ruhenden Schnee- bzw. Eisdecke vergleichbar. Im vorliegenden Fall stelle daher diese Masse keine „ruhende Schnee- oder Eismasse“ im Sinne des Schneedruck-Begriffs dar.

Zur unmittelbaren Einwirkung (Art 1.2.1) der Gefahr „Hagel“ (Art 1.1.2) führte der OGH aus, dass die spezifische Gefahr des Hagels im Aufprall der fallenden Eiskörner liege. Sobald der Hagel auf der Erde liegt, bestehe diese Gefahr nicht mehr. Der gegenständliche Schaden sei nicht durch den Aufprall des Hagels, sondern erst durch die in Bewegung geratene Masse (Hagel und Schmelzwasser) und deren Eindringen entstanden. Im vorliegenden Fall liege daher keine unmittelbare Einwirkung durch Hagel vor.

Schäden durch Schmelz- oder Niederschlagswasser seien nur versichert, wenn das Wasser eindringt, weil feste Baubestandteile (hier: die Außentür) durch ein Schadenereignis beschädigt oder zerstört wurden. Der Begriff „Schadenereignis“ sei in den Bedingungen als Schaden definiert, der durch die unmittelbare Einwirkung einer versicherten Gefahr eintritt.

Voraussetzung für die Deckung für Schäden durch Schmelz- oder Niederschlagswasser wäre nach Ansicht des OGH gewesen, dass die Tür durch die unmittelbare Einwirkung der versicherten Gefahr „Hagel“, somit durch Aufprall der fallenden Eiskörner, beschädigt wurde. Da dies auf den gegenständlichen Fall gerade nicht zutrifft, greife der Wiedereinschluss von Schmelz- oder Niederschlagswasserschäden nicht.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Der Schaden durch den Hangrutsch von Hagel und Schmelzwasser ist im vorliegenden Fall nicht vom Versicherungsschutz gedeckt, da der Hagel weder eine ruhende Eismasse (Schneedruck) darstellt, noch der Wassereintritt eine unmittelbare Einwirkung des Hagels war. Da die Außentür nicht direkt durch den Aufprall von Hagelkörnern beschädigt wurde, greift auch der enge Wiedereinschluss für Schmelz- und Niederschlagswasser nicht, wodurch es beim generellen Ausschluss für solche Wasserschäden bleibt.«

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer musste infolge einer Krebsoperation im Jahr 2010 dauerhaft über eine Perkutane Endoskopische Gastrostomie-Sonde (PEG-Sonde) ernährt werden. Im Jahr 2022 buchte er eine Reise nach Miami und schloss zugleich eine Reiseversicherung ab.

Die Versicherungsbedingungen lauten auszugsweise wie folgt:

»III. ALLGEMEINER TEIL […]
6.1. Kein Versicherungsschutz besteht:
a) wenn der Eintritt des Schadensfalls vorhersehbar oder zur Zeit des Abschlusses des Versicherungsvertrags bereits eingetreten war;[…]
IV. BESONDERER TEIL[…]
1.1. Versicherungsfall ist eine plötzlich auftretende akute Erkrankung oder ein Unfall oder der Eintritt des Todes des Versicherten während einer versicherten Reise.
1.2. Im Versicherungsfall deckt der Versicherer bis zur Versicherungssumme die unaufschiebbaren, grundlegenden, unvermeidbaren und tatsächlich angefallenen medizinisch notwendigen Behandlungskosten […]
2. Was ist nicht versichert?
2.1. Zusätzlich zu den im Allgemeinen Teil der VB-RV dargelegten Ausschlüssen besteht keine Versicherungsleistung der medizinischen Kosten: […]
b) wenn die medizinische Versorgung der Behandlung einer Krankheit dient, die innerhalb von 12 Monaten vor dem Vertragsabschluss bestand und/oder die vor Antritt der versicherten Reise aufgetreten ist; dieser Ausschluss betrifft nicht Kosten, die für Maßnahmen der Lebenserhaltung notwendig sind;[…].
«

Während der Reise kam es in den USA zu einer Fehlfunktion der Sonde, weshalb der Versicherungsnehmer in einem örtlichen Krankenhaus behandelt werden musste. Er klagte seinen Versicherer daraufhin auf Deckung der entstandenen Behandlungskosten. Der Versicherer argumentierte vor Gericht, dass die Fehlfunktion der PEG-Sonde keine akute Erkrankung, sondern die Folge einer bereits seit Jahren bestehenden Krankheit sei.

Der Oberste Gerichtshof hatte zu klären, ob der Ausfall eines implantierten Heilbehelfs als versicherter Krankheitsfall anzusehen ist.

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung 7 Ob 32/25v vom 7. Mai 2025 führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass zwischen primärer Risikoabgrenzung – also der Definition, welche Ereignisse grundsätzlich gedeckt sind (hier: plötzlich auftretende akute Erkrankung oder Unfall) – und sekundärer Risikoabgrenzung, die über Ausschlussklauseln bestimmte Teilrisiken von der Deckung ausnimmt (etwa chronische Erkrankungen oder vorhersehbare Ereignisse), zu unterscheiden ist. Entscheidend war daher die Frage, ob der Ausfall der PEG-Sonde eine „plötzlich auftretende akute Erkrankung“ darstellt oder bloß eine Folge der bekannten Grunderkrankung ist.

Nach Ansicht des OGH liegt eine Erkrankung dann vor, wenn ein anomaler körperlicher Zustand mit einer nicht unerheblichen Funktionsstörung einhergeht. Der Versicherungsnehmer litt zwar an einer chronischen Erkrankung, diese war jedoch durch die funktionierende PEG-Sonde ausgeglichen. Der Ausfall der Sonde führte plötzlich dazu, dass er nicht mehr ernährt werden konnte. Darin liegt – aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers – ein neuer, plötzlich auftretender Krankheitszustand, der unabhängig von der ursprünglichen Erkrankung zu bewerten ist.

Der OGH stellte daher klar: Der Defekt eines in den Körper integrierten Heilbehelfs, der zu körperlichen Beeinträchtigungen führt, gilt als plötzlich auftretende Erkrankung im Sinn der Versicherungsbedingungen. Der Eintritt dieses Zustands war weder vorhersehbar noch bloß Ausdruck der bestehenden Krankheit. Der Versicherer hatte daher zu decken.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Der OGH stellt in dieser Entscheidung klar, dass der Ausfall eines medizinischen Hilfsmittels, das eine chronische Erkrankung kompensiert, als neuer akuter Krankheitsfall zu qualifizieren sein kann. Entscheidend ist, ob der Ausfall zu einem plötzlichen körperlichen Defizit führt, das unabhängig von der Grunderkrankung besteht.«

OGH 6 Ob 155/24y

Was ist passiert?

Zwei Hauseigentümer bewohnen ein Reihenhaus mit Balkon und Garten. Direkt angrenzend errichtete eine Immobilienfirma ein Mietshaus mit mehreren mittlerweile vermieteten Wohneinheiten. Immer wieder drang von dort Zigarettenrauch auf das Nachbargrundstück, etwa durch offene Fenster, vom Balkon oder aus dem Garten. Die Hauseigentümer fühlten sich davon erheblich gestört und forderten, dass das Rauchen zu bestimmten Tageszeiten unterlassen wird. Der Streit darüber gelangte schließlich bis an den Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

Nicht körperliche Einwirkungen von Nachbarn wie Rauch, Lärm oder Gerüche sind nach
§ 364 Abs 2 ABGB dann unzulässig, wenn sie das ortsübliche Maß überschreiten und zugleich die Nutzung des eigenen Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Beide Voraussetzungen müssen gemeinsam vorliegen.

Der OGH stellte in seiner Entscheidung zu 6 Ob 155/24y klar, dass das Rauchen auf dem eigenen Balkon nicht automatisch als ortsunüblich oder unzumutbar einzustufen ist. Vielmehr ist stets im Einzelfall zu beurteilen, wie intensiv, wie lange und wie häufig die Beeinträchtigungen auftreten, und wie die Wohnungen zueinander liegen.

Ob eine Immission ortsunüblich ist, lässt sich dabei nicht allein anhand von Statistiken oder Einzelfallberichten beurteilen. Auch normative Überlegungen spielen eine Rolle – etwa, ob sich das Verhalten nach allgemeiner Lebenserfahrung in das Umfeld einer dicht bebauten Wohngegend einfügt. Tabakkonsum auf Balkonen oder bei offenen Fenstern ist gesellschaftlich nach wie vor verbreitet. Auch in städtischen Wohnanlagen ist davon auszugehen, dass im Inneren der Wohnung oder im Freien geraucht wird. Allein der Umstand, dass Geruch entsteht, reicht nach Ansicht des OGH jedenfalls nicht aus, um Ortsunüblichkeit anzunehmen. Entscheidend ist, ob sich die konkrete Geruchsentwicklung in Dauer, Intensität und Wirkung auf das Nachbargrundstück noch in einem vertretbaren, weil üblichen Rahmen hält.

Bei der Frage, ob eine Beeinträchtigung unzumutbar ist, ist zusätzlich ein objektiver Maßstab anzulegen. Maßgeblich ist nicht das persönliche Empfinden der betroffenen Nachbarn, sondern das eines durchschnittlichen Menschen unter den konkreten örtlichen Gegebenheiten. Gleichzeitig ist der gebotene Interessenausgleich zwischen den Parteien zu berücksichtigen.  Ein gewisses Maß an gegenseitiger Rücksichtnahme und Toleranz muss zumutbar sein und liegt im Rahmen des sozial Verträglichen. Nicht jede als unangenehm empfundene Einwirkung ist rechtlich unzulässig.

Im konkreten Fall ergab sich, dass die Rauchimmissionen durchschnittlich weniger als 15 Minuten pro Tag dauerten. Die Intensität schwankte, die Gerüche waren nicht durchgehend wahrnehmbar und traten wetterabhängig auf. Das reichte nach Ansicht des OGH nicht aus, um ein gesetzliches Verbot zu begründen. Gerade unregelmäßig wiederkehrende oder spontan auftretende Geruchseinwirkungen wie sporadischer Zigarettenrauch rechtfertigen keinen Unterlassungsanspruch, solange deren Dauer und Intensität gering bleiben.

Ein generelles Rauchverbot oder bloß die Festlegung von „rauchfreien Zeiten“ kam hier somit nicht in Betracht, da keine objektiv unzumutbare Störung vorlag. Dabei wich der OGH ausdrücklich von der strengeren Linie des deutschen Bundesgerichtshofs ab, die bereits eine Zigarette als potenziell unzumutbare Belästigung ansieht.

Schlussfolgerung

Wer in einer Wohngegend gelegentlich auf dem Balkon oder im Garten raucht, darf dies grundsätzlich tun, auch wenn der Rauch auf Nachbargrundstücke zieht. Ein Verbot ist nur dann möglich, wenn die Geruchseinwirkungen regelmäßig, intensiv und unzumutbar sind. Entscheidend ist nicht das persönliche Empfinden, sondern das eines durchschnittlichen Menschen unter den jeweiligen Umständen. Mit dieser Entscheidung betont der OGH wiederholt den Grundsatz, dass gewisse Beeinträchtigungen im nachbarschaftlichen Zusammenleben hinzunehmen sind.

Was ist passiert?

Die Klägerin ist bei der Beklagten rechtsschutzversichert. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung 2018 (ARB 2018) zugrunde. Im Jahr 2018 mietete die Klägerin eine Wohnung, die sie zeitweise mit ihren zwei Söhnen bewohnte. Nach ihrem Auszug schlossen ihre beiden Söhne mit demselben Vermieter einen neuen Mietvertrag ab. Die Klägerin ließ ihre ursprüngliche Kaution in der Höhe von EUR 2.400,00 zugunsten ihrer Söhne beim Vermieter.

Nach Beendigung des Mietverhältnisses behielt der Vermieter einen Großteil der Kaution wegen angeblicher Schäden ein. Die Klägerin wollte diesen Betrag zurückfordern und beantragte hierfür eine Deckung aus ihrer Rechtsschutzversicherung. Die Rechtsschutzversicherung lehnt mit der Begründung ab, dass die Söhne einerseits nicht mitversichert seien und dass ein Mietverhältnis über eine unbewegliche Sache nicht unter den Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz falle. Die Klägerin brachte hingegen vor, sie habe durch das Belassen ihrer Barkaution als Drittpfandbestellerin einen Pfandbestellungsvertrag abgeschlossen, weshalb ihr ein Rückforderungsanspruch zustehe, für den die Beklagte Deckung zu gewähren habe. Sowohl Erst- als auch Berufungsgericht gaben der Klägerin Recht. Der OGH bestätige diese Entscheidungen und wies die Revision der Versicherung ab.

Wie ist die Rechtslage?

Nach Art 2.3. ARB 2018 gilt als Versicherungsfall der behauptete Verstoß gegen Rechtspflichten – hier also die von der Klägerin behauptete unberechtigte Einbehaltung der Kaution durch den Vermieter. Maßgeblich ist nicht, ob die Klägerin den Pfandvertrag als Drittpfandbestellerin tatsächlich beweisen kann, sondern ob ein solcher schlüssig behauptet wird. Die Prüfung der Erfolgsaussichten darf im Deckungsprozess nicht vorweggenommen werden.

Ein Pfandbestellungsvertrag über Bargeld betrifft eine bewegliche Sache iSd § 293 ABGB. Der Anspruch auf Rückzahlung nicht verbrauchter Kautionsbeträge ist daher ein schuldrechtlicher Anspruch über bewegliche Sachen iSd Art 23 ARB 2018 – damit fällt er unter den Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz

Schlussfolgerung

Der OGH hat klargestellt, dass für die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung nicht entscheidend ist, ob im Hauptprozess tatsächlich ein Pfandbestellungsvertrag vorliegt. Es genügt, dass der Versicherungsnehmer schlüssig einen solchen Vertrag behauptet und daraus Ansprüche ableitet. Die Prüfung der Erfolgsaussichten des Hauptprozesses darf im Deckungsprozess nicht vorweggenommen werden. Zudem stellte der OGH fest, dass ein Pfandbestellungsvertrag über Bargeld eine bewegliche Sache betrifft und damit vom Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz gedeckt ist – auch wenn die Kaution im Zusammenhang mit einem Mietverhältnis über eine unbewegliche Sache steht.

Was ist passiert?

Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer bestehen zwei Unfallversicherungsverträge. Einem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 1989) zugrunde, dem anderen Versicherungsvertrag die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 2015, Fassung 02/2016). Die AUVB 1989 lauten auszugsweise wie folgt:

»Artikel 17
Ausschlüsse
Ausgeschlossen von der Versicherung sind Unfälle
[…]
9. die der Versicherte infolge einer Bewußtseinsstörung erleidet, oder infolge einer wesentlichen Beeinträchtigung seiner psychischen Leistungsfähigkeit durch Alkohol, Suchtgifte oder Medikamente; […]“
 
Die AUVB 2015, Fassung 02/2016, lauten auszugsweise wie folgt:
 
„Artikel 15
Ausschlüsse
In welchen Fällen zahlen wir nicht?
[…]
8. die die versicherte Person infolge einer wesentlichen Beeinträchtigung seiner psychischen oder physischen Leistungsfähigkeit durch Alkohol, Suchtgifte oder Medikamente erleidet; […]“
«

Am 19.02.2023 konsumierte der Versicherungsnehmer auf einem Faschingsball alkoholische Getränke. Sein Blutalkoholwert betrug 1,9 Promille. Wegen seiner Alkoholisierung hat sich der Versicherungsnehmer dazu entschieden, auf einen etwa 1,10 bis 1,20 m hohen und etwa 60 bis 80 cm breiten Stehtisch zu klettern, um darauf zu tanzen. Beim nachfolgenden Sprung auf den Boden verletzte er sich. Der Versicherungsnehmer begehrte vom Versicherer die Zahlung von EUR 53.313,51 als Versicherungsleistung aus diesem Ereignis.

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 25.06.2025, Aktenzeichen 7 Ob 100/25v, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass der – einem verständigen Versicherungsnehmer ohne weiteres erkennbare – Sinn der gegenständlichen Ausschlussklauseln darin liege, solche Unfälle vom Versicherungsschutz auszunehmen, die Folge einer beim Versicherten schon vor dem Unfall vorhandenen, gefahrerhöhenden Beeinträchtigung und sich daraus ergebenden Einschränkung sind.

Die Bewusstseinsstörung oder Beeinträchtigung müsse, um einen Ausschluss von der Versicherung zu begründen, den Unfall verursacht haben, zumindest aber mitursächlich gewesen sein.

Die Grenzwerte der Alkoholisierung, ab dem der Ausschlusstatbestand der wesentlichen Beeinträchtigung der psychischen Leistungsfähigkeit erfüllt ist, seien verschieden, je nachdem, ob der Versicherte etwa Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger ist.

Wenn der Blutalkohol allein für die Annahme des Ausschlussgrundes noch nicht ausreicht, sei der Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung der psychischen Leistungsfähigkeit danach zu bemessen, ob der Versicherte noch in der Lage ist, mit der jeweiligen Situation, in der er sich in der Zeit des Unfalls befindet, einigermaßen zurechtzukommen.

Im vorliegenden Fall kam der OGH zum Ergebnis, dass der Versicherungsnehmer aufgrund seiner Alkoholisierung die Herausforderungen seines Sprungs an eine (erhöhte) Aufmerksamkeit und die – sich dann auch verwirklichende – Gefahr unterschätzt habe, in alkoholisiertem Zustand von einem Tisch zu springen und sturzfrei zu landen. Daraus folge die (Mit-)Ursächlichkeit der durch Alkohol beeinträchtigten Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers am Unfall. Nach Ansicht des OGH haben sich daher die beiden oben dargestellten – vom Versicherer zu beweisende – Ausschlussgründe verwirklicht.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Der Grenzwert des Alkoholisierungsgrades, ab dem eine wesentliche Beeinträchtigung der psychischen Leistungsfähigkeit vorliegt, hängt davon ab, ob die vom alkoholisierten Versicherungsnehmer ausgeübte Tätigkeit besondere Anforderungen an die Aufnahmefähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsfähigkeit stellt oder nicht.«

Was ist passiert?

Eine Versicherungsnehmerin erwarb 2008 einen Katamaran und schloss mit einem Konsortium von Versicherern einen Kaskoversicherungsvertrag über EUR 2,12 Mio. ab. Im Versicherungsvertrag wurde u. A. der Skipper des Katamarans als „authorised person in the event of loss“ benannt.

Im Jahr 2012 löste sich der Katamaran aufgrund starken Winds und Seegangs von seinem Liegeplatz in einem Hafen, strandete am felsigen Ufer und wurde beschädigt. Rettungsmaßnahmen wären in der ersten Stunde möglich gewesen, wurden jedoch nicht gesetzt. Die Versicherungsnehmerin verlangte daraufhin Versicherungsleistung. Die Versicherer verweigerten die Deckung und beriefen sich auf Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Skipper, Verletzung der Schadenminderungspflicht sowie unrichtiger Angaben in der Schadensmeldung.

Die Versicherungsbedingungen lauten auszugsweise:

»§ 6 Ausschlüsse
Der Versicherer leistet keinen Ersatz für […]
b) Schäden, die der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat […]
§ 10 Obliegenheiten im Versicherungsfall
[…]
2. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, aus eigener Initiative alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, die zur Abwendung und Minderung des Schadens als geeignet in Betracht kommen. […].«

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 21.05.2025, Geschäftszahl 7 Ob 24/25t, führte der OGH zunächst aus, dass die in Deutschland entwickelte Repräsentantenhaftung in Österreich nicht zur Anwendung gelangt. Einem Versicherungsnehmer wird das Verhalten eines Dritten nur zugerechnet, wenn er diesen ausschließlich zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses gegenüber dem Versicherer bevollmächtigt hat. Wer bloß die Obhut über die versicherte Sache ausübt, erfüllt diese Voraussetzung nicht. Für die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls § 61 VersVG oder die Verletzung der Schadenminderungspflicht § 62 VersVG kam daher keine Zurechnung in Betracht.

Der OGH kam daher zu dem Schluss, dass der Skipper nicht Vertreter der Versicherungsnehmerin im Versicherungsverhältnis war, sondern lediglich Nutzer des Katamarans. Die Versicherer waren daher nicht wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Skipper oder Verletzung der Schadenminderungspflicht leistungsfrei.

In Hinblick auf eine etwaige Aufsichtspflichtverletzung des Skippers verwies der OGH die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Unterinstanzen zurück.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»In Österreich wird das Verhalten eines Dritten dem Versicherungsnehmer für die Beurteilung der Frage, ob ein Schaden vorsätzlich oder grob schuldhaft herbeigeführt wurde oder eine Verletzung der Schadenminderungspflicht besteht, nur dann zugerechnet, wenn dieser ausschließlich als Vertreter des Versicherungsnehmers zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses gegenüber dem Versicherer bestellt wurde. Für die Zurechnung ist es nicht ausreichend, wenn die dritte Person nur die Obhut über die Sache hat

Was ist passiert?

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine private Unfallversicherung abgeschlossen. Vertragsgrundlage waren die AUVB 2018, die eine Kapitalleistung bei dauernder Invalidität vorsehen, deren Höhe sich aus der vereinbarten Versicherungssumme und dem Invaliditätsgrad nach einer Gliedertaxe errechnet. Der Kläger begehrt die Auszahlung der vereinbarten Versicherungssumme von 75.000 EUR mit der Begründung, dass er verschiedene gesundheitliche Beschwerden habe und aufgrund einer Borreliose-Erkrankung an beiden Seiten Hüftprothesen bekam, womit eine Bewegungseinschränkung vorliegen würde.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unschlüssigkeit ab, weil sich aus den Behauptungen des Klägers nicht ergibt, welche körperlichen oder geistigen Funktionsfähigkeiten beeinträchtigt seien und das Vorbringen, der Kläger leide an „entsprechenden dauernden Beeinträchtigungen des Bewegungsapparats“ unsubstantiiert ist und sich die Berechnung des Klagebetrags nicht nachvollziehen lässt. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Der Kläger erhob dagegen außerordentliche Revision, welche vom OGH in der Entscheidung 7 Ob 124/25y zurückgewiesen wurde.

Wie ist die Rechtslage?

Eine private Unfallversicherung im Sinne der §§179 ff VersVG dient der Abdeckung der wirtschaftlichen Folgen von Unfällen, insbesondere im Falle einer dauernden Invalidität. Grundlage der Leistungspflicht ist die vertraglich vereinbarte Gliedertaxe oder – falls diese nicht anwendbar ist – die Bestimmung nach dem Grad der Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit. Damit ein Leistungsanspruch schlüssig geltend gemacht werden kann, muss der Kläger konkret vorbringen, welche Körperteile oder Sinnesorgane betroffen sind, in welcher Weise deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigt ist oder in welchem Ausmaß die allgemeine körperliche bzw. geistige Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Erst aufgrund dieses Vorbringens ist – etwa mittels Sachverständigenbeweises – zu klären, ob die konkret behaupteten Beeinträchtigungen tatsächlich vorliegen. Für die Schlüssigkeit in der Klage genügt, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann.

Im konkreten Fall behauptete der Kläger nach Ansicht des OGH weder einen Kausalzusammenhang zwischen Zeckenbiss, Borreliose und konkreter Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Funktionsfähigkeit, noch deren Dauerhaftigkeit und erstattete auch kein Vorbringen dazu, welche Körperteile und/oder Sinnesorgane davon wie betroffen sind. Eine notwendige Aufschlüsselung zur geltend gemachten Invaliditätsleistung erfolgte ebenso wenig. Dem Argument, dass es sich bei der Versicherungssumme von EUR 75.000 um einen Fixbetrag handelt, dies losgelöst vom Invaliditätsgrad, wurde nicht gefolgt.

Schlussfolgerung

Bei der gerichtlichen Geltendmachung von Leistungen aus der Dauerinvalidität muss substantiiert dargelegt werden, welche konkreten körperlichen Beeinträchtigungen vorliegen und wie diese nach den Versicherungsbedingungen zu qualifizieren sind. Allgemeine Hinweise auf gesundheitliche Folgeschäden genügen nicht. Die vereinbarte Versicherungssumme stellt keinen Fixbetrag, sondern lediglich die Obergrenze dar, sodass die tatsächliche Leistung vom vorliegenden Invaliditätsgrad abhängt. Unterlässt der Kläger eine solche Konkretisierung, ist die Klage als unschlüssig abzuweisen.

Was ist passiert?

Zwischen einem Ehepaar und einem Versicherer bestand ein Sachversicherungsvertrag für eine Liegenschaft. Die Ehegatten waren je zur Hälfte Eigentümer der versicherten Liegenschaft. Der Ehegatte verstarb am 24.05.2022. Die hinterbliebene Ehegattin war mit einem Drittel (= 3/9), die drei Töchter waren mit je 2/9 als gesetzliche Erben berufen.

Mit einem Übergabsvertrag vom 16.09.2022 erwarb eine Tochter den Hälfteanteil ihrer hinterbliebenen Mutter an der Liegenschaft. Dadurch wurde diese Tochter Hälfteeigentümerin.

Später, am 27.06.2023, erwarb diese Tochter durch einen „Erbschaftskauf“ die 3/9-Anteile ihrer hinterbliebenen Mutter an der Verlassenschaft ihres Vaters, wodurch sie – zusätzlich zu ihrer eigenen Erbquote von 2/9 – zu 5/9 zur Erbin berufen war. In einem „Erbübereinkommen“ vom 28.09.2023 mit ihren Schwestern, die Miterbinnen zu je 2/9 waren, übernahm die eine Tochter die verbleibenden Liegenschaftsanteile gegen eine Zahlung und wurde somit Alleineigentümerin der Liegenschaft.

Die Tochter kündigte daraufhin am 23.10.2023 den Sachversicherungsvertrag, gestützt auf § 70 Abs 2 VersVG. Sie argumentierte, dass sie durch den Erwerb des Eigentums an der Liegenschaft ein solches Kündigungsrecht erworben habe. Der Versicherer lehnte die Kündigung ab. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH), vor welchem die Tochter die Feststellung begehrte, dass der Versicherungsvertrag infolge ihrer Kündigung nicht mehr besteht.

Wie ist die Rechtslage?

§ 70 Abs 2 VersVG, der ein Kündigungsrecht bei Veräußerung einer versicherten Sache vorsieht, lautet auszugsweise wie folgt:

»Der Erwerber ist berechtigt, das Versicherungsverhältnis zu kündigen; […]. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monates nach dem Erwerb ausgeübt wird; […]«

Der OGH führte in seiner Entscheidung vom 19.03.2025, Geschäftszahl: 7 Ob 5/25y, zunächst aus, dass § 70 Abs 2 VersVG nur bei einer sogenannten Einzelrechtsnachfolge zur Anwendung kommt. Der Erwerb von Vermögenswerten im Wege der sogenannten Gesamtrechtsnachfolge falle hingegen nicht unter diese Regelung.

Im vorliegenden Fall erwarb die Tochter zunächst den Hälfteanteil ihrer Mutter durch einen Übergabsvertrag. Bei einem solchen Erwerbsvorgang handle es sich zwar um eine Einzelrechtsnachfolge. Dies allein begründe allerdings kein Kündigungsrecht, da dieses erst bei einem Erwerb im Sinne des § 70 VersVG von mehr als 50% der Anteile zusteht. Die restlichen Anteile an der Liegenschaft erwarb die Tochter durch den „Erbschaftskauf“ und das „Erbübereinkommen“. Nach Ansicht des OGH sind diese Akte als Gesamtrechtsnachfolge zu qualifizieren, weshalb der Tochter auch kein Kündigungsrecht zukam.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Das Kündigungsrecht nach § 70 Abs 2 VersVG gilt ausschließlich für die Einzelrechtsnachfolge, also beispielsweise bei Kauf- und Übergabsverträgen. Eine analoge Anwendung auf die Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen einer Erbschaft scheidet aus, da die zugrundeliegende Interessenlage und der Zweck der Regelung – der Schutz des freiwillig eintretenden Erwerbers – bei einer Erbschaft nicht gegeben sind

Was ist passiert?

Die Versicherungsnehmer, seit 1971 krankenversichert beim Versicherer, widersprachen einer im März 2023 angekündigten Prämienerhöhung von 19,1 %. Sie sahen diese Anpassung als vertrags- und gesetzwidrig an, weil die Begründung unzureichend sei und die Anpassungsklausel gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG sowie § 879 ABGB verstoße. Sie begehrten daher, die Versicherung möge zur Unterlassung der Prämienerhöhung verpflichtet werden.

Der Versicherer hielt dagegen, dass die Anpassung auf Grundlage des § 178f VersVG rechtmäßig erfolgt sei, das KSchG nicht anwendbar wäre und dass das VersVG keinen Unterlassungsanspruch vorsehe. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

§ 178f VersVG bestimmt die Voraussetzungen für Prämien- und Leistungsanpassungen in der Krankenversicherung. § 178g VersVG räumt Unterlassungsansprüche ausdrücklich nur bestimmten Verbänden, etwa dem VKI oder der Arbeiterkammer, ein, nicht jedoch dem einzelnen Versicherungsnehmer. In seiner Entscheidung vom 07.08.2025, Geschäftszahl: 7 Ob 117/25v, kam der OGH daher zum Ergebnis, dass es dem Versicherungsnehmer zwar frei stehe, sich gegen gesetzwidrige Anpassungen zu wehren, dies jedoch nicht mit einer Unterlassungsklage, sondern nur mit einem Feststellungs- oder Zahlungsbegehren auf Rückzahlung vermeintlich zu viel bezahlter Prämien.

Eine Unterlassungsklage setze einen noch drohenden oder künftigen Eingriff voraus. Da die Prämienerhöhung im konkreten Fall bereits ausgesprochen war, konnte eine Unterlassung diese Erklärung nicht rückgängig machen. Die Unterlassungsklage der Versicherungsnehmer war daher abzuweisen.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Die Entscheidung verdeutlicht, dass bei Krankenversicherungen individuelle Unterlassungsansprüche der Versicherungsnehmer gegen bereits ausgesprochene Prämienerhöhungen nicht bestehen. Dieses Instrument steht ausschließlich Verbänden nach § 178g VersVG zu. Einzelne Versicherungsnehmer müssen stattdessen zu Feststellungs- oder Zahlungsbegehren greifen, wenn sie eine Anpassung für unrechtmäßig halten. Eine bereits ausgesprochene Prämienanpassung kann daher nicht rückwirkend durch Unterlassung beseitigt werden

Was ist passiert?

Ein Versicherungsunternehmen schließt als Unternehmer regelmäßig mit Verbrauchern Versicherungsverträge ab. Diesen Vertragsabschlüssen legt der Versicherungsträger nachfolgende Klausel in § 16 Abs 11 ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Erlebens- und Rentenversicherungen („AVB“) als Allgemeine Geschäftsbedingung zugrunde. Diese lauten Auszugsweis wie folgt:

»(11)
[…]
Sinkt der jährliche Gewinnanteilsatz unter das für die Bonusrente erforderliche Ausmaß, so werden die Bonusrente und die Bonusrentenanteile nach festgelegten versicherungsmathematischen Grundsätzen gekürzt.“ […]
«

Der OGH hatte in einem Verbandprozess über die Zulässigkeit der vom Versicherungsunternehmen verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nunmehr zu entscheiden, ob die Klausel im Verbrauchergeschäft angewendet werden darf oder  intransparent und somit unzulässig ist.

Wie ist die Rechtslage?

Der Oberste Gerichtshof (OGH) stellte in seiner Entscheidung 7 Ob 3/25d vom 21.05.2025 zunächst fest, die Verwendung des Begriffs „versicherungsmathematische Grundsätze“ ist zulässig, weil es sich dabei um einen in der Versicherungswirtschaft gängigen Fachbegriff handle, der auch in gesetzlichen Regelungen verwendet wird. Die Klausel stelle klar, dass es zu Anpassungen der Bonusrente kommen könne, wenn sich die Gewinnsituation des Versicherers ändere. Dass dabei keine konkreten Berechnungsparameter genannt würden, sei unschädlich, weil diese – angesichts der Komplexität und der künftigen Ungewissheit – naturgemäß nicht abschließend darstellbar sind. Eine Forderung nach vollständiger Offenlegung aller Berechnungsgrundlagen wäre dem nach dem OGH realitätsfern und würde das Transparentgebot funktionslos machen. Der OGH folgt hier der Auffassung, dass die Kontrolle über die Kalkulation der Gewinnbeteiligung eine aufsichtsbehördliche Angelegenheit ist. Der Versicherungsnehmer soll hier nicht nur der Kontrolle durch die FMA vertrauen, er soll sich auch gar nicht damit beschäftigen müssen, wie sich die vereinbarte Bonusrente letztlich konkret bemisst. Der OGH kam daher zu dem Schluss, dass die Klausel transparent und somit zulässig ist.

Schlussfolgerung

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist der Verweis auf Änderungen einer Rente nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zulässig, auch wenn die konkreten Berechnungsparameter nicht genannt werden und daher für den Verbraucher die konkrete Änderung unklar bleibt. Eine solche Klausel widerspricht nicht dem Transparenzgebot, da die Forderung nach vollkommener Offenlegung der Berechnungsgrundlage realitätsfremd ist und der Verbraucher auf die Kontrolle durch offizielle Stellen vertrauen darf.