Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer hat mit dem beklagten Versicherer einen Rechtsschutzversicherungsvertrag abgeschlossen. Am 19.03.2018 hat der Versicherungsnehmer einen gebrauchten PKW Skoda Octavia um EUR 19.100,00 gekauft. Nach den Behauptungen des Versicherungsnehmers war dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen. Er beabsichtigte daher gegen die Herstellerin klageweise Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Bereits am 14. und 15. Mai 2020 ersuchte er die Versicherung um Rechtsschutzdeckung für das gegen die Herstellerin beabsichtigte Verfahren, wobei er gleichzeitig den Zulassungsschein des Fahrzeugs und den Kaufvertrag übermittelte. Die Rechtsschutzversicherung lehnte ihre Deckungspflicht mit Schreiben vom 20.05.2020 ab. Eine neuerliche Deckungsanfrage des Versicherungsnehmers vom 15.06.2023 wurde gleichfalls abgelehnt und zudem darauf hingewiesen, dass der Rechtsschutzanspruch bereits verjährt sei. Mittels Klage begehrte der Versicherungsnehmer daher die Feststellung der Deckungspflicht der Rechtsschutzversicherung für den gegen die Fahrzeugherstellerin beabsichtigten Prozess. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 23.09.2024, 7 Ob 143/24s, führte der OGH zunächst aus, dass die Verjährungsfrist für Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gemäß § 12 Versicherungsvertragsgesetz (VersVG) drei Jahre beträgt. Ihr Beginn ist nicht im VersVG speziell geregelt. Nach § 12 Abs 1 Satz 1 VersVG gelte grundsätzlich die allgemeine Regelung des § 1478 ABGB, wonach für den Versicherungsnehmer der Beginn der Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt beginne, zu dem das Recht hätte ausgeübt werden können, seiner Geltendmachung also kein rechtliches Hindernis mehr entgegensteht.

Im besonderen Fall der Rechtsschutzversicherung beginne die Verjährungsfrist mit der Fälligkeit des Rechtsschutzanspruchs zu laufen. Nach Ansicht des OGH beginnt daher die Verjährungsfrist des Anspruchs aus der Rechtsschutzversicherung nach § 12 Abs 1 Satz 1 VersVG zu jenem Zeitpunkt, zu dem sich die Notwendigkeit einer Interessenwahrnehmung für den Versicherungsnehmer so konkret abzeichnet, dass er mit der Entstehung von Rechtskosten rechnen muss, deretwegen er die Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen will.

Im vorliegenden Fall kam der OGH zum Ergebnis, dass der Verjährungseinwand der Rechtsschutzversicherung berechtigt war. Aus der im Mai 2020 gestellten Deckungsanfrage folge nämlich, dass der Versicherungsnehmer bereits zu diesem Zeitpunkt davon ausging, dass in seinem Fahrzeug ein Motor mit unzulässiger Abschalteinrichtung verbaut ist, er aus diesem Grund eine Klagsführung gegen die Herstellerin beabsichtigte und er daher mit dem Entstehen von Rechtskosten rechnete. Die Klagseinbringung im November 2023 sei daher verspätet.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Über den Beginn der Verjährungsfrist des Rechtsschutzanspruch kann keine generalisierende Aussage getroffen werden. Es kommt vielmehr stets auf die Umstände des Einzelfalls an. Relevant ist jener Zeitpunkt, in dem der Versicherungsnehmer für eine bestimmte Angelegenheit konkret mit der Entstehung von Rechtskosten rechnen muss“

«

Was ist passiert?

Die Versicherungsnehmerin betrieb einen Getreidemühlen-Betrieb. Sie hatte bei dem Versicherer einen aufrechten Feuerversicherungsvertrag.

Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Feuerversicherung (AFB 2002/Stufe 2) lauten auszugsweise wie folgt:

»Artikel 1
Versicherte Gefahren und Schäden
1. Versicherte Gefahren
1.1. Brand: Brand ist ein Feuer, das sich mit schädigender Wirkung und aus Kraft ausbreitet (Schadenfeuer). […]
«

In seiner Entscheidung vom OGH, 23.09.2024, 7Ob113/24d, führte der OGH zunächst aus, dass ein Brand ein Feuer voraussetzt.

Als Feuer kann weiters jeder Verbrennungsvorgang mit Lichterscheinung verstanden werden, wobei die Lichterscheinung in Flammen, Funken oder in einem Glimmen bestehen kann, solange die Bedingungen, wie hier, keine Flammenbildung vorsehen.

Laut OGH ist ein weiteres Kriterium für das Vorliegen eines „Brandes“, dass sich das Feuer aus eigener Kraft auszubreiten vermag und daher kein so genanntes Bagatellfeuer vorliegt. Selbständige Ausbreitungsfähigkeit des Feuers setzt nach Ansicht des OGH voraus, dass es im konkreten Fall die Fähigkeit zum zündenden Weitergreifen auf andere Stoffe aufweist. Das Feuer muss daher die von ihm für eine wenigstens geringfügige, über seine Ausgangsstelle hinausgehende Ausdehnung im Raum benötigte Energie als Reaktionsenergie selbst ausreichend bereitstellen.

Für eine Ausbreitung des Feuers ist damit lediglich erforderlich, dass es sich von dem Ort seiner ersten Entstehung selbständig entfernt, wobei eine geringfügige räumliche Ausdehnung ausreicht. Eine großflächige oder gar potentiell unbeschränkte weitere Ausbreitung ist nicht notwendig. Das ist nach dem erkennbaren Zweck der Regelung auch nicht geboten, weil es sich bei jeder drohenden Ausbreitung über den ersten Entstehungs- oder Ausbreitungsort hinaus potentiell nicht mehr nur um ein Bagatellfeuer handelt.

Der OGH kam daher zu dem Schluss, dass das Vorliegen eines Brandes nicht davon abhängig ist, ob sich das Feuer tatsächlich ausgebreitet hat oder die Ausbreitung – etwa durch rechtzeitige Löscharbeiten oder wie hier die Platzierung der Brandquelle entfernt von brennbarem Material – noch verhindert werden konnte und gab damit dem gesamten Klagebegehren des Versicherungsnehmers statt.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom OGH, 23.09.2024, 7Ob113/24d, führte der OGH zunächst aus, dass ein Brand ein Feuer voraussetzt.

Als Feuer kann weiters jeder Verbrennungsvorgang mit Lichterscheinung verstanden werden, wobei die Lichterscheinung in Flammen, Funken oder in einem Glimmen bestehen kann, solange die Bedingungen, wie hier, keine Flammenbildung vorsehen.

Laut OGH ist ein weiteres Kriterium für das Vorliegen eines „Brandes“, dass sich das Feuer aus eigener Kraft auszubreiten vermag und daher kein so genanntes Bagatellfeuer vorliegt. Selbständige Ausbreitungsfähigkeit des Feuers setzt nach Ansicht des OGH voraus, dass es im konkreten Fall die Fähigkeit zum zündenden Weitergreifen auf andere Stoffe aufweist. Das Feuer muss daher die von ihm für eine wenigstens geringfügige, über seine Ausgangsstelle hinausgehende Ausdehnung im Raum benötigte Energie als Reaktionsenergie selbst ausreichend bereitstellen.

Für eine Ausbreitung des Feuers ist damit lediglich erforderlich, dass es sich von dem Ort seiner ersten Entstehung selbständig entfernt, wobei eine geringfügige räumliche Ausdehnung ausreicht. Eine großflächige oder gar potentiell unbeschränkte weitere Ausbreitung ist nicht notwendig. Das ist nach dem erkennbaren Zweck der Regelung auch nicht geboten, weil es sich bei jeder drohenden Ausbreitung über den ersten Entstehungs- oder Ausbreitungsort hinaus potentiell nicht mehr nur um ein Bagatellfeuer handelt.

Der OGH kam daher zu dem Schluss, dass das Vorliegen eines Brandes nicht davon abhängig ist, ob sich das Feuer tatsächlich ausgebreitet hat oder die Ausbreitung – etwa durch rechtzeitige Löscharbeiten oder wie hier die Platzierung der Brandquelle entfernt von brennbarem Material – noch verhindert werden konnte und gab damit dem gesamten Klagebegehren des Versicherungsnehmers statt.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Ein Schadenfeuer ist schon dann gegeben, wenn es die Fähigkeit hat, sich selbständig auszubreiten.“

«

Was ist passiert?

Zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer bestand ein Bündelversicherungsvertrag, der unter anderem eine Sturmschadenversicherung für das Grundstück des Versicherungsnehmers beinhaltete und dem die Allgemeinen Bedingungen für die Sturmversicherung (AStB 1998) zugrunde lagen. Diese lauten auszugsweise:

»Versicherte Gefahren und Schäden
1. 
Versicherte Gefahren: […]
1.2 
Hagel: Hagel ist ein wetterbedingter Niederschlag in Form von Eiskörnern. […]
2. 
Versicherte Schäden:
Versichert sind Schäden, die
2.1 durch die unmittelbare Einwirkung einer versicherten Gefahr (Schadenereignis) eintreten; […]
2.2 als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses eintreten; […]
Artikel 2
Nicht versicherte Schäden
Nicht versichert sind, auch nicht als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses: […]
4. Schäden durch Wasser.
Schäden durch Schmelz- oder Niederschlagswasser sind aber versichert, wenn das Wasser dadurch in ein Gebäude eindringt, dass feste Baubestandteile oder ordnungsgemäß verschlossene Fenster oder Außentüren durch ein Schadenereignis beschädigt oder zerstört wurden. […]«

Am 2. Juni 2022 fand im Bereich der Liegenschaft des Versicherungsnehmers ein Gewitter mit Starkregen und Hagel statt.

Der Versicherungsnehmer begehrte vom Versicherer Zahlung von EUR  201.555,97  sA, weil Hagelkörner seinen Acker mit einer Schicht von rund 10 cm Höhe bedeckten. Die Hagelkörner wären durch den warmen Regen abgeschmolzen. Durch die entstandenen Wassermassen wäre in weiterer Folge das Wasser in den Kellerraum des Gebäudes eingedrungen und hätte diesen beschädigt.

Der Versicherer beantragte Klageabweisung, weil der Schaden durch das eingedrungene Wasser und nicht durch Hagel oder als dessen unvermeidliche Folge eingetreten wäre. Im Übrigen wären die Risikoausschlüsse gemäß Art 2 AStB 1998, welche Schäden durch Wasser ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausschließen, anzuwenden


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 23.09.2024, Geschäftszahl: 7Ob110/24p, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass gemäß Art 1.2.1 AStB 1998 Schäden versichert sind, die durch die unmittelbare Einwirkung einer versicherten Gefahr, hier Hagel, eintreten sind. Unmittelbares Einwirken ist gegeben, wenn die Naturgewalt einzige oder letzte Ursache für den Schaden ist.

Die zeitlich letzte Ursache des Schadeneintritts waren die Wassermassen, die in das Gebäude eindrangen. Damit liegt auch keiner der nach Art 1.2.1 der unmittelbaren Einwirkung gleichgehaltenen Fälle vor.

Außerdem sind nach Art 1.2.2 AStB 1998 Schäden versichert, die als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses eintreten. Nach herrschender Rechtsprechung versteht man als „unvermeidlich“ jede weitere adäquate Folge, unabhängig davon, ob sie abzuwenden gewesen wäre oder nicht. Im vorliegenden Fall greift jedoch der Risikoausschluss des Versicherers.

Gemäß Art 2.4. AStB 1998 sind Schäden durch Wasser nicht versichert, auch nicht als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses. Nur Schäden durch Schmelz- oder Niederschlagswasser sind versichert, wenn das Wasser dadurch in ein Gebäude eindringt, dass feste Baubestandteile oder ordnungsgemäß verschlossene Fenster oder Außentüren durch ein Schadenereignis beschädigt oder zerstört wurden.

Der Versicherungsnehmer bestreitet nicht, dass die Schäden durch „Wasser“ entstanden sind, er meint aber, dass der sekundäre Risikoeinschluss greifen würde, weil mit dem Begriff „Schadenereignis“ in Art 2.4. AStB 1998 nicht das versicherte Ereignis gemeint sei, sondern ein „Schadenereignis schlechthin“. Der OGH entgegnet dem, dass der Begriff „Schadenereignis“ in Art 1.2.1 AStB 1998 eindeutig im Sinn von „versicherte Gefahr“ definiert ist und diese Definition unzweifelhaft auch für Art 2.4. AStB 1998 gilt.

Der OGH kam daher schlussendlich zu dem Ergebnis, dass die geltend gemachten Schäden nach dem eindeutigen, Wortlaut des Art 2.4. AStB 1998 nicht gedeckt sind.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Der Begriff Schadenereignis beschreibt nicht das Schadenereignis per se, sondern einzig die versicherte Gefahr.«

Was ist passiert?

Zwischen der Versicherungsnehmerin und der beklagten Versicherung bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag. Die zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2014) lauten auszugsweise wie folgt:

»Artikel 9
Wann und wie hat der Versicherer zum Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Stellung zu nehmen?
[…]
2. Davon unabhängig hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzustellen. Kommt er nach Prüfung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der Rechts- und Beweislage zum Ergebnis
[…]
2.3 dass erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat er das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen

Die Versicherungsnehmerin hat während des rechtsschutzversicherten Zeitraums einen gebrauchten Diesel-PKW mit einer behauptetermaßen unzulässigen Abschalteinrichtung erworben. Sie begehrte vom Versicherer Rechtsschutzdeckung für eine Klage gegen die Herstellerin, mit der die Versicherungsnehmerin einen Anspruch auf Ersatz des Minderwerts im Ausmaß 30 % des Kaufpreises geltend machte.

Nachdem der Versicherer die Rechtsschutzdeckung unter Verweis auf fehlende Erfolgsaussichten abgelehnt hat, landete der Fall schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.05.2024, Aktenzeichen: 7 Ob 81/24y, führte der OGH zunächst aus, dass eine Prozessführung dann „offenbar aussichtslos“ ist, wenn sie schon ohne nähere Prüfung der Angriffs- oder Verteidigungsmittel als erfolglos erkannt werden kann. Dies insbesondere bei Unschlüssigkeit, aber auch bei unbehebbarem Beweisnotstand. Eine klare Gesetzeslage oder bereits gelöste Rechtsfragen könnten die Annahme rechtfertigen, dass kein oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Für das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestands habe der Versicherer den Beweis zu führen.

Im vorliegenden Fall kam der OGH zum Ergebnis, dass das anspruchsbegründende Vorbringen der Versicherungsnehmerin nicht unschlüssig sei und auch eine nicht ganz entfernte Möglichkeit des Erfolgs bestehe. Der Versicherer habe die von ihm behaupteten, fehlenden Erfolgsaussichten noch nicht mit einer bereits gefestigten oberstgerichtlichen Judikatur dahin begründen können, dass gegen die Herstellerin lediglich ein Ersatzanspruch in einer Bandbreite von 5 % bis 15 % in Frage komme.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»In der Rechtsschutzversicherung genügt bereits eine nicht ganz entfernte Möglichkeit des Erfolgs, um die Rechtsverfolgung nicht als offenbar aussichtslos erscheinen zu lassen.«

Was ist passiert?

Eine Versicherungsnehmerin stellte Anlagen im Bereich der Schüttgut-Technologie her und hatte beim Versicherer eine Berufshaftpflichtversicherung.

Diese lautet auszugsweise:

Im März 2016 fragte die Versicherungsnehmerin um eine erweiterte Deckung reiner Vermögensschäden mit einem Sublimit von EUR 1 Mio und eine Deckung von Planungsfehlern an, woraufhin der Versicherer verschiedene Angebote unterbreitete.

Erst am 31.03.2017 entschied sich die Versicherungsnehmerin, für ein Angebot, das jedoch noch von beiden Vertragsseiten angepasst werden musste.

Erst am 16.07.2018 wurde eine Versicherungspolizze „Stand 31.03.2017“ übermittelt.

Bereits vor Übermittlung der finalen Versicherungspolizze, nämlich am 18.12.2017, erstattete die Versicherungsnehmerin eine Schadensmeldung auf Grund von Schadenersatzansprüche wegen eines Produktrückrufs.

Der Versicherer lehnte am 10.11.2018 die Deckung ab, da der „Verstoß“ schon vor dem 31.03.2017 in der Planungsphase passiert und somit nicht versichert wäre.

Die Versicherungsnehmerin begehrte die Zahlung von EUR 900.000,00 s.A. und die Feststellung der Deckungspflicht für weitere Verfahrenskosten.

Sie stützt sich darauf, dass sie die Deckungserweiterung am 31.03.2017 in Unkenntnis der später auftretenden Probleme abgeschlossen hat.

Der Versicherer wendete unter anderem ein, dass nach dem Vertrag bis 30.03.2017 Planungsfehler nicht versichert waren. Als die Versicherungsnehmerin am 31.3.2017 den Antrag auf Einschluss dieses Risikos gestellt habe, habe sie die auf sie zukommenden Probleme bereits gekannt, der Vertrag über die Deckungserweiterung wäre außerdem erst mit 16.07.2018 geschlossen worden.

Zu diesem Zeitpunkt würde eine Rückwärtsversicherung vorliegen, von der Fälle, die bis zum Vertragsabschluss eintreten, unter der Voraussetzung jeder nachträglichen Zahlung der Erstprämie gedeckt sind. Auch in einem solchen Fall besteht jedoch nach Meinung des Versicherers gem §2 Abs 2 VerVG Leistungsfreiheit, wenn beide Parteien Kenntnis von einem Schadenfall haben.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 17.04.2024, Geschäftszahl: 7 Ob 168/23s, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass der Versicherer nach fast einem Jahr nicht mehr an das Angebot aus 2016 gebunden war. Daher ist die „Annahme“ des Angebots vom 31.03.2017 als neues Angebot zu werten. Der Vertrag wurde demnach erst am 16.07.2018 abgeschlossen.

Das Erstgericht hat jedoch einen Beweisantrag zur Frage, ob Planungsfehler aus dem Jahr 2016 für den Schaden ursächlich gewesen sind übergangen, weshalb die Sache an das Erstgericht zurückverwiesen wurde.

Obwohl damit kein abschließendes Urteils der OGH ergeht, beantwortete er aber insbesondere die Frage der Rückwärtsversicherung, sollte der Versicherungsfall innerhalb der Geltungszeit der Deckungserweiterung liegen:

Die Polizze vom 16.07.2018 weist die Bemerkung „Stand 31.03.2017“ auf. Die Anführung eines vor dem Ausstellungsdatum liegenden Tages im Versicherungsschein als Beginn der Versicherung bedeutet im Zweifel den Abschluss einer Rückwärtsversicherung.

§2 Abs 2 VersVG regelt für Rückwärtsversicherungen die Fälle, dass eine der Vertragsparteien weiß, dass ein Versicherungsfall eintritt, jedoch nicht, dass beide Parteien davon Kenntnis haben.

In nunmehr ständiger Rechtsprechung wird vertreten, dass § 2 Abs 2 Satz 2 VersVG stillschweigend abbedungen ist, wenn der Versicherungsfall nach der Übergabe des Antrags an den Vertreter des Versicherers eingetreten ist, der Versicherer davon durch Entgegennahme der Schadenanzeige noch vor der Annahme des Antrags Kenntnis erlangt und den Antrag dennoch angenommen hat.

Somit kam der OGH schlussendlich zu dem Ergebnis, dass sollte die Schadenmeldung vom 18.12.2017 einen Versicherungsfall betroffen haben, der nach Wirksamkeit der Deckungserweiterung am 31.03.2017 eingetreten ist, auch die Kenntnis beider Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht zur Leistungsfreiheit führen würde.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Haben beide Parteien Kenntnis Versicherungsfall bei Vertragsabschluss wäre der Versicherer leistungsfrei. Dies gilt aber nicht, wenn der Versicherungsfall nach Antragstellung, aber vor Annahme eintrat und dem Versicherer mitgeteilt wurde.«

Was ist passiert?

Zwischen den Vertragsparteien wurde eine fondsgebundene Lebensversicherung als Kapitalversicherung mit Rentenwahlrecht abgeschlossen. Als Laufzeit wurden 25 Jahre vereinbart und sollte der Versicherungsvertrag als Tilgungsträger für einen Kredit dienen.

Im Versicherungsvertrag waren eine Kapitalgarantie und eine Höchststandsgarantie (Klauseln 1–3) und eine Rentenwahlklausel (Klausel 4) enthalten.

»Wenn Sie Ihre fondsgebundene Lebensversicherung als Kapitalversicherung mit Rentenwahlrecht abgeschlossen haben, haben Sie nach Ablauf der Ansparphase das Recht, anstelle der Auszahlung einer einmaligen Versicherungsleistung die Zahlung einer laufenden Rente zu verlangen. […]
In beiden Fällen richtet sich die Höhe der Rente neben dem zur Verfügung stehenden Kapital nach dem Alter der zu versichernden Person bei Rentenauszahlungsbeginn und den zu diesem Zeitpunkt gültigen Tarifen für die Rentenauszahlung. Es finden die dann gültigen Versicherungsbedingungen für die Rentenauszahlung Anwendung

Nachdem sich aus Sicht des Versicherungsnehmers das Produkt ungünstig entwickelte, konvertierte er den Vertrag, wodurch sich die Prämie erhöhte und die Streuung der Veranlagung sich veränderte. Der Versicherungsnehmer hat sich für ein Produkt ohne Kapitalgarantie entschieden, weil er einen höheren Ertrag erzielen wollte. Das neue Produkt sieht aber weiterhin ein Rentenwahlrecht vor, welches der Versicherungsnehmer mit Ende der Ansparphase per 1.10.2032 ausüben kann. Der Versicherungsnehmer ist von einer Unwirksamkeit dieser Klausel und somit von einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages ausgegangen. Strittig war, ob aufgrund der unwirksamen Rentenwahlklausel eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages vorliegt.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 19.06.2024, Geschäftszahl: 7Ob 51/24m, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass bestimmte Klauseln wie konkret die enthaltene Rentenwahlklausel bereits in vergangenen Verbandsprozessen als intransparent beurteilt wurden. Grundsätzlich gibt es bei Versicherungsverträgen einen Kernbereich der Leistungsbeschreibung, wie die Festlegung der Versicherungsart und die Prämienhöhe. Diese unterliegen als Hauptgegenstand des Vertrags nicht der inhaltlichen Kontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB.

Der OGH t beurteilt jedoch eine Klausel, die dem Versicherungsnehmer ein Rentenwahlrecht anstelle der grundsätzlich vereinbarten einmaligen Kapitalabfindung einräumt und die Rechnungsgrundlagen dieser Rente regelt, als vertragliche Nebenabrede, welche der Kontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB unterliegt. Der OGH hat die Rentenwahlklausel inhaltlich als gröblich benachteiligend eingestuft.

Ob die Streichung einer missbräuchlichen Klausel die Nichtigkeit des übrigen Vertrags zur Folge hat, ist nach unionsrechtlichen Vorgaben in Art 6 Abs 1 (Klausel-RL) geregelt. Dieser sieht vor, dass der Vertrag für beide Parteien bindend bleibt, sofern er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann. Eine für missbräuchlich erklärte Vertragsklausel ist grundsätzlich von Anfang an als nicht existent anzusehen, sodass sie gegenüber dem Verbraucher keine Wirkungen haben kann. Es ist Aufgabe der Mitgliedstaaten die Bedingungen im nationalen Recht festzulegen, unter denen die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel samt der konkreten Rechtswirkungen erfolgt. Jedenfalls muss die Möglichkeit bestehen die Sach- und Rechtslage wiederherzustellen, in der sich der Verbraucher ohne diese missbräuchliche Klausel befunden hätte. Dabei ist eine objektive Prüfung vorzunehmen, unabhängig davon, ob der Verbraucher den Willen zum Ausdruck bringt, dass der Vertrag aufrechterhalten werden soll.

Im konkreten Fall enthält die Rentenwahlklausel keine ausreichenden Vorgaben für die Festlegung der Rechnungsgrundlagen. Dieser Mangel macht die Klausel deshalb inhaltlich unangemessen, weil sie es dem Versicherer ermöglicht, dass bei Vertragsabschluss bestehende Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung zulasten des Versicherungsnehmers nach seinem Willen zu verschieben. Die Klausel ist an der mangelnden Bestimmtheit der entscheidenden Parameter für die Berechnung der Rente gescheitert. Im konkreten Fall verfügt der Versicherungsnehmer weiterhin über ein Rentenwahlrecht, wobei die konkrete Ausgestaltung dessen kann ohnehin nur über eine zum Zeitpunkt der Ausübung dieses Wahlrechts zu erzielende Einigung festgelegt werden, für die sowohl aufsichtsrechtliche Vorgaben als auch gesetzliche Informationspflichten vorgesehen sind. Der OGH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der konkrete Vertrag aus Sicht des Versicherungsnehmers unverändert fortbestehen kann. Eine Veränderung des Vertrags zu seinen Lasten bewirkt der Wegfall der Klausel, die ohnehin keine ausreichenden Vorgaben zur Rentenberechnung enthalten hat, nicht.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Der Entfall der Rentenwahlklausel in einer fondsgebundenen Lebensversicherung führt nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages, da der Lebensversicherungsvertrag als Tilgungsträger für einen Kredit dienen sollte.«

Was ist passiert?

Zwischen der Versicherungsnehmerin und der beklagten Versicherung besteht ein Unfallversicherungsvertrag. Die Versicherungsbedingungen lauten auszugsweise wie folgt:

»Abschnitt C:
Begrenzungen des Versicherungsschutzes
Artikel 19
Unversicherbare Sportarten
Insbesondere die nachstehenden Sportarten und Aktivitäten sind nicht versicherbar:
[…]
5. Klettern/Bergsteigen über Schwierigkeitsgrad VI nach französischer Skala; Klettersteig über Schwierigkeitsgrad E; …
[…]
Artikel 20
Ausschlüsse
Soweit nichts anderes vereinbart ist, umfasst der Versicherungsschutz nicht:
[…]
10. Unfälle, die bei der Ausübung von folgenden besonders gefährlichen Sportarten eintreten: Bungeejumping, House-Running, Hydro Speed, Basejumping, Scad Diving, Airboarding, Rafting, Canyoning, Kitesurfen, Indoorklettern, Klettern/Bergsteigen über Schwierigkeitsgrad IV nach französischer Skala, Klettersteig über Schwierigkeitsgrad D, Tauchen in Tiefen von 40 bis max. 60 m nach absolvierter Tauchausbildung und nur bei ausschließlicher Pressluftverwendung. […]«

Die Versicherungsnehmerin stürzte am 20.05.2023 beim Klettern in einer Indoorhalle im Zuge des Abseilens ab und verletzte sich dabei. Nachdem der Versicherer eine Leistung aus dem Unfallversicherungsvertrag ablehnte, brachte die Versicherungsnehmerin eine Klage gegen den Versicherer ein. Aus Sicht der Versicherungsnehmerin sei der Risikoausschluss intransparent gemäß § 6 Abs 3 KSchG, ungewöhnlich nach § 864a ABGB und gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB. Darüber hinaus sei ein Unfall beim Abseilen vom Versicherungsschutz umfasst.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 19.06.2024, Aktenzeichen: 7 Ob 92/24s, führte der Oberste Gerichtshof zunächst aus, dass die Klausel nicht dadurch intransparent sei, dass die Sportart „Indoorklettern“ nicht in Art 19 AUVB, wohl aber in Art 20.10 AUVB genannt wird. Daraus folge nur eindeutig, dass es sich beim „Indoorklettern“ grundsätzlich um eine versicherbare Sportart handle. Weiters ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Art 20.10 AUVB, der „Indoorklettern“ und „Klettern/Bergsteigen über Schwierigkeitsgrad IV nach französischer Skala“ als eigene Sportarten nennt, völlig klar, dass die bei „Klettern/Bergsteigen“ angeführten Einschränkungen nicht für die Sportart „Indoorklettern“ gelten.

Weiters führte der OGH aus, dass der durchschnittliche Unfallversicherungsnehmer mit Risikoausschlüssen und Einschränkungen zu rechnen habe. Risikoausschlüsse seien daher per se weder ungewöhnlich, noch gröblich benachteiligend. Dies gelte umso mehr, wenn – wie in der Unfallversicherung üblich – eine erhöhte Gefahrensituation aus dem Versicherungsschutz ausgenommen wird. „Indoorklettern“ sei aufgrund der mit der Ausübung dieser Sportarten verbundenen Risiken, aus großer Höhe auf den Boden zu stürzen, beim Klettern oder auch Sichern an die Wand zu prallen, mit einer stürzenden Person zusammenzustoßen und schließlich von herabfallenden Gegenständen getroffen zu werden, als gefährliche Sportart zu beurteilen und könne daher vom Versicherungsschutz ausgenommen werden.

Die Klausel sei in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen auch dort zu finden, wo sie vom Versicherungsnehmer zu vermuten sei. Unfälle vom Versicherungsschutz auszunehmen, die bei der Ausübung bestimmter Sportarten auftreten, sei für Unfallversicherungsbedingungen geradezu typisch.

Nach Ansicht des OGH verstehe jeder durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer unter der Sportart „Indoorklettern“ zweifelsohne nicht nur das Hinaufklettern, sondern auch das Abseilen.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Zu Recht kommt der OGH im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass der gegenständliche Ausschluss für „Indoorklettern“ weder ungewöhnlich, gröblich benachteiligend oder sogar intransparent ist und der gegenständliche Unfall daher nicht vom Versicherungsschutz umfasst ist

Was ist passiert?

Die Versicherungsnehmerin hatte eine Bauwesenversicherung für die Errichtung einer Wohnanlage abgeschlossen. Auf einem gemeinsamen Untergeschoss sollten zwei getrennte Häuser (Haus A und B) errichtet werden. Aus technischer Sicht handelte es sich um ein einheitliches, durch das Untergeschoss starr verbundenes Bauwerk. Außerdem lagen dem Projekt eine einheitliche Planung sowie ein einheitlicher Baubescheid zugrunde. Während des Baus bildeten sich Risse in der Bausubstanz auf Grund von Deckenverformungen. Der gesamte Rohbau musste abgerissen und die Wohnanlage neu errichtet werden. Wären nur an Haus B und nicht auch an Haus A Planungsfehler vorhanden gewesen, hätte man trotz des Abrisses von Haus B durch Herstellung einer Dehnfuge Haus A vor dem Abbruch bewahren können.

Dem Versicherungsverhältnis lagen nachfolgende Bestimmungen zu Grunde:

»Artikel 4 BW 1/75– Versicherte Gefahren und Schäden
1. Versicherungsschutz besteht – sofern sich aus Pkt. 2 und Art. 5 nichts anderes ergibt – für
a) Schäden an versicherten Sachen […] jedoch nur insoweit als die Schäden gem. lit. a) […] für den Versicherungsnehmer (Versicherten) unvorhersehbar sind.
 
Artikel 12 BW 1/75– Obliegenheiten des Versicherungsnehmers
1. Der Versicherungsnehmer (Versicherte) hat: […] einem Beauftragten des Versicherers jederzeit die Prüfung […] des Schadens zu gestatten und ihm  […] erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Einsichtnahmen zu gewähren sowie Unterlagen zur Verfügung zu stellen; […]
 
Beiblatt 3.49 Schäden an zusammengehörigen Sachen und Funktionseinheiten:
Wird durch einen versicherten Schadenfall […] eine Sache von mehreren zu einer Funktionseinheit gehörenden versicherten Sachen beschädigt, […], ersetzt der Versicherer jene Kosten, die erforderlich sind, um wieder einen funktionierenden, […] Zustand der gesamten Funktionseinheit herzustellen. […]«

Strittig war ob die Versicherungsnehmerin gegen den Versicherer einen Anspruch

auf Ersatz der Kosten, die durch den Abbruch des Hauses A und der Tiefgarage entstanden sind hat.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.05.2024, Geschäftszahl: 7 Ob 33/24i, hob der Oberste Gerichtshof (OGH) das Berufungsurteil auf und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Versicherungsnehmerin auf.

Fraglich war aber vor dem OGH, ob ein durch die Versicherungsnehmerin beauftragter Unternehmer dieser zuzurechnen ist und ob für unvorhergesehene Schäden Versicherungsschutz besteht.

Nach den Feststellungen waren die Fehler in der Tragwerksplanung ohne eine dazu erforderliche detaillierte Prüfung der statischen Berechnungen für die Versicherungsnehmerin nicht erkennbar. Damit lag aber für sie ein unvorhersehbarer Schaden vor, für den gem. Art 4 BW 1/75 Versicherungsschutz besteht.

Der OGH sprach dazu auch aus, dass beauftragte Unternehmer der Versicherungsnehmerin nicht zugerechnet werden, da dies den Versicherungsbedingung wiederspricht.

Diese stellen nur darauf ab, dass der Schaden für die Versicherungsnehmerin unvorhersehbar ist.

Fraglich war schließlich, ob es eine Verletzung der Auskunftsobliegenheit gem Art 12.B.1 lit f BW 1/75 darstellt, wenn die Versicherungsnehmerin nicht unaufgefordert sämtliche Unterlagen zu Verfügung stellt, sondern den Versicherer nur über einen mündlich erteilten Auftrag in Kenntnis setzt und anbietet sämtliche weiteren Unterlagen bei Bedarf zu Verfügung zu stellen.

Der OGH sprach aus, dass eine mündliche Beauftragung in diesem Zusammenhang üblich ist und keine Obliegenheitsverletzung vorliegt, da der Versicherer keine weiteren Unterlagen anforderte.

Aufgrund der Zurückverweisung hatte der OGH – vorerst – den Rechtsstreit nicht abschließend zu beurteilen.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Damit ein beauftragter Unternehmer der Versicherungsnehmerin zugerechnet wird, muss dies ausdrücklich vereinbart werden. Ferner liegt keine Verletzung der Auskunftsobliegenheit vor, wenn angeboten wird auf Nachfrage Unterlagen zu Verfügung zu stellen.«

Was ist passiert?

Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem beklagten Versicherer bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag. Die zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2017) lauten auszugsweise wie folgt:

»Artikel 2
Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?
[…]
3. In den übrigen Fällen – insbesondere auch für die Geltendmachung eines reinen Vermögensschadens (Art 17.2.1, Art 18.2.1 und Art 19.2.1), sowie für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen wegen reiner Vermögensschäden (Art 17.2.4, Art 23.2.1 und Art 24.2.1) – gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. […]«

Der Versicherungsnehmer hat am 17.11.2019 und somit während des versicherten Zeitraums einen gebrauchten Porsche Cayenne 3.0 um EUR 36.200,00 privat erworben. Der darin verbaute Motortyp EA897 wurde mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung („Diesel-Skandal“) ausgeliefert und entsprecht nicht den gesetzlichen Bestimmungen. Der Versicherungsnehmer beabsichtigte daher, von der Herstellerfirma des PKW den Ersatz des Minderwerts (30 % des Kaufpreises) zu fordern. Nachdem der Versicherer eine Deckung aus der Rechtsschutzversicherung abgelehnt hat, brachte der Versicherungsnehmer eine Deckungsklage auf Feststellung der Versicherungsdeckung ein. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.05.2024, Aktenzeichen: 7 Ob 82/24w, führte der OGH zunächst aus, dass es sich bei der gegenständlichen Angelegenheit um die Deckung für die Geltendmachung reiner Vermögensschäden handelt, bei denen nach Art 2.3. ARB hier 2017 der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften als Versicherungsfall gelte. Nach dieser Bestimmung liege der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung vor, wenn einer der Beteiligten begonnen hat oder begonnen haben soll gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen.

Ein zeitlich lange vorangehender Gesetzes- oder Pflichtenverstoß, mag er auch die spätere Rechtsverfolgung des Versicherungsnehmers adäquat kausal begründet haben, könne den Versicherungsfall erst dann auslösen und damit den Zeitpunkt des Verstoßes in Bezug auf den konkreten Versicherungsnehmer in der Rechtsschutzversicherung festlegen, wenn dieser erstmals davon betroffen ist, das heißt in seinen Rechten beeinträchtigt wird oder worden sein soll. Dies sei im Fall des serienmäßigen Einbaus eines nicht rechtskonformen Bauteils in eine Sache der Zeitpunkt des Erwerbs der mangelhaften Sache durch den Versicherungsnehmer. Erst damit beginne sich auch die vom Rechtsschutzversicherer in Bezug auf den Versicherungsnehmer konkret übernommene Gefahr zu verwirklichen.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Rechtsschutzversicherungsfall im Zusammenhang mit Forderungen des Versicherungsnehmers gegen den Autohersteller wegen einer unzulässigen Abgasmanipulationssoftware in Diesel-Fahrzeugen während des versicherten Zeitraums eingetreten ist, ist die Frage, wann der Versicherungsnehmer das Diesel-Fahrzeug erworben hat. Nicht relevant ist der Zeitpunkt, zu dem die unzulässige Einrichtung vom Hersteller eingebaut wurde«

Was ist passiert?

Zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Versicherer bestand eine Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung, der unter anderem folgende Bestimmungen zugrunde lagen:

»ALLGEMEINE BEDINGUNGEN FÜR DIE BETRIEBSHAFTPFLICHTVERSICHERUNG
Artikel 3
3. Abgrenzung zum Leistungsversprechen
Das Leistungsversprechen des Versicherers gemäß Punkt 1. umfasst somit nicht:
3.1 Ansprüche auf Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung;
3.2 Ansprüche auf Gewährleistung für Mängel (zB auch Entgelt für mangelhaft erbrachte Leistungen); […]
Artikel 8
AUSSCHLÜSSE VOM VERSICHERUNGSSCHUTZ
[…]
9. Schäden an eigener Leistung
Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden, die an den vom Versicherungsnehmer (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen infolge einer in der Herstellung oder Lieferung
liegenden Ursache entstehen.
[…]«

Über das Vermögen Versicherungsnehmerin wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter anerkannte das Absonderungsrecht der Klägerin als Insolvenzgläubiger an der Entschädigungsforderung der Versicherungsnehmerin gegenüber dem Versicherungsträger als Haftpflichtversicherer gemäß § 157 VersVG.

Die Klägerin beauftragte nämlich die Versicherungsnehmerin 2016 mit einer Tiefenbohrung. 2017 kam es aufgrund Verschuldens der Versicherungsnehmerin zu einer Havarie, die zum Scheitern der Bohrung führte. Dadurch entstanden der Klägerin Schäden.

Das Bohrloch musste aufgegeben und mit Zement verfüllt werden, dabei verblieben Rohre der Klägerin im Bohrloch. Die Klägerin kaufte für eine erneute Tiefenbohrung ein nahegelegenes Grundstück. Die Schallschutzelemente mussten bis zum Beginn der neuen Bohrung vorgehalten werden und wegen der durch den Vorfall verursachten Verzögerung entstanden der Klägerin Mehrkosten wegen eines „Wärmeversorgungsaufwands“.

Die Klägerin verlangte insgesamt EUR 1.003.033,84 aus dem Versicherungsvertrag, einschließlich Kosten für die Verfüllung des Bohrlochs, den Wert der Rohre, Vorhaltekosten für Schallschutzwände, Grundstückskosten und Mehrkosten für die Wärmeversorgung.

Der beklagte Versicherer argumentierte, dass die geltend gemachten Forderungen Erfüllungssurrogate und somit nicht von der Versicherung abgedeckt seien.

Vor dem OGH war strittig, ob die von der Klägerin geltend gemachten Forderungen Erfüllungssurrogate iSd. Art 3 AHVB 2004 darstellen und ob für die Rohre der Risikoausschluss gemäß Art 8.9. AHVB 2004 zur Anwendung kommt.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.05.2024, Geschäftszahl: 7Ob18/24h, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) aus, dass in der Betriebshaftpflichtversicherung die Ausführung der bedungenen Leistung und Erfüllungssurrogate grundsätzlich nicht versichert ist, weil das Unternehmerrisiko nicht auf den Versicherer übertragen werden soll.

Der Versicherungsschutz umfasst daher nur jenen Schaden, der über das Erfüllungsinteresse, also das Interesse, das die geschädigte Partei an der Erfüllung des Vertrages hatte, hinausgeht.

Mangelfolgeschäden und Begleitschäden sind gedeckt, wenn sie über den Ausgleich der ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrags hinausgehen. Mangelfolgeschäden sind Schäden, die sich nicht unmittelbar auf die Erstellung des Werks beziehen, sondern daraus entstehen, dass durch die mangelhafte Leistung ein Schaden an einem anderen Vermögenswert entsteht.

Ein Mangelfolgeschaden daher weder die reine Erfüllung des Vertrags, noch einen Ersatz der zur Erreichung der unmittelbaren geschuldeten Leistung dient.

Der OGH entschied daher, dass die Kosten für den Ankauf des Grundstücks, die Beschädigung der Rohre und die Verfüllung der Rohre gedeckt sind, da sie nicht zur Erreichung des unmittelbaren Leistungsinteresses dienten, sondern ein Folge-/Begleitschaden sind.

Weiters sprach der OGH aus, dass offen bleibe, ob die Mehrkosten für die Wärmeversorgung und Schallschutzwände direkt mit der Mangelbehebung und der ordnungsgemäßen Erfüllung zusammenhängen oder auch als Folge-/Begleitschäden zu betrachten sind.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Der Versicherungsschutz umfasst in diesem Fall nur jenen Schaden, der über das Interesse an der Erfüllung des Vertrages hinausgeht. Kosten für die von einem Dritten vorgenommene Verbesserung fallen ebenfalls nicht in die Betriebshaftpflichtversicherung.«