Was ist passiert?

Der Kläger schloss mit der Beklagten einen Lebensversicherungsvertrag ab. Das im Versicherungsantrag enthaltene Informationsblatt sah eine Rücktrittsbelehrung vor, die dem zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden § 165a VersVG nicht entsprach.

Der Kläger erklärte daher über 10 Jahre nach Zustandekommen des Vertrages den Rücktritt. Begründet wurde dies damit, dass infolge unrichtiger Rücktrittsbelehrung die Rücktrittsfrist tatsächlich noch nicht zu laufen begonnen hat. Begehrt wurde vom Kläger die Rückzahlung der geleisteten Prämien abzüglich des Rückkaufpreises samt Staffelzinsen (Vergütungsentgelt von pauschaliert 4 % Zinsen ab Zahlung der jeweiligen Prämie).

Die Beklagte führte aus, dass die Rücktrittserklärung unberechtigt ist, zumal der Versicherungsabschluss über einen Versicherungsmakler erfolgt sei und der Versicherungsmakler im Rahmen der Rahmenprovisionsvereinbarung die aktuellen Rücktrittsbelehrungen erhalten hatte und angewiesen wurde, diese an die Kunden entsprechend auszuhändigen. Zudem bestritt die Beklagte auch die Höhe der Rückzahlungsforderung, zumal nach Ansicht der Beklagten unter anderem die Abschluss- und Verwaltungskosten rückzahlungsmindernd zu berücksichtigen seien.

Wie ist die Rechtslage?

Nach § 61 VersVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) handelt es sich dabei um einen Risikoausschluss. Sowohl das Vorliegen dieses Risikoausschlusses als auch die grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers müssen vo

In der Entscheidung 7 Ob 37/22z bestätigte der OGH die Entscheidungen der Vorinstanzen, die dem Klagebegehren stattgaben.

Zunächst wurde klargestellt, dass gem. § 9 Abs. 1 Z 6 VAG dem Versicherer die Pflicht trifft, den Versicherungsnehmer über die Umstände zu informieren, unter denen er vom Vertrag zurücktreten kann. Diese Informationspflicht hat der Versicherer eigenverantwortlich zu erfüllen. Nach Ansicht des OGH ist es zur Erfüllung der Belehrungspflicht des Versicherers nicht ausreichend, wenn dieser die Versicherungsunterlagen samt Widerrufsbelehrungen im Rahmen der Rahmenprovisionsvereinbarung an den Versicherungsmakler übermittelt. In dieser Phase besteht möglicherweise noch nicht einmal ein Maklervertrag zwischen dem Versicherungskunden und dem Versicherungsmakler, sodass mit Zugang der Widerrufsbelehrungen der Versicherungsmakler noch nicht einmal als Vertreter des Versicherungskunden auftritt, womit ein zurechenbarer Zugang beim Versicherungskunden über den Versicherungsmakler eben noch nicht stattfinden kann.

Weiters kam der OGH zum Ergebnis, dass sich die Verwaltungs- und Abschlusskosten am Vermögen des Versicherers realisieren und ihnen auf Seiten des Versicherungsnehmers keine zuordnungsbare Bereicherung gegenübersteht. Von der Rückabwicklung im Verhältnis zum Versicherungskunden sind nicht Zahlungen umfasst, welche die Beklagte als Anlass des Versicherungsgeschäftes an Dritte geleistet hat. Diese würden nach Ansicht des OGH die Höhe des Bereicherungsanspruchs des Gegners sohin nicht betreffen, da bei Geldleistungen generell die nützliche Verwendung durch den Empfänger unterstellt und daher eine Berufung auf den nachträglichen Wegfall der Bereicherung nicht gestattet wird (siehe dazu auch: 7 Ob 117/20m). Außerdem würde ein Abzug der Abschlusskosten im Ergebnis zur Entwertung des Rücktrittsrechtes und Beschränkung der Rückabwicklung auf den Rückkaufswert führen (VWL Perner/Spitzer, Rücktritt von der Lebensversicherung [2020] 71f).

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Die allgemeine Übermittlung von Rücktrittsbelehrungen durch den Versicherer an den Versicherungsmakler im Rahmen der Rahmenprovisionsvereinbarung kann einem zukünftigen Versicherungskunden nicht zugerechnet werden und ersetzt nicht die im Rahmen des individuellen Versicherungsvertrages zu erbringende Rücktrittsbelehrung gegenüber dem Versicherungskunden. Die Verwaltungs- und Abschlusskosten sind bei der Rückabwicklung nicht anspruchsmindernd zu berücksichtigen.«

Was ist passiert?

Der Kläger hat als Versicherungsnehmer mit der beklagten Versicherung einen Haushaltsversicherungsvertrag abgeschlossen, mit welchem unter anderem das Risiko von Schäden infolge eines Einbruchsdiebstahls gedeckt wird. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung (ABH) und die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS) zugrunde. Die ABH lauten auszugsweise wie folgt:


»Artikel 5

Obliegenheiten des Versicherungsnehmers vor dem Schadenfall

[…]

2. Wenn die Versicherungsräumlichkeiten für noch so kurze Zeit von allen Personen verlassen worden sind,

2.1 Eingangs- und Terrassentüren, Fenster und alle sonstigen Öffnungen sind stets ordnungsgemäß verschlossen zu halten. Dazu sind vorhandene Schlösser vollständig zu versperren.

[…]

8. Die vorstehenden Obliegenheiten gelten als vereinbarte Sicherheitsvorschriften gemäß Artikel 3 ABS. Ihre Verletzung führt nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zur Leistungsfreiheit des Versicherers.“

 

Die ABS lauten auszugsweise wie folgt:

 

„Artikel 3

Welche Rechtsfolgen treten bei der Verletzung von Sicherheitsvorschriften ein?

[…]

2. Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Schadenfall nach der Verletzung eintritt und die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht. Die Verpflichtung zur Leistung bleibt bestehen, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Schadenfalls oder soweit sie keinen Einfluss auf den Umfang der Entschädigung gehabt hat […].«

Der Kläger hat das versicherte Haus für eine Woche verlassen und ließ das Fenster zur ebenerdigen Werkstatt in gekippter Stellung. Ein unbekannter Täter drückte das gekippte Fenster auf, öffnete die Verriegelung, vermutlich mit einem Draht, und gelangte so in die Werkstatt. In weiterer Folge zwängte der Täter die verschlossene Metalltüre, zwischen Werkstatt und Aufgang zum Wohnhaus, mit einem mitgebrachten Brecheisen auf.

Der Kläger verlangte Entschädigung aus der Haushaltsversicherung. Aus Sicht des Klägers beruhte der Einbruch nicht auf einer erhöhten Gefahrenlage (gekipptes Fenster), da der Einbrecher erst die zwischen Werkstatt und Wohnbereich befindliche Metalltür mit einem Brecheisen aufzwängen musste. Die Haushaltsversicherung lehnte jedoch eine Deckung ab. Der Fall gelangte schließlich zum Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

Der OGH führte in seiner Entscheidung (OGH 28.04.2022, 7Ob47/22w) zunächst aus, dass sich der Versicherer gemäß § 6 Abs 2 VersVG bei der Verletzung einer Obliegenheit, die der Versicherungsnehmer zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer Erhöhung der Gefahr, dem Versicherer gegenüber zu erfüllen hat, auf die vereinbarte Leistungsfreiheit nicht berufen kann, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder soweit sie keinen Einfluss auf den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat (vorbeugende Obliegenheit). § 6 Abs 2 VersVG eröffnet dem Versicherungsnehmer daher einen Kausalitätsgegenbeweis.

Dafür bedarf es des Beweises, dass der Versicherungsfall auch ohne die Verletzung der Obliegenheit mit Sicherheit eingetreten wäre, dass also der Eintritt und der Umfang des Versicherungsfalls nicht auf einer erhöhten Gefahrenlage beruhen, die typischerweise durch die Obliegenheitsverletzung entsteht. An den Gegenbeweis sind strenge Anforderungen zu stellen. Es ist nicht etwa nur die Unwahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs darzutun.

Bereits in einer älteren Entscheidung hat der OGH den Kausalitätsgegenbeweis als misslungen angesehen, wenn durch die Obliegenheitsverletzung die Gefahr eines Einbruchsdiebstahls deshalb gesteigert wird, weil einem Einbrecher, etwa durch ein Fenster in Kippstellung, weniger Widerstand geboten wird als durch ein geschlossenes Fenster.

Nach Ansicht des OGH beruhte der Eintritt des Versicherungsfalls (Einbruchsdiebstahl) auf einer Obliegenheitsverletzung, da ein gekipptes Fenster typischer Weise zu einer erhöhten Gefahrenlage führt. Das Fenster in Kippstellung hat nämlich das Eindringen in die Werkstatt erleichtert. In der Werkstatt konnte sich der Täter ungestört und mit weit geringerem Risiko vor Entdeckung an der Innentür zu schaffen machen.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Infolge der Verletzung einer Obliegenheit nach § 6 Abs 2 VersVG besteht daher auch keine Leistungspflicht der beklagten Versicherung.«

Was ist passiert?

Der Kläger (Versicherungsnehmer) hat mit der Beklagten (Versicherung) einen Haushaltsversicherungsvertrag abgeschlossen, mit welchem unter anderem das Risiko von Schäden infolge von Einbruchsdiebstählen versichert worden ist. Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung (ABH 2007) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauteten:


Artikel 2

Versicherte Gefahren und Schäden

1. Versicherte Gefahren:

[…]

1.4.1.2 Einbruchdiebstahl in ein versperrtes Behältnis liegt vor, wenn ein Täter gemäß Punkt 1.4.1.1 einbricht und […]

– ein Behältnis mit richtigen Schlüsseln öffnet, die er durch Einbruchdiebstahl in andere Räumlichkeiten als die Versicherungsräumlichkeiten oder durch Schlüsselraub an sich gebracht hat

[…]

Im Büro des Klägers befand sich ein Wertschutzschrank. Der Schlüssel zu diesem Schrank wurde in einem versperrten, aber leicht aufzubrechenden Rollcontainer aufbewahrt. Dieser Rollcontainer befand sich wiederum im selben Raum, und zwar in unmittelbarer Nähe des Wertschutzschrankes. Im vorliegenden Fall hat ein Einbrecher die Kellertüre des Klägers aufgebrochen und ist auf diesem Weg in das Haus und in weiterer Folge in das Büro des Klägers eingedrungen. Anschließend hat der Einbrecher aus dem vom Versicherungsschutz umfassten Wertschutzschrank versicherte Münzen im Wert von EUR 25.154,00 gestohlen. Nachdem von der Beklagten jegliche Versicherungsleistung abgelehnt wurde, hat der Kläger eine entsprechende Klage eingebracht.

Wie ist die Rechtslage?

Nach § 61 VersVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) handelt es sich dabei um einen Risikoausschluss. Sowohl das Vorliegen dieses Risikoausschlusses als auch die grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers müssen vom Versicherer bewiesen werden. Im Versicherungsvertragsrecht ist grobe Fahrlässigkeit dann gegeben, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen. Durch ein solches Fehlverhalten muss die Schadenswahrscheinlichkeit offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres nahe lag, zur Vermeidung des Versicherungsfalls ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen. Im Rahmen dieser Beurteilung sind die Umstände des einzelnen Falles und die persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen und ist bei der Zumutbarkeit von Maßnahmen auf jenen Personenkreis abzustellen, dem der Versicherungsnehmer angehört.

In der vorliegenden Konstellation kam der OGH (7 Ob 93/19f) zum Ergebnis, dass es leicht voraussehbar und naheliegend ist, dass ein Einbrecher in einem so sichtbar in der Nähe eines Wertschutzschranks aufgestellten, wenn auch versperrten Büromöbel als einem der ersten Orte Schlüssel vermutet und einen dort aufgefundenen Schlüssel, mag er auch nicht gekennzeichnet gewesen sein, am nächstgelegenen Safe ausprobiert. Aus Sicht des OGH war daher der Verwahrungsort der Schlüssel offenkundig untauglich und hat der Versicherungsnehmer dadurch die Schadenwahrscheinlichkeit erhöht. Der OGH wies daher die Klage ab, da die Beklagte aufgrund grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls leistungsfrei war.

Im Übrigen lag – ausgehend vom Wortlaut der Bedingung – auch kein Anwendungsfall des Art 2.1.4.1.2 ABH 2007 vor. Zwar wurde der Wertschutzschrank mit dem richtigen Schlüssel geöffnet, allerdings wurde dieser Schlüssel nicht durch Einbruchdiebstahl in andere Räumlichkeiten als die Versicherungsräumlichkeiten erlangt. Ein Rollcontainer ist nach dem klaren Wortlaut der Versicherungsbedingungen keine andere Räumlichkeit als die Versicherungsräumlichkeit.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Ob ein Fehlverhalten wegen ihres besonderen Gewichts oder einzelne, für sich genommen nicht grob fahrlässige Handlungen in ihrer Gesamtheit und Häufung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigen, hängt stets von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Die Schlüssel für ein versperrtes Objekt sollten jedoch keinesfalls im selben Raum bzw. in der unmittelbaren Nähe aufbewahrt werden.«

Was ist passiert?

Am 12.09.2019 ereignete sich ein Verkehrsunfall, an welchem ein PKW mit behördlichem Kennzeichen, aber ohne aufrechtem Zulassungsstatus beteiligt war. Die vormalige Haftpflichtversicherung des Fahrzeughalters trat aufgrund der Nichtentrichtung der Erstprämie vom Vertrag zurück. Am 22.07.2019 erfolgte die Einmeldung der Anzeige des Haftungsendes beim VVO. Dem Halter wurde am 29.07.2019 der Bescheid über die Aufhebung der Zulassung von der Zulassungsbehörde zugestellt.

Noch bevor sich der Unfall ereignet hatte, aber bereits nach dem erfolgten Rücktritt der vormaligen KFZ-Haftpflichtversicherung, schloss der Fahrzeughalter einen neuen Haftpflichtversicherungsvertrag ab. Diese hinterlegte am 02.08.2019 die Versicherungsbestätigung mit einem rückwirkenden Gültigkeitsbeginn ab 12.02.2019. Die Rückgabe der Kennzeichentafeln und der Zulassungsbescheinigung durch den Halter erfolgten erst am 09.12.2019, sohin nach dem Unfallzeitpunkt.

Der Unfallgegner begehrte von der alten Versicherung die Bezahlung des Schadenersatzes. Diese lehnte ab, das sie zum Unfallzeitpunkt nicht mehr Haftpflichtversicherung war und verwies auf die neue Haftpflichtversicherung, welche sich allerdings ebenfalls nicht zuständig für den Schadensfall sah.


Wie ist die Rechtslage?

Im abgeführten Rechtsstreit hatte sich der OGH zur GZ 2Ob101/21y mit 2 wesentlichen Rechtsfragen auseinanderzusetzen.

Zunächst war zu klären, ob die Bestimmungen des KHVG überhaupt anzuwenden sind, wenn das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt nicht mehr zum Verkehr zugelassen, das Kennzeichen allerdings noch angebracht war. Nach § 1 Abs. 1 des KHVG gilt dieses Gesetz nämlich für die Haftpflichtversicherung von Fahrzeugen, die nach den Vorschriften des KFG zum Verkehr zugelassen oder an denen Probefahrt- oder Überstellungskennzeichen angebracht sind.

Um die Frage beantworten zu können, hat der OGH unter Zugrundelegung unionsrechtlicher Bestimmungen (Richtlinie 2009/103/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 16.09.2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht – 6. KH-RL) einzelne Bestimmungen des KHVG einer Auslegung unterzogen. Er zieht dafür unter anderem nationale Regelungen heran, wie etwa § 24 Abs. 2 KHVG, welcher eine dreimonatige Nachhaftung für den Versicherer vorsieht, sobald die Anzeige des Nichtbestehens des Versicherungsverhältnisses erfolgt ist, woraus für den OGH bereits erkennbar ist, dass die Anwendbarkeit des KHVG nicht ausschließlich von einer Fahrzeugzulassung abhängig ist.

Im Vergleich mit den unionsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere mit den Erwägungsgründen Nr. 5 und Nr. 30 der 6. KH-RL, kommt er schließlich zusammengefasst zum Ergebnis, dass der Wortlaut des § 1 Abs. 1 KHVG, in dem er sich nur auf zum Verkehr zugelassene Fahrzeuge erstreckt, zu eng gefasst ist und die unionsrechtlichen Bestimmungen die Anwendung der Regelungen zur Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung nicht vom aufrechten Bestand einer Zulassung abhängig machen. Nach Erwägungsgrund Nr. 5 der 6. KH-RL soll für den Fall, dass ein Fahrzeug mit einem amtlichen Kennzeichen, das dem Fahrzeug nicht mehr zugeordnet ist, einen Unfall verursacht, eine besondere Regelung vorgesehen werden. Demnach betreffe Art. 1 Abs. 4 der 6. KH-RL Regelungen unter anderem für den Fall, dass ein Fahrzeug in einen Unfall verwickelt wurde, das ein amtliches Kennzeichen trägt, das dem Fahrzeug nicht mehr zugeordnet ist.

Demnach ist nach Ansicht des OGH das KHVG jedenfalls dann analog anzuwenden, wenn die Zulassung eines der Versicherungspflicht nach § 59 Abs. 1 KFG unterliegenden, in einem Unfall verwickelten Fahrzeuges gemäß § 44 Abs. 1 lit c KFG aufgehoben wurde, im nach Aufhebung der Zulassung liegenden Unfallzeitpunkt aber noch die Kennzeichentafeln am Fahrzeug angebracht waren.

Nachdem der OGH sohin zum Ergebnis kann, dass von einer Anwendbarkeit der Bestimmungen des KHVG auszugehen ist, stellte sich noch die Frage, ob ausgehend von § 24 Abs. 2 KHVG, welche die Nachhaftung für die Haftpflichtversicherung nach Beendigung des Versicherungsvertrages im Verhältnis zum Dritten vorsieht, die vormalige Haftpflichtversicherung für den Unfallschaden haftet, oder bereits die neue Haftpflichtversicherung. Gemäß § 24 Abs. 3 KHVG besteht die Leistungspflicht des Versicherers nämlich nicht, insoweit ein anderer Haftpflichtversicherer zur Leistung verpflichtet ist. In diesem Punkt kam der OGH zum Ergebnis, dass nicht die vormalige Haftpflichtversicherung, sondern die neue Haftpflichtversicherung haftet, zumal diese noch vor dem Unfall und zwar am 02.08.2019 die vorläufige Deckung bestätigt hat. Damit hat sie den Altversicherer bei der Haftung abgelöst.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Die zivilrechtliche Haftung des Versicherers ist nicht an die öffentlich-rechtliche Zulassung des Fahrzeuge zum Verkehr geknüpft. Wenn nach Aufhebung der Zulassung noch die Kennzeichen am Fahrzeug angebracht waren, kommt es zu einer analogen Anwendung des KHVG.«

Was ist passiert?

Der Kläger (Versicherungsnehmer) hat mit der Beklagten (Versicherung) einen Unfallversicherungsvertrag abgeschlossen, dem die Allgemeinen Bedingungen für den Premium-Unfallschutz (AUVB 2012) zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise:


Artikel 7

Was versteht man unter „Dauernder Invalidität“?

Wie wird der Invaliditätsgrad bemessen? […]

7. Steht der Grad der dauernden Invalidität nicht eindeutig fest, sind sowohl die versicherte Person als auch wir berechtigt, den Invaliditätsgrad jährlich bis vier Jahre ab dem Unfalltag ärztlich neu bemessen zu lassen.[…]

Der Kläger erlitt am 17.12.2016 einen Unfall. Ausgehend von einem durch einen medizinischen Sachverständigen bewerteten Invaliditätsgrad von 15 % zum Stichtag 17.12.2017 erbrachte die Beklagte Leistungen aus der Versicherungspolizze an den Kläger. Gegen diese (Erst-)Bemessung brachte der Kläger eine Klage ein, mit welcher er Versicherungsleistungen auf Basis eines Invaliditätsgrades von 25 % begehrte. Der vom Gericht bestellte Sachverständige kam zum Ergebnis, dass der Invaliditätsgrad zum Zeitpunkt 17.12.2017 tatsächlich 25 % betrug.

Dadurch hat sich naturgemäß die Lage des Versicherungsnehmers erheblich verbessert. Aus diesem Grund stellte der Versicherer noch während des laufenden Prozesses und innerhalb der Vier-Jahres-Frist (im Juli 2020) einen Antrag auf Neubemessung der Invalidität gemäß Art 7.7. AUVB 2012. Über diesen Antrag kam der gerichtliche Sachverständige, ebenfalls innerhalb der Vier-Jahres-Frist, zu einem (nunmehrigen) Invaliditätsgrad von 15 %, weil sich der Gesundheitszustand des Klägers seit dem 17.12.2017 deutlich verbessert habe. Fraglich war nunmehr, welches vom Sachverständigen ermittelte Ergebnis für den Prozess heranzuziehen ist

Wie ist die Rechtslage?

Art 7.7. AUVB 2012 enthält eine Ausschlussfrist. Wird die Antragstellung auf Neubemessung innerhalb von vier Jahren ab dem Unfalltag versäumt, bleibt es bei der bisherigen Bemessung des Invaliditätsgrads. Ein allenfalls von der Erstbemessung abweichender Invaliditätsgrad ist nur dann zu bemessen und zu berücksichtigen, wenn dies bis zu vier Jahre ab dem Unfalltag vom Versicherten oder vom Versicherer begehrt wird.

Der Zweck der Regelung liegt in der möglichst raschen Herstellung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden. Beide Parteien – Versicherungsnehmer und Versicherer – sollen innerhalb eines überblickbaren Zeitraums Klarheit über den Grad der Invalidität erlangen können, um letztlich Beweisschwierigkeiten zu vermeiden und eine alsbaldige Klärung der Ansprüche herbeizuführen. Die durch Setzung der Ausschlussfrist vorgenommene Risikobegrenzung soll also im Versicherungsrecht eine Ab- und Ausgrenzung schwer aufklärbarer und unübersehbarer (Spät-)Schäden herbeiführen. Maßgeblich ist der Invaliditätsgrad bis maximal zum Ablauf der Vier-Jahres-Frist.

Die Neubemessung der Invalidität innerhalb der vereinbarten Frist setzt voraus, dass die dauernde Invalidität bereits grundsätzlich feststand, ärztlich bemessen wurde und der Versicherer dazu eine entsprechende Erklärung abgegeben hat. Ein Antrag auf Vornahme der Neubemessung muss vom Versicherer jedenfalls so rechtzeitig gestellt werden, dass die ärztliche Untersuchung nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge noch vor Ablauf der Frist möglich ist.

Im vorliegenden Fall führte der Oberste Gerichtshof (OGH, 24.11.2021, 7 Ob 168/21p) aus, dass – wenn der Versicherungsnehmer gegen den Versicherer vor Ablauf der Frist für die Neubemessung Klage erhebt – die Parteien typischerweise davon ausgehen, dass der Streit in dem vor Fristablauf eingeleiteten Prozess insgesamt, das heißt einschließlich etwaiger weiterer Invaliditätsfeststellungen, ausgetragen werden soll, ohne dass es einer Neufeststellung bedarf. Dabei ist der Invaliditätsgrad bis maximal zum Ablauf der Frist maßgebend.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Da der Kläger vor Ablauf der Vier-Jahres-Frist Klage erhoben hat und die Beklagte den Neubemessungsantrag innerhalb der Frist gestellt und auch die ärztliche Untersuchung vor Fristablauf stattgefunden hat, ist der Streit über das Ausmaß der Invalidität vor dem Hintergrund einer allfälligen Neubemessung gesamtheitlich im Verfahren zu erledigen.«

Was ist passiert?

Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht eine Bündelversicherung „Hof & Ernten 2013″, die unter anderem den Baustein „1030 Katastrophenhilfe“ enthält. Der Versicherungspolizze liegen unter anderem die Versicherungsbedingungen F 630 Katastrophenhilfe – Hof & Ernten 2013 sowie die Gruppierung Erläuterungen F 639 für Land- und forstwirtschaftliche Betriebe 2014 zu Grunde.

Im November 2019 kam es am landwirtschaftlichen Anwesen des Klägers durch einen Murenabgang zu Schäden im Straßen- und Geländebereich, insbesondere an der Zufahrt und der Stallzufahrt eines Wirtschaftsgebäudes. Der Kläger begehrte für diese Schäden Versicherungsschutz aus der Katastrophenhilfe. Die Beklagte lehnte ab und vertrat die Rechtsansicht, dass die Schäden an den Zufahrten bedingungsgemäß nicht vom Versicherungsschutz umfasst sind. Ob diese Rechtsansicht ausgehend von den vereinbarten Bedingungen zutreffend ist oder nicht, hatte der OGH in der Entscheidung 7 Ob 191/21w zu beantworten.  

Nachsehende Bedingungen waren strittig:

1. Diese Erweiterung gilt für

– in der Versicherungspolizze angeführte Wohn- und landwirtschaftliche Gebäude

– die gesamten in der Versicherungspolizze angeführten landwirtschaftlichen Einrichtungen, Erntefrüchte und Viehbestände, die sich in den Versicherungsräumlichkeiten auf dem Versicherungsgrundstück befinden.

[…]

Darüber hinaus liegen dem Vertrag die Gruppierungserläuterungen F 639 für land- und forstwirtschaftliche Betriebe (Fassung 07/2014) zugrunde, die auszugsweise lauten:

1. Anwendungsbereich

Die Gruppierungserläuterung gilt für land- und forstwirtschaftlich genutzte Anlagen und Gebäude im Sinne der Gewerbeordnung.

[…]

2. Gruppierung

Gruppe A: Gebäude

A.1. Als Gebäude im Sinne dieser Gruppierungserläuterungen gelten:

A.1.1. Alle Gebäude im engeren Sinn, […]

[…]

A.1.2. Ferner die folgenden Bauwerke:

A.1.2.1. Überdachungen, Vordächer, Verbindungsbrücken, Rampen, Aufzugschächte und ähnliche Bauwerke, die konstruktiv als Teile von Gebäuden nach Punkt A.1.1. zu gelten haben;

[…]

A.1.2.5. bauliche Einfriedungen aller Art

[…].“

Wie ist die Rechtslage?

Der OGH stellte mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung (RS0121516; 7 Ob 204/20f) zunächst klar, dass die Auslegung von Bedingungsklauseln dann nicht von rechtserheblicher Bedeutung ist, wenn der Wortlaut der betreffenden Bestimmung so eindeutig ist, dass keine Auslegungszweifel vorliegen. Dies sei nach Ansicht des OGH gegenständlich der Fall.

Wie der Begriff „Gebäude“ zu verstehen ist, ergibt sich demnach aus den Gruppierungserläuterungen F 639. Dazu gehören nicht nur Gebäude ieS, sondern auch die in Punkt A.1.2.1 angeführten Bauwerke, so beispielsweise Verbindungsbrücken und Rampen. Nach Punkt A.1.2.5 fallen darunter auch bauliche Einfriedungen aller Art.

Schäden an Straßen und im Geländebereich sind nach Ansicht des OGH ausgehend vom klaren Bedingungswortlaut auch unter Zugrundelegung des Verständnisses eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers sohin gerade nicht als Gebäudeschäden zu qualifizieren und sohin nicht vom Versicherungsschutz umfasst, weshalb die Deckungsablehnung für diese Schäden berechtigt sei.

Schlussfolgerung

Ein Schaden an einer Gebäudezufahrt wird für gewöhnlich nicht einem deckungspflichtigen Gebäudeschaden zuzuordnen sein, sofern dies nicht bedingungsgemäß explizit geregelt ist oder die Zufahrt, z.B. in Form einer Rampe, einen konstruktiven Gebäudebestandteil darstellt.

Was ist passiert?

Zwischen der unternehmerisch tätigen Klägerin und der beklagten Versicherung bestand ein aufrechter Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag. Die Klägerin entwickelte als Fachunternehmen Schneelanzen für Beschneiungsanlagen. Diese Lanzen waren mit einer speziellen Kippfunktion ausgestattet. Allerdings war die Entwurfskalkulation für den Drehteil nicht ausreichend, da bei der Konzeption der Drehgelenke nur statische und nicht auch dynamische Belastungen berücksichtigt wurden. Aus diesem Grund kam es an diesen Lanzen zu zahlreichen Brüchen, woraufhin die Klägerin von ihren Kunden naturgemäß in Anspruch genommen worden ist. Nach den ersten Brüchen entwickelte daher die Klägerin im Bereich der Drehgelenke einen Schutz- und Verstärkungssatz als provisorische Maßnahme, um dadurch weitere Brüche zu vermeiden und den Betrieb der Schneeproduktion aufrecht erhalten zu können. Provisorisch war diese Maßnahme deshalb, da durch diesen Schutz- und Verstärkungssatz das Absenken des Lanzenrohrs ohne Entfernung der Luft- und Wasserschläuche nicht mehr möglich war. Die Kosten für die Herstellung dieses Provisoriums und nicht die Kosten der endgültigen Verbesserung machte die Klägerin bei ihrer beklagten Betriebshaftpflichtversicherung geltend. Nachdem die Beklagte die Übernahme dieser Kosten abgelehnt hatte, kam es zum gegenständlichen Gerichtsverfahren.

Wie ist die Rechtslage?

Gemäß Art 7.1.1 und 7.1.3 der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden AHVB sind Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel sowie die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. In Ergänzung dazu sieht Art 9.24.2 der Besonderen Vertragsbedingungen vor, dass Schadenverhütungskosten dann nicht gedeckt sind, wenn es sich dabei um Kosten aus einer Tätigkeit handelt, die zur richtigen Vertragserfüllung gehört, wie das Beheben von Mängeln an hergestellten Sachen.

In seiner Entscheidung vom 26.01.2022 führte der Oberste Gerichtshof (OGH, 7 Ob 186/21k) zunächst aus, dass diese Ausschlüsse ganz allgemein dem Grundsatz der Betriebshaftpflichtversicherung entsprechen, wonach das Unternehmerrisiko nicht auf den Versicherer zu übertragen ist. Daraus gehe klar hervor, dass unter die Versicherung grundsätzlich weder die Erfüllung noch Erfüllungssurrogate fallen. Als Erfüllungssurrogat werden diejenigen Schadenersatzansprüche bezeichnet, durch die ein unmittelbares Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand eines abgeschlossenen Vertrags geltend gemacht wird. Ausgeschlossen sind diejenigen Schadenersatzansprüche, die den Kunden des Versicherungsnehmers in den Genuss der ordnungsgemäßen Leistung bringen sollen. Der Versicherungsschutz umfasse demnach bei der Betriebshaftpflichtversicherung nur jenen Schaden, der über das Erfüllungsinteresse des Dritten an der Leistung des Versicherungsnehmers hinausgeht.

Schlussfolgerung

»Die Kunden der Klägerin wurden durch die provisorische Maßnahme in den primären Genuss des geschuldeten Leistungsgegenstands (Beschneiung) gebracht. Damit hat die provisorische Maßnahme – zumindest vorläufig – die ursprünglich mangelhafte Leistung der Klägerin ersetzt. Bei den Kosten für eine provisorische Mängelbehebung handelt es sich um Kosten der Vertragserfüllung und ist sie daher als Erfüllungssurrogat zu qualifizieren. Aus diesem Grund sind die Kosten für die Herstellung des Provisoriums auch nicht vom Schutz der Betriebshaftpflichtversicherung umfasst.«

Dr. Roland Weinrauch, Rechtsanwalt &Partner

Was ist passiert?

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Wohnhauses und beauftragte im Jahr 2012 einen Werkunternehmer mit der Errichtung eines Wintergartens. Aufgrund eines aufgetretenen Mangels brachte sie eine Klage gegen den Werkunternehmer ein. In diesem Verfahren stellte der gerichtliche Sachverständige fest, dass lediglich eine optische Beeinträchtigung vorliegen würde. Im Vertrauen auf die Richtigkeit des Gutachtens schloss die Eigentümerin einen Vergleich mit dem Werkunternehmen.

In der Folge stellte sich jedoch heraus, dass das Sachverständigengutachten wohl unrichtig war und brachte die Eigentümerin des Wohnhauses eine Schadensersatzklage gegen den Sachverständigen ein. Für diese Klage forderte die Klägerin Rechtschutzdeckung von ihrer Rechtschutzversicherung. Diese lehnte jedoch die Deckung ab, da kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit der Errichtung bzw. baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderungen von Gebäuden sowie deren Planung und Finanzierung bestehe. Die Klägerin brachte eine Feststellungsklage gegen die Rechtschutzversicherung ein. Der Versicherungsfall falle nicht unter den Ausschlusstatbestand, weil kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Geltendmachung des Schadenersatzanspruches gegenüber dem Sachverständigen und der Errichtung des Wintergartens bestehe. Zudem sei die Bestimmung gröblich benachteiligend und intransparent.

Wie ist die Rechtslage?

Der Oberste Gerichtshof stellte in seiner Entscheidung 7 Ob 172/21a vom 15.12.2021 fest, dass die Ausschlussklausel der Rechtschutzversicherung weder überraschend, noch gröblich benachteiligend sei.

Im vorliegenden Fall sei daher lediglich zu prüfen, ob ein adäquater Zusammenhang zwischen dem Rechtsstreit gegen den Sachverständigen und der Baufinanzierung bestehe. Ein solcher Zusammenhang bestehe dann, wenn die beabsichtige Rechtsverfolgung einen Bezug zu den für die Errichtung typischen Probleme aufweise. Gegenstand des gegen den gerichtlichen Sachverständigen angestrengten Haftpflichtprozesses sei die Klärung des Vorliegens des von der Klägerin behaupteten Baumangels, sodass die beabsichtigte Rechtsverfolgung einen Bezug zu den für die baubehördlich genehmigungspflichtige Veränderung des Gebäudes typischen Problemen aufweise. Da die Klägerin eine Schadenszufügung durch ein unrichtiges Sachverständigengutachten in dem im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben geführten Gewährleistungsprozesses geltend mache, sei auch im beabsichtigten Verfahren gegen den gerichtlichen Sachverständigen gerade der im Zuge der genehmigungspflichtigen Veränderung entstandene Baumangel und letztlich die mangelfreie Leistungserbringung durch die Werkunternehmerin zu beurteilen. Damit realisiere sich in diesem Anspruch das typische Bauherrenrisiko im gleichen Maße wie durch eine unmittelbare Inanspruchnahme der Werkunternehmerin in einem Gewährleistungsverfahren wegen mangelhaft erbrachter Leistungen.

Schlussfolgerung

Der Oberste Gerichtshof bestätigte, dass das Verfahren gegen den Sachverständigen im adäquaten Zusammenhang mit der baubehördlich genehmigungsfähigen Veränderung steht. Die Rechtschutzversicherung berief sich daher zu Recht auf ihre Leistungsfreiheit infolge des Vorliegens des eingewandten Ausschlussgrundes. Es ist somit jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob ein ausreichender adäquater Zusammenhang zwischen der beabsichtigten Rechtsverfolgung und der Errichtung bzw. Veränderung von Gebäuden sowie deren Planung und Finanzierung besteht.

Was ist passiert?

Eine Bauträgerin (im Folgenden Klägerin) verfügt über einen Haftpflichtversicherungsvertrag, welchem die allgemeinen und ergänzenden allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung des Versicherungsverbandes Österreich in der Version 2012 und die Rahmenvereinbarung der Wirtschaftskammer Österreich vom September 2013 zugrunde liegen.

Im Punkt 7 des Rahmenvertrages ist das versicherte Risiko definiert. Demnach muss der Versicherungsnehmer zunächst eine aufrechte Gewerbeberechtigung als Immobilientreuhänder gemäß den Bestimmungen des § 94 Z 35 in Verbindung mit § 117 GewO haben. Das versicherte Risiko umfasst dabei „alle Eigenschaften, Rechtsverhältnisse und Tätigkeiten des Versicherten, zu denen er aufgrund der für seinen Beruf und Betrieb geltenden Rechtsnormen und Berufsbilder berechtigt ist“.

Im Punkt 9 „besondere Vereinbarungen“ findet sich in Punkt 9.2.3.1 die exemplarische Tätigkeitsbeschreibung des Bauträgers. Diese lautet wie folgt:

Der Versicherungsschutz erstreckt sich insbesondere auf folgende Tätigkeiten des Versicherungsnehmers im Rahmen seiner jeweiligen Gewerbeberechtigung:

1. Der Tätigkeitsbereich des Bauträgers umfasst die organisatorische und kommerzielle Abwicklung von Bauvorhaben (Neubauten, durchgreifende Sanierung) auf eigene oder fremde Rechnung sowie die hinsichtlich des Bauaufwands einem Neubau gleichkommende Sanierung von Gebäudeteilen. Der Bauträger ist auch berechtigt, diese Gebäude zu verwerten.

Klargestellt wird, dass die planende Tätigkeit des Versicherungsnehmers, sämtliche Tätigkeiten des Versicherungsnehmers des Bauhaupt-, Bauhilfs- und Baunebengewerbes sowie Tätigkeiten als Generalunternehmer nicht vom Versicherungsschutz umfasst sind.

Bei dem Bauvorhaben war die Klägerin nicht selbst als Bauträgerin tätig, sondern hat diese vielmehr für eine Bauträgerin aufgrund eines abgeschlossenen Werkvertrages Leistungen erbracht, wozu unter anderem die Einreichplanung gehörte. Nachdem die Klägerin eine unrichtige Kostenschätzung im Rahmen der von ihr im Werkvertrag übernommenen Einreichplanung vornahm, wurde sie von der Bauträgerin auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Im zwischen der Klägerin und ihrer Haftpflichtversicherung abgeführten Deckungsprozess vertrat die Klägerin den Standpunkt, dass diese Tätigkeit vom Versicherungsschutz umfasst ist. Dies bestritt die Haftpflichtversicherung.

Wie ist die Rechtslage?

Im vorliegenden Fall führte der OGH (15.09.2021, 7 Ob 99/21s) aus, dass es der ständigen Rechtsprechung entspricht, dass für den Regressanspruch des KFZ-Haftpflichtversicherers zwei

Der OGH hat sich in der Entscheidung 7 Ob 193/21i mit der Frage auseinandergesetzt, ob die von der Klägerin vertraglich übernommene Tätigkeit von der primären Risikoumschreibung umfasst ist. Dazu hat der OGH ausgeführt, dass Punkt 9.2.3.1 des Rahmenvertrages eine klarstellende Umschreibung des versicherten Risikos vornimmt und es sich dabei um eine primäre Risikobegrenzung handelt. Diese Bestimmung würde § 117 Abs. 4 GewO 1994 entsprechen. Klargestellt wird, dass der Deckungsanspruch des Haftpflichtversicherers durch das versicherte Risiko spezialisiert und von dem vom Geschädigten erhobenen Anspruch abhängig ist, das heißt unter Zugrundelegung des vom Geschädigten behaupteten Sachverhalts (7 Ob 142/18k; RS0081015).

Ausgehend davon, dass die den Schaden auslösende Tätigkeit der Klägerin (unrichtige Kostenschätzung bei der Einreichplanung) in der primären Risikoumschreibung keine Deckung findet, hat der OGH die Deckungsablehnung der Versicherung als korrekt bestätigt. Dies deshalb, da es sich nach Ansicht des OGH um keine organisatorische oder kommerzielle Abwicklungstätigkeit bei einem Bauvorhaben handelt, sondern sich die Klägerin vielmehr gegenüber einer (anderen) Bauträgerin zur Erbringung von fachspezifischen Einzelleistungen verpflichtet hat, die außerhalb der Versicherungsleistung liegen.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch: 

»Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer nach § 149 VersVG verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser aufgrund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat. Dies allerdings nur dann, wenn es sich um eine Tätigkeit handelt, die von der primären Risikobegrenzung umfasst und nicht durch eine sekundäre Risikobegrenzung (Risikoausschluss) vom Versicherungsschutz ausgeschlossen ist. Wesentlich ist daher bei der Vermittlung von Haftpflichtversicherungen darauf zu achten, dass die primäre Risikobeschreibung auch der tatsächlichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers. Ansonsten drohen bei Vermittlungen durch Versicherungsmakler allenfalls sogar unangenehme Haftungsfolgen.«

Was ist passiert?

Ein Versicherungsnehmer verursachte mit seinem haftpflichtversicherten PKW einen Verkehrsunfall. Die Haftpflichtversicherung leistete aufgrund dieses Unfalls Ersatzzahlungen an den Geschädigten von mehr als EUR 11.000,00. Der durchgeführte Alkomattest ergab einen Atemluft-Alkoholwert von 1,28 Promille. Die Bezirkshauptmannschaft erließ daher das an den Versicherungsnehmer gerichtete Straferkenntnis wegen Übertretung des § 5 Abs 1 StVO (Lenken eines Fahrzeuges mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von mehr als 1,2 Promille). Aufgrund des verschuldeten Verkehrsunfalls wurde von der Staatsanwaltschaft zudem eine (strafrechtliche) Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den Versicherungsnehmer eingebracht. Mangels Schuldbeweises wurde der Versicherungsnehmer allerdings rechtskräftig freigesprochen. Aus diesem Grund (Doppelbestrafungsverbot) wurde auch das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Allerdings entzog die Bezirkshauptmannschaft dem Beklagten mit Bescheid die Lenkberechtigung, dies mit der Begründung, dass der Versicherungsnehmer in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall verursacht hat.

Nach den vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ist die Versicherung von der Leistung befreit, wenn sich der Lenker in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im Sinn der Straßenverkehrsvorschriften befindet und wenn zudem im Spruch oder in der Begründung einer rechtskräftigen verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung festgestellt wird, dass das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt wurde. Die Leistungsfreiheit des Versicherers infolge einer solchen Obliegenheitsverletzung ist vereinbarungsgemäß mit EUR 11.000,00 beschränkt.

Ausgehend von diesen Versicherungsbedingungen begehrte die Haftpflichtversicherung vom Versicherungsnehmer eine Regresszahlung von EUR 11.000,00. Der Versicherungsnehmer lehnte jedoch die Zahlung mit der Begründung ab, dass keine rechtskräftige Entscheidung eines Strafgerichts oder einer Verwaltungsbehörde im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegen würde. Der im Führerscheinentzugsverfahren ergangene Bescheid würde die in den Versicherungsbedingungen geforderten Voraussetzungen nicht erfüllen. Der Versicherungsnehmer sei nicht nach einer konkreten Bestimmung der Straßenverkehrsordnung bestraft worden, sondern erfolgte vielmehr nur ein Führerscheinentzug nach dem Führerscheingesetz.

Wie ist die Rechtslage?

Im vorliegenden Fall führte der OGH (15.09.2021, 7 Ob 99/21s) aus, dass es der ständigen Rechtsprechung entspricht, dass für den Regressanspruch des KFZ-Haftpflichtversicherers zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Einerseits muss im Regressprozess der Nachweis der Alkoholisierung „im Sinne der Straßenverkehrsvorschriften“ erbracht werden. Andererseits muss eine rechtskräftige Entscheidung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts vorliegen, in deren Spruch oder Begründung festgestellt wird, dass das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt wurde.

Zu den im zweiten Punkt inhaltsgleichen Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung sprach der Oberste Gerichtshof bereits aus, dass Sinn dieser zweiten Voraussetzung für die Leistungsfreiheit des Versicherers nicht die Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung ist. Mit dieser Voraussetzung sollen lediglich die Zweifel am inkriminierten Verhalten des Versicherungsnehmers beseitigt werden, und zwar durch eine entsprechende (gesicherte) behördliche Feststellung. Ein Strafausspruch ist hingegen nicht Voraussetzung für den Regress, sodass eine Differenzierung zwischen verwaltungsstrafrechtlichen Bescheiden und Bescheiden, mit denen die Lenkberechtigung entzogen wird, nicht erforderlich ist.

In seiner Entscheidung hat der OGH auch auf die ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach bei einem Blutalkoholgehalt von 0,8 Promille und darüber der Zustand einer Person als von Alkohol beeinträchtigt gilt, sodass der Gegenbeweis fehlender Beeinträchtigung nicht möglich ist.

Schlussfolgerung

»Die Feststellung in der Begründung eines Bescheids in einem Führerscheinentzugsverfahren erfüllt die Voraussetzung einer leistungsbefreienden Obliegenheitsverletzung gemäß den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, solange im Bescheid konkret festgestellt wird, dass der Versicherungsnehmer ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat.«

Dr. Roland Weinrauch