Was ist passiert?

Der Besucher eines Lokals kam beim Versuch, das Lokal über eine Treppe zu verlassen, zu Sturz. Aufgrund einer Alkoholisierung von zumindest 1,2 Promille erkannte er nämlich nicht, dass die Treppe nicht, wie von ihm vermutet, zum Ausgang führte. Vielmehr war die Treppe am oberen Ende mit einem Gitter abgesperrt und aufgrund fehlender Verkehrssicherheit überhaupt nicht zur Benutzung geeignet. Oben angekommen, musste er daher umdrehen und die Treppe wieder hinabsteigen. Dabei kam er schließlich zu Sturz. Aufgrund der Tatsache, dass die Treppe nicht verkehrssicher war, klagte der Besucher den Lokalinhaber auf Schadenersatz.

Wie ist die Rechtslage?

§ 1307 ABGB regelt, dass ein im Zustand der Sinnesverwirrung verursachter Schaden demjenigen zuzurechnen ist, der sich aus eigenem Verschulden in diesen Zustand versetzt hat. Dies gilt auch für den Geschädigten selbst, wenn er in einem solchen Zustand den ihm zugefügten Schaden zumindest mitverursacht hat. Nach Ansicht des OGH (8 Ob 22/21z) führte der alkoholisierte Zustand des Klägers dazu, dass bereits das bloße Benützen einer Treppe als gefährlich einzustufen ist. Ob der Kläger in seinem alkoholisierten Zustand tatsächlich nicht mehr in der Lage war, überhaupt zu erkennen, dass die Treppe nicht geeignet und verkehrssicher war, um das Lokal zu verlassen, ist nach Ansicht des OGH aufgrund der Regelung des § 1307 ABGB nicht von Bedeutung. Vor diesem Hintergrund kam der OGH zum Ergebnis, dass dem geschädigten Besucher des Lokals ein Mitverschulden im Ausmaß von einem Drittel zuzurechnen ist.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch: „Im vorliegenden Fall trug der alkoholisierte Kläger daher zumindest eine Mitschuld an seinem Schaden. Dies deshalb, da er in einem Zustand, in dem er nicht mehr in der Lage gewesen ist, eine Treppe ohne Risiko und insbesondere verletzungsfrei zu benützen, dennoch versuchte, ein Lokal über eine Treppe zu verlassen. Für ein Mitverschulden spielt es hierbei auch keine Rolle, dass die Treppe im nüchternen Zustand erkennbar nicht verkehrstauglich gewesen ist.

Was ist passiert?

Ein Finanzdienstleistungsunternehmen (Vermittler) hat in Österreich ein internationales Lebensversicherungsprodukt vertrieben. Für die Kommunikation mit den Kunden in Österreich sollte ausschließlich der Vermittler zuständig sein. Der Vermittler organisierte den Vertrieb der Lebensversicherungen in Österreich so, dass er mehrere Vertriebshauptpartner unter sich hatte, die wiederrum Subvermittler einsetzten. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Versicherungsnehmer von der Lebensversicherung die Erfüllung des durch einen Vertriebspartner vermittelten Rentenversicherungsvertrages. Die Klage brachte er dabei am Sitz des Vertriebspartners als Subagenten, gestützt auf § 48 VersVG ein. Vom Obersten Gerichtshof war die Frage zu klären, ob die internationale und ordentliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes am Sitz des Sub-Agenten gegeben ist.

Wie ist die Rechtslage?

Nach § 48 VersVG ist für Klagen aus dem Versicherungsverhältnis gegen den Versicherer jenes Gericht zuständig in dessen Sprengel der Versicherungsvertreter zur Zeit des Abschlusses des Vertrages seine gewerbliche Niederlassung oder in deren Ermangelung seinen Wohnsitz hatte. Es handelt sich dabei um einen zum Schutz des Verbrauchers normierten Wahlgerichtsstand. Nach ständiger Rechtsprechung ist derjenige, der nicht bloß eine Rahmenprovisionsvereinbarung geschlossen hat, sondern vom Versicherer ständig damit betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder zu schließen und der damit zum Versicherer ein Naheverhältnis hat und der Sphäre des Versicherers zugerechnet wird, Versicherungsagent im Sinne von § 43 VersVG. (siehe dazu unter anderem RS0114041). In der Entscheidung 7Ob 165/20w ist der OGH zum Ergebnis gekommen, dass der Vermittler ständig damit betraut war das internationale Versicherungsprodukt in Österreich zu vertreiben. Damit ist er in einem Naheverhältnis zur (internationalen) Versicherung. Er bediente sich als Generalvermittler weiterer Subvermittler. Diese wurden somit als Subagenten tätig. Die Frage ob der Versicherungsnehmer die Versicherung am Sitz des Subagenten klagen könnte, wurde vom OGH (7Ob 165/20w) mit Verweis auf den Schutzzweck des § 48 VersVG bejaht. Nachdem Versicherer Versicherungsagenten anstellen, die vom Sitz des Versicherungsunternehmens oft weit entfernt sind, um mit ihrer Hilfe Verträge abzuschließen, entspricht es der Billigkeit, dass in Bezug auf so zustande gekommene Geschäfte dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit gegeben wird, bei den Gerichten dieser Orte ihre Ansprüche geltend zu machen (Kollhosser in Prölss/Martin Versicherungsvertragsgesetz 27. Auflage bei § 48 Rn1). Demnach entspricht es dem Schutzweck, den Versicherungsnehmer am Ort der Niederlassung des Unteragenten klagen zu lassen, (Gruber im Berliner Kommentar § 48 Rn2, Langheid in Römer/Langheid Versicherungsvertragsgesetz 2. Auflage § 48 Rn2; 7Ob 165/20w), womit die örtliche und internationale Zuständigkeit des Gerichtes am Sitz des Sub-Agenten gegeben war.

Schlussfolgerung

Ausgehend von der Entscheidung 7Ob 165/20w ist bei Einschaltung eines Subagenten das Gericht jenes Ortes zuständig, in dem der dem Versicherungsnehmer bei Vermittlung gegenübertretende Subagent seine Niederlassung oder in Ermangelung seinen Wohnsitz hat (siehe dazu RS 0133381).

Was ist passiert?

Der klagende Versicherungsnehmer hat mit der beklagten Versicherung einen Rechtsschutzversicherungsvertrag abgeschlossen. Nach den, der Polizze zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen besteht zwar grundsätzlich Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers, somit auch aus Versicherungsverträgen. Die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Versicherungsverträgen ist hingegen nach den Versicherungsbedingungen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.

Der Kläger hat bei einem anderen Versicherer einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen, von dem er mit Schreiben vom 27.12.2018 zurückgetreten ist. Dies mit der Begründung, dass er nicht bzw. nicht ordnungsgemäß über seine Rücktrittsrechte belehrt worden sei. Die Wirksamkeit dieses Rücktritts wurde jedoch von der (Lebens-) Versicherungsanstalt naturgemäß bestritten.

Fraglich war nunmehr, ob die beklagte Rechtsschutzversicherung für eine solche Streitigkeit über die Wirksamkeit eines Rücktritts aus dem Lebensversicherungsvertrag Deckungsschutz zu gewähren hat. Das Erstgericht wies die Klage des Versicherungsnehmers ab, das Berufungsgericht gab der Klage hingegen statt.

Wie ist die Rechtslage?

Nach Ansicht des OGH (7 Ob 176/20p) kann der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer die Formulierung, wonach „kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Versicherungsverträgen“ besteht, nur dahingehend verstehen, dass durch diesen (sekundären) Risikoausschluss grundsätzlich vom Versicherungsschutz umfasste Ansprüche aus Verträgen insofern begrenzt sind, als die Geltendmachung oder Abwehr von sämtlichen Ansprüchen von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen sind, wenn sie – wie hier – aus Versicherungsverträgen abgeleitet sind. Eine Differenzierung zwischen Erfüllungsansprüchen (z.B. Klage auf Erbringung einer Versicherungsleistung) und sonstigen abgeleiteten Ansprüchen (z.B. über die Wirksamkeit eines Rücktritts) widerspreche dem klaren Wortlaut dieser Klausel.

Schlussfolgerung

Der zitierte Risikoausschluss hat zur Folge, dass alle aus Versicherungsverträgen abgeleitete Ansprüche nicht von der versicherten Gefahr umfasst sind. Ausgeschlossen sind daher sowohl die Erfüllung und Erfüllungssurrogate als auch die Ausübung von Gestaltungsrechten, wie zum Beispiel Kündigung, Rücktritt oder Anfechtung sowie die Rückabwicklung eines solchen Vertrags nach Bereicherungsrecht oder sonstigen Rechten.

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer hatte eine Lebensversicherung abgeschlossen. Er war der Meinung, dass er nicht gehörig über sein Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG idF BGBl Nr. 1997/6 belehrt wurde, weshalb er einen Spätrücktritt vom Versicherungsvertrag vollzog.

Im sechsseitigen Versicherungsantrag wurden auf der vorletzten, zweispaltig bedruckten, Seite mit dem Titel „Schlusserklärungen bezüglich des Abschlusses dieser beantragten Versicherung“ unter der fettgedruckten Zwischenüberschrift „RÜCKTRITTSRECHT LAUT § 5B, § 38 und § 165A VERSICHERUNGSVERTRAGSGESETZ BZW § 3 und § 3A KONSUMENTENSCHUTZGESETZ“ die einzelnen gesetzlichen Bestimmungen wörtlich wiedergegeben. Die Unterschrift des Versicherungsnehmers findet sich auf der den Schlusserklärungen unmittelbar vorangehenden Seite 4, die aber einen vom Kläger gesondert unterschriebenen Hinweis enthält, dass im Rahmen der Schlusserklärungen wesentliche Bestimmungen dargestellt werden. Über den zu Recht oder zu Unrecht erfolgten Rücktritt wurde zwischen dem Versicherungsnehmer und der Versicherungsgesellschaft ein Rechtsstreit abgeführt.

Wie ist die Rechtslage?

Nach zahlreichen höchstgerichtlichen Entscheidungen ist es mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass der Lauf der Rücktrittsfrist nach § 165a VersVG idF BGBl Nr. 1997/6 erst dann ausgelöst wird, wenn der Versicherungsnehmer eine korrekte Belehrung über die Rücktrittsmöglichkeit und die einzuhaltende Frist erhalten hat.

Im vorliegenden Rechtsstreit hatte letztlich der OGH (7 Ob86/21d) zu beurteilen, ob die Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen auf den letzten Seiten des unterfertigten Antrages als ausreichende Rücktrittsbelehrung zu werten ist, was vom OGH, ebenso wie von den Vorinstanzen, schließlich bejaht wurde.
Nach Ansicht des OGH wurde § 165a VersVG idF BGBl Nr. 1997/6 im Antrag wörtlich wiedergegeben, womit die Belehrung der Rücktrittsfrist angeführt ist. Außerdem findet sich auf jener vorangehenden Seite, die vom Versicherungsnehmer unterfertigt wurde, ein klarer Hinweis darauf, dass im Rahmen der Schlusserklärung wesentliche Bestimmungen dargestellt sind. Die Zwischenüberschriften würden bei Setzen der Unterschrift zudem ins Auge stechen. Aus diesen Gründen hat der Lauf der Frist für das Rücktrittsrecht zu dem Zeitpunkt begonnen, als der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass der Vertrag geschlossen ist, also mit Zugang der Polizze (siehe dazu beispielsweise 7 Ob 3/20x, 7 Ob 6/20p u.A.).

Schlussfolgerung

Nicht jeder Spätrücktritt führt nach der alten Rechtslage zum Erfolg. Entscheidend ist die Frage, ob eine ausreichende und richtige Belehrung über das Rücktrittsrecht stattgefunden hat.

Was ist passiert?

Im Jahr 2017 ereignete sich ein Verkehrsunfall zwischen einem bei der klagenden Partei kaskoversicherten Kraftfahrzeug und einer von der erstbeklagten Partei gehaltenen und vom zweitbeklagten Partei gelenkten Arbeitsmaschine (Muldenkipper). Beim Klagsfahrzeug handelte sich um Leasingfahrzeug. Die klagende Versicherung brachte die von ihr ermittelte Versicherungsleistung von rund EUR 12.500,– an die Leasinggeberin zur Auszahlung. Versicherungsnehmer war allerdings der Leasingnehmer und Halter des Fahrzeugs.

Die Versicherung forderte in der Folge vom Halter und vom Fahrer der Arbeitsmaschine den Ersatz der bereits geleisteten Zahlungen. Dieser Anspruch sei im Wege der Legalzession gemäß § 67 VersVG auf sie übergegangen.

Die Beklagten bestritten und brachten vor, dass eine Legalzession nach § 67 VersVG nicht eingetreten sei, weil die Versicherung nicht an den Versicherungsnehmer, sondern an die Fahrzeugeigentümerin Ersatz geleistet habe.

Das Erstgericht wies die Klage ab und verneinte das Vorliegen einer Legalzession. Das Berufungsgericht hob das Urteil auf, sprach jedoch aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Wie ist die Rechtslage?

Gemäß § 67 Abs 1 VersVG geht der Anspruch auf Schadenersatz des Versicherungsnehmers gegen einen Dritten auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt hat.

Eine Versicherung für fremde Rechnung liegt dann vor, wenn ein Versicherungsnehmer im eigenen Namen mit einem Versicherer einen Vertrag abschließt, der fremdes Interesse zum Gegenstand hat, sodass ohne Abschluss des Versicherungsvertrags ein anderer (der nunmehr Versicherte) den Schaden tragen müsste.

Im Falle der Fremdversicherung tritt nach ständiger Rechtsprechung in Bezug auf § 67 VersVG der Versicherte derart an die Stelle des Versicherungsnehmers, dass sein Schadenersatzanspruch gegen den Ersatzpflichtigen im Umfang der Versicherungsleistung auf den Versicherer übergeht. Wäre das nicht der Fall hätte der Versicherte nach Entschädigung durch den Versicherer weiter seinen Anspruch gegen den Schädiger. Dies soll durch die gesetzliche Bestimmung des § 67 VersVG verhindern werden.

Nunmehr hatte der OGH die Frage zu klären, ob nur die Zahlung an den Versicherungsnehmer (im konkreten Fall an den Leasingnehmer) oder auch jene an den Versicherten den Anspruchsübergang bewirkt. Der OGH kommt im Urteil zu 2Ob1/21t vom 29.04.2021 zum Ergebnis, dass zur tatsächliche Leistung an den Versicherungsnehmer, auch die Leistung an den empfangsberechtigten Versicherten zählen würde.

Schlussfolgerung

Erbringt der Kaskoversicherer nach einem Verkehrsunfall die Versicherungsleistung nicht an den Versicherungsnehmer, sondern direkt an den Versicherten, wie beispielsweise den Fahrzeugeigentümer und Leasinggeber, so bewirkt dies den Forderungsübergang nach § 67 Abs 1 VersVG, wenn der Versicherte empfangsberechtigt ist. Der Kaskoversicherer ist in diesem Fall zum Regress gegen den Schädiger aktiv legitimiert.

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer hat die versicherte Liegenschaft an den Erwerber veräußert. Der Erwerber war mit Anfang Juli zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs davon in Kenntnis, dass ein Versicherungsverhältnis besteht. Mehr Informationen zum Versicherungsverhältnis hatte der Erwerber zunächst nicht. Die Kündigung des Veräußerers wurde schließlich abge-lehnt. Der Veräußerer teilte dies dem Erwerber mit Ende Juli mit und übermittelte diesem zum ersten Mal die konkreten Versicherungsdaten. In der zweiten Augustwoche wurde das Versi-cherungsverhältnis vom Erwerber gemäß § 70 Abs. 2 VersVG aufgekündigt. Die Versicherung lehnte die Kündigung mit der Begründung ab, dass der Erwerber, ausgehend von der erstma-ligen Kenntnis des bestehenden Versicherungsvertrages Anfang Juli, die einmonatige Frist nicht eingehalten hat.

Wie ist die Rechtslage?

Nach § 70 Abs. 2 VersVG ist der Erwerber der versicherten Sache dazu berechtigt, das Versicherungsverhältnis zu kündigen, wenn das Kündigungsrecht innerhalb eines Monats nach dem Erwerb ausgeübt wird. Diese Kündigungsfrist beginnt allerdings erst dann, wenn der Erwerber von der Versicherung Kenntnis hat. Von diesem Zeitpunkt weg hat der Erwerber sohin einen Monat Zeit, den Vertrag mit sofortiger Wirkung aufzukündigen.

Im (noch) anhängigen Rechtsstreit geht es um die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Frist im Sinne von § 70 Abs. 2 VersVG ausgelöst wurde. Legt man den Sachverhalt der bisher dazu ergangenen Rechtsprechung bzw. der Lehre zugrunde, sollte dies erst jener Zeitpunkt sein, zu welchem dem Erwerber die Versicherungsdaten hinreichend bekannt waren. In diesem Fall wäre die Kündigung gemäß § 70 Abs. 2 VersVG noch rechtzeitig erfolgt.

Hatte der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs nämlich keine Kenntnis von der „konkreten“ Versicherung, so läuft die Frist zur Kündigung bis zum Ablauf eines Monats ab Kenntniserlan-gung. Kenntnis von der Versicherung bedeutet, in Kenntnis jener Informationen zu sein, die den Erwerber in die Lage versetzen, sein Kündigungsrecht auszuüben. Es muss daher sowohl die Kenntnis vom Bestehen des Vertrages, als auch die Kenntnis vom „konkreten Versicherer“ vorliegen (siehe dazu OGH 7 Ob 50/74, SZ 47/56; BGH 28.04.2004, IV ZR 62/03, (Frank-furt/M) = VersR 2004, 765; hM, vgl Grassl-Palten, Sacherwerb 288).

Schlussfolgerung

Bei Veräußerung der versicherten Sache und beim Willen einen bestehenden Versicherungs-vertrag sofort auflösen zu wollen, sollte der Veräußerer vorsorglich um Bekanntgabe der kon-kreten Versicherungsdaten eines allfällig bestehenden Versicherungsvertrages ersucht wer-den, damit eine diskussionslose, fristgerechte Kündigung möglich ist.

Was ist passiert?

In einem aktuellen Fall wurde zwischen dem Kläger und der beklagten Versicherung eine Krankenzusatzversicherung abgeschlossen. Der Kläger litt schon länger an einer beschwerdefreien Gonarthrose im linken Knie. Am 21.04.2018 stürzte er über eine Treppe, verletzte sich an diesem Knie und erlitt (lediglich) einen Gelenkserguss. Diese Verletzung aktivierte jedoch die Gonarthrose und führte zu starken Schmerzzuständen. Der Kläger begab sich in stationäre Behandlung einer Privatklinik und erhielt wenige Tage nach dem Sturz ein künstliches Kniegelenk. Dies wurde aufgrund der ausgeprägten Schmerzen und der bereits vorher bestandenen Gonarthrose notwendig. Ohne diesen Sturz wäre eine Knieprothese beim bis dahin beschwerdefreien Kläger erst mittel- bis langfristig erforderlich geworden.

In weiterer Folge begehrte der Kläger von der beklagten Versicherung den Ersatz der Behandlungs- und Operationskosten. Die Vorinstanzen wiesen die Klage mit der Begründung ab, dass die Prothese auch ohne den Sturz erforderlich geworden wäre. Der Oberste Gerichtshof (OGH) musste in seiner Entscheidung vom 24.03.2021 (7 Ob 3/21y) schließlich überprüfen, ob die bestehende Vorerkrankung zur Deckungsablehnung berechtigt.

Wie ist die Rechtslage?

Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen wurde als Versicherungsfall die »medizinisch notwendige Heilbehandlung des Versicherten wegen Krankheit oder Unfallfolgen« definiert. Auf allfällige Vorschäden wird in diesen Bedingungen hingegen in keinster Weise Bezug genommen.

Nach Ansicht des OGH sehen daher die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen auch keine sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes in Bezug auf Vorschäden vor. Eine solche Begrenzung sei für einen durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang klar erkennbar. Vor diesem Hintergrund sei von einer uneingeschränkten Deckungszusage für Heilbehandlungen auszugehen, sofern solche Heilbehandlungen als Folge eines Unfalls notwendig werden, also ein Unfall auch – unter Umständen neben einer Vorerkrankung – kausal dafür ist. Da die Schmerzen im Knie des Klägers erst durch den Sturz aktiviert wurden und nur dadurch die Knieoperation zu diesem (früheren) Zeitpunkt notwendig wurde, ist die Versicherung zur Deckung verpflichtet.

Schlussfolgerung

Werden in Versicherungsbedingungen daher Vorschäden nicht ausdrücklich vom versicherten Risiko ausgeschlossen, genügt es für eine Deckung bereits, dass Heilbehandlungen durch einen Unfall zumindest mitverursacht worden sind.

Was ist passiert?

Der verstorbene und überschuldete Erblasser hatte eine Erlebensversicherung abgeschlossen. Als Bezugsberechtigte für den Ablebensfall hat er „die Erben“ eingesetzt. Bei wem es sich um „die Erben“ handelt, hat der Erblasser offengelassen.

Als der Ablebensfall eintrat, hinterließ der verstorbene Erblasser zwei gesetzliche Erben, die zu gleichen Teilen die Erbschaft antreten hätten können. Nachdem der Erblasser über die Versicherungsleistung im Ablebensfall verfügt hat, wurde die Versicherungsleistung den tatsächlichen Erben, nämlich den gesetzlichen Erben, ausbezahlt.


Nachdem die Verlassenschaft überschuldet war, wurden die Aktiva aus der Verlassenschaft an die Gläubiger an Zahlungs statt überlassen. Die Aktiva waren zur Bedienung der Masseforderungen unzulänglich, weshalb auch der vormalige Erwachsenenvertreter des Erblassers, dem beschlussmäßig ein Entschädigungsanspruch zuerkannt wurde, leer ausging. Dieser vertrat allerdings die Rechtsansicht, dass der Anspruch aus der Lebensversicherung des Erblassers tatsächlich in die Aktiva mit aufgenommen werden hätte müssen, zumal die gesetzlichen Erben keine Erbantrittserklärungen abgaben und somit faktisch keine Erben sind. Dies hätte dazu geführt, dass die von ihm geforderte Entschädigungsleistung aus den Aktiva hätte bedient werden können.

Wie ist die Rechtslage?

Nach § 166 Abs. 1 VersVG ist dem Versicherungsnehmer die Befugnis eingeräumt, bei einer Kapitalversicherung ohne Zustimmung des Versicherers einen „Dritten“ als Bezugsberechtigten zu bezeichnen. Gem. § 167 Abs. 2 VersVG sind im Zweifel diejenigen, welche zur Zeit des Todes als Erben berufen sind, nach dem Verhältnis ihrer Erbteile bezugsberechtigt, sofern die Zahlung an die Erben ohne nähere Bestimmung ausbedungen wurde und die Leistung des Versicherers nach dem Tod des Versicherungsnehmers erfolgen soll.

Im abgeführten Rechtsstreit darüber, ob die gesetzlichen Erben, die die Erbschaft nicht antraten, bezugsberechtigt und die Ablebensleistung in die Aktiva der Verlassenschaft zu berücksichtigen sind, hat der OGH in der Entscheidung 2Ob73/20d (siehe dazu RS0133526) klargestellt, dass die Bezugsberechtigten, nämlich „die Erben“ vom Versicherungsnehmer ausreichend bestimmt wurden und die Ausschlagung der Erbschaft keinen Einfluss auf die Bezugsberechtigung hat, da dies mit dem Willen des Versicherungsnehmers nicht zu vereinbaren wäre. Der OGH hat daher ausgesprochen, dass die potenziellen Erben auch dann bezugsberechtigt bleiben, wenn die Verlassenschaft nicht angetreten und den Gläubigern an Zahlungs statt überlassen wird (siehe dazu insbesondere auch Schauer in Fenyves/Schauer/VersVG4 § 167 VersVG Rz 1,12 und 14, sowie Winter in Bruck/Möller/Versicherungsvertragsgesetz9 § 160 Rz 30).

Schlussfolgerung

Sollen »die Erben« für den Ablebensfall bezugsberechtigt sein, so bleiben sie auch dann bezugsberechtigt, wenn die Verlassenschaft den Gläubigern an Zahlungs statt überlassen wird. Will der Versicherungsnehmer das Bezugsrecht aber daran koppeln, dass nur diejenigen die Ablebensleistung erhalten, die in den Nachlass auch tatsächlich einantworten, so ist dies vom Versicherungsnehmer bei der Bezeichnung des Bezugsberechtigten entsprechend klarzustellen.

Was ist passiert?

Im vorliegenden Fall war der Beklagte gewerblicher Mieter eines Gebäudes, das bei der Klägerin feuerversichert war. Der Beklagte hat zunächst Schweißarbeiten an einer Fahrzeugkarosserie verrichtet. Unmittelbar nach Beendigung der Arbeiten hat er es verabsäumt, eine erste Nachkontrolle durchzuführen. Der Beklagte ließ das Fahrzeug vielmehr ohne weitere Maßnahmen und Kontrollen unbeaufsichtigt, um sich zu einem Kunden zu begeben. Bedingt durch die Schweißarbeiten kam es zu einem Gebäudebrand, wobei die Schäden von der Klägerin beglichen wurden. In seiner Entscheidung vom 21.10.2020 (7 Ob 106/20v) musste der OGH schließlich die Frage beantworten, ob sich die Gebäudeversicherung beim Beklagten als Mieter des Gebäudes erfolgreich wegen grober Fahrlässigkeit regressieren kann.


Wie ist die Rechtslage?

Nach der ständigen Rechtsprechung des OGH ist grobe Fahrlässigkeit im Bereich des Versicherungsvertragsrechts dann gegeben, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen. Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wusste oder wissen musste, dass es geeignet ist, die Gefahr des Eintritts eines Versicherungsfalls herbeizuführen oder zu vergrößern. Die Schadenswahrscheinlichkeit muss offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres nahe liegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen. Als brauchbare Anhaltspunkte, von denen die Beurteilung im Einzelnen abhängen kann, kommen die Gefährlichkeit der Situation, die zu einer Sorgfaltsanspannung führen sollte, der Wert der gefährdeten Interessen, das Interesse des Handelnden an seiner Vorgangsweise und schließlich die persönlichen Fähigkeiten des Handelnden in Betracht.

Nach Ansicht des OGH handelt es sich bei Schweißarbeiten um eine systembedingt brandgefährliche Tätigkeit. Im vorliegenden Fall hat die Brandgefahr aufgrund der hohen Leitfähigkeit die gesamte Karosserie betroffen und war daher besondere Vorsicht geboten. Nach dem Stand der Technik war eine erste Nachkontrolle unmittelbar nach Beendigung Schweißarbeiten (Kaltblasen) vorgesehen und zählte eine solche Kontrolle aus technischer Sicht noch zum Schweißvorgang selbst. Die Schadenswahrscheinlichkeit bei einem derartigen Vorgehen war daher nach Ansicht des OGH offensichtlich, weshalb die unterlassene Nachkontrolle unter den festgestellten Umständen als grobe Fahrlässigkeit beurteilt wurde.

Schlussfolgerung

Schweißarbeiten an einer Fahrzeugkarosserie sind als systembedingt brandgefährliche Tätigkeiten einzustufen. Kümmert man sich unmittelbar nach solchen Arbeiten nicht um eine Nachkontrolle, sondern lässt die Fahrzeugkarosserie ohne weitere Maßnahmen unbeaufsichtigt, so ist dies als grobe Fahrlässigkeit zu qualifizieren. Im vorliegenden Fall war daher ein Regress gegen den Beklagten als Mieter des feuerversicherten Gebäudes gerechtfertigt.

Was ist passiert?

Am 03.07.2011 brannte das bei der Beklagten versicherte Gebäude der Klägerin beinahe zur Gänze ab und hatte das Gebäude nach dem Brand noch einen Restwert von circa EUR 120.000,00. Nach einem der Klägerin bekannten Sachverständigengutachten wurde unter der Überschrift „Schadenbild und Reparaturbeschreibung“, eine Trocknung der Deckenkonstruktion infolge Durchfeuchtung durch das Löschwasser angesprochen und wurde erwähnt, dass sich im Keller Löschwasser befindet und der Keller durch Raumtrockner zu trocknen sei. Die vom Löschwasser durchnässten Gebäudeteile wurden jedoch von der Klägerin über einen Zeitraum von sieben Jahren zu keiner Zeit getrocknet. Dadurch kam es im Gebäude zu einer Schimmelbildung, was zur Abbruchreife des Gebäudes geführt hat. Die Klägerin begehrte schließlich von der Beklagten mit ihrer Klage die Bezahlung des vor der Schimmelbildung vorhandenen Gebäuderestwertes von EUR 120.000,00.


Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 27.01.2021 (7 Ob 185/20m) musste sich der OGH nunmehr mit der Frage auseinandersetzen, ob die Vergrößerung des Schadens in Folge Schimmelbildung auf einen grob fahrlässigen Verstoß der Klägerin gegen ihre Rettungsobliegenheit zurückzuführen ist. Nach § 62 Abs 2 VersVG ist der Versicherer von der Leistung frei, wenn der Versicherte die Obliegenheit, nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen und Weisungen des Versicherers einzuholen oder zu befolgen, vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat.

Die Rettungsobliegenheit gilt zeitlich unbeschränkt, solange der Schaden abgewendet oder gemindert oder der Umfang der Entschädigung gemindert werden kann. Sie verlangt inhaltlich vom Versicherungsnehmer die ihm in der jeweiligen Situation möglichen und zumutbaren Rettungsmaßnahmen unverzüglich und mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu ergreifen. Der Inhalt der Rettungs- und Schadenminderungsobliegenheit bestimmt sich danach, wie sich der Versicherungsnehmer verständigerweise verhalten hätte, wenn er nicht versichert wäre. Dabei hat der Versicherer den Verstoß gegen die Obliegenheit, der Versicherungsnehmer das Fehlen von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit zu beweisen.

Nach Ansicht des OGH weiß ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer, dass Feuchtigkeit in einem Haus zu Schimmelbildung führen kann und er einer solchen Gefahr mit Abwehrmaßnahmen begegnen würde. Die Verletzung der Rettungsobliegenheit wurde daher im vorliegenden Fall aufgrund der Untätigkeit der Klägerin bejaht.

Blieb noch zu prüfen, ob die Klägerin grobe Fahrlässigkeit zu verantworten hat. Grobe Fahrlässigkeit wird im Versicherungsvertragsrecht dann als gegeben erachtet, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen. Nach Ansicht des OGH lässt das Sachverständigengutachten weder auf einen Totalschaden, noch darauf schließen, dass der Aufwand für Trocknungsmaßnahmen verloren wäre. Es sei daher kein nachvollziehbarer Grund für das Unterlassen von Trocknungsmaßnahmen oder zumindest für das Unterbleiben der Einholung einer Weisung bei der Versicherung für allfällige weitergehende Rettungsmaßnahmen ersichtlich. Nach Ansicht des OGH kann daher die Klägerin in einem solchen Fall das fehlende grobe Verschulden nicht nachweisen, was zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers führt. Im vorliegenden Fall waren jedoch die Feststellungen zum Sachverständigengutachten unklar, weshalb die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an die untere Instanz zurückverwiesen worden ist.

Schlussfolgerung

Im Zweifel sollte daher in jedem Schadenfall mit dem Versicherer abgeklärt werden, ob weitergehende Sanierungsarbeiten vorzunehmen sind, um die mögliche Gefahr, die Rettungsobliegenheit zu verletzten, möglichst zu minimieren.