Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer beabsichtigte seine Haushaltsversicherung aufgrund eines Wohnungswechsels „umzuschreiben“. Hierfür wandte er sich an eine Genossenschaft, die als Versicherungsagent Versicherungen mehrerer Versicherungsunternehmen vermittelt. Ein Mitarbeiter der Genossenschaft teilte dem Versicherungsnehmer mit, dass eine „Umschreibung“ nicht möglich sei, sondern eine Anpassung an die geänderte Wohnungsgröße erfolgen müsse. Der Versicherungsnehmer antwortete darauf, dass die bisherige Versicherungssumme auch unter Berücksichtigung der größeren Fläche ausreichend sei und ihm vor allem eine günstige Prämie wichtig sei. Die Genossenschaft übermittelte dem Versicherungsnehmer daraufhin zwei Angebote unterschiedlicher Versicherungen: Das erste mit einer günstigeren Prämie, jedoch einem eingeschränkten Unterversicherungsverzicht, das zweite mit einer höheren Prämie bei einem gänzlichem Unterversicherungsverzicht. Der Versicherungsnehmer entschied sich für das erstgenannte Angebot.

Nach einem Wohnungseinbruch stellte sich heraus, dass eine Unterversicherung vorlag. Daraufhin begehrte der Versicherungsnehmer von der vermittelnden Genossenschaft Schadenersatz aufgrund der Verletzung von Beratungs- und Aufklärungspflichten. Letztlich wurde der Oberste Gerichtshof (OGH) mit dem gegenständlichen Fall befasst.

Wie ist die Rechtslage?

Der OGH hatte in seiner Entscheidung (7 Ob 74/22s) zum vorliegenden Sachverhalt unter anderem zu klären, nach welchem Maßstab die vermittelnde Genossenschaft haftet, insbesondere da die Genossenschaft als Versicherungsagent auftrat, jedoch Angebote von zwei unterschiedlichen Versicherungen übermittelte.

Hierzu führt der OGH in seiner Entscheidung zunächst aus, dass die Genossenschaft das sie als Versicherungsagent treffende Trennungsgebot missachtet habe, da sie gegenüber dem Kunden mehrere Versicherer innerhalb einer Versicherungssparte ins Spiel gebracht habe. Demnach sei die Genossenschaft nicht mehr eindeutig der Seite des Versicherungsunternehmens zuordenbar. Aufgrund der Übermittlung von Angeboten von zwei unterschiedlichen Versicherungsunternehmen in derselben Sparte sei die Genossenschaft gegenüber dem Kunden als Versicherungsmakler aufgetreten und hafte sohin nach dem Maßstab für Versicherungsmakler. Den Makler treffen dabei aus dem Treueverhältnis zum Kunden gewisse Schutz-, Sorgfalts- und Beratungspflichten (§ 28 MaklerG), für deren Verletzung der Makler als Sachverständiger einzustehen habe.

Trotz dieses Maßstabes kam der OGH im gegenständlichen Fall zum Schluss, dass keine Pflichtverletzung der Genossenschaft vorliege. Es gab keinerlei Hinweise, dass die Informationen des Versicherungsnehmers unrichtig oder unvollständig gewesen wären oder der eingeschränkte Unterversicherungsverzicht den Interessen des Versicherungsnehmers zuwidergelaufen wäre. Auch der Umstand, dass der Versicherungsnehmer lediglich seine bisherige Versicherung, die einen gänzlichen Unterversicherungsverzicht umfasste, „umschreiben“ wollte, begründe keine Pflichtverletzung, da diesem auch ein entsprechendes Angebot mit einem solchen Verzicht übermittelt wurde. Eine Haftung der Genossenschaft, auch nach dem Maßstab für Versicherungsmakler, wurde sohin im gegenständlichen Fall vom OGH verneint.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Anders als der Versicherungsmakler ist der Versicherungsagent dem Versicherungsunternehmen zuzuordnen und steht in einem Naheverhältnis zu diesem. Ein Versicherungsagent, der Agenturverhältnisse zu mehreren Versicherungsunternehmen hat, darf daher gegenüber dem Kunden in einer Versicherungssparte nur für ein Versicherungsunternehmen auftreten. Missachtet der Agent dieses Trennungsgebot, so haftet er grundsätzlich nach dem Maßstab eines Versicherungsmaklers.«

Was ist passiert?

Die Versicherungsnehmerin betreibt einen Gastbetrieb mit Übernachtungsmöglichkeit, für welchen sie eine Betriebsunterbrechungsversicherung abschloss, der u.a. eine Besondere Bedingung „Seuchen – Betriebsunterbrechung“ zugrunde gelegt wurde. In den allgemeinen Versicherungsbedingungen wurde festgelegt, dass als Unterbrechungsschaden nur der durch die Betriebsunterbrechung tatsächlich entgangene Deckungsbeitrag gilt, wobei bei der Ermittlung des entgangenen Deckungsbeitrages auch alle jene Umstände zu berücksichtigen sind, die dessen Höhe auch ohne Betriebsunterbrechung beeinflusst hätten (z.B. die Marktlage oder höhere Gewalt).

Am 14.03.2020 wurde die Versicherungsnehmerin darüber informiert, dass zwei Gäste positiv auf COVID getestet wurden, weshalb sowohl die Versicherungsnehmerin als auch ihre Mitarbeiter in Quarantäne mussten, sodass der Betrieb geschlossen werden musste. Bereits am 13.03.2020 erließ die zuständige Behörde eine Verordnung nach dem Epidemiegesetz, nach der sämtliche Gäste touristische Betriebe mit Ablauf des 16.03.2020 zu verlassen hatten.

Die Versicherungsnehmerin begehrte daraufhin vom Versicherungsunternehmen für den Zeitraum von 14.03.2020 bis 29.03.2020 den Ersatz des Unterbrechungsschadens in der Höhe von EUR 55.645,28. Der Versicherer lehnte jedoch eine Versicherungsleistung ab. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 24.05.2023 hatte der OGH (7 Ob 62/23b) zu klären, ob die Betriebsunterbrechung überhaupt zu einem Unterbrechungsschaden geführt hat, da in Anbetracht der Pandemie ohnehin keine Einnahmen vom Betrieb hätten erzielt werden können.

Nach Ansicht des OGH sei den Versicherungsbedingungen eindeutig zu entnehmen, dass nur der tatsächlich durch die Betriebsunterbrechung verursachte Unterbrechungsschaden ersetzt werde. Versichert sei nicht das allgemeine Risiko des Auftretens einer Seuche schlechthin und damit auch nicht eine daraus resultierende Veränderung der wirtschaftlichen Lage, sondern ausschließlich die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Betriebs aufgrund des Verhinderungsgrundes. Im gegenständlichen Fall sei dabei die Unterbrechung des Betriebs wegen der Quarantäne der Mitarbeiter eingetreten.

Bei der Berechnung des Unterbrechungsschadens sei daher der hypothetische Kausalverlauf ohne diesen Unterbrechungsgrund heranzuziehen. Umstände, wie der Rückgang des Ertrags aufgrund wirtschaftlich schlechter Lage auch ohne Betriebsunterbrechung seien demnach zu berücksichtigen. Dem Versicherungsnehmer werde nämlich nicht ein gewisser Ertrag garantiert, sondern nur ersetzt, was ihm ohne Unterbrechung nicht entgangen wäre. Folglich sei auch das allgemeine Risiko der veränderten Marktsituation durch das Auftreten der Seuche bei der Beurteilung der Schadenshöhe zu berücksichtigen.

Aufgrund des Umstandes, dass der Betrieb der Versicherungsnehmerin COVID-bedingt auch ohne Betriebsschließung keine Einnahmen hätte lukrieren können, kam der OGH im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass der Versicherungsnehmerin keine Ansprüche aus der Betriebsunterbrechungsversicherung zustehen.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Die Beurteilung des Schadens im Rahmen einer Betriebsunterbrechungsversicherung richtet sich nach dem hypothetischen Kausalverlauf ohne Unterbrechungsgrund, sodass stets zu hinterfragen ist, welche Einnahmen ohne Unterbrechung lukriert werden hätten können. Umstände, die unabhängig vom konkreten Unterbrechungsgrund zu einer Schmälerung der Einnahmen geführt hätten, mindern demnach auch den zu ersetzenden Unterbrechungsschaden.«

Was ist passiert?

Zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Versicherer bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die ARB 2017 zugrunde lagen. Die Versicherungsnehmerin erwarb über einen Onlineshop ein Hardware-Wallet. Zwischen April und Juni 2020 fanden zwei Cyberangriffe auf die Wallet-Herstellerin statt. Die Kundendaten der Versicherungsnehmerin, insbesondere Name, Adresse, Telefonnummer sowie E-Mail-Adresse, wurden im Zuge dieser Cyberangriffe gestohlen und im Internet veröffentlicht. Dadurch sah sich die Versicherungsnehmerin mit einer Vielzahl von Werbe-E-Mails, Phishing-E-Mails und Anrufen von Dritten konfrontiert. Da die Versicherungsnehmerin zudem einen „Identitätsdiebstahl“ befürchtete, begehrte sie von der Wallet-Herstellerin Schadenersatz. Nachdem der Rechtsschutzversicherer eine Deckung abgelehnt hat, landete der Fall vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

Der OGH führte in seiner Entscheidung vom 24.05.2023 (7 Ob 25/23m) zunächst aus, dass die von der Versicherungsnehmerin beabsichtigte Geltendmachung der immateriellen Schadenersatzansprüche aus der Datenschutzverletzung beim Kauf eines Hardware-Wallets gegen die Herstellerin vom Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz umfasst ist. Gemäß Art 23.2.1 ARB 2017 umfasse nämlich der „Allgemeine Vertrags-Rechtsschutz“ insbesondere die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus sonstigen Verträgen über bewegliche Sachen. Dazu zähle nach der genannten Klausel ebenso die Geltendmachung oder die Abwehr von Schadenersatzansprüchen wegen reiner Vermögensschäden, die aus der Verletzung von gesetzlichen oder (vor-)vertraglichen Pflichten entstehen.

Der OGH kam schließlich zum Ergebnis, dass die Versicherungsnehmerin mit dem Erwerb eines Hardware-Wallets einen Kaufvertrag über eine bewegliche Sache geschlossen hat. Nachdem beim Onlineshop der Wallet-Herstellerin Sicherheitslücken vorhanden gewesen seien, habe diese zudem gegen ihre vertraglichen Nebenpflichten verstoßen. Darüber hinaus habe die Versicherungsnehmerin im vorliegenden Fall einen immateriellen Schaden erlitten, da sie aufgrund der Veröffentlichung ihrer personenbezogenen Daten im Internet mit einer Vielzahl von Werbe-E-Mails, Phishing-E-Mails und Anrufen von Dritten bombardiert wurde, weshalb sie sehr stark verunsichert und beängstigt gewesen sei. Zudem habe die realistische Möglichkeit eines „Identitätsdiebstahls“ der Versicherungsnehmerin bestanden. Aus diesem Grunde bestätigte der OGH das Vorliegen der bedingungsgemäßen Voraussetzungen und die Deckungspflicht des Rechtsschutzversicherers für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen durch die Versicherungsnehmerin.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Für das Vorliegen des Versicherungsfalls trifft nach der allgemeinen Risikoumschreibung die Versicherungsnehmerin die Beweislast. Die Versicherungsnehmerin, die eine Versicherungsleistung behauptet, muss daher die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Eintritts des Versicherungsfalls beweisen. Im vorliegenden Fall ist dies der Versicherungsnehmerin gelungen«

Was ist passiert?

Im Jahr 2007 beantragte der Versicherungsnehmer über Vermittlung eines Maklers den Abschluss einer Unfallversicherung „mit weltweitem Versicherungsschutz“. Die nachstehende, im Antragsformular vorformulierte Frage beantwortete der Versicherungsnehmer mit „Nein“:

»Sind die zu versichernden Personen besonderen Gefahren (im Sport zB Flug-, Kletter-, Tauchrisiken usw, im Beruf, Reisen nach außereuropäischen Ländern) ausgesetzt oder werden solche Tätigkeiten geplant?«

Zum Zeitpunkt der Antragsstellung war der Versicherungsnehmer beruflich mehrere Wochen jährlich in Südostasien sowie Nordamerika unterwegs. Vor Beantwortung der Frage wies der Versicherungsnehmer den Makler auf diesen Umstand hin, woraufhin der Makler mitteilte, dass die erwähnten Reisen nicht unter die Frage fielen, da in jenen Ländern keine besonderen Gefahren bestünden. Die gegenständliche Frage wurde daher vom Versicherungsnehmer verneint.

Im Oktober 2015 erlitt der Versicherungsnehmer in Indonesien einen Unfall. Dabei war er mit seinem Mountainbike in einem Wohngebiet unterwegs, als der vor ihm fahrende PKW derart abrupt anhielt, dass der Versicherungsnehmer nicht mehr rechtzeitig anhalten konnte und gegen die Heckscheibe des PKW stieß. Durch diesen Unfall erlitt der Versicherungsnehmer eine Verletzung seiner Wirbelsäule bzw. der Bandscheiben.

Ohne Anerkennung einer Leistungspflicht wurde vom Unfallversicherer auf Basis eines Invaliditätsgrades von 35% eine Zahlung von EUR 71.849,88 erbracht. Der Versicherungsnehmer begehrte jedoch auf Basis einer Invalidität von 85% einen weiteren Betrag von EUR 277.135,27 vom Versicherer. Dieser wandte jedoch ein, dass der Versicherungsnehmer eine vorvertragliche Anzeigeobliegenheit nach § 16 VersVG verletzt habe, da er die Frage nach besonderen Gefahren durch „Reisen in außereuropäische Länder“ verneint habe.

Wie ist die Rechtslage?

Im gegenständlichen Fall befasste sich der Oberste Gerichtshof (OGH) zu 7 Ob 33/20h zunächst damit, ob der Versicherungsnehmer die im Antragsformular vorformulierte Frage nur dann mit „Ja“ beantworten hätte müssen, wenn mit den Auslandsreisen auch eine besondere Gefahr für den Versicherungsnehmer verbunden gewesen wäre. Nach Ansicht des OGH habe der Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall seiner Anzeigeobliegenheit objektiv nicht entsprochen, weil er die Frage nach „Reisen nach außereuropäischen Ländern“ unrichtig mit „nein“ beantwortet habe. Die Frage sei dabei eindeutig formuliert gewesen, ein Beurteilungsspielraum betreffend die Gefährlichkeit der Länder bestehe nicht.

Darüber hinaus befasste sich der OGH mit der Frage, ob dem Versicherungsnehmer aufgrund der Auskunft des Maklers überhaupt ein Verschulden angelastet werden kann. Nach Ansicht des OGH begründe die unrichtige Einschätzung der Frage durch den Makler kein mangelndes Verschulden des Versicherungsnehmers. Vielmehr sei der den Antrag ausfüllende Makler dem Versicherungsnehmer zuzurechnen, sodass eine schuldhafte Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit vorliege.

Da der Versicherungsnehmer im gegenständlichen Fall auch nicht darlegen konnte, dass der Unfall aus einem anderem als dem falsch angezeigten Umstand eingetreten ist, kam der OGH zu dem Ergebnis, dass der Unfallversicherer aufgrund der Verletzung der Anzeigeobliegenheit nach § 16 Abs 1 VersVG leistungsfrei ist.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Aus der falschen Auskunftserteilung eines Maklers resultiert selbst dann kein mangelndes Verschulden des Versicherungsnehmers, wenn sich der Versicherungsnehmer auf die fachkundige Auskunft verlassen durfte. Das Verhalten des Maklers ist nämlich dem Versicherungsnehmer zuzurechnen. Hervorzuheben ist jedoch, dass bei einer dadurch bedingten Leistungsfreiheit des Versicherers allfällige Ansprüche gegen den Makler selbst bestehen können.«

Was ist passiert?

Die Bundesarbeitskammer ist ein zur Verbandsklage nach § 29 Abs 1 Konsumentenschutzgesetz (KSchG) berechtigter Verband. Der beklagte Versicherer schließt als Unternehmer regelmäßig mit Verbrauchern Reiseversicherungsverträge ab. Diesen Vertragsabschlüssen legt der Versicherer die Reiseversicherungsbedingungen „RVB 2018“ (Stornoschutz) zugrunde. Artikel 6.1.10. der RVB 2018 lautet auszugsweise wie folgt:

»Kein Versicherungsschutz besteht für Ereignisse, die […] aufgrund behördlicher Verfügungen hervorgerufen werden

Im vorliegenden Fall begehrte die Bundesarbeiterkammer mit einer Verbandsklage vom Versicherer unter anderem die Unterlassung der Verwendung dieser Klausel in den Versicherungsbedingungen im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern sowie die Unterlassung der Berufung auf diese oder sinngleiche Klauseln, soweit die Klausel bereits Inhalt von mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträgen geworden ist. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

Der OGH führte in seiner Entscheidung vom 19.04.2023 (GZ: 7 Ob 3/23a) zunächst aus, dass eine in Versicherungsbedingungen enthaltene Vertragsbestimmung gemäß § 6 Abs 3 KSchG unwirksam ist, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Dieses Transparenzgebot solle es dem Kunden ermöglichen, sich aus den Versicherungsbedingungen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren. Es solle eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung von Versicherungsbedingungen sicherstellen, um zu verhindern, dass der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigt Pflichten abverlangt werden. Mit dem Verbandsprozess nach § 28 KSchG sollen jene Klauseln beseitigt werden, die dem Verbraucher ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position oder ein unrichtiges Bild der Rechtslage vermitteln. Dabei habe die Auslegung der Klauseln „im kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen.

Bei der vorliegenden Klausel, wonach „kein Versicherungsschutz für Ereignisse besteht, die […] aufgrund behördlicher Verfügungen hervorgerufen werden“, kam der OGH zum Ergebnis, dass für den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer völlig offen bleibt, welche „Ereignisse aufgrund behördlicher Verfügungen hervorgerufen“ werden und an wen diese „behördlichen Verfügungen“ adressiert sein müssen. Die Klausel sei daher intransparent, weil der Versicherungsnehmer seine Rechtsposition nicht verlässlich abschätzen könne und damit die Gefahr bestehe, dass er aufgrund der unbestimmten Begriffe davon absehe, allenfalls berechtigte Ansprüche gegen den beklagten Versicherer geltend zu machen. Die Klausel verstoße daher gegen das Transparenzgebot und sei gemäß § 6 Abs 3 KSchG unzulässig. Der Versicherer wurde daher verpflichtet, die Verwendung und Anwendung dieser Klausel im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Das Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG verlangt, dass Inhalt und Tragweite von vorgefassten Versicherungsbedingungen für den (nicht unternehmerisch tätigen) Versicherungsnehmer durchschaubar sind. Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig ist oder von ihm jedenfalls festgestellt werden kann. Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt nicht eindeutig bestimmen lässt, verstoßen daher gegen das Transparenzgebot

Was ist passiert?

Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer besteht eine Unfallversicherung, welcher die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (UVB 2000) zugrunde liegen. Für die vom Versicherungsnehmer abgeschlossene Unfallversicherung war eine Gliedertaxe vereinbart, nach der bei Funktionsunfähigkeit der „Hand im Handgelenk“ ein Invaliditätsgrad von 60 % vorlag.

Folglich erlitt der Versicherungsnehmer einen Unfall, der eine Versteifung des rechten Handgelenks notwendig machte. In der rechten Hand bestand allerdings noch eine geringe Funktionsfähigkeit. Aufgrund dessen begehrte der Versicherungsnehmer aus der Unfallversicherung ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 60% den entsprechenden Versicherungsschutz.

Der Versicherer wollte jedoch die genannte Formulierung „Hand im Handgelenk“ dahingehend verstehen, dass aufgrund der bestehenden Restfunktion der Hand, eine vollständige Funktionsunfähigkeit der Hand nicht gegeben war. Sowohl die Hand als auch die Finger seien funktionsfähig und es liege auch keine vollkommene Versteifung des Handgelenks vor, weil eine Streckung bzw Beugung im Winkel von 15° möglich sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte sich in dieser schon etwas älteren Entscheidung zu 7 Ob 210/16g mit der Auslegung der betroffenen Versicherungsbedingungen auseinanderzusetzen.

Der OGH führte diesbezüglich aus, dass die Formulierung „Hand im Handgelenk“ darauf hinweist, dass die Funktionsfähigkeit des Handgelenks maßgeblich sei. Die Relevanz einer teilweise verbliebenen Funktionsfähigkeit der Hand gehe daraus nicht hervor. Der OGH gab dem Versicherungsnehmer sohin Recht und ging von einem Invaliditätsgrad von 60 % bereits im Fall der vollständigen Versteifung (Funktionsunfähigkeit) allein des Handgelenks aus, weil die von der Versicherung formulierte Gliedertaxe nicht auf das Körperglied „Hand“, sondern ausschließlich auf die Funktionsfähigkeit des Gelenks abstelle. Trotzdem war eine Verfahrensergänzung erforderlich, weil das Ausmaß der Gelenksfunktion nicht eindeutig festgestellt war.

Schlussfolgerung

»Ausgehend vom vorliegenden Bedingungswortlaut wird ersichtlich, dass die Funktionsunfähigkeit des Handgelenks maßgeblich ist. Die Relevanz einer teilweise verbliebenen Funktionsfähigkeit der Hand wird aus dem Kontext nicht deutlich.«

 Dr. Roland Weinrauch

Was ist passiert?

Die Klägerin ist ein zur Verbandsklage nach § 29 Abs 1 KSchG berechtigter Verband. Die Beklagte betreibt das Versicherungsgeschäft und schließt als Unternehmerin regelmäßig mit Verbrauchern Reiseversicherungsverträge ab. Diesen Vertragsabschlüssen legt die Beklagte Reiseversicherungsbedingungen für den Storno-Schutz (in der Folge RVB 2018 genannt) als Allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde. Mittels Klage begehrte der Verband u.a. die Unterlassung der Verwendung der folgenden AGB-Klausel sowie die Unterlassung der Berufung auf diese oder sinngleiche Klauseln. Die Klausel lautet auszugsweise wie folgt:

»Klausel 13 (Art 16.3. RVB 2018):
Der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person haben
[…]
bei Erkrankung oder Unfall unverzüglich eine entsprechende Bestätigung des behandelnden Arztes (bei Reiseabbruch vom Arzt vor Ort) ausstellen zu lassen;«

Wie ist die Rechtslage?

Der OGH führte in seiner Entscheidung zu GZ 7 Ob 3/23a zunächst aus, dass die Auslegung von Klauseln in einem Verbandsprozess im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen hat. Gemäß § 34 Abs 2 VersVG kann der Versicherer Belege insoweit fordern, als die Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden kann. Anders als § 34 Abs 2 VersVG enthalte die gegenständliche Klausel keine Einschränkung auf die Zumutbarkeit der Einholung des ärztlichen Attests, obwohl die unverzügliche Einholung einer ärztlichen Bestätigung, welche bei Reiseabbruch noch dazu durch einen Arzt vor Ort auszustellen ist, den Versicherungsnehmer im Ausland vor erhebliche Mühen und Schwierigkeiten stellen, im Extremfall sogar eine unüberwindbare Hürde darstellen kann. Wenn die Versicherung argumentiert, die fehlende Bezugnahme auf die Zumutbarkeit schade nicht, weil dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer klar sei, dass Unzumutbares von ihm nicht verlangt werden könne, so sei dem nach Ansicht des OGH nicht zu folgen. Vielmehr sei die Klausel bei der im Verbandsprozess geforderten kundenfeindlichster Auslegung dahin zu verstehen, dass, dass die Obliegenheiten ohne jede Einschränkung gelten und sohin einen Verstoß gegen 34 Abs 2 VersVG darstellen.

Der OGH kam daher zum Ergebnis, dass diese Klausel unzulässig sei, da sie gegen § 34a VersVG verstoße, wonach sich der Versicherer nicht auf eine Vereinbarung berufen kann, die (unter anderem) von § 34 Abs 2 VersVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweicht.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Im vorliegenden Fall wurde von der einseitig zwingenden Rechtslage des § 34 Abs 2 VersVG abgewichen, weil die Belegpflicht in den AGB nicht auf Zumutbares eingeschränkt wurde«

5 Ob 177/22y

Sachverhalt

Der Kläger ist Mieter einer in einem fünfstöckigen Wohnhaus im 5. Bezirk in Wien gelegenen Mietwohnung. Von der Mietwohnung sind Geschäfte des täglichen Bedarfs ebenso wie die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel (U-Bahn und Autobus) fußläufig erreichbar. Auch kulturelle Einrichtungen der innerstädtischen Bezirke sind mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar sowie Gesundheits- und Bildungseinrichtungen in unmittelbarer Umgebung vorhanden. Die gute öffentliche Verkehrsanbindung der Mietwohnung bringt allerdings auch eine hohe Lärmbelastung durch Straßenlärm mit sich.

Als Teil des Mietzinses wurde dem Mieter vom Vermieter ein Lagezuschlag verrechnet. Der Mieter beantragte die gerichtliche Überprüfung des ihm vom Vermieter vorgeschriebenen Hauptmietzinses.

Das Erst- sowie auch das Rekursgericht kamen im Rahmen der Mietzinsüberprüfung zu der Entscheidung, dass im gegenständlichen Fall kein Lagezuschlag zusteht. Dies, wegen der vergleichsweisen hohen Lärmbelästigung.

Der Vermieter war nach wie vor anderer Ansicht und wandte sich daher an den OGH. In seinem Revisionsrekurs an den OGH kritisierte der Vermieter an den Entscheidungen des Erst- und des Rekursgerichts insbesondere, dass diese die sehr gute Verkehrsanbindung sowie weitere Faktoren, die die verfahrensgegenständliche Wohnung als eine „überdurchschnittliche“ iSd § 16 MRG iVm § 2 RichtWG qualifizierten, nicht ausreichend berücksichtigten. Die Behauptungen des Vermieters wurden durch ein Sachverständigengutachten bekräftigt. Der OGH hatte daher zu beurteilen, welche Auswirkungen die Lärmbelastung einer Mietwohnung im Zusammenhang mit dem für eine Mietwohnung gebührenden Lagezuschlag hat und inwieweit der diesbezügliche Ermessensspielraum des entscheidenden Gerichts reicht

Rechtliche Beurteilung

Voraussetzung dafür, dass ein Lagezuschlag zum Richtwertmietzins gemäß § 16 Abs 4 MRG vereinbart werden kann, ist primär die überdurchschnittlich gute Lage der Mietwohnung.

Für die Beurteilung, ob eine konkrete Lage „besser als durchschnittlich“ qualifiziert werden kann, muss nach der Rechtsprechung die Lage des Wohnhauses der Mietwohnung mit anderen Lagen vergleichen werden.

Die Beurteilung des zulässigen Mietzinses und daher auch die Frage, ob ein Lagezuschlag berechtigt ist oder nicht, ist eine vom Richter – und nicht von einem Sachverständigen – zu beurteilende Rechtsfrage.

In seiner Entscheidung verweist der OGH zunächst darauf, dass sich die Qualität einer Wohnumgebung nicht nur an ihrer guten Anbindung bzw. Infrastruktur orientiert. Vielmehr bedarf es eines Gesamtvergleichs mit anderen Wohnumgebungen. In Wien ist als Referenzgebiet für die Beurteilung der Überdurchschnittlichkeit der Lage einer Mietwohnung auf jene  Teile des Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung ähnlich sind und aufgrund ihrer Bebauungsmerkmale ein einheitliches Wohngebiet bilden.

Zwar zeichnet sich der Teil des Stadtgebietes, in dem die Mietwohnung liegt, tatsächlich durch gute Lagemerkmale aus (insbesondere durch nahe gelegene Geschäfte des täglichen Bedarfs, kulturelle Einrichtungen sowie Gesundheits- und Bildungseinrichtungen), doch begründet dies alleine noch nicht die „Überdurchschnittlichkeit“ der Lage, die einen Lagezuschlag rechtfertigt.

Der OGH gelangte schließlich zu der Entscheidung, dass eine erhebliche Lärmbelästigung (in diesem Fall von etwa 75 dB auf der einen und etwa 60-65 dB auf der anderen Straßenseite des Wohnhauses) grundsätzlich ein Lagekriterium darstellt. Im gegenständlichen Fall steht daher ein Lagezuschlag nicht zu.

Schlussfolgerung

»Bei der Beurteilung, ob ein Lagezuschlag zusteht, ist sohin nicht ausschließlich die Lage des Mietgegenstandes, sondern auch weitere Faktoren – wie hier eine erhebliche Lärmbelastung aufgrund hohen Verkehrsaufkommens – zu berücksichtigen.«

Was ist passiert?

Zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer wurde ein Unfallversicherungsvertrag abgeschlossen. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 2006 idF 7/2012), die der Polizze zugrunde lagen, lauteten auszugsweise wie folgt:

»Was versteht man unter „Dauernder Invalidität“? Wie wird der Invaliditätsgrad gemessen?
1. Dauernde Invalidität liegt vor, wenn die versicherte Person durch den Unfall auf Lebenszeit in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Der Eintritt dauernder Invalidität ist notwendige Voraussetzung für Zahlungen aus den Leistungsarten Unfallkapital, Zusatzkapital und Unfallrente […]
2. Die dauernde Invalidität muss
– innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sein und
[…]«

Seit einem Unfall am 06.03.2014 litt der Versicherungsnehmer an Kopfschmerzen. Aufgrund dieser, durch den Unfall verursachten Kopfschmerzen machte der Versicherungsnehmer eine 10%ige dauernde Invalidität geltend. Bei den Begutachtungen im Jänner 2016 und November 2019, die im Rahmen des durchgeführten Gerichtsverfahrens stattfanden, wurden die Kopfschmerzen ausdrücklich nicht als dauerhaft festgestellt oder prognostiziert. Erst mit Gutachten vom Juli 2021 wurden die Kopfschmerzen erstmals als dauernde Invalidität bewertet.

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.03.2023 (7Ob28/23b) führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass nach Art G.1 iVm Art G.2 AUVB Voraussetzung für die Versicherungsleistung ist, dass die versicherte Person durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist und diese Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten ist.

„Dauernde Invalidität“ sei nach Ansicht des OGH der gänzliche oder teilweise Verlust von Körperteilen oder Organen und/oder die Einschränkung der körperlichen, organischen oder geistigen Funktionsfähigkeit. Eine dauernde Invalidität liege vor, wenn sie objektiv vorhanden („eingetreten“) ist. Nicht entscheidend sei nach den Versicherungsbedingungen, dass sie der Versicherungsnehmer auch innerhalb der Frist eines Jahres erkannt haben muss. Eine dauernde Invalidität könne auch schon eingetreten sein, ohne dass sie der Betroffene als solche erkennt.

Dauerinvalidität in der Unfallversicherung erfordere, dass die Invalidität auf Lebensdauer feststeht, oder nach dem ärztlichen Wissensstand zur Zeit der Beurteilung und der Erfahrung des Arztes die Prognose besteht, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Invalidität lebenslang andauern wird. Nur wenn sich innerhalb eines Jahres nach dem Unfall diese Prognose ergibt, sei die erste Voraussetzung für eine allfällige Leistungspflicht des Versicherers erfüllt. Wenn sich hingegen die Prognose erst zu einem späteren Zeitpunkt in Richtung Dauerinvalidität ändern sollte, dann bestehe kein Anspruch.

Im vorliegenden Fall wurden die Kopfschmerzen des Versicherungsnehmers nicht innerhalb der Jahresfrist des Art G.2 AUVB, sondern erst sieben Jahre nach dem Unfall erstmals als dauerhaft bewertet. Da sich die dauernde Invalidität im vorliegenden Fall erst nach Ablauf eines Jahres ergeben habe, sei der Versicherer infolge der vereinbarten Klausel gemäß Art G.2 AUVB leistungsfrei.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Die Bestimmung, wonach der Versicherer die vereinbarte Leistung zu erbringen hat, falls sich innerhalb eines Jahres vom Unfallstag an ergibt, dass eine dauernde Invalidität zurückbleibt, stellt einen Risikoausschluss dar und führt dazu, dass der Versicherer leistungsfrei ist, wenn sich die dauernde Invalidität erst nach Ablauf dieses einen Jahres ergibt.«

Was ist passiert?

Im Alltag stellt sich für Käufer und Verkäufer bei Immobilientransaktionen immer wieder die Frage wie ausführlich ein Finanzierungsvorbehalt in einem Immobilien Kaufangebot ausformuliert sein muss und wen er wie bindet. Reicht die oft verwendete Formel „unter Finanzierungsvorbehalt“ aus oder sollte man klarere Regeln treffen?

Wie ist die Rechtslage?

Ohne spezifische Regelung im Kaufangebot oder im Kaufvertrag trifft das Risiko der Kaufpreisfinanzierung den Käufer. Er wird sich, wenn er schlussendlich nicht finanzieren kann, nicht aus seinen vertraglichen Verpflichtungen argumentieren können.

In der Praxis von Immobilientransaktionen wird jedoch häufig ein sogenannter Finanzierungsvorbehalt vereinbart, oft lediglich durch Zusatz der Formulierung „vorbehaltlich Finanzierung“ oder „unter finanzierungsvorbehalt“. Sinn und Zweck ist der Wunsch des Käufers die Finanzierbarkeit des Kaufpreises als Voraussetzung für die Wirksamkeit des Kaufvertrages zu vereinbaren.

Da solch ein Finanzierungsvorbehalt in der Regel nicht sehr ausformuliert in den Kaufangeboten aufgenommen wird, braucht man zur Feststellung der tatsächlichen Bedeutung vertragliche Auslegung. Was ist der Wille der Parteien? Wie ist solch ein Finanzierungvorbehalt im redlichen Verkehr zu verstehe? Im Wesentlichen ist ein Finanzierungsvorbehalt entweder als (i) Rücktrittsrecht oder (ii) Bedingung einzustufen.

In der Praxis ist der Finanzierungsvorbehalt uE als unbedingtes Angebot auf Abschluss eines aufschiebend bedingten Kaufvertrags zu sehen. Was Detailfragen aufwirft: Wie lange und intensiv muss sich der Käufer um eine Finanzierung bemühen? Welche Konditionen muss der Käufer bei einer Bank akzeptieren? Wie lange ist der Verkäufer gebunden und muss darauf warten, dass der Käufer eine Finanzierung findet?

Die Vertragsparteien eines bedingten Vertrages müssen grundsätzlich alles Erlaube und Zumutbare unternehmen, um den Bedingungseintritt zu fördern und alles unterlassen, was der Erfüllung entgegensteht.

Pflichten des Käufers: Vereitelt der Käufer den Bedingungseintritt treuwidrig, dann wird der Eintritt der Bedingung fingiert, dh, dass der Kaufvertrag auch dann rechtskräftig zustande kommt, wenn der Käufer keine Finanzierung erhalten hat. In der Praxis heißt das, dass der Verkäufer vom Käufer Erfüllung verlangen kann, bei entsprechendem Verzug und Verstreichen einer Nachfrist zurücktreten und Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung geltend machen kann. Ein redlicher Käufer muss also alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen um den (unter Finanzierungsvorbehalt geschlossenen) Kauf finanzieren zu können. Unseres Erachtens ist somit eine Anfrage bei der jeweiligen Hausbank allein nicht ausreichend um den Verpflichtungen des Käufers genüge zu tun. Dieser muss binnen angemessener Frist Anfragen bei mehreren Banken stellen und entsprechende Verhandlungen führen. Die Annahme eines Kreditangebots eines Kreditinstituts zu marktüblichen Konditionen wird dem Käufer idR zumutbar sein.

Pflichten des Verkäufers: Ohne klare Formulierung des Finanzierungsvorbehalts befindet sich der Verkäufer in einem rechtlichen Schwebezustand. Wie lange ist der Verkäufer gebunden? Wie lange muss er warten, ob der Käufer in der Lage ist eine entsprechende Finanzierung zu erlangen? Da die Rechtsprechung verlangt, dass die endgültige Entwicklung bis zur vollen Gewissheit abgewartet wird, resultiert dies für den Verkäufer in einem potentiell sehr langen vertraglichen Schwebezustand. Ein vorzeitiger Rücktritt für den Verkäufer soll somit nur dann zulässig sein, wenn ein Abwarten der endgültigen Entwicklungen für ihn unzumutbar und rechtsmissbräuchlich sind. Wann dies der Fall ist, muss im Einzelfall beurteilt werden. Ein Rücktrittsrecht des Verkäufers sollte jedoch idR dann möglich sein, wenn eine im Geschäftsverkehr übliche Dauer zur Erlangung einer Finanzierung deutlich überschritten wurde und den Verkäufer daran kein Verschulden trifft. Es sollten den Vertragsparteien nicht zugemutet werden ewig an einen bedingten Vertragsabschluss gebunden zu sein. In der Praxis wird es bei der Beweiswürdigung jedoch schwer zu belegen sein, ob sich die Vertragsparteien ausreichend bemüht haben oder ob ein treuwidriges Verhalten einer Vertragspartei vorliegt.

Schlussfolgerung

Eine bloße Verwendung von „unter Finanzierungsvorbehalt“ ohne genauere Regelungen vorzusehen, ist kein vertragliches Allheilmittel für den Käufer. Solch eine Formulierung kann sowohl für Käufer als auch für Verkäufer Rechtsunsicherheiten nach sich ziehen. Aus Sicht das Käufers ist unsicher, wie stark er sich um eine Finanzierung bemühen muss und was (z.B welche Konditionen) er im Sinne einer Finanzierung akzeptieren muss, um nicht vertragsbrüchig zu werden und für den Verkäufer ist unklar, wie lange er auf den Käufer und dessen potentielle Finanzierung warten muss.

Wir empfehlen in der Praxis daher bei der Formulierung eines Finanzierungsvorbehalts detailliertere Regelungen vorzusehen. Jedenfalls sollte ein sogenanntes „Long-Stop Date“ verhandelt werden, dh eine Regelung bis wann ein Bedingungseintritt spätestens zu erfolgen hat, um beiden Parteien Rechtssicherheit über die Dauer des geschuldeten Bemühens zu geben.