Was ist passiert?
Im gegenständlichen Fall ging es um ein Haus (Eckhaus) im 14. Wiener Gemeindebezirk, welches an der Kreuzung zweier in diesem Bereich stärker befahrenen Straßenzüge liegt und um die Frage, ob bei der Ermittlung des höchstzulässigen Richtwertmietzinses durch das Gericht auch ein Lagezuschlag nach § 16 Abs 2 Z 3 MRG (aufgrund der Wohnumgebung des Hauses) im Verfahren zu berücksichtigen gewesen wäre.
Das Erstgericht traf Feststellungen zur Infrastruktur , vor allem zur Anbindung an den öffentlichen Verkehr, zum Gastronomieangebot, zur Versorgung mit Geschäften des täglichen Bedarfs, Bildungs- und Fürsorgeeinrichtungen, Gesundheitsversorgung, Sport- und Freizeitanlagen und Parks. Die festgestellte Infrastruktur betrifft zu einem guten Teil den Bereich des Hietzinger Platzes („1130 Wien, Am Platz“), wobei die Einrichtungen und Versorgungsmöglichkeiten dort nur durch Überquerung des Wienflusses sowie der auf beiden Seiten stark befahrenen Einfahrts- und Ausfahrtsstraßen der Stadt zu erreichen sind.
Anders als das Erstgericht berücksichtigte das Rekursgericht diese Einrichtungen und Versorgungsmöglichkeiten im 13. Bezirk bei der Beurteilung der Lagequalität des Hauses nicht. Es führte im Wesentlichen aus, dass der Wienfluss und die zu beiden Seiten befindlichen Fahrbahnen eine natürliche Grenze und Barriere der Erreichbarkeit seien. Die Infrastruktur im 13. Bezirk möge für die Bewohner auf der anderen Seite des Wienflusses attraktiv sein, die Qualität der hier relevanten Wohnumgebung im 14. Bezirk beeinflusse sie nicht. Naturräumliche Grenzen wie etwa die Donau, der Donaukanal, aber auch der Wienfluss trennen die relevante Wohnumgebung; diese ende ausnahmsweise tatsächlich an der Bezirksgrenze. Die Vorteile des 13. Bezirks könnten daher bei der Beurteilung einer Lage im 14. Bezirk nicht berücksichtigt werden.
Der Antragsgegner brachte einen außerordentlichen Revisionsrekurs ein, in welchem er zusammengefasst ausführte, dass die Wohnumgebung beim Richtwertmietzins durchaus zu berücksichtigen sei und keine verallgemeinernde Aussage, dass der Wienfluss als natürliche (und zugleich politische) Grenze auch die im gegenständlichen Fall zu beurteilende konkrete Lage begrenze, getroffen werden könne, sondern im Einzelfall beurteilt werden müsse.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 16 Abs 2 Z 3 MRG darf der zwischen dem Vermieter und dem Mieter für eine gemietete Wohnung der Ausstattungskategorien A, B oder C vereinbarte Hauptmietzins je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat den angemessenen Betrag nicht übersteigen, der ausgehend vom Richtwert (§ 1 RichtWG) unter Berücksichtigung allfälliger Zuschläge und Abstriche zu berechnen ist. Für die Berechnung des demnach höchstzulässigen Hauptmietzinses sind im Vergleich zur mietrechtlichen Normwohnung (§ 2 Abs. 1 RichtWG) entsprechende Zuschläge zum oder Abstriche vom Richtwert für werterhöhende oder wertvermindernde Abweichungen vom Standard der mietrechtlichen Normwohnung nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens vorzunehmen, wobei für die Bewertung einer Wohnung bedeutsamen Umstände wie unter anderem auch die Lage (Wohnumgebung) des Hauses im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages zu berücksichtigen sind.
Gemäß § 16 Abs 4 MRG ist ein Lagezuschlag unter anderem nur dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Lage (§2 Abs 3 RichtWG). Ob eine konkrete Lage (Wohnumgebung) aufgrund ihrer Eigenschaften als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, ist nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen (RS0111204). Dazu bedarf es eines wertenden Vergleichs mit anderen Lagen (Wohnumgebungen).
In Wien ist als Referenzgebiet für die Beurteilung der Durchschnittlichkeit der Lage eines Hauses nicht regelhaft der jeweilige Gemeindebezirk heranzuziehen, sondern auf jene Teile des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und (daher) ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet bilden (RS0131812).
Maßgeblich für die Beurteilung „nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens“ sind unterschiedliche Faktoren und Standorteigenschaften, so etwa die Verkehrsanbindung (öffentlicher Verkehr und Individualverkehr), Versorgung mit Geschäften des täglichen Bedarfs, Bildungs- und Fürsorgeeinrichtungen, Gesundheitsversorgung, kulturelles Angebot, Sport- und Freizeitanlagen, Parks, Grünflächen und Gewässer (also die „Infrastruktur“ im weitesten Sinn). Ein weiteres Kriterium für die Beurteilung der (Über-)Durchschnittlichkeit vor allem einer innerstädtischen Lage ist auch der Umstand, ob die zu beurteilende Liegenschaft – gemessen an vergleichbaren Lagen – eine besondere (Grün-)Ruhelage aufweist oder im Gegenteil über das zu erwartende Ausmaß von Verkehr, Abgasen und Lärm belastet wird. Auch das Image der Wohnumgebung kann in die Beurteilung miteinzubeziehen sein (5 Ob 83/22z [immolex 2022/183 (Plank)] mwN).
Die (Über-)Durchschnittlichkeit der Lage ist dabei in einer Gesamtschau und unter Gewichtung der einzelnen Lagecharakteristika nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Vorzunehmen ist eine Gesamtschau, weil die Lagequalität nur insgesamt erfasst werden kann. Die Auflistung und Bewertung einzelner Lagefaktoren kann nur ein Kontrollinstrument sein (5 Ob 83/22z mwN).
Bei der Beurteilung der Lagequalität ist den Gerichten ein gewisser Wertungs- und Ermessensspielraum eingeräumt. Solange dieser nicht überschritten wird, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (5 Ob 83/22z; 5 Ob 20/22k mwN).
Der OGH führte im abgeführten Rechtsstreit zu GZ 5 Ob 27/23s aus, dass keine Fehlbeurteilung des Rekursgerichtes und somit keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt. Dies begründete der OGH damit, dass die Berücksichtigung der jenseits des Wienflusses gelegenen Lagemerkmale beim Richtwertmietzins dann ausgeschlossen werden kann, wenn im konkreten Einzelfall die Möglichkeiten der Überquerung tatsächlich eingeschränkt sind, die Erreichbarkeit der auf der anderen Uferseite gelegenen Einrichtungen also erschwert ist und diese daher nach der Verkehrsauffassung die Lage nicht charakterisieren. Die Beurteilung hängt somit von den konkreten, insbesondere örtlichen Gegebenheiten ab. Letztlich begründet aber ohnedies auch das Rekursgericht die Außerachtlassung der Lagecharakteristika rund um den „Hietzinger Platz“ mit den konkreten örtlichen Gegebenheiten, nämlich damit, dass die gegebene Distanz von 600 bis 750 m nicht mehr als fußläufig bezeichnet werden könne und sich die im Nachbarbezirk gelegenen Geschäfte und Lokale daher außerhalb der relevanten Wohnumgebung befinden. Das Gebot der Beurteilung der Lage macht es nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens notwendig, sich bei dieser Beurteilung von einem gleichsam mathematischen Verständnis des Wortes „durchschnittlich“, als dem Mittelwert aus einer gegebenen Grundgesamtheit (annähernd) entsprechend, zu lösen. Die Lage ist in einer Gesamtschau und durch Gewichtung der einzelnen Lagecharakteristika zu beurteilen, nicht aus der Auflistung und Bewertung einzelner Lagefaktoren zu berechnen. Letzteres kann laut OGH nur ein Kontrollinstrument sein. Im gegenständlichen Fall war es zudem so, dass auch aus der im Sachverständigengutachten abgebildeten Lärmkarte eine starke Belastung durch Straßenlärm von 70-75 dB gegeben war und in die Gesamtbetrachtung des Rekursgerichtes miteingeflossen ist. Diese erhöhte Beeinträchtigung durch Straßenlärm schmälert die Wohnqualität und ist daher bei der Gesamtbetrachtung aller Lagecharakteristika als negative Eigenschaft zu berücksichtigen. Somit hat nach Ansicht des OGH das Rekursgericht bei der Beurteilung der Qualität der Lage (Wohnumgebung) den ihm eingeräumten Wertungs- und Ermessensspielraum nicht verlassen und war daher der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Schlussfolgerung
Bei der Beurteilung der Frage, ob aufgrund einer besonderen Lage eines Objektes im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages ein Lagezuschlag beim Richtwertmietzins gerechtfertigt ist, ist immer eine Gesamtschau und Gewichtung der einzelnen Lagecharakteristika vorzunehmen. Insbesondere starke Belastung durch Straßenlärm kann sich negativ auswirken und dazu führen, dass kein Lagezuschlag zulässig ist