Was ist passiert?

Zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Versicherer bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag. Im Vorverfahren begehrte die Versicherungsnehmerin von ihrem ehemaligen Lebensgefährten eine Zahlung in der Höhe von EUR 585.313,10, weil er sie vom Balkon gestoßen und dadurch schwer verletzt habe. Diese Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. Der Rechtsvertreter der Versicherungsnehmerin stellte anschließend seine Honorarforderung gegenüber der Versicherungsnehmerin fällig, stundete jedoch den Betrag bis zum rechtskräftigen Abschluss des mit dem Rechtsschutzversicherer geführten Deckungsprozesses. Die Versicherungsnehmerin ersetzte bislang weder dem Gegner des Haftpflichtprozesses dessen Prozesskosten, noch beglich sie die Honorarforderung ihres Rechtsvertreters.

Im gegenständlichen Prozess begehrte die Versicherungsnehmerin vom Rechtsschutzversicherer die Zahlung der Kosten des Haftpflichtprozesses und als Eventualbegehren die Feststellung der Versicherungsdeckung. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 25.01.2023 führte der OGH (7 Ob 217/22w) zunächst aus, dass die Rechtsschutzversicherung als passive Schadensversicherung den Versicherungsnehmer gegen das Entstehen von Verbindlichkeiten (Passiva) schütze. Sie biete Versicherungsschutz gegen die Belastung des Versicherungsnehmers mit Rechtskosten. Die Hauptleistungspflicht des Versicherers in der Rechtsschutzversicherung bestehe in der Tragung der dem Versicherungsnehmer entstehenden Kosten.

Vor Fälligkeit des Leistungsanspruchs könne nur auf Feststellung dahin geklagt werden, dass der Versicherer verpflichtet ist, Rechtsschutzdeckung in bestimmten Angelegenheiten zu gewähren. Nach Eintritt der Fälligkeit sei die Frage der Deckungspflicht sodann Vorfrage für den Leistungsanspruch. Beim Leistungsanspruch handle es sich aber (zunächst) nur um einen Befreiungsanspruch, somit nicht (primär) um einen Geld- bzw. Zahlungsanspruch. Nur wenn der Versicherungsnehmer seinen Kostengläubiger bereits selbst befriedigt hat, könne sich sein Befreiungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer verwandeln.

Im vorliegenden Fall war der Leistungsanspruch der Versicherungsnehmerin gegenüber dem beklagten Versicherer bereits fällig. Der dadurch gegebene Freistellungsanspruch gehe nach den Ausführungen des OGH auf Befreiung von den bei der Wahrnehmung des versicherten rechtlichen Interesses entstehenden Kosten. Dieser Freistellungsanspruch sei aber nach Ansicht des OGH einem Geld- bzw. Zahlungsanspruch (Kostenerstattungsanspruch) nicht gleichgestellt. Vielmehr könne er sich erst dann in einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer verwandeln, wenn der Versicherungsnehmer seinen Kostengläubiger bereits selbst befriedigt hat. Der Versicherungsnehmer habe nach Fälligkeit seines Leistungsanspruchs aber auch kein rechtliches Interesse an der Feststellung der Versicherungsdeckung mehr, weil die Möglichkeit der Leistungsklage (im vorliegenden Stadium: auf Freistellung) nach ständiger Rechtsprechung bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage verdrängt.

Im vorliegenden Fall kam daher der OGH zum Ergebnis, dass das Geldleistungsbegehren mangels Zahlung der Kostenschuld und das als Eventualbegehren gestellte Feststellungsbegehren wegen Fehlens des rechtlichen Interesses nicht berechtigt und daher die Klage abzuweisen war.

Schlussfolgerung

»Der Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Rechtsschutzversicherer kann sich erst dann in einen Geld- bzw. Zahlungsanspruch (= Kostenerstattungsanspruch) verwandeln, wenn der Versicherungsnehmer seinen eigenen Kostengläubiger bereits selbst befriedigt hat. Davor hat der Versicherungsnehmer nur einen Feststellungsanspruch bzw. ab Fälligkeit einen Anspruch auf Freistellung.«

Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch

2 Ob 155/22s

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer schloss am 11.04.2020 eine Eigenheimversicherung für ein Wohngebäude ab, welches zwar in seinem Eigentum stand, jedoch bereits seit ca. 10 Jahren vermietet war. Der Versicherungsnehmer vereinbarte dabei mit dem Mieter – entsprechend den feuerpolizeilichen Vorschriften – dass dieser die Feuerungsanlage regelmäßig reinigen zu lassen habe. Aufgrund eines Brandes am 14.02.2021 kam es zur Beschädigung des Gebäudes, in dessen Folge sich herausstellte, dass der Mieter dieser Verpflichtung nicht nachgekommen war. In den Versicherungsbedingungen der Eigenheimversicherung wurde festgelegt, dass das Versicherungsunternehmen den Vertrag kündigen kann, wenn der Versicherungsnehmer gesetzliche, behördliche oder vereinbarte Sicherheitsvorschriften verletzt oder die Verletzung duldet. Überdies wurde auch die Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens vereinbart, sollte der Schadenfall nach der Verletzung eintreten und die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruhen. Der Versicherungsnehmer forderte von dem Versicherungsunternehmen den Ersatz des Brandschadens, diese verweigerte jedoch unter Verweis auf die Verletzung einer Sicherheitspflicht die Leistung.

Wie ist die Rechtslage?

Der Oberste Gerichtshof (OGH) war zu 7 Ob 204/22h unter anderem damit befasst, ob der Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall die Verletzung einer Sicherheitsvorschrift zu verantworten habe und wenn ja, welcher Verschuldensgrad ihm vorzuwerfen sei. Diesbezüglich hatte der OGH einerseits zu klären, ob das Verhalten des Mieters und sohin dessen Verschulden dem Versicherungsnehmer zugerechnet werden kann, andererseits aber auch, ob das Verhalten des Versicherungsnehmers selbst grob fahrlässig war.

Zu ersten Frage hielt der OGH fest, dass in Österreich die in Deutschland vertretene Repräsentationstheorie im Versicherungsrecht nicht gelte. Demnach führe das Verhalten eines Dritten nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers. Das Verhalten einer dritten Person könne dem Versicherungsnehmer nur dann zugerechnet werden, wenn dieser zur Abwicklung eines bestimmten Versicherungsverhältnisses bevollmächtigt wurde. Mit dem Mieter bestand jedoch lediglich die Vereinbarung, dass sich dieser um die Reinigung der Feuerungsanlage zu kümmern habe. Da keine Bevollmächtigung im beschriebenen Sinne vorliege, sei das Verhalten des Mieters bei der Beurteilung des Verschuldens daher unbeachtlich.

Betreffend die zweite Frage, verwies der OGH zunächst darauf, dass grobe Fahrlässigkeit eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht verlange. Der objektiv besonders schwere Sorgfaltsverstoß müsse auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen sein. Die mangelnde Veranlassung der Reinigung bzw. die mangelnde Kontrolle der dem Mieter überbundenen Pflicht durch den Versicherungsnehmer begründe nach Ansicht des OGH jedoch kein grob fahrlässiges Verhalten. Es sei nämlich weder objektiv noch subjektiv ein besonders schwerwiegender Sorgfaltsverstoß des Versicherungsnehmers anzunehmen, da der Versicherungsnehmer aufgrund mangelnder Verdachtsmomente von der Verlässlichkeit des Mieters ausging. Folglich wurde die gegenständliche Revision des Versicherungsunternehmens vom OGH auch zurückgewiesen.

Schlussfolgerung

»Das Verhalten eines Dritten führt im Regelfall nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmen. Zu hinterfragen ist jedoch stets, ob dem Versicherungsnehmer nicht aufgrund seines eigenen Verhaltens ein Verschulden angelastet werden kann. Wurde von einem Dritten eine Sicherheitspflicht verletzt, so ist entsprechend der Ansicht des OGH dabei auch zu prüfen, ob der Versicherungsnehmer auf ein pflichtgemäßes Verhalten des Dritten vertrauen durfte.«

Was ist passiert?

Die Versicherungsnehmerin beabsichtigte eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich einzubringen, mit der sie Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden begehrte. Begründend führte die Versicherungsnehmerin hierzu aus, dass ihr Ehegatte aufgrund des unzureichenden Pandemie-Managements der Behörden in der Zeit Ende Februar/Anfang März 2020 verstorben sei. Unter Verweis auf den Risikoausschluss für Katastrophen verweigerte die Rechtsschutzversicherung jedoch die Leistung, sodass die Versicherungsnehmerin Klage einbrachte.

Der gegenständliche Punkt 7.1.1.2. ARB 2013 lautet auszugsweise wie folgt:

»Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang (…) mit Katastrophen; Eine Katastrophe liegt vor, wenn durch ein Naturereignis oder ein sonstiges Ereignis dem Umfang nach eine außergewöhnliche Schädigung von Menschen oder Sachen eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht.«

Am 05.08.2020 nahm der Versicherungsnehmer, ein Polizeibeamter, an einem Auswahlverfahren der Cobra teil. Dabei hatte er unter anderem eine von der Wand ausgeklappte Sprossenwand mit einer Höhe von ca. 3 m zu bewältigen. Nachdem er den Scheitelpunkt der Sprossenwand überwand, sprang er direkt auf den Boden. Er landete dabei mit dem linken Fuß, der den Hauptanteil des Körpergewichts bzw. des Fallgewichts seines Körpers übernahm, um dann nach Bodenkontakt mit dem rechten Fuß sofort in eine Drehbewegung nach rechts starten zu können. Der gesamte Bewegungsablauf war von ihm genau so geplant.

Dennoch erlitt er dabei eine vordere Kreuzbandruptur links, ein ausgedehntes Knochenmarksödem im Bereich der inneren Oberschenkelrolle bzw. des Schienbeinkopfes und eine Überdehnung des Innenseitenbandes.

Unter Berücksichtigung der durch Vorverletzungen bestehenden Vorinvalidität verblieb beim Versicherungsnehmer eine dauernde Invalidität von 6 %. Der Versicherer lehnte jedoch eine Leistung mit der Begründung ab, dass es sich beim Geschehensablauf um keinen Unfall gehandelt habe. Dem Unfallbegriff sei immanent, dass der Bewegungsablauf im Zuge des Unfalls unbeherrschbar werde. Ein Ereignis von außen habe nicht auf den Körper eingewirkt.

Wie ist die Rechtslage?

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat bereits in anderen Entscheidungen festgehalten, dass die COVID-Pandemie den in Rechtsschutzversicherungen enthaltenen Risikoausschluss für hoheitsrechtliche Anordnungen aufgrund einer Ausnahmesituation (sog. „Hoheitsausschluss“) erfüllen kann. Nun hatte der OGH zu 7 Ob 196/22g zu klären, ob durch die COVID-Pandemie auch der gegenständliche Katastrophenausschluss erfüllt sein kann.

Eingangs seiner Entscheidung hielt der OGH fest, dass die COVID-Pandemie durchaus den Katastrophenbegriff erfüllt. Als „Ereignis“ im Sinne der Versicherungsbedingungen sei dabei der Ausbruch des Virus zu sehen sowie die darauffolgende Verbreitung. Die gegenwärtige Situation zeige nach Ansicht des OGH auch, dass die Pandemie ein zeitlich begrenzter Vorgang sei, sodass trotz jahrelanger Pandemie-Situation von einem „Ereignis“ auszugehen sei.

Allerdings verlange der Ausschlusstatbestand auch, dass die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen „in ursächlichem Zusammenhang“ mit der Katastrophe steht. Dabei müsse sich vielmehr das typische Risiko, das gerade zur Aufnahme des Risikoausschlusses geführt hat, verwirklichen („adäquat-ursächlicher Zusammenhang“).

Im gegenständlichen Fall kam der OGH zum Ergebnis, dass auch dieser adäquat-ursächliche Zusammenhang gegeben ist. Die behaupteten Sorgfaltsverstöße der Behörden seien „typische Folgen“ gerade jenes Risikos, das von dem Ausschlusstatbestand erfasst werden soll, da die COVID-Pandemie regelmäßig ein behördliches Handeln erforderte. Entgegen der Ansicht der Versicherungsnehmerin sei laut OGH sohin nicht das rechtswidrige Verhalten der handelnden Beamten als Ursache zu sehen. Bei diesem Verständnis würde nämlich kein menschliches Fehlverhalten im Zusammenhang mit einer Katastrophe den Risikoausschluss verwirklichen, sodass dieser praktisch entwertet wäre. Folglich kam der OGH auch zu der Entscheidung, dass die Deckungsablehnung der Versicherung berechtigt war.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»In Ergänzung seiner bisherigen Rechtsprechung stellt der OGH im gegenständlichen Fall klar, dass die COVID-Pandemie auch als ‚Katastrophe‘ im Sinne des Katastrophenausschlusses gewertet werden kann und dass die Behördentätigkeit in einem adäquat-kausalen Zusammenhang mit der Pandemie stand. Im Ergebnis stehen daher dem Rechtsschutzversicherer bei Fällen im Zusammenhang mit der COVID-Pandemie sohin potentiell sowohl der Hoheits- als auch der Katastrophenausschluss offen.«

Was ist passiert?

Zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer bestand ein Unfallversicherungsvertrag. Die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen lauteten auszugsweise wie folgt:

»Was ist ein Unfall? – Artikel 6

1. Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.

2. Als Unfall gelten auch folgende Ereignisse:

Verrenkungen von Gliedern sowie Zerrungen und Zerreißungen von an Gliedmaßen und an der Wirbelsäule befindlichen Muskeln, Sehnen, Bändern und Kapseln sowie Meniskusverletzungen.

[…]«

Am 05.08.2020 nahm der Versicherungsnehmer, ein Polizeibeamter, an einem Auswahlverfahren der Cobra teil. Dabei hatte er unter anderem eine von der Wand ausgeklappte Sprossenwand mit einer Höhe von ca. 3 m zu bewältigen. Nachdem er den Scheitelpunkt der Sprossenwand überwand, sprang er direkt auf den Boden. Er landete dabei mit dem linken Fuß, der den Hauptanteil des Körpergewichts bzw. des Fallgewichts seines Körpers übernahm, um dann nach Bodenkontakt mit dem rechten Fuß sofort in eine Drehbewegung nach rechts starten zu können. Der gesamte Bewegungsablauf war von ihm genau so geplant.

Dennoch erlitt er dabei eine vordere Kreuzbandruptur links, ein ausgedehntes Knochenmarksödem im Bereich der inneren Oberschenkelrolle bzw. des Schienbeinkopfes und eine Überdehnung des Innenseitenbandes.

Unter Berücksichtigung der durch Vorverletzungen bestehenden Vorinvalidität verblieb beim Versicherungsnehmer eine dauernde Invalidität von 6 %. Der Versicherer lehnte jedoch eine Leistung mit der Begründung ab, dass es sich beim Geschehensablauf um keinen Unfall gehandelt habe. Dem Unfallbegriff sei immanent, dass der Bewegungsablauf im Zuge des Unfalls unbeherrschbar werde. Ein Ereignis von außen habe nicht auf den Körper eingewirkt.

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 25.01.2023 (7 Ob 212/22k) führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass Art 6.1 der gegenständlichen Versicherungsbedingungen den allgemeinen Unfallbegriff definiert. Demnach handle es sich bei einem Unfall um ein plötzlich von außen auf den Körper der versicherten Person einwirkendes Ereignis, wodurch diese unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Ein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis liege vor, wenn Kräfte auf den Körper einwirken, die außerhalb des Einflussbereichs des eigenen Körpers liegen. Für den Versicherten müsse die Lage so sein, dass er sich bei normalem Geschehensablauf den Folgen des Ereignisses (Krafteinwirkung auf den Körper) im Augenblick ihres Einwirkens auf seine Person nicht mehr entziehen kann.

Der OGH führte jedoch weiters aus, dass in Art 6.2 der gegenständlichen Versicherungsbedingungen eine Reihe weiterer Umstände umschrieben werden, welche auch als „Unfall“ gelten. Demnach gelten nach Art 6.2 Zerrungen und Zerreißungen von an Gliedmaßen und an der Wirbelsäule befindlichen Muskeln, Sehnen, Bändern und Kapseln sowie Meniskusverletzungen als Unfall. Art 6.2 („als Unfall gelten auch“) könne nach Ansicht des OGH nur so verstanden werden, dass damit Umstände dem Unfallbegriff gleichgestellt werden (Unfallsfiktion), die sich vom eigentlichen Unfall nach Art 6.1 unterscheiden. Sofern daher die in Art 6.2 genannten körperlichen Verletzungen vorliegen, bestehe Versicherungsschutz ohne Hinzutreten der in Art 6.1 geforderten weiteren Voraussetzungen.

Dies gelte umso mehr, da sich der Versicherer – anders als andere Versicherungsunternehmen in Österreich – gerade nicht für eine Klausel entschieden habe, wonach Sehnen-, Muskel- und Bänderrisse (nur) „infolge von Abweichungen vom geplanten und gewollten Bewegungsablauf“ als Unfälle gelten.

Der OGH kam daher zum Ergebnis, dass der Versicherungsnehmer durch den vorliegenden Unfall vom 05.08.2020 eine in Art 6.2 der gegenständlichen Versicherungsbedingungen beschriebene Verletzung erlitten hat, weshalb vom Eintritt eines Unfalls auszugehen ist, sodass der Versicherer aufgrund dauernder Invalidität zur Leistung verpflichtet ist.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Art 6.2 des gegenständlichen Bedingungswerkes ist unabhängig von Art 6.1 zu lesen. Der Unfallbegriff nach Art 6.2 erfordert daher kein „plötzliches“ Unfallereignis im Sinn von Unkontrollierbarkeit, mit welchem eine unfreiwillige Gesundheitsschädigung einhergeht. Auf Basis der vorliegenden Klausel kann daher auch eine geplante und kontrollierte Bewegungsabfolge ein versichertes Unfallereignis darstellen, sofern es dabei zu einer der genannten Verletzungen kommt.«

2 Ob 155/22s

Was ist passiert?

Die Klägerin, Ehegattin eines Mieters, stieg, als sie ihrem Enkelkind nacheilte, auf ein zur Liegenschaft gehörendes Lichtschachtgitter, das lediglich schräg auf der Einfassung des Lichtschachtgitters gelegen und zudem leicht verbogen war. Sie stürzte ein, erlitt Verletzungen und begehrte daraufhin Schadenersatz.

Die Beklagte entgegnete im Wesentlichen, dass sie ihrer Verpflichtung zur Objektsicherung durch regelmäßige Überprüfungen durch den Hausmeister sowie die Beauftragung eines Fachunternehmens mit der Überprüfung ausreichend nachgekommen sei. Außerdem sei die verrutschte Position des Gitters für die Klägerin leicht erkennbar gewesen.

Wie ist die Rechtslage?

Gemäß § 1319 ABGB ist, wenn durch Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder eines anderen auf einem Grundstück aufgeführten Werkes jemand verletzt oder sonst ein Schaden verursacht wird, der Besitzer des Gebäudes oder Werkes zum Ersatze verpflichtet, wenn die Ereignung die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes ist und er nicht beweist, dass er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet hat. Der Oberste Gerichtshof stellte in seiner Entscheidung zunächst fest, dass der Lichtschacht unter den Begriff des Werkes iSd. § 1319 ABGB fällt.

Für den gegenständlichen Fall sind jedoch ohnehin die Grundsätze der allgemeinen vertraglichen Haftung, konkret § 1096 Abs. 1 Satz 1 ABGB, anzuwenden. Vom Schutzbereich ist die Klägerin als Ehegattin des Mieters mitumfasst. In diesem Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof festgehalten, dass zur vertraglichen Nebenpflicht des Vermieters die Beseitigung und Vorbeugung von Gefahrenquellen zum Schutze des Mieters gehört. Dies betrifft auch allgemeine Teile des Hauses, die der Mieter aufgrund des Vertrags oder nach Verkehrsauffassung nützen darf.

Dass die Anlage baubehördlich genehmigt wurde, bedeutet nicht, dass dadurch allfällige Sicherungsvorkehrungen wegfallen. Bestehen Gefahrenquellen offenkundig, so hat der Bestandgeber alle notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um diese zu beseitigen – unabhängig einer baurechtlichen Genehmigung. Dem vor Ort zuständigen Hausmeister war gegenständlich bewusst, dass der Lichtschacht regelmäßig nicht ordnungsgemäß geschützt war. Dennoch unterließ er die Fixierung des Gitters.

Von der Verkehrssicherungspflicht des Vermieters ist allerdings nicht geschützt, wer, objektiv betrachtet, die Gefahr sofort erkenne. Gegenständlich führte der Umstand, dass auch der Klägerin bekannt war, dass das Lichtschachtgitter regelmäßig aus der Fassung genommen wurde und die schräge Lage des Lichtschachtgitters für sie erkennbar war, letztlich zu einer Verschuldensteilung von 1:1.

Schlussfolgerung

»Der Bestandgeber ist verpflichtet, neben der Hauptleistungspflicht, für die Beseitigung und Vorbeugung von Gefahrenquellen zum Schutze des Mieters zu sorgen. Davon mitumfasst sind auch allgemeine Teile des Hauses, die der Mieter nützen darf. Eine behördliche Genehmigung oder Überwachung führen dabei nicht per se dazu, dass der Vermieter von dieser Verpflichtung befreit wird..«

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer mietete im Rahmen seiner betrieblichen Tätigkeit zur Verrichtung von Ladetätigkeiten einen nicht-kennzeichenpflichtigen Kettenbagger. Während des Beladens eines LKWs ließ der Fahrer des Kettenbaggers einen Betonbrocken auf die Ladefläche des LKWs fallen. Die dadurch verursachte Erschütterung wurde in den Bereich des Aufstiegs des LKWs übertragen, sodass der Fahrer, der sich gerade auf den Stufen befand, stürzte und sich verletzte. Der Versicherungsnehmer forderte von seiner Betriebshaftpflichtversicherung, die auch das Risiko „Baggerarbeiten“ umfasste, die Deckung für den Schadensfall. Das Versicherungsunternehmen lehnte jedoch unter Verweis auf einen Risikoausschluss ab. Gemäß Art. 7.5.3. AHVB 2004 erstreckt sich die Versicherung nämlich nicht auf Schäden, die durch die Verwendung von Fahrzeugen verursacht werden, „die nach ihrer Bauart und Ausrüstung oder ihrer Verwendung im Rahmen des versicherten Risikos ein behördliches Kennzeichen tragen müssen oder tatsächlich tragen“. Schließlich begehrte der Versicherungsnehmer die Feststellung des Versicherungsschutzes auf dem Klagswege.

Wie ist die Rechtslage?

Im vorliegenden Fall hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) zu 7 Ob 178/22k mit der Frage auseinanderzusetzen, was unter der „Verwendung eines Fahrzeuges“ zu verstehen ist.

Der OGH stellte eingangs seiner Entscheidung klar, dass sich der Begriff der „Verwendung eines Fahrzeuges“ bei einer KFZ-Haftpflichtversicherung an § 2 Abs 1 Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz orientiere. Da hiermit bei der KFZ-Haftpflichtversicherung das versicherte Risiko umschrieben werde, sei von einem weiten Begriffsverständnis auszugehen, weshalb auch Ladevorgänge eine Verwendung eines Fahrzeuges darstellen würden.

Im gegenständlichen Fall liege jedoch eine Betriebshaftpflichtversicherung vor, bei der die „Verwendung eines Fahrzeuges“ nicht das primär versicherte Risiko, sondern einen Risikoausschluss beschreibe, der grundsätzlich eng auszulegen sei. Die Interpretation eines Ausschlusstatbestandes habe nach Ansicht des OGH zweckorientiert zu erfolgen. Der vorliegende Risikoausschluss umfasse somit Gefahren, die primär von der Verwendung des Fahrzeuges unmittelbar ausgehen. Nicht erfasst seien andere (z.B. betriebliche) Risiken, die bloß in einem Zusammenhang mit einem Fahrzeug stehen. Damit der Risikoausschluss gegeben ist, müsse der Schaden dem Fahrzeugrisiko näher stehen als dem betrieblichen Risiko.

Im vorliegenden Fall kam der Oberste Gerichtshof daher zum Schluss, dass sich bei der Ladetätigkeit nicht primär eine vom Fahrzeug ausgehende Gefahr realisiert habe, sondern ein betriebliches Risiko. Eine „Verwendung eines Fahrzeuges“ im Sinne des Ausschlusstatbestandes liege somit nicht vor, sodass der Risikoausschluss nicht greifen würde.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Begriffe im Versicherungsrecht sind trotz oftmals gleich- oder ähnlich lautender Formulierungen nicht stets ident auszulegen. Es ist insbesondere der Zweck zu berücksichtigen, der mit der konkreten Vertragsbestimmung verwirklicht werden soll. Ausschlusstatbestände, die gerade eine Einschränkung des versicherten Risikos bezwecken, sind dabei entsprechend diesem Zweck eng auszulegen.«

Was ist passiert?

Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer besteht ein Rechtsschutzversicherungsvertrag. Die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen lauten auszugsweise wie folgt:

»Artikel 23

Allgemeiner Vertrags-Rechtsschutz:

[…]

2. Was ist versichert?

2.1 Versicherungsschutz umfasst die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus

[…]

2.1.2 schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers über bewegliche Sachen,

[…]

 

Artikel 24

Rechtsschutz für Grundstückseigentum und Miete

Der Versicherungsschutz umfasst je nach Vereinbarung

-das in der Versicherungsurkunde bezeichnete Grundstück, Gebäude (Gebäudeteil) oder Wohnung, das ausschließlich den eigenen Wohn- oder Betriebszwecken dient (selbstgenutztes versichertes Objekt)“

[…]«

Der Versicherungsnehmer hat ein Ferienhaus angemietet und dafür bereits eine Zahlung geleistet. Die Vermieterin hat diesen Aufenthalt im Ferienhaus wegen eines Corona-Lockdowns storniert. Nachdem eine außergerichtliche Lösung mit der Vermieterin nicht möglich war, beabsichtigte der Versicherungsnehmer die Einbringung einer Klage auf Rückzahlung der bereits geleisteten Zahlung und begehrte aus diesem Grund aus der Rechtsschutzversicherung Deckung für die geplante Klagsführung. Der Deckungsstreit landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 13.12.2022 zu 7 Ob 131/22y führte der OGH zunächst aus, dass der „klassische“ – in der Regel auf längere Zeit als die Dauer eines Urlaubs abgeschlossene – Bestandvertrag unter den Rechtsschutzbaustein des Art 24 „Schutz für Grundstückseigentum und Miete“ falle. Dieser Rechtsschutzbaustein stelle auf das in der Versicherungsurkunde bereits bezeichnete Grundstück, das Gebäude oder die Wohnung ab und könne Kurzzeitmietverträge über eine Beherbergung im Urlaub bereits deshalb nicht erfassen, weil der Ort dieser Beherbergung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in der Regel noch nicht feststehe.

Darüber hinaus führte der OGH aus, dass bei einem typischen Beherbergungsvertrag, wie er in der Regel Grundlage für einen zeitlich begrenzten Aufenthalt in einem Hotel oder einer Ferienwohnung sei, zwar die Unterbringung im Vordergrund stehe, daneben aber auch der Verpflegung und weiteren Leistungen des Beherbergungsbetriebs wie etwa der Reinigung oder der Zurverfügungstellung von (auch beweglichen) Freizeiteinrichtungen keine unwesentliche Bedeutung zukomme. Ein solcher Beherbergungsvertrag enthalte demnach nicht nur Elemente eines Mietvertrages, sondern auch Elemente anderer Vertragstypen (insb. von Dienstleistungsverträgen). Der typische Beherbergungsvertrag unterscheide sich daher ganz erheblich von einem (klassischen) Miet- oder Pachtvertrag.

Ein solch gemischter Vertrag über eine Beherbergung im Urlaub, der sowohl die Komponente der Anmietung einer unbeweglichen Sache als auch Komponenten wie etwa Reinigung, Verpflegung oder die Benutzung weiterer Freizeiteinrichtungen enthält, kann im Einzelfall nach Ansicht des OGH im Rahmen des Allgemeinen Vertragsrechtsschutzes gedeckt sein.

Im vorliegenden Fall hat jedoch der Versicherungsnehmer im Gerichtsverfahren ausschließlich die Anmietung eines Ferienhauses und zu keiner Zeit behauptet, dass daneben auch andere Komponenten, wie Verpflegung, Reinigung oder Zurverfügungstellung von Freizeiteinrichtungen vereinbart wurden. Nach Ansicht des OGH liegt daher im vorliegenden Fall kein Beherbergungsvertrag, sondern ein klassischer Mietvertrag vor, der nicht von der Rechtsschutzversicherung umfasst sei.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Ein Vertrag über die bloße Anmietung einer Ferienwohnung ist ein Vertrag über eine unbewegliche Sache. Ein solcher Vertrag ist in einer Rechtsschutzversicherung weder im Rahmen des Allgemeinen Vertragsrechtsschutzes noch im Hinblick auf den Rechtsschutzbaustein „Grundstückseigentum und Miete“ gedeckt. Ein typischer Beherbergungsvertrag in Hotels und Ferienhäuser für Urlaubsaufenthalte kann jedoch im Einzelfall von der Rechtsschutzversicherung umfasst sein.«

Was ist passiert?

Zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer bestand ein Unfallversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für den Unfallschutz (AUVB 2016) zugrunde lagen. Die AUVB lauteten auszugsweise wie folgt:

»(…) Um dem Eintritt des Versicherungsfalls oder einer Erhöhung des Umfangs der Versicherungsleistung vorzubeugen, ist folgende Obliegenheit einzuhalten:

Die versicherte Person besitzt als Lenker eines Kraftfahrzeuges die jeweilige kraftfahrrechtliche Berechtigung nach österreichischem Recht, die zum Lenken dieses Kraftfahrzeuges vorgeschrieben ist; dies gilt auch dann, wenn dieses Fahrzeug nicht auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt wird. […]

Wird diese Obliegenheit zumindest leicht fahrlässig verletzt, sind wir insoweit leistungsfrei, als die Verletzung einen Einfluss auf die Höhe der Versicherungsleistung oder den Eintritt des Versicherungsfalles gehabt hat

In Folge eines Unfalles im Iran mit einem Motorrad Fahrzeugklasse A1 kam der Versicherungsnehmer ums Leben. Der Versicherungsnehmer verfügte zum Unfallzeitpunkt zwar über einen gültigen Führerschein der Republik Österreich für die Fahrzeugklasse B, jedoch nicht für die Fahrzeugklasse A1. Die im Todesfall bezugsberechtigte Ehegattin des Versicherungsnehmers begehrte vom Versicherer eine Versicherungsleistung in der Höhe von EUR 141.334,82. Der Versicherer lehnte jedoch jegliche Leistung mit der Begründung ab, dass aufgrund einer Verletzung der oben dargestellten Obliegenheit Leistungsfreiheit bestehe, da der Versicherungsnehmer das Unfallfahrzeug nach österreichischem Recht nicht hätte lenken dürfen. Daraufhin brachte die Bezugsberechtigte eine Klage gegen den Versicherer ein und begründete ihren Anspruch einerseits damit, dass die oben dargestellte Klausel gröblich benachteiligend sei, da der verstorbene Versicherungsnehmer über eine gültige Lenkerberechtigung in dem Land verfügt habe, in dem sich der Unfall ereignet habe. Andererseits sei die Klausel ungewöhnlich, da sie von den Versicherungsbedingungen anderer Versicherer abweiche.  Der Fall landete schließlich beim Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

Der OGH (7 Ob 184/21s) führte zunächst aus, dass die vorliegende Führerscheinklausel auf die jeweilige kraftfahrrechtliche Berechtigung nach österreichischem Recht abstellt. Nach Ansicht des OGH sei es aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers weder ungewöhnlich noch unerwartet, dass ein Versicherer mit Sitz in Österreich bei einem in Österreich wohnhaften Versicherungsnehmer unter dem Gesichtspunkt der Kalkulierbarkeit des Risikos bei der Frage der Lenkerberechtigung auf österreichisches Recht abstellt; dies insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass die kraftfahrrechtlichen Bestimmungen von Staaten außerhalb der Europäischen Union (wie hier: Iran) maßgeblich von der nationalen Rechtslage abweichen und auch schwer ermittelbar sein können. Der Umstand allein, dass möglicherweise andere österreichische Versicherer nicht auf die österreichische Rechtslage abstellen, macht die Klausel auch nicht ungewöhnlich. Nach Ansicht des OGH hat nämlich die bloße Verbreitung einer Klausel am Markt grundsätzlich keinen Einfluss darauf, ob sie als im redlichen Verkehr üblich anzusehen ist. Vor dem Zweck der Führerscheinklausel, ein erhöhtes Risiko durch unerfahrene und ungeschulte Lenker zu berücksichtigen, bewirke die Klausel auch keine wesentliche Einschränkung gegenüber dem Standard, den der in Österreich lebende Versicherungsnehmer von einer Unfallversicherung erwarten kann. Der OGH kam daher zum Ergebnis, dass die Klausel weder ungewöhnlich noch gröblich benachteiligend und daher gültig ist, sodass der Versicherer im vorliegenden Fall leistungsfrei blieb.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Die Bedingungslagen zur Führerscheinklausel unterscheiden sich je nach Generation und Versicherer. Deckungsablehnungen aufgrund der Führerscheinklausel sind daher stets auf den jeweiligen Wortlaut hin zu prüfen. Der Umstand, dass es am Markt unterschiedliche Bedingungslagen gibt, macht Klauseln nicht per se ungewöhnlich.«

Was ist passiert?

Der Versicherungsnehmer kaufte ein Fahrzeug der Marke Audi, welches vom sogenannten „Abgasskandal“ betroffen war. Als der Versicherungsnehmer davon Kenntnis erlangte, begehrte er gegenüber der Verkäuferin und der Herstellerin eine Rückabwicklung des Kaufvertrages. Dabei beabsichtigte er, seinen Anspruch gegen die Verkäuferin und jenen gegen die Herstellerin auf unterschiedliche Anspruchsgrundlagen zu stützen. Die Rechtsschutzversicherung des Versicherungsnehmers verweigerte jedoch die Deckung mit der Begründung, dass die beabsichtigte Klagsführung unschlüssig sei. Schließlich begehrte der Versicherungsnehmer die Feststellung der Deckungspflicht im Klagswege.

Wie ist die Rechtslage?

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) ist in der Rechtsschutzversicherung bei Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Klage kein strenger Maßstab anzulegen. Demnach ist es bereits hinreichend, wenn die Prozessführung nicht „offenbar aussichtslos“ ist. „Offenbare Aussichtslosigkeit“ ist insbesondere dann gegeben, wenn die beabsichtigte Klagsführung unschlüssig ist. Unschlüssigkeit der Klage bedeutet, dass sich das Klagebegehren nicht aus den Tatsachenbehauptungen ableiten lässt.

Im gegenständlichen Verfahren zu 7 Ob 152/22m führte der OGH zunächst aus, dass der Versicherungsnehmer beabsichtigte, sowohl die Verkäuferin als auch die Herstellerin in Anspruch zu nehmen. Zwar betitelte der Versicherungsnehmer in seinem Vorbringen die beiden Anspruchsgrundlagen, unterließ es jedoch entsprechende Tatsachenbehauptungen zu dem anspruchsbegründenden Verhalten der Verkäuferin und der Herstellerin aufzustellen. Folglich differenzierte er auch nicht zwischen den unterschiedlichen Anspruchsgegnern und Anspruchsgrundlagen.

Dementsprechend kam der OGH unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen zu dem Schluss, dass die Klage des Versicherungsnehmers unvollständig und somit unschlüssig blieb, sodass der Rechtsschutzversicherer leistungsfrei ist. Nach Ansicht des OGH ließ sich aus den Behauptungen des Versicherungsnehmers nicht einmal ansatzweise ein konkretisiertes Sachbegehren ableiten. Der bloße Verweis auf den „Abgasskandal“ sei trotz des Bekanntheitsgrades irrelevant, da sich daraus noch nicht ergebe, welchen konkreten Anspruch (Schadenersatz, Gewährleistung, etc.) der Versicherungsnehmer wem gegenüber geltend machen wollte.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch:

»Die Unschlüssigkeit einer Klagsführung führt in der Rechtsschutzversicherung zur Aussichtlosigkeit der Anspruchsverfolgung. Obwohl bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Klage kein strenger Maßstab anzulegen ist, muss die Klagsführung zumindest schlüssig sein. Unschlüssigkeit liegt vor, wenn entweder das Tatsachenvorbringen unvollständig ist oder selbst aus einem vollständigen Sachverhalt keine maßgebenden Rechtsfolgen abgeleitet werden können.«

5 Ob 60/22t

Was ist passiert?

Die Streitteile sind schlichte Miteigentümer einer Liegenschaft, auf der sich ein 1869 errichtetes Zinshaus mit 23 Wohnungen, drei Geschäftslokalen und zwei Rohdachböden befindet. Die Klägerin begehrte die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft durch Zivilteilung, also durch Veräußerung und Aufteilung des Kaufpreises. In eventu begehrte sie die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft durch Realteilung, also (hier) der Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum.

Wie ist die Rechtslage?

Im Gegensatz zu „Wohnungseigentum“, bei dem der jeweilige Wohnungseigentümer mit seinem Miteigentumsanteil an der Liegenschaft untrennbar das Recht zur ausschließlichen Nutzung des jeweiligen Wohnungseigentumsobjekts hat und über dieses auch verfügen kann, wird den Eigentümern bei einem „schlichten Miteigentum“ kein realer Teil zugeteilt, sondern ist jeder Einzelne Miteigentümer an der Gesamtsache und können diese über das Eigentum nur gemeinsam verfügen. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, besteht die Möglichkeit einer Teilungsklage.

Gemäß § 843 ABGB ist die Naturalteilung die Regel und die Zivilteilung die Ausnahme. Das Gesetz räumt der Realteilung damit den Vorrang ein. Die Zivilteilung kommt nur in Betracht, wenn eine Naturalteilung nicht möglich ist.

Im Verfahren über die Teilungsklage ist darüber abzusprechen, ob grundsätzlich die Möglichkeit einer Liegenschaftsteilung durch Begründung von Wohnungseigentum besteht (RS0101774). Ist das der Fall, ist ein Klagebegehren auf Zivilteilung abzuweisen (RS0013236).

Nach ständiger Rechtsprechung hat bei Realteilung jeder Miteigentümer einen Teil von annähernd gleicher Beschaffenheit und gleichem Wert zu erhalten (RS0013851). Der Naturalteilung einer Liegenschaft kommt aber auch dann der Vorrang zu, wenn ein Teilstück höherwertiger als ein ideeller Anteil bliebe, sofern der auf Zivilteilung geklagte Miteigentümer mit der Zuweisung des geringerwertigen Teils ohne Verlangen einer Ausgleichszahlung einverstanden ist (RS0126365; RS0013838). Eine solche Erklärung lag gegenständlich vor.

Die Realteilung ist darüber hinaus untunlich, wenn sie zu einer beträchtlichen Wertminderung der geteilten Sache im Vergleich zur ungeteilten Sache führt (RS0110440; RS0013831 ua). Die Klägerin brachte diesbezüglich vor, dass bei Zivilteilung ein potenzieller (Allein-)Ersteher alleine über den Dachbodenausbau entscheiden könne, bei Naturalteilung durch Wohnungseigentum die beiden Dachböden hingegen im Allgemeineigentum verblieben und daher bei der Gegenüberstellung der Schätzwerte die Ausbaufähigkeit der Dachböden nur bei der ungeteilten Sache wertmäßig zu berücksichtigen sei.

Bei der Beurteilung, ob es durch die Wohnungseigentumsbegründung zu einer beträchtlichen Wertminderung kommt, ist laut OGH jedoch von der objektiven gegenwärtigen Beschaffenheit der Gesamtliegenschaft auszugehen (RS0015827). Bei der Ermittlung des Werts der ungeteilten Sache ist somit das bestehende schlichte Miteigentum zu berücksichtigen. Fiktive Sachverhalte haben demgegenüber außer Betracht zu bleiben (vgl 5 Ob 122/16a). Die mögliche Wertschöpfung durch einen Ausbau des Dachgeschosses steht daher einer Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum nicht entgegen (5 Ob 109/21x). Die rein faktische Möglichkeit der Verwertung eines Dachbodens hängt nämlich nicht von der Art der Teilung ab.

Gegenständlich kam folglich der mit dem Eventualbegehren angestrebten Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum gegenüber der Zivilteilung der Vorrang zu.

Schlussfolgerung

»Bei der Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft kommt grundsätzlich der Realteilung der Vorrang gegenüber der Zivilteilung zu. Die Frage, ob allenfalls Gründe vorliegen, die eine Re-alteilung untunlich machen, hängt stets vom Einzelfall ab.«